SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Wechselhaft und mäßig warm bis sehr warm. Wiederholt teils kräftige Gewitter mit
lokalem Unwetterpotenzial. Variable Schwerpunkte der Gewitteraktivität.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Aktuell … dauert die recht statische Ausgangslage weiter an. Einem positiv
geneigten Langwellentrog, der sich von Nordwesteuropa bis in das Seegebiet
westlich der Biskaya erstreckt, steht eine anhaltende Blockierung mit positiven
Geopotenzialanomalien über Osteuropa gegenüber. Diese Blockierung hat die
Kurzfrist über Bestand, sodass mit einer wechselhaften und gewitterträchtigen
Kurzfrist zu rechnen ist.

Heute Nachmittag verabschiedet sich eine ausgeprägte präfrontale Konvergenz
zügig nach Polen, sodass dieses Konvektionsmaximum inklusive einiger Unwetter
nun erstmal überstanden ist.

Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen, denn rückseitig der Konvergenz
muss man weit nach Westen blicken, um die eigentliche Kaltfront zu erahnen, die
zum Abend erst im Grenzbereich Benelux/Deutschland aufschlägt. In der Analyse
wäre dies die 2. Kaltfront, denn ein Temperatur-/Feuchtegradient innerhalb des
Warmsektors wurde mit einer ersten Kaltfront abgebildet – im Graubereich
zwischen einer Front und Konvergenz.
Der dazwischen aufgespannt Warmsektor hat zwar seine extreme
Luftmasseneigenschaft mit MUCAPE über 2000 J/kg, T850-Werten um 20 Grad und PW
Werten von deutlich über 40 mm eingebüßt, doch auch die aktuell noch vorhandene
Luftmasse weist weiter viel Feuchte und Labilität auf (PW-Werte um 35 mm, MUCAPE
von 500 bis 1000 J/kg bei T2m Taupunkten von 16 bis 21 Grad sowie mäßiger
hochreichender Scherung um 15 m/s).

Ein erster Kurzwellenimpuls verlässt uns im Nachmittagsverlauf ostwärts, sodass
wir irgendwo im Niemandsland bei schwachem synoptisch-skaligen Absinken liegen.
Wir verbleiben allerdings in einer zyklonal geprägten südwestlichen
Hintergrundströmung und das bei einer nahezu ungedeckelten, labilen Luftmasse.
Da erklärt es sich von selbst, dass auch heute Nachmittag und Abend mit weiteren
Gewittern zu rechnen ist.

Der Blickfang hier ist die Trogachse, die am Nachmittag in etwa vom Niederrhein
in Richtung Allgäu verläuft (15Z) und bis 18Z auch den Bayerischen Wald
erreicht. WV Loops heben dies durch sich konstant abkühlende
Wolkenoberflächentemperaturwerte über dem Süden/der Mitte hervor, die mit einem
noch überwiegend skaligen Niederschlagsgebiet in Verbindung stehen. Bereits hier
scheiden sich die „Modellgeister“ in alle Richtungen.

ID2 und weitere Nowcastprodukte entwickeln am Alpenrand einen rasch ostwärts
ziehenden Cluster mit Unwettercharakter, während andere eine gedämpfte Lösung
präsentieren. Letztendlich entwickelte sich im Verlauf des Nachmittags ein
größerer Komplex, der gestützt von einer nordöstlichen Bodenwindkomponente am
östlichen Alpenrand nun immer weiter an Kraft zulegen wird (besonders im
Grenzbereich zu Salzburg, wo die Taupunkte ansteigen). Entsprechende
Unwetterwarnungen wurden aktuell (14Z) bereits ausgegeben. Jüngste AMDAR
Aufstiege aus der Region zeigen jedoch eine recht höhenmilde Luftmasse, was
nicht gerade hagelförderlich ist. Die in den Radardaten gezeigten recht
kräftigen Mesos sollten jedoch strichweise Hagelkörner mit einem Durchmesser von
3 bis 4 cm bringen.

Der aktuell (12Z) noch recht stratiform geprägte Cluster über der südlichen
Mitte soll nach ID2 ohne größere Zündung nordostwärts ziehen, während andere
eine Entwicklung von Gewittern im Umfeld von Nürnberg andeuten. Ein 11Z AMDAR
von Nürnberg zeigt einen überschaubaren Deckel, jedoch recht höhenmilde
Luftmassen bei 550 hPa, die die Labilitätsfläche deutlich verkleinern. Mit dem
Trog soll aber auch diese Schicht abkühlen, was ein 1130Z AMDAR von Frankfurt
bestätigt. Da sich die Luftmasse rückseitig der Konvergenz rasch erholt mit 12Z
Werten von 25 bis 28 Grad über 17 bis 21 Grad (T über Td), sieht es nach einer
zweiten Konvektionswelle aus, die den Osten bis zum Abend erfasst. Die Scherung
geht peripher des Troges sowohl in 0-3km, als auch in 0-6 km auf Werte hoch, die
für eine Mischung aus organisierten Multizellen und einzelnen Superzellen gut
ist. Es werden alle Begleiterscheinungen erwartet: dominant die Böen (Bft 8 bis
9) bei einer weiterhin moderat durchmischten Grenzschicht sowie Hagel und
Starkregen, lokal bis in den Unwetterbereich.

Bleibt noch der gesamte Westen zu nennen, der ebenfalls von den genannten
dynamischen und thermodynamischen Eigenschaften betroffen ist. Richtige Foki für
die Entwicklung der Gewitter gibt es hier zwar nicht, aber entlang der
Orografie, wie auch im Umfeld von Konvergenzen sind wiederholt teils kräftige
Schauer und Gewitter zu erwarten. Bei hochreichender Scherung um 15 m/s sind
organisierte Gewitter mit Hagel, Starkregen und Sturmböen lokal möglich. Dank
eines recht niedrigen LCL ist auch ein Tornado nicht ausgeschlossen.

Die abendlichen Werte liegen je nach Bewölkung und Niederschlagsverteilung
zwischen 22 und 27 Grad mit den höchsten Werten im gesamten Osten. Im Umfeld der
Nord- und Ostsee bleibt es mit 18 bis 21 Grad kühler.
Der schwache bis mäßige West- bis Südwestwind spielt abseits der Konvektion
keine Rolle.

In der Nacht zum Donnerstag ändert sich wenig. Die Kaltfront kommt etwas weiter
nach Osten voran und könnte ausgangs der Nacht in etwas einen Bogen von der
Eifel über den Harz in Richtung Lübeck einnehmen.
Synoptisch gesehen verbleiben wir in einer zyklonalen Südwestströmung, in der
eingebettet zahlreiche kleinere Hebungsimpulse Deutschland nordostwärts
überqueren. Zudem nähert sich von Frankreich ein 90kt Höhenjet, dessen linker
Auszug zunehmend auf die Mitte Deutschlands übergreift.

Die nächtlichen MUCAPE Werte gehen auf 300 bis 700 J/kg zurück und das bei einer
hochreichenden Scherung, die von 15 m/s über der Mitte auf über 25 m/s im
Südwesten ansteigt (dank der Nähe zum Jet).

Bedeutet, dass trotz eines nächtlichen Konvektionsminimums immer wieder
einzelne, teils kräftige Schauer und Gewitter entstehen, die lokal von Hagel,
Sturmböen und Starkregen begleitet werden, wobei das Böenpotenzial mit der
nächtlichen Stabilisierung abnimmt. Ein Fokus kann schwer gesetzt werden, da das
u.a. von der abendlichen Konvektionsverteilung abhängt, aber grundsätzlich sehen
die Zutaten im Süden und Osten sehr gut aus (MUCAPE ~1000 J/kg). Sehr niedriges
Hebungskondensationsniveau und eine regional verminderte Stabilisierung der
Grenzschicht könnten sogar für ein Tornadoereignis gut sein, sollte sich in der
Tat die eine oder andere rotierende Zelle entwickeln.
Zusammengefasst wird es in der Nacht nicht alle treffen. Wo sich etwas
entwickelt, können die Begleiterscheinungen jedoch markant, vielleicht lokal
auch mal unwetterartig ausfallen.

Im postfrontal vergleichsweise stabilen Nordwesten verläuft die Nacht, abseits
eines geringen Schauerrisikos, meist trocken.

Die nächtliche Werte liegen zwischen 19 und 13 Grad. Der West- bis Südwestwind
spielt abseits der Konvektion schwach bis mäßig keine größere Rolle.

Donnerstag … liegt Deutschland rückseitig der nordwärts abziehenden Trogachse
in einer vergleichsweise glatten südwestlichen Strömung, die jedoch weiterhin
leicht flattert. Bodennah baut sich temporär eine schwache Bodenhochdruckbrücke
auf, deren Achse von Nordfrankreich nach Süddeutschland gerichtet ist.

Besonders in den Westen und Norden (Eifel-Spessart-Lübeck bis Belgien/Holland)
sickert eine deutlich stabiler geschichtete Luftmasse mit PW-Werten von 20 bis
25 mm und T850-Werten von 7 bis 12 Grad ein. In diesem Bereich labilisiert die
Luftmasse nur geringfügig mit Werten von 200 bis 500 J/kg MUCAPE, wobei der
größte Labilitätsanteil in den untersten 3km zu finden ist. Zumeist handelt es
sich bei regionaler Auslöse um Schauer, doch auch einzelne Gewitter sind nicht
ganz ausgeschlossen, sollte die Sperrschicht in 600/700 hPa überwunden werden.
Ein kurzer Platzregen und kräftige Böen dürften das höchste der Gefühle sein.
Allerdings heben die Vorhersageprofile ein gewisses Potenzial für einzelne
Funnelsichtungen hervor.

Im Süden und Osten wird die labile Luftmasse dank einer über Süd- und
Ostdeutschland mehr oder weniger stagnierenden Kaltfront nicht wirklich
ausgeräumt, sodass dort weiterhin PW-Werte um 35 mm, MUCAPE bis 1000 J/kg und
eine hochreichende Scherung um 20 m/s vorhanden sind. Grundsätzlich gute
Voraussetzungen für organisierte Konvektion, wenn diese eben ausgelöst wird. Aus
heutiger Sicht ergibt sich am Vormittag im Nordosten sowie ab der Mittagszeit im
Umfeld der Donau ein regional erhöhtes Risiko für einzelne kräftige Gewitter mit
Starkregen, Hagel und Sturmböen – zumeist markant, lokal aber Unwetter nicht
ausgeschlossen.

Abseits dieser Brennpunkte kann das Wetter auch im Süden und Osten als meist
freundlich umschrieben werden inklusive einiger Sonnenstunden. Die Maxima liegen
meist zwischen 24 und 29 Grad, im Umfeld der Nordsee zwischen 19 bis 23 Grad.
Der Wind kommt meist schwach bis mäßig aus Nord bis Nordwest, unter dem
Bodenhoch im Südwesten aus unterschiedlichen Richtungen.

In der Nacht zum Freitag ist es auch schon wieder vorbei mit der Ruhe. Dank
ständigem Geopotenzialfall über der Biskaya gelangen wir in eine stramme
südwestliche Strömung. Der den Trog begleitende Höhenjet erfasst ganz West- und
Mitteleuropa und beeinflusst mit seinen Vergenzen auch unser nächtliches Wetter
in Deutschland. Zudem setzt über Frankreich Druckfall in der Grenzschicht ein
mit der Entwicklung einer diffusen Bodentiefdruckrinne – ggf. auch mit einem
kompakteren Bodentiefkern über Nordostfrankreich. Diesbezüglich zeigt das
IFS-ENS jedoch noch eine erhebliche Streuung der Member.

Sicher ist jedoch, dass mit dem beginnenden Druckfall die Kaltfront über
Süddeutschland erneut in eine nordwärts schwenkende Warmfront modifiziert wird,
die ausgangs der Nacht in etwa die Mitte Deutschlands erreicht. Der über
Süddeutschland aufgespannte Warmsektor weist PW-Werte von 33 bis 40 mm sowie für
die Nacht doch recht beachtliche MUCAPE-Werte von 500 bis 1000 J/kg auf.
Allerdings nehmen auch die T850 hPa Werte zu und erreichen ausgangs der Nach
südlich der Donau 17 bis 19 Grad. Sprich, vieles ist gedeckelt, jedoch nicht
alles und schon gar nicht peripher der Warmfront, die durch das französische
Bodentief forciert nach Nord/Nordost vorankommt. Somit muss man im Verlauf der
Nacht aus Südwesten mit dem Übergreifen zahlreicher Gewitter, ggf. teils auch in
Form von Clustern rechnen. Die Konvektion dürfte noch zumeist abgehoben
daherkommen. Bei effektiven Scherungswerten um 15 m/s könnte neben Starkregen
auch Hagel lokal ein Thema sein. Unwetter sind auf jeden Fall lokal nicht
ausgeschlossen.
Ausgangs der Nacht muss man dann rasch mit einer Labilisierung bis in die
Grenzschicht rechnen, sodass bereits frühmorgen die eine oder andere Superzelle
über der Mitte Deutschlands nicht ausgeschlossen werden kann – dann auch mit
zunehmendem Böenpotenzial.

Im Norden und Osten verläuft die Nacht hingegen teils klar, teils wechselnd
bewölkt und trocken.
Die Minima liegen südlich der Warmfront bei 18 bis 15 Grad und nördlich davon
bei 14 bis 10 Grad.
Der Wind kommt im Norden aus Ost, sonst zunehmend mäßig bis fisch aus Südwest.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag … ergeben sich keine gröberen Abweichungen zur Frühübersicht.

Der grobe Fahrplan steht, es ergeben sich aber weiterhin nicht zu
vernachlässigende Diskrepanzen beim Blick auf das Bodendruckfeld. Der Großteil
der Numerik entwickelt eine recht breite Bodentiefdruckrinne über weiten
Bereichen Deutschlands mit einem dominanten Bodentief, das von Nordostfrankreich
in den Nordwesten Deutschlands driftet. Im IFS-ENS wird dies vergleichsweise gut
gebündelt gezeigt, allerdings mit doch noch recht großer meridionaler
Streubreite und auch mit Blick auf die Intensivierungsrate des Bodentiefs
ergeben sich mehrere Lager der Member.

Dennoch kann man sagen, dass sich im Tagesverlauf ein umfangreiches Bodentief in
den Nordwesten Deutschlands verlagert und die Warmfront in den Norden drückt,
sodass die T850 Werte deutschlandweit meist zwischen 12 und 16 Grad liegen. Die
Luftmasse im Warmsektor ist sehr feucht mit PWs von 35 bis 40 mm und trotz einer
recht höhenmilden Luftmasse reicht das aus für MUCAPE Werte zwischen 800 und
1500 J/kg.
Ein markanter Jet erfasst den Südwesten und Westen Deutschlands, sodass dort die
kinematischen Bedingungen für organisierte Konvektion sehr gut sind
(hochreichende Scherung über 20 m/s).

Allerdings ergeben sich beim Blick auf den Hebungsantrieb einige Fragezeichen,
da stromab der Haupttrogachse über Frankreich eher synoptisch-skaliges Absinken
dominiert (negative Schichtdickenadvektion und Temperaturadvektion rückseitig
des Bodentiefs), das jedoch von einer sehr höhendiffluenten und divergenten
Strömung überlagert wird.

Diese etwas gegensätzlichen Vorzeichen erzeugen aus heutiger Sicht einen
Konvektionsschwerpunkt entlang der Warmfront und des Bodentiefs, der ausgangs
der Nacht über die Mitte in den Norden und Osten Deutschlands schwenkt. Im
Umfeld der Warmfront sorgt die erhöhte Richtungsscherung neben der vorhandenen
üppigen Geschwindigkeitsscherung für gute Bedingungen, die organisierte
Multizellen bis hin zu Superzellen fördern. Alle möglichen Begleiterscheinungen
sind hier lokal bis in den Unwetterbereich möglich. Im Nordwesten (peripher des
Bodentiefs) dürfte die storm-relative Komponente der Bodenzirkulation für teils
mehrstündigen Starkregen bis in den Unwetterbereich gut sein.

Postfrontal der Warmfront dürfte das Absinken sowie ein temporäres Stabilisieren
der Luftmasse über den Mittag für eine vorübergehende Wetterberuhigung sorgen,
bevor zum Nachmittag und Abend überall ein lokales Potenzial für kräftige
Schauer und Gewitter vorhanden ist – teils bis in den Unwetterbereich. Erneut
wird es nur einzelne treffen und viele werden einen freundlichen Nachmittag
genießen, doch lokal kann es halt ordentlich „scheppern“.

Die Maxima liegen von West nach Ost zwischen 20 und 28 Grad. Der Wind weht mäßig
bis frisch aus West bis Südwest.

In der Nacht zum Samstag nehmen die Unsicherheiten weiter zu, sodass eine
detaillierte Beschreibung wenig Sinn macht. Insgesamt nimmt das Potenzial für
Gewitter allmählich ab, einzelne markante Entwicklungen sind jedoch die gesamte
Nacht hindurch nicht ausgeschlossen.
Inwieweit die (recht beständige) ICON Lösung mit heftigen Dauerniederschlägen im
Nordosten richtig liegt muss abgewartet werden. Je nach Lage und Intensität des
Bodentiefs ist eine ausgewachsene Gegenstromlage mit heftigen Niederschlägen im
Norden und Osten Deutschlands nicht auszuschließen. Dies sieht auch UK10 so.

Die Minima liegen zwischen Ost und West bei 19 bis 10 Grad und der Westwind weht
mäßig bis frisch.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Numerik hat die Entwicklung bis in die Nacht zum Freitag sehr gut im Griff.
Allerdings wirken sich bereits kleine und unscheinbare Unterschiede erheblich
auf ein regionales Gewitterpotenzial aus. Diese Diskrepanzen wurden bereits
beschrieben.
In der Folge (zum Freitag) nehmen die Unsicherheiten bei der Vorhersage der
Bodentiefdruckrinne deutlich zu, besonders mit Blick auf die Lage und Intensität
einer dominanten Bodentiefentwicklung. Diesbezüglich müssen noch weitere
Modellläufe abgewartet werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy