#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Montag, den 01.07.2024 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 01.07.2024 um 10.30 UTC
Wechselhaft, zeitweise windig und meist nur mäßig warm. Erst im Laufe der
kommenden Woche wieder Hitze und Unwetter möglich.
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 08.07.2024
Am kommenden Donnerstag mutet die Konstellation geradezu frühherbstlich an mit
Vereinigung von Subtropen- und Polarfrontjet südlich eines umfangreichen
Zentraltiefs dicht nördlich von Schottland, womit in einer strammen west- bis
nordwestlichen Strömung wiederholt atlantische Tiefausläufer über uns
hinwegschwenken. Eine teilokkludierte Kaltfront eines kleinräumigen Tiefs vor
der Norwegischen Küste ist auch an diesem Tag involviert und bringt
flächendeckend schauerartige Regenfälle. Nun ja, Natur und Schnecken freut’s.
Präfrontal gibt es im Süden, nachmittags postfrontal im Westen und Nordwesten
auch größere Auflockerungen und nur noch einzelne Schauer. Vereinzelt können
auch kurze Gewitter dabei sein. Zudem gelangt rückseitig erneut ein Schwall
kühler Meeresluft polaren Ursprungs mit T850 < 5°C in den Nordwesten
Deutschlands. Im Verbund mit dem Azorenhochkeil über den Westalpen herrscht doch
ein recht kräftiger Druckunterschied über Mitteleuropa, der insbesondere im
Norden und Nordwesten des Landes zu steifen Böen (Bft 7), an der See auch zu
stürmischen Böen (Bft 8) aus westlichen Richtungen führt.
Am Freitag wird von der Irminger See Richtung Irland ziehend ein weiteres
Höhentief in die Frontalzone eingebunden, wodurch die Strömung über Deutschland
leicht auf West bis Südwest rückdreht. Aus Südwesten kann sich schwacher
Druckanstieg durchsetzen, womit die Niederschläge vorübergehend etwas abklingen.
Einzelne Schauer treten bevorzugt noch in Küstennähe auf. Von Wales kommen
kündigt sich allerdings das nächste Frontensystem an, das an eine flache Welle
angebunden ist und im Tagesverlauf im Nordwesten die Regenfälle wieder
intensivieren lässt. Durch die leichte Rückdrehung auf Südwesten und zunehmende
Sonnenanteile steigt das Quecksilber in der Südhälfte zumindest wieder
verbreitet auf über 20°C, örtlich bis 25°C an. Im Norden bleibt es eher kühl und
auch weiterhin windig, an der See teils stürmisch.
Am Samstag interagieren das westliche Höhentief und ursprüngliche Zentraltief
über Skandinavien zunehmend miteinander, womit die Strömung unter Annäherung des
westlichen Kerns zur westlichen Nordsee über Deutschland weiter aufsteilt. Im
Tagesverlauf greift von Westen die Kaltfront des Bodentiefs, das noch leichten
Versatz zum Höhentief Richtung Fischer du Deutsche Bucht besitzt und damit den
Höhepunkt noch nicht erreicht hat, auf Deutschland über. Im Vorfeld können
vorübergehend wärmere Luftmassen aus dem zentralen Mittelmeerraum (T850 um 15°C)
angezapft und in den Süden und Südosten des Landes geführt werden. Lässt sich
die Front etwas Zeit, sind lokal bis an die 30°C möglich
(Rosenheim/Passau/Dresden?). Grundsätzlich würde das Setip auch für eine
veritable Gewitterlage sprechen. Die Frage ist halt, wieviel CAPE im Vorfeld
aufgebaut werden kann. Die Höhenströmung sieht im Geopotentialfeld über
Deutschland zudem ziemlich konfluent aus, was ebenfalls nicht für eine
ausgewachsene Schwergewitterlage spricht. Kurzum, man muss es definitiv im Auge
behalten, wahrscheinlich wird daraus aber nicht die große Nummer, schon gar
nicht der Dimension der kürzlichen Nacht von Samstag auf Sonntag (Gewittertief
ANNELIE).
Am Sontag zieht das inzwischen achsensenkrechte Tief nach Mitteschweden
nordostwärts ab und es kann sich in frisch eingeflossener Meeresluft
Zwischenhocheinfluss durchsetzen. Eventuell gibt es in Alpennähe noch längere
Zeit Stauniederschläge oder ab über Österreich eine neue Aktivierung der
abgezogenen Kaltfront durch einen flachen Kurzwellentrog in der Höhe. Sonst
bleiben Schauer eher die Ausnahme.
Zu Beginn der neuen Woche findet eine neuerliche Austrogung über dem Atlantik
statt, diesmal allerdings deutlich weiter westlich ansetzend. Nach zunächst nur
einzelnen Streifschuss schwacher Tiefausläufer im Norden und Nordwesten
Deutschlands könnte damit im Laufe der Woche wieder Schwüle, Hitze und
Unwettergefahr zum Thema werden, da ein nachhaltiges Blocking nicht absehbar ist
bzw. zu weit östlich liegt.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Erste nennenswerte Unterschiede tauchen bei der Kaltfrontpassage am Samstag auf,
bei der es vor allem hinsichtlich Timings und Ausprägung des Troges noch
Unsicherheiten gibt. Während Wetteraktivität gedämpft und Verlauf sehr weit
nördlich im 12z Lauf gerechnet wurden, sieht das im 0z Lauf wieder dynamischer
mit Trogspitze bis nach Nordfrankreich und stärkerem Aufsteilen aus.
In der Folge schaut es recht einheitlich weiterhin wechselhaft, aber aus Süden
zunehmend feucht-warm, eventuell sogar heiß (jüngster 0z Lauf) aus. Die
Unsicherheiten bezüglich der Niederschlagsschwerpunkte sind aber dann
entsprechend groß.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Mit den genannten Diskussionspunkten aus der Konsistenzbetrachtung kämpfen auch
die unterschiedlichen Globalmodelle.
Darüber hinaus wird die Ausweitung des Troges nach Süden zum Knackpunkt am
Sonntag werden, wo die Front im Alpenraum durchaus nochmal reaktiviert mit einer
Wellenbildung nordwärts ausgreifen könnte. So deuten es außer IFS so ziemlich
alle gängigen Globalmodelle an.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
RAUCHFAHNEN:
Der Spread der Geopotential- und Temperaturkurven hält sich insgesamt in
erstaunlichen Grenzen. Kleinere Unschärfen betreffen vor allem die
Warmluftzufuhr vor der Kaltfrontpassage am Samstag. Mit Beginn der neuen Woche
geht der Trend steil nach oben. Das Ensemblemittel liegt bei T850 hPa
deutschlandweit um die 15°C, das Geopotential über 580 gpdm. Wie schnell und
verbreitet dann eventuelle schwere Gewitter drohen, bleib noch abzuwarten. Der
Median der Niederschläge geht auf jeden Fall erstmal deutlich zurück (nicht mehr
zahlreiche eher schwächere Events, sondern eher vereinzelte, dafür starke).
CLUSTER:
So flach wie im Hauptlauf wird die Trogpassage am Samstag und Sonntag angesichts
der Cluster anscheinend nicht vonstattengehen. Zumindest findet sich eine
numerische Überlegenheit von knapp 2/3 zu 1/3 für eine deutlich südlichere
Variante, wie sie als Folge der komplizierten Interaktion der Tiefdruckwirbel
auch in den übrigen Globalmodellen wiedergespiegelt wird. Das macht einen eher
verregneten Sonntag im Südosten des Landes doch ziemlich wahrscheinlich.
Beim Übergang in die erweiterte Mittelfrist setzt sich im einzigen Cluster ein
neuerliches Blocking knapp östlich von uns fest und unter schwachem
Hochdruckeinfluss am Boden macht sich zunehmend eine schwül-warme Luftmasse aus
südlichen Gefilden bei uns breit. Entwicklungen neuerlicher unwetterträchtiger
Gewitter wären dann wohl nur eine Frage der Zeit.
FAZIT:
Es geht wechselhaft mit zeitweiligen Niederschläge auf einem nur mäßig warmen
Temperaturniveau weiter. Nur kurzzeitig kann am Samstag im Osten und Süden
wärmere Luft mit Höchstwerten bis 30°C einfließen. Dazu ist es vor allem im
Norden zeitweise sehr windig. Erst im Laufe der nächsten Woche werden Hitze und
Unwetter wahrscheinlich wieder ein größeres Thema werden. Stabiles
Hochdruckwetter ist weiterhin nicht in Sicht.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GEWITTER:
Zunächst nur vereinzelte Gewitter in einer kühlen Meeresluft ohne großartige
Begleiterscheinungen neben Blitzschlag (allenfalls „angekratzt“ mit Starkregen
um 15 l/qm, kleinkörnigem Hagel und steifen bis stürmischen Böen Bft 7-8). Erst
zum Samstag im Süden und Osten vielfach markante, gut organisierte Entwicklungen
vorstellbar mit Starkregen bis 25 l/qm binnen kurzer Zeit, Sturmböen (Bft 9) und
größerem Hagel. Signale im EFI gibt es noch keine.
STURM:
Recht beachtlicher Gradient an der Südflanke des Zentraltiefkomplexes über
Skandinavien und den Britischen Inseln. Daher mindestens mal an auflandig
gelegenen (Westwind) Küstenabschnitten und auf höher gelegenen Gipfeln
stürmische Böen am Donnerstag, exponiert auch noch am Freitag wahrscheinlich. Da
dies für Juli eher unüblich ist, springt sogar der Extreme Forecast Index leicht
an. Die Wahrscheinlichkeiten im IFS-EPS für Böen mit mindestens Bft 8 liegen vor
allem an der Nordfriesischen Küste bei beachtlichen 40-50%.
HITZE:
Erstmal heißt es Durchatmen und gut lüften. Am Samstag kann es lokal im Süden
und Osten schon wieder auf um die 30°C raufgehen bei zunehmender Schwüle. Im
Laufe der kommenden Woche dürfte auf Basis der heutigen Modellberechnungen
Hitzewarnungen wieder einen größeren Umfang einnehmen.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, UK10, Mos-Mix
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen