SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Zunehmend hochsommerlich heiß. Ab den späten Abendstunden des Dienstags im
Westen aufkommendes Gewitterpotenzial, lokal mit Unwetter. Süddeutsches Bergland
einzelne Hitzegewitter. Am Mittwoch im Süden und Osten erhöhtes
Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Aktuell … verbleibt Deutschland unter einer leicht antizyklonal angehauchten
südwestlichen Höhenströmung mit T850 Werten von Nord nach Süd zwischen 5 und 14
Grad.

Bei fallendem Geopotenzial (westlich der Biskaya) und Bodendruck (Frankeich)
wird eine inaktive Frontalzone über Süddeutschland zu einer nordwärts
schwenkenden Warmfront umgewandelt, die zum Abend (bodennah) die Mitte
Deutschlands erreicht. Taupunkte südlich der Front liegen bei 13 bis 16 Grad,
nördlich davon bei 7 bis 10 Grad und lassen somit die Nachmittagswerte von 20
bis 26 Grad zumeist recht gut ertragen (bei auflandiger westlicher Komponente an
der Deutschen Bucht Maxima von etwas unter 20 Grad).
Wettertechnisch bedarf es keiner großer Worte. Zumeist verläuft der
Nachmittag/Abend freundlich und trocken mit einem geringen Schauer- und
Gewitterrisiko im Norden (kurzlebig) und einzelnen Schauern in Richtung
Niederbayern. Zudem sorgt verstärkte WLA über dem Nordwesten Deutschlands für
den Aufzug dichter mehrschichtiger Bewölkung, aus der etwas Regen mit
homöopathischen Mengen fallen kann.

In der kommenden Nacht zum Dienstag wird die Warmfront Stück für Stück nach
Norden in Richtung Deutsche Bucht geführt, wobei sich etwas WLA induzierter
Niederschlag mit geringen Mengen auf den Nordwesten Deutschlands beschränkt
(Schwerpunkt: Umfeld der Deutschen Bucht). Im breiten Warmsektor über der Mitte
und dem Süden verläuft die Nacht meist klar und trocken bei Minima von 17 bis 11
Grad.

Dienstag … baut sich über Deutschland eine Blockierungslage auf mit tiefem
Geopotenzial über der Biskaya und hohem Druck über Osteuropa. Deutschland
gelangt in eine zunehmend südliche Anströmung, die jedoch tagsüber noch
überwiegend antizyklonal geprägt daherkommt mit T850 Werten von Nord nach Süd
zwischen 13 und 20 Grad. Dies ergibt bei effektiver Durchmischung und
Einstrahlung (Wettercharakter meist freundlich oder sonnig) Maxima von 27 bis 33
Grad, lokal bis 34 Grad.

Bezüglich der Gewitteraktivität gibt es zwei kleinere Baustellen.

Die eine liegt am direkten Alpenrand/dem Bayerischen Wald, bzw. inneralpin. Die
Schichtdicke ist nicht überbordend und mit einem leichten Überströmen der Alpen
nehmen dort auch die lapse rates über einer recht feuchten Grenzschicht zu,
sodass am Nachmittag/Abend nur schwach gedeckelte 2000-2500 J/kg MUCAPE zur
Verfügung stehen. Diese fallen wohl mit Berücksichtigung des entrainment dank
einer Abtrocknung oberhalb des 600 hPa Niveaus etwas geringer aus, doch davon
abgesehen sind das nicht zu verachtende Labilitätswerte in Verbindung mit
mäßiger hochreichender Scherung von 10 bis 15 m/s (alpines Pumpen wird von
Globalmodellen unterschätzt). Sollte es diabatisch zur Auslöse kommen, dann
wären einzelne kräftige Gewitter mit Starkregen zu erwarten, die punktuell auch
bis in den Unwetterbereich gepuscht werden können (PWs bei 30 bis 35 mm). Zudem
wäre kurzzeitig auch größerer Hagel möglich. Dies ist aber ein sehr lokales
Risiko und abhängig von aktuell nicht auflösbaren Hebungsmechanismen wie dem
lokalen Berg-/Talwind etc.

Die andere Baustelle liegt zu dem Zeitpunkt noch knapp westlich der Grenze zu
Frankreich/Benelux in Form organisierter Gewitter, die aus aktueller Sicht noch
keinen direkten Einfluss auf das Wetter in Deutschland haben (abseits eines
vorauseilenden Cirrenschirms). Diese Konvektion steht in Verbindung mit einer
langsam ostwärts drängenden Kaltfront, die zum Abend in etwa den Pariser Raum
erreichen soll.

Der Wind kommt tagsüber meist schwach bis mäßig aus Südost.

In der Nacht zum Mittwoch kommt die Kaltfront dann etwas rascher bis zur Mitte
Deutschlands voran mit präfrontalen T850-iger Werten von 16 bis 19 Grad, die
postfrontal auf 11 bis 14 Grad zurückgehen.

Bezüglich der Gewitteraktivität hängt viel davon ab, welche Feuchte präfrontal
bzw. grenzschichtnah in den Nordwesten Deutschlands geführt wird. Aus heutiger
Sicht könnten zum Abend Taupunkte von 15 bis 18 Grad auch den Westen
Niedersachsens erreichen. Dies ist jedoch bei einer insgesamt sehr warmen
Luftmasse bis 800 hPa im Grenzbereich dessen, was man für die Auslöse
grenzschichtnaher Konvektion erwarten würde. Eher deuten diese Werte auf ein
zügiges Abheben der Konvektion auf dem Weg nach Deutschland mit zunehmendem CIN
hin, zumal die Luftmasse unterhalb von 800 hPa auch sehr trocken ist.
Entsprechend dieser Information mit inverted-V Profilen und hoher Basis liegt
das Hauptaugenmerk beim Wind und aus heutiger Sicht kann man nicht ausschließen,
dass in den Bereich Eifel-Niederrhein bis ins Emsland noch ein garstiges bow
echo aus Belgien/Holland reinläuft, bevor es sich abschwächt. In diesem Fall
wären Sturmböen oder schwere Sturmböen (Bft 9/10) ebenso denkbar, wie eine
geringe Wahrscheinlichkeit für orkanartige Böen (Bft 11). Dieses Risiko schließt
auch das Ruhrgebiet mit ein.
All das wird auch im Grenzbereich zu Belgien/Holland (ID2-EPS) wiederholt so
abgebildet.

In der Folge sorgt der Deckel für eine recht inaktive Kaltfrontpassage, die auch
die Mitte Deutschland betrifft. Allerdings sorgen hohe LCL Werte und eine sehr
trockene Grenzschicht für erhöhtes Windböenpotenzial selbst bei Schauern inkl.
einem lokalen Potenzial für stürmische Böen. Vielerorts wird sich die
Kaltfrontpassage wohl vor allem durch ein ruppiges Auffrischen des auf West
drehenden Winds bemerkbar machen.

Doch diese Lage ist recht knifflig, denn die in die Mitte Deutschlands
vorankommende Kaltfront (tendenziell eher zunehmend eine präfrontale Konvergenz,
die der eigentliche Kaltfront ostwärts vorauseilt) interagiert immer wieder mit
der komplexen Orografie, sodass entsprechende Hebung die von Nord nach Südost
von 500 auf über 1500 J/kg zunehmenden MUCAPE-Werte immer wieder in einzelne
Gewittern umwandeln kann. Diese Gewitter sind dann kurzfristig auch für
Sturmböen, im Extremfall auch mal für eine Bft 10 gut. Warntechnisch eine sehr
schwer umzusetzende Situation.
Sollte die jüngste ID2 Idee real werden, dann müsste man zudem in Bayern auch
bis zum 06Z Termin mit präfrontaler Auslöse rechnen und dort sind dann neben den
genannten Winderscheinungen auch teils große Hagelkörner möglich (sprich:
lokales Unwetterpotenzial). Je nach Ausprägung der Konvektion wäre zudem eine
Druckwelle am Alpenrand bis in den markanten Bereich (exponiert im Bergland
teils mit schweren Sturmböen) denkbar.

Postfrontal der Konvergenz kommt dann nach Mitternacht in den Westen die
eigentliche Kaltfront rein. Die hierbei ausgelöste Konvektion dürfte zwar
weiterhin abgehoben sein, jedoch in einer insgesamt sehr feuchten Luftmasse mit
PW Werten von über 35 mm initiiert werden, sodass lokal Starkregen zumindest im
markanten Bereich auftreten kann.

Die Minima liegen meist zwischen 21 und 16 Grad, wobei die Tropennächte je nach
Bewölkungsverteilung nicht nur auf die Ballungsräume beschränkt sein werden.
Der Wind kommt abseits der Konvektion mäßig bis frisch aus südwestlicher
Richtung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Mittwoch … verbleiben wir in einer zyklonal geprägten südwestlichen
Höhenströmung.

Der Blickfang in dieser Strömung ist die ostwärts vorankommende Kaltfront, wobei
hier viel davon abhängt, wie sich die Konvektion die Nacht über verhalten hat,
ob sich daraus eine vorauseilende Druckwelle auch bis in den Osten Deutschlands
halten kann und ob die optionale Konvektion ausgangs der Nacht in Bayern ein
Eigenleben in Form eines cold pools bekommt und das Böhmische Becken durchquert
bzw. ggf. auch auf Sachsen Einfluss ausüben kann.

Aus heutiger Sicht scheint die vorauseilende Druckwelle mit dem der Tageszeit
entsprechenden Konvektionsminimum an Progression zu verlieren und zunehmend mit
der eigentlichen Kaltfront zu verschmelzen. Diese Option würde alle Bereiche
zwischen der Ostsee und dem östlichen Erzgebirge in einen breiten Warmsektor
bringen mit MUCAPE Werten um 2000 J/kg bei hochreichender Scherung von 10 bis 15
m/s – wenn die diabatische Komponente voll umgesetzt werden kann. In dem Fall
wären T2m Werte bis zur Mittagszeit um 30 Grad denkbar, was den spread zwischen
T2m und Td2m soweit erhöhen würde, dass erneut das Windpotenzial in den
Vordergrund gerückt werden würde. Die recht strömungsparallele Ausrichtung der
Kaltfront würde eine rasche Ausbildung einer soliden Konvektionslinie fördern,
deren cold-pool getriebene Böen rasch in den Bft 10, gebietsweise auch in den
Bft 11 Bereich reichen können.
Sollte jedoch die aktuelle ICON Schiene die Lage richtig einschätzen, dann wäre
das gesamte Konvektionspotenzial durch eine progressivere Druckwelle deutlich
reduziert – wenigstens mit Blick auf eine ausgewachsene Schwergewitterlage.
Leider wird sich hier viel erst im Nowcast klären lassen. Auf jeden Fall sollte
man sich im Osten ab dem späten Vormittag von West nach Ost auf teils heftige
Gewitter einstellen, wo neben dem erhöhten Böenpotenzial auch Hagel und
Starkregen ein Thema sein würden.

Viele Fragezeichen ergeben sich auch im gesamten Süden Deutschlands. Hier kommt
die Kaltfront (auch bedingt durch leichten Druckfall und die genannte
Ausrichtung zur Hintergrundströmung) nur zögernd voran, sodass es hier mit dem
Tagesgang nochmal einheizen und labilisieren kann. Die Numerik streut noch sehr
mit Blick auf die Einstrahlung, aber es besteht auch hier das Potenzial bei 1000
J/kg MUCAPE und 10-15 m/s hochreichender Scherung für organisierte
Multizellen/isolierte Superzellen mit Hagel, Sturmböen und Starkregen. Auch die
Entwicklung einer langlebigen und ostwärts ziehenden Superzelle/einem bow echo
am direkten Alpenrand ist bei der Konfiguration möglich mit Begleiterscheinungen
bis in den Unwetterbereich.

Zuletzt sei noch der Westen Deutschlands genannt, wo zwar eine deutlich
stabilere Luftmasse einbezogen wird, diese aber besonders in Richtung NRW
peripher einer durchschwenkenden Trogachse am Nachmittag nochmal ausreichend
labilisiert werden kann. Hier wären dann einzelne kräftige Gewitter nicht
ausgeschlossen. Hierfür bedarf es aber einer entsprechenden diabatischen
Komponente.

Die Maxima liegen meist bei schwül-warmen 25 bis 28 Grad, im Osten präfrontal
der Kaltfront (wenn die Druckwelle nicht durchgegangen ist) bei 29 bis 33 Grad.
Abseits der Konvektionsböen weht der Wind mäßig bis frisch aus West bis Südwest.

Die Nacht zum Donnerstag verläuft dann postfrontal teils klar, teils stärker
bewölkt mit einem geringen Schauer- und Gewitterrisiko entlang der Orografie
sowie im Osten Deutschlands. Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 und 13 Grad und
der Wind kommt schwach bis mäßig aus Südwest.

Modellvergleich und -einschätzung

Die grobe Entwicklung mit einer von Westen hereinschwenkenden Kaltfront sowie
einer sich präfrontal etablierenden Konvergenz wird von den Modellen recht gut
erfasst. Leider ergeben feine Diskrepanzen, wie z.B. die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Konvergenz größere Unsicherheiten bei der
Abschätzung des Gewitterpotenzials für den Mittwoch, die wohl erst im Nowcast
beantwortet werden können.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy