SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.06.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Abklingende Gewitter. Am Samstag ab den Nachmittagsstunden ausgeprägte
Schwergewitterlage mit Schadenspotential, bis in die Nacht auf Sonntag
andauernde. Erst im Laufe des Sonntags auch im Norden und Nordosten
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … überquert eine Kaltfront Deutschland südostwärts. Die nachfolgende
Luftmasse ist deutlich trockener, wie man leicht an dem Rückgang des Taupunktes
erkennen kann. So gibt es vor der Kaltfront Taupunkte zwischen 17 und 20 Grad,
während dahinter Werte zwischen 8 und 11 Grad gemessen werden. Auch die Tendenz
der spezifischen Feuchte zeigt dies eindrucksvoll. Der Osten ist schon
größtenteils rückseitig der schwülwarmen Luftmasse. Die Hauptaktivität ist noch
über dem Süden und Südosten zu finden. Zumeist spielen sich die Gewitter im
markanten Bereich ab, vereinzelt sind aber auch noch ein paar stärkere
Entwicklungen aktiv (örtlich Superzellen). Dann kann es größeren Hagel bis 3 cm
und Starkregen bis 30 l/qm in kurzer Zeit geben.

Eingangs der Nacht beruhigt sich die Gewitteraktivität insgesamt weite.
Allerdings wird die feuchtlabile Luftmasse im Süden nicht ausgeräumt, wie man
auch gut an den MU-CAPE Werten sehen kann. Im Gegenteil tritt die Luftmasse in
der zweiten Nachthälfte auch wieder seinen Weg nach Norden an.
Ursache dafür ist die Entwicklung der Großwetterlage. So wandert ein Höhentief
von Spanien allmählich Richtung Südfrankeich und induziert vorderseitig
Zyklogenese. Stromabwärts des sich über Südfrankreich entwickelnden Bodentiefs
wird die feuchtlabile Luftmasse in Form einer Warmfront langsam Richtung
mittlere Landesteile advehiert.

Im Süden werden von den hochauflösenden Modellen nur vereinzelt Gewitter gezeigt
(aus der Schweiz kommend). Diese Zurückhaltung ist aber auch plausibel, da
vorderseitig des Höhentiefs die Strömung eher leicht antizyklonal konturiert ist
und auch der Tagesgang nicht helfen kann. Ganz ausschließen lassen sich einzeln
markante Gewitter aber nicht. Zum Morgen werden die Signale mit Annäherung der
Höhentiefs im Südwesten vor allem im Bereich der Warmfront wieder häufiger.

Darüber hinaus verläuft die Nacht weitgehend warnfrei. In der eingeflossenen
trockenen Luftmasse gehen die Werte auf 12 bis 8 Grad zurück. Im Süden werden 19
bis 14 Grad erwartet.

Samstag … steht eine umfangreiche Schwergewitterlage ins Haus, bei der es
(leider) noch ein paar Unsicherheiten gibt. Starten wir mit der Ausgangslage.
Das Höhentief kommt im Tagesverlauf bis nach Zentralfrankreich voran. Zwar
schwächt es sich dabei deutlich ab, hat aber noch eine ausgeprägte diffluente
Trogvorderseite, die den Hauptfokus darstellt. Am Boden liegt knapp nördlich des
Höhentiefs ein korrespondierendes Bodentief. Vorderseitig entwickelt sich, teils
durch die Überströmung der Alpen, teils auch induziert durch die in Gang
kommende Gewitteraktivität, ein weiteres Bodentief über Ostfrankreich und dem
angrenzenden Baden-Württemberg, das im Abend- und Nachtverlauf über den
Südwesten langsam in Richtung Mitte vorankommt. Zu gute Letzt löst sich eingangs
der Nacht durch das Überströmen der Alpen noch ein Leetief am Bayerischen
Alpenrand ab.
Eine recht komplexe Gemengelage, die durchaus Überraschungspotential bieten
kann, durch die Wechselwirkungen der verschiedenen Mesohochs und -tiefs.

Schauen wir auf die Zutaten, so entwickeln sich CAPE-Werte im Bereich zwischen
1500 und 3000 J/kg, direkt an den Alpen auch noch darüber. An den Alpen ist
hauptverantwortlich der Föhn, der für eine starke Labilisierung sorgt. Er führt
im Süden aber auch für starke Abtrocknung der unteren Troposphäre und damit zu
einem schweren Deckel, der sich tagsüber auch nicht lösen lässt. Siehe dazu
einfach Prognosesoundings oder als flächige Darstellung die DCAPE-Werte (teils

1000 J/kg).

Außen vor ist tagsüber auch der Norden. Damit fällt der Fokus auf die Region
zwischen dem trockenen Süden und die Gebiete südlich der Warmfront. Die erste
Fragestellung ist, ob sich schon im Vorfeld des stärksten synoptikskaligen
Hebungsantriebs erste Gewitter ab den frühen Nachmittagsstunden entwickeln
können. Von hochauflösenden Modellen wird dies zaghaft angedeutet (z.B. über
Thüringen, Sachsen). Dagegen arbeitet zunächst noch die antizyklonal konturierte
Höhenströmung. Unterstützend könnte hier die Orographie wirken.
Eine zweite Möglichkeit ist die Warmfront, entlang derer es stärkere
Hebungsimpulse gibt. Das Arome war da im 00z und 06 z ein sehr aggressiver
Vertreter, der eine kräftige Zelle bzw. ein kleine Bogenecho schon über
Frankreich entwickelt, dass unter Verstärkung am Nachmittag über die Mitte
ziehen sollte. Dieses Szenario wird von der Mehrheit der Modelle nicht gestützt
und auch der 12z Lauf des Arome zeigt dies nicht mehr. Dieses Bodenecho allein
hätte schon Potential für Orkanböen. Aber auch mit diskreten Zellen in der
Warmluft sind aufgrund der hohen CAPE-Werte und die erhöhte Hintergrundscherung
(0-6 km 15 bis 20 m/s) Unwetter möglich (größerer Hagel um 5 cm, schwere
Sturmböen, heftiger Starkregen).

Dieses Vorgeplänkel bietet noch reichlich Raum für Spekulationen und kann in
gewisser Weise (je nachdem wie verbreitet dieses auftritt) auch die nachfolgende
Entwicklung mit beeinflussen.

Der Hauptfokus fällt dann in den Abendstunden auf ein größeres mesoskaliges
System, dass sich bereits am Nachmittag über Frankreich im Bereich des starken
synoptischskaligen Antriebsgebietes ausbilden soll (diffluente Höhenströmung)
wird und dann in den Abendstunden auf den Südwesten übergreift und sich im Laufe
der Nacht nordostwärts vorarbeitet. In den Morgenstunden des Sonntags und am
Sonntagvormittag werden dann der Norden und Nordosten erfasst.

Die zwei Hauptgefahren sind der Starkregen und der Wind. Die Starkregengefahr
ist allein schon dadurch erhöht, dass es sich um einen größeren Gewitterkomplex
handelt (Andauer). Aber auch davon abgesehen sprechen ppw-Werte von mehr als 35
mm eine klare Sprache (Niederschlagseffizienz). Selbst gröbere Modelle zeigt
klare Hinweise für Entwicklungen bis in den Unwetterbereich. Hochauflösende
Modelle simulieren regional Wahrscheinlichkeiten für extremes Unwetter in Bezug
auf Regenmengen innerhalb weniger Stunden. Der Hauptfokus ist dabei vor allem
der Südwesten (Rheinland-Pfalz, Saarland, NW Baden-Württemberg bis nach Hessen
(siehe Median Ensembles).

Der zweite Schwerpunkt ist der Wind. Hochauflösende Modelle deuten die
Ausbildung eines großflächigen Bogenechos an, das dann eine gewisse Eigendynamik
entwickelt. Auch wenn die Winde in 850 hPa nicht sehr hoch sind, springen die
hochauflösenden Modelle sehr aggressiv an. Die Wahrscheinlichkeiten für
Geschwindigkeiten bis an den extremen Orkanbereich ergeben sich allein aus der
Eigendynamik des Systems. Die 0-3 km Scherung, die ein Maß für die Stärke eines
möglichen Rear Inflow Jets ist, liegt in den Prognosen bei bis zu 20 m/s (zur
Erinnerung: Werte von mehr als 10 m/s senkrecht auf der Linie sind förderlich
für RIJ’s). Auch externe Modelle stützen dies, wenngleich man zugeben muss, dass
es schon noch einiges an Spielraum gibt, wo genau der Hauptschwerpunkt sein
wird.

In der zweiten Nachthälfte, wenn sich der Gewitterkomplex nach Nordosten
verschiebt, nimmt die Windgefahr deutlich ab. Dann dominiert noch der
Starkregen, der regional auch weiter im Unwetterbereich sein kann, wohl dann
aber kein extremes Unwetter mehr.

Unsicher ist noch, wo genau die stärkste Aktivität sein wird. Die verschiedenen
Modelle und Ensembles haben da noch eine gewisse Schwankungsbreite (Vergleiche
RR12 h). Die Entwicklung wird im Detail dann sicher auch noch von der
Vorgeschichte beeinflusst. Die besten Zutaten sind aber tatsächlich vom
Südwesten bis zur Mitte zu finden.

Neben den Gewittern gibt es noch den Föhn zu bewarnen, in den Gipfellagen der
Alpen in Sturmstärke aktiv ist. IM Südosten wird es mit Spitzenwerten bis 35
Grad sehr heiß. In Schleswig-Holstein (nördlich der Warmfront) werden teils
unter 25 Grad erwartet.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … sind am Vormittag noch Reste des Gewitterkomplexes im Norden und
Nordosten aktiv. Diese ziehen mit dem Bodentief bis zum Mittwoch langsam
nordostwärts ab. Danach folgt noch eine Trogachse, die sich vor allem in 850 hPa
gut abzeichnet. Entsprechend gibt es weiter konvektiv durchsetzte Niederschläge,
auch einzelne Gewitter sind regional weiterhin möglich. Es kann weitere markante
Starkregenwarnungen ein- und mehrstündig geben. Die Unwettergefahr sollte aber
gebannt sein. Hinter dem Trog wird die feuchtlabile Luftmasse dann aber
endgültig ausgeräumt mit nachfolgender Wetterberuhigung.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Fahrtrichtung ist klar. Alles ist angerichtet für eine ausgeprägte
Schwergewitterlage mit Schadenspotential. Gerade im Anbetracht des EM-Spiels mit
Deutscher Beteiligung und sicher vielen interessierten Fußballfans, eine
unschöne Gemengelage.
Die bestehenden Unsicherheiten wurden im Haupttext ausführlich diskutiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer