S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.07.2024 um 10.30 UTC

Am Samstag anfangs gebietsweise Gewitter mit Starkregen und geringem
Unwetterpotential. Auch anschließend weiter unbeständig, zeitweise gewittrig.
Erst in der kommenden Woche Wetterberuhigung. Weiterhin sommerlich warm.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 17.07.2024

Der Start ins Wochenende, der heute auch den Beginn des Mittelfristzeitraums
markiert, bietet Potential für einen ordentlichen synoptischen Paukenschlag.
Bereits im vorlaufenden Kurzfristzeitraum kommt es zu einer veritablen
Tiefentwicklung, die möglicherweise in ein für die Jahreszeit ungewöhnlich
markant ausgeprägtes Sturmtief mündet, welches retrograd von der Ost- in die
Nordsee zieht. Die Entwicklung steht dabei im Kontext einer markanten
Trogvorderseite mit ausgeprägter diffluenter Höhenströmung und größeren
Luftmassengegensätzen mit T850 von über 20°C im Warmsektor. Der Trog selber
weist eine großräumige Dipolstruktur auf. Das für uns maßgebliche Höhentief
liegt dabei voraussichtlich irgendwo zwischen Ärmelkanal und Nordwestdeutschland
und zeigt eine gewisse Neigung zum Abtropfen. Über Osteuropa erstreckt sich
dagegen eine großräumige Keilachse mit leichter Tendenz zur Omegastruktur.
Dementsprechend liegt im Raum dazwischen eine sehr heiße und feuchte Luftmasse
(ThetaE bis 65°C), die im Zuge der damit verbundenen vorherigen
Warmluftadvektion bis in höhere nördliche Breiten – etwa bis auf Höhe des
Baltikums – vorangestoßen ist. Dieser auch weiterhin andauernde WLA-Prozess
greift nun von Osten den Langwellentrog über dem nahen Atlantik bzw. Nordmeer an
und unterstützt das Abtropfen des bereits erwähnten. Höhentiefs – quasi eine Art
„Wavebreaking“. Und damit zurück zu unserem Sturmtief: Dieses gelangt dadurch
auf die sich bildende Nordflanke des Höhentiefs und zieht dort mit der nun
östlichen Höhenströmung nach Westen gen Nordsee.
Hier ist nun entscheidend, wie gut die beschriebenen dynamischen Prozesse
zusammenspielen. Dabei zeigen sich bereits zu Beginn des Mittelfristzeitraums
teils heftige Modell-Diskrepanzen, wobei ICON den Vogel abschießt und das Tief
mit zeitweise unter 990 hPa Kerndruck simuliert. Das würde für die deutsche
Küste eine heftige Sturm- wenn nicht sogar Orkanlage nach sich ziehen, die
zuerst ablandig die Ostsee träfe und dann später mit ziemlicher Wucht auflandig
die Nordseeküste. Folgt man ICON weiter, dann zieht zudem ein MCS mit heftigen
Niederschlägen (Größenordnung >50 mm innerhalb von sechs Stunden) von Sachsen
Richtung Ostsee. Allerdings ist dies wohl das Worst-Case-Szenario, von dem die
anderen Modelle nicht so viel wissen wollen. Zumindest nicht in dieser
Größenordnung. Am wahrscheinlichsten erscheint dabei noch der Durchzug
signifikanter, stellenweise auch unwetterartiger gewittriger Regenfälle entlang
der Grenzregionen zu Österreich/Tschechien/Polen nach Norden in Richtung Ostsee.
Dass die Tiefentwicklung letztendlich so stattfindet, wie von ICON gezeigt,
erscheint dagegen aus heutiger Sicht ausgesprochen unwahrscheinlich.

Die Modelldiskrepanzen lösen sich zum Sonntag dahingehend auf, dass das
(Sturm-)Tief in der ein oder anderen Form weiter hinaus auf die Nordsee zieht
und zunehmend achsensenkrecht zum zugehörigen Höhentief steht. Damit sind dessen
Tage allmählich gezählt indem es nun beginnt, sich rasch aufzufüllen.
Unterdessen ist der Langwellentrog weiter nach Osten voran gekommen und zeichnet
sich noch immer durch seine Dipolstruktur aus. Nachdem uns die Trogvorderseite
nebst zugehöriger Achse bereits überquert hat, gelangt Deutschland nun in den
Bereich der Frontalzone mit einer ausgeprägten südwestlichen Höhenströmung, die
sich im Tagesverlauf zunehmend antizyklonal aufwölbt und damit vorübergehend
Wetterberuhigung einkehrt. Zudem ist nun rückseitig kühlere Atlantikluft
eingeflossen.

Am Montag steilt sich die südwestliche Höhenströmung noch weiter auf und bildet
nun im Geopotentialfeld einen neuen Keil aus, der den Dipolcharakter des
Langwellentroges intensiviert. Das östliche der beiden Höhentiefs schwächt sich
dabei zunehmend ab. Das westliche Höhentief intensiviert sich dagegen im
Zusammenspiel mit dem Keil. Dieser Teil des Höhentroges gewinnt dadurch an
Amplitude; stößt also nach Süden vor. Neuerliche WLA setzt ein, die die
feucht-heiße, über Südeuropa liegende Luftmasse anzapft und über die Alpen
hinweg nach Mitteleuropa führt (T850 15-20°C, am Alpenrand föhngestützt). Diese
beginnt voraussichtlich in der zweiten Tageshälfte, mit der sich nähernden
Trogvorderseite zu interagieren. Dabei unterstützt ein Bodentrog, der sich in
einem Randtief über der Nordsee manifestiert. Je nach Timing kommt es in dieser
Tiefdruckrinne zur Bildung stärkerer Gewitter. Allerdings ist die Chance groß,
dass das ganze erst in den Nachtstunden zum Dienstag stattfindet, und die Gefahr
gröberer Unwetter dadurch deutlich gedämpft wird. In diesem Falle läuft es eher
auf den Durchzug konvektiv durchsetzter Regenfälle aus Richtung Frankreich
hinaus, die aber zumindest das Potential für signifikanten Starkregen haben.
Auch die Bildung eines MCS ist hierbei nicht ausgeschlossen.

Am Dienstag hat uns dann auch diese Trogachse überquert und Deutschland gelangt
erneut auf eine Trogrückseite im Einflussbereich gemäßigt temperierter
Meeresluft. Der zugehörige Langwellentrog aber bleibt stationär mit Kern über
Nordwesteuropa liegen und amplifiziert weiter. Mit dem Durchzug einer weiteren
Trogachse in der zweiten Tageshälfte wird erneut nachhaltig kühlere Meeresluft
nach Mitteleuropa advehiert. Mit der KLA etabliert sich allmählich eine
Hochdruckbrücke in insgesamt zunehmend gradientschwacher Umgebung.

Daran ändert sich auch am Mittwoch nicht viel. Während in der Höhe weiterhin die
Vorderseite des stationären Langwellentroges dominiert, überwiegt bodennah
leichter antizyklonaler Einfluss vom Atlantik. Temperaturtechnisch ist dabei
eine zunehmende Zweiteilung Deutschlands auszumachen mit leicht kühleren Werten
im Nordwesten und etwas sommerlicheren Temperaturen in der Südosthälfte, wobei
sich die Differenzen insgesamt auch in Grenzen halten. Die großen Gewitterlagen
scheinen aber vorerst passé. Nur im äußersten Süden entlang der Alpen sind die
Möglichkeiten für Blitz und Donner weiter gegeben.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

ECMWF-IFS zeigt die grundlegenden synoptischen Strukturen recht konsistent. In
Detailfragen allerdings zeigen sich deutlichere Unterschiede. Beim (Sturm)-Tief
am Samstag zeigt sich aktuell ein Trend zur Intensivierung. Weitere Unterschiede
betreffen die Keilaufwölbung zum Sonntag und der nachfolgende Trogdurchgang am
Montag mit potentieller Gewitterlage (Amplitude, Trogform, Timing). Alles in
allem sind bei den Fragen, die direkte Auswirkungen auf das hiesige
Wettergeschehen haben, die Inkonsistenzen noch recht groß.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Globalmodellen sind bereits zu
Beginn groß. Bereits erläutert wurde die grob unterschiedliche Tiefentwicklung
am Samstag, bei der ICON aktuell eine heftige Außenseiterlösung präsentiert. Die
weiteren Lösungen (ECMWF, GFS, UK10) sind deutlich verhaltener und
wahrscheinlicher, zumal diese auch relativ kongruent zueinander scheinen und
sich nur in kleineren Detailfragen unterscheiden. Weitere Differenzen zeigen
sich vor allem in der neuen Woche mit dem Übergreifen des Troges sowie dem
Warmluftvorstoß aus Süden. Dieser fällt in ECMWF am intensivsten aus, die
anderen Modelle sind diesbezüglich verhaltener. Entsprechend unsicher ist am
Montag noch der genaue Ablauf bezüglich der Wettererscheinungen im Zuge eines
Frontdurchgangs. Nicht auszuschließen, dass es auch gar nicht erst zu
Gewitterbildung kommt, auch wenn dies angesichts der Gesamtlage und der
beteiligten Luftmasse unwahrscheinlich scheint.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die EPS-Member des ECMWF laufen erst zu Wochenbeginn deutlicher auseinander und
zeigen vorher eine recht gute Konsistenz. Insgesamt erscheint die Streubreite in
der Nordhälfte größer, was dem dort stärkeren zyklonalen Einfluss zuzurechnen
ist. Insgesamt wird der beschriebene Ablauf in den Rauchfahnen abgebildet.

Die Cluster zeigen sich erstaunlich einheitlich. Zu Beginn (bis t+96) werden
noch drei Lösungen präsentiert, die letztendlich aber nur minimal voneinander
abweichen. Dementsprechend gibt es für die nachfolgenden Zeiträume auch jeweils
nur ein einziges Cluster. Dabei erfolgt eine Umstellung von Blocking auf -NAO
und ab t+192 wieder zurück auf Blocking. Auffällig ist hierbei eine hohe
Geopotentialanomalie über Nordeuropa, die sich auch schon in der Deterministik
andeutet.

Die EPS von GFS spiegeln im Wesentlichen den gleichen Ablauf wieder, wie ihn
auch ECMWF-EPS zeigt. Auffällig ist hier vor allem, dass der Warmluftvorstoß am
Sonntag/Montag wohl länger anhalten soll, als in anderen Modellen gezeigt. Dies
könnte auf die Möglichkeit der Ausbildung einer stärker konturierten
Luftmassengrenze im Laufe der nächsten Woche hindeuten.

Fazit:
Die Gewitterei hält zu Beginn des Mittelfristzeitraums noch an. Weiterhin zu
beobachten bleibt zudem die Tiefentwicklung am Freitag/Samstag, die in ICON
außergewöhnlich heftig ausfällt. Wahrscheinlich läuft das Ganze deutlich
harmloser ab, als dort gezeigt. Nichtsdestotrotz gilt es, darauf zu achten, ob
an dieser Stelle nicht doch eine böse Überraschung droht. Im weiteren Verlauf
bleibt es zunächst unbeständig und teils noch gewittrig, bevor im Laufe der
kommenden Woche unter leichtem Hochdruckeinfluss allmählich etwas Ruhe einkehrt.
Das Ganze bei relativ normal anmutender Temperierung, meist mit Werten der
Größenordnung um 25°C.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Samstag wahrscheinlich zunächst noch kräftiger bis heftiger und gewittrig
durchsetzter Starkregen entlang der östlichen Landesgrenzen.
Am Sonntag sind einzelne Sturmböen an der Nordsee wahrscheinlich.
Montag kommt es von Südwesten erneut zu Gewittern, die im Verlauf bis in die
Landesmitte vorankommen. Das ist aber zunächst noch gering wahrscheinlich und im
Ablauf recht unsicher.

Basis für Mittelfristvorhersage
ICON, ECMWF, ECMWF-EPS, GFS-EPS, MOS

VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch