S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.06.2024 um 10.30 UTC

Hochsommerlich warm bis heiß und zunehmendes Gewitterpotenzial mit
Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 30.06.2024

Auch diese Mittelfrist wird durch die Thematik „Blockierung“ dominiert.
Bezüglich der Hintergrundbedingungen haben sich zur Übersicht vom 09. Juni nur
unwesentliche Änderungen ergeben.

Es wird aktuell ein diffuses Signal einer MJO Welle gezeigt, allerdings ist
dieses mit einer Amplitude innerhalb des Einheitskreises ein sehr schwaches
Signal. Der global Impulstransport ist mittlerweile deutlich ins Negative
zurückgegangen, was durch die jüngste MJO Passage auch erwartet wurde, sodass
der grundsätzliche Basiszustand einer gestützten Blockierung über dem
Nordostatlantik weiterhin Bestand hat. Dieser statische Wellenzug über dem
Nordatlantik mündet durch wiederholtes Wellenbrechen vor den Toren Westeuropas
in eine beständige Blockierung über dem skandinavischen Sektor, die unter
zögernder Verlagerung nach Osten die gesamten Mittelfrist über durchweg Bestand
hat.

Die große Unbekannte ist nun die Schwachstelle zwischen beiden Antizyklonen
(Nordostatlantik und Skandinavien), in der ein Langwellentrog wiederholt zum
Brechen ansetzt. Schaut man sich die zonale Wellenflussanomalie der letzten 5
Tage an, so ist ein schöner Wellenzug zu erkennen, der in Richtung Mittelmeer
gerichtet ist und eben diese Konstellation dürfte die wiederholt abtropfende
Energie des Troges ost-/südostwärts und somit unter die blockierende Antizyklone
über Skandinavien bringen. Die große (und noch nicht zu beantwortende) Frage ist
nun, wohin genau dieser Abtropfprozess abtropft, wann er wieder in die
Peripherie des Haupttroges eingebunden und nach Mitteleuropa geführt wird.

Die Unsicherheiten während dieser mittelfristigen Entwicklung können daher als
(vergleichsweise) ungewöhnlich groß eingeschätzt werden. Man kann jedoch sagen,
dass das Potenzial für unwetterträchtige Episoden über Mitteleuropa zeitweise
erhöht ist dank der Interaktion subtropisch feuchter und warmer Luftmassen mit
den von Westen hereinlaufenden „IPV maxima“. Die vergangenen Monate haben
gezeigt, dass jede dieser bisher recht ähnlich ablaufenden Entwicklungen
regional über West- und Mitteleuropa für Überschwemmungen gut war, sei es
überregional oder eher lokal begrenzt. Besonders GFS hat ja jüngst wiederholt
gezeigt, zu was die nun anstehende Lage bei uns maximal fähig sein kann mit
teils absurd hohen Niederschlagssummen. Doch ebenso muss man hervorheben, dass
mit einem etwas meridionaler ausgerichteten Energietransfer bei uns eher
hemmendes höheres Geopotenzial dominieren könnte.
Fazit: Das Potenzial ist sehr hoch, inwieweit es ausgeschöpft wird ist aber
weiterhin sehr unsicher.

Bei all den noch vorhandenen Unsicherheiten versuchen wir jetzt auf die nun
anstehende Mittelfrist vom Mittwoch, den 26. Juni bis Sonntag, den 30. Juni zu
schauen und gewichten die Entwicklung (ggf. Persistenz) der jüngsten Läufe.

Für den Mittwoch deutet sich eine Art transiente „high-over-low“ Blockierung an,
dank eines über dem Alpenraum liegenden Höhentiefs südlich der Blockierung über
Skandinavien. Während der jüngsten 5 Modellläufe des IFS wurde dieses Höhentief
sukzessive nordwärts verschoben, was einem intensivieren Abtropfprozess über der
Biskaya in Richtung Portugal zugeschrieben werden kann. In Folge dessen wird
eine feucht-labile Luftmasse in den Süden Deutschlands geführt, die mit rund
1000 J/kg MUCAPE und schwacher Scherung prädestiniert für langsam ziehende
Gewitter mit lokalem Starkregen bis in den Unwetterbereich ist. Nach IFS würde
die Konvektion bis zum Abend alle Bereiche bis (grob) zur Mainlinie betreffen.
Nördlich der zentralen Mittelgebirge dominiert weiterhin mit einer nordöstlichen
Strömung trockenes Ausfließen aus der Hochdruckanomalie über Skandinavien.

Zum Donnerstag verlässt uns der Höhentrog in Richtung Balkan, wobei dies vor
allem auf eine in den jüngsten Läufen verstärkt auftretende Keilaufwölbung über
dem zentralen Mittelmeer in Folge des markanten Troges über der Biskaya
zurückzuführen ist. Dieser Keil geht zudem auf Tuchfühlung mit der Blockierung
über Skandinavien, aber etwas allzu Robustes scheint aus dieser Entwicklung aus
heutiger Sicht nicht zu werden. In Folge beständigen Druckfalls über Westeuropa
wird die feucht-labile Luftmasse nordwestwärts geführt und dürfte bis zum Abend
außer dem Nordosten alle Landesteile erfassen. Labilität jenseits von 1000 J/kg,
ein grenzschichtnahes Mischungsverhältnis jenseits der 12 g/kg und PWs zwischen
30 und 35 mm (lokal noch mehr) heben erneut das Unwetterpotenzial durch
Starkregen hervor, ausgelöst durch recht unorganisierte, aber langsam ziehende
Konvektion. Für alle Tage gilt übrigens, dass zündende Konvektion bei den CAPE
Werten auch anfangs gut ist für teils größeren Hagel.

Zum Freitag nähert sich von Frankreich ein stark negativ geneigter Trog von
Frankreich her, wobei die brüchige Keilbrücke zwischen dem Subtropenhoch über
dem Mittelmeer und der Antizyklone über Skandinavien rasch nach Osteuropa
abgedrängt wird. Die große Frage wird nun sein, wie diese von Westen
herangeführte Energie mit den Alpen interagiert und ggf. für eine
Bodenzyklogenese gut sein könnte, was von einzelnen Modellen gezeigt wird,
jedoch noch nicht vom aktuellen EZ Lauf. Die hochreichend feucht-labil
geschichtete Luftmasse bleibt Deutschland zumeist erhalten, nur im Nordosten
wird die feuchte Grenzschicht effektiver durchmischt und senkt somit insgesamt
das Gewitterrisiko. Dieses könnte im Süden ebenfalls stark gemindert werden dank
eines Anstiegs der 850 hPa Temperatur auf 17 bis 20 Grad. Somit liegt aus
heutiger Sicht der konvektive Schwerpunkt entlang einer breiten
Bodentiefdruckrinne im Westen, der Mitte und später auch im Norden. Es gelten
dieselben Foci, wie an den Vortagen mit Blick auf mögliche Begleiterscheinungen.

Am Wochenende erfolgt dann entlang einer von Südwest nach Nordost schleifenden
Front sukzessive ein Luftmassenwechsel, wobei sich nach EZ zum Sonntag von
Westen mäßig warme und stabiler geschichtete Meeresluft durchsetzen könnte. Bis
dies vonstattengeht bietet aber auch dieser EZ Lauf eine agile
Bodentiefentwicklung über Deutschland an, entlang der peripher
Dauerniederschläge auftreten können. Diesbezüglich ergeben weitere Modellläufe
hoffentlich ein genaueres Bild.

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich mit einer recht kräftigen und
ostwärts verschobenen und blockierenden Antizyklone im Bereich der Azoren eher
eine Fortdauer der von Westen hereinziehenden Tröge an, wobei jedoch auch hier
die Geometrie des Keils entscheidet, ob die Wellenflüsse eher gen Mittel-, oder
Südwesteuropa gerichtet werden. Stabiles Hochdruckwetter ist jedenfalls keines
zu erkennen.

Die Mittelfrist verläuft hochsommerlich warm mit Maxima zwischen 24 und 31 Grad.
Regional höhere Spitzen sind denkbar, hängen jedoch von der Luftmassenqualität
ab. Bei 850 hPa Temperaturwerten von bis zu 24 Grad in Bayern am Samstag wären
aber Spitzen bis 34 Grad denkbar. Dank der zunehmend sehr feuchten Luftmasse
dürften in den typischen Ballungsräumen alsbald Tropennächte eintreten, während
sonst die Minima zwischen 19 und 14 Grad verweilen. In fact, COSMO-LEPS und
IFS-ENS heben ab der Nacht zum Donnerstag besonders den Norden mit soliden
Wahrscheinlichkeiten für Tropennächte hervor, was auch in der Deterministik z.B.
bei ICON Anklang findet, jedoch bisher nicht in die Statistik eingeflossen ist.
Somit könnten dort auch abseits der Ballungsräume häufig Minima um 20 Grad
auftreten. Entsprechend dürfte die Hitzebelastung deutlich zunehmen.
Sollte es zu dem beschriebenen Luftmassenwechsel zum Sonntag kommen, wären
Maxima von 21 bis 28 Grad und etwas kühlere Minima zu erwarten.

Zusatz: Für das östliche Mittelmeer deutet sich eine mehr oder weniger
ungebrochene Fortdauer der Hitzewelle an mit wiederholten Einschüben von teils
extrem hohen Temperaturwerten. Allerdings könnten an der Ostflanke der
Skandiblockierung wenigstens zeitweise etwas gemäßigtere Luftmassen einströmen.
Die zu erwartende marine Hitzewelle im östlichen Mittelmeer ist bereits mit
Anomaliewerten von teils mehr als 3K in vollem Gange, was
Wasseroberflächenwerten von 25 bis knapp 29 Grad entspricht.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Wenngleich die gröbere Konstellation von Trögen und Keilen zunächst recht gut
erfasst wird innerhalb der jüngsten Modellläufe von EZ, so ergeben sich von
Anfang an doch recht beachtliche Diskrepanzen bei der genauen Lokalisierung z.B.
der Höhentiefs bzw. des im Abtropfprozess befindlichen Troges. Der jüngste EZ
Lauf widerspricht dabei der, in den beiden Vorläufen aufgestellten
Verlagerungstendenz und hebt somit die anhaltenden Unsicherheiten hervor. U.a.
stellt sich die Frage, wie schnell zum kommenden Wochenende ein Trog über
Westeuropa auf Deutschland übergreifen kann, was mit dem aktuellen Lauf deutlich
verzögert wurde.
Diesen Unschärfen zum Trotz heben jedoch alle Läufe eine zunehmend
gewitteranfällige Mittelfrist hervor mit dem Augenmerk beim gewittrigen
Starkregen (bis in den Unwetterbereich). Während der Passage eines
Kurzwellentroges am Wochenende besteht auch eine latente Dauerregengefahr, die
jedoch bezüglich Lage und Intensität noch sehr unsicher ist und der optionalen
Entwicklung eines Bodentiefs unterworfen ist.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ein Blick auf die internationale Modellpalette ergibt denselben Eindruck: Das
Grobe wird gut erfasst mit Blick auf den zu erwartenden Ablauf, die Feinheiten
sind von Beginn an aber großen Unsicherheiten unterworfen. Dabei spielt die
zeitliche Unschärfe bei der Verlagerung des Höhentiefs zum Balkan eine
untergeordnete Rolle. Viel interessanter sind die Unsicherheiten bei der
Entwicklung des Troges über Westeuropa, der je nach Lage und Intensität nicht
nur für eine erneute unwetterträchtige Gewitterepisode (Starkregen, lokal
begrenzt) gut sein kann, sondern temporär auch für Dauerregenlagen.
Diesbezüglich ergibt sich aber noch kein homogenes Bild, sodass noch weitere
Modellläufe abgewartet werden müssen.

Beim IFS-ENS ergeben sich zum kommenden Wochenende noch umfangreiche und
beträchtliche Unsicherheiten beim 500 hPa Geopotenzial, die vor allem den
Abtropfprozess über der Iberischen Halbinsel betreffen, der uns in der Folge am
Wochenende beeinflussen soll. Da sich der Schwerpunkt der Unsicherheiten
mittlerweile eher auf den südöstlichen Teil des Troges beschränkt, stellt sich
nun eher die Frage, wie schnell das Trogresiduum wieder nordostwärts geführt
wird.
Im GEFS wird weniger Energie südwärts geführt, sodass sich die
Hauptunsicherheiten mehr auf Frankreich beschränken und die Frage aufwerfen, wie
agil ein Kurzwellentrog nach Mitteleuropa geführt wird. Kein Wunder, dass die
Deterministik bei solch großen Diskrepanzen innerhalb der Ensembleverfahren
aktuell so schwankend ausfällt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse gibt einem zu Beginn der Mittelfrist wenigstens noch
ansatzweise Hoffnung für die Erstellung einer einigermaßen verlässlichen
Mittelfrist. Sie beginnt am Mittwoch mit 4 Clustern und dem einheitlichen
klimat. Regime der Blockierung, wobei der HRES im ersten Cluster liegt. Alle
Cluster liefern eigentlich ein recht einheitliches Bild mit einem Abtropfprozess
vor der Iberischen Halbinseln und einem kräftigen Keil über Skandinavien. Bei
dem dominanten antizyklonalen Einfluss dürften weite Bereiche Deutschlands
nochmals einen insgesamt recht stabilen Tag erleben, trotz allmählich
ansteigender Gewitterwahrscheinlichkeiten von Süden her.

In der Folge von Donnerstag bis Samstag hält sich das Blockierungsregime mit 3
Clustern und dem HRES im ersten Cluster.
Beim ersten Cluster wird de Hauptenergie des Troges zügig ostwärts geführt und
rennt in die blockierende Antizyklone über Skandinavien. Hier wird jedoch ein
breites Trogresiduum über Westeuropa zurückgelassen.
Im zweiten Cluster erfolgt Ähnliches, nur wird der Skandiblock deutlich
effektiver abgebaut, sodass der Trog in der Folge Deutschland erfasst.
Beim dritten Cluster hingegen wird mehr Energie nach Süden geführt, die bei
anhaltend kräftiger Skandiblockierung zum Ende in eine Art high-over-low
Blockierung mündet.
Interessant ist, dass in Richtung erweiterter Mittelfrist in der Tat nur einer
von 6 Clustern eine kräftige Blockierung über Skandinavien andeutet, während
sonst eher der Nordatlantik blockierungstechnisch auffällt und uns weitere Tröge
von Westen liefern würde. Aber zum Ende der Mittelfrist ist noch alles möglich,
was auch die maximale Clusteranzahl hervorhebt und es wäre nicht das erste Mal,
dass die Numerik den Abbau einer Blockierung zu schnell berechnet.

Die Meteogramme in Deutschland zeigen durchweg eine hochsommerlich warme
Mittelfrist mit einem zögernden Rückgang der Temperaturwerte zum Sonntag. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt im Süden von Mittwoch an zu und wird sonst mit
einem Schwerpunkt von Donnerstag/Freitag bis ins kommende Wochenende hinein
gezeigt.
Die Rauchfahnen der 850 hPa Temperatur und des 500 hPa Geopotenzials verlaufen
bis einschließlich Freitag stark gebündelt und werden in der Folge stark
gespreizt. Dies hebt die Unsicherheit bei der Annäherung des Troges hervor, und
inwieweit auf synoptischer Ebene kräftigere Bodentiefs induziert werden, die
auch effektiv verstärkt kühlere Meeresluft heranführen können. Der
Luftmassenwechsel wird aber momentan von einer Mehrheit der Member zum Sonntag
gesehen.

GEFS sieht die Entwicklung insgesamt recht ähnlich, wenngleich mit zeitlichen
Unschärfen, da der Trog über Westeuropa deutlich kräftiger berechnet wird, was
mit mehr Dynamik einhergeht.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER:

Das Potential für kräftige Gewitter nimmt von Mittwoch an von Süden her zu und
breitet sich ab Donnerstag auf ganz Deutschland aus. Dabei sorgen das
Zusammenspiel aus einer sehr feuchten Luftmasse und hoher Labilität für langsam
ziehende Konvektion mit einem erhöhten Starkregenpotenzial bis in den
Unwetterbereich (auf lokaler Ebene). Sich entwickelnde Zellen können kurzzeitig
auch mal für größeren Hagel gut sein.
Betrachtet man sich die EFI Werte, dann fällt eigentlich nur ein erhöhter
Ausschlag beim CAPE auf, während maue Scherung nicht nur CAPE/shear, sondern
wohl auch den Feuchtetransport (hemmend) beeinflussen. Die Anomaliewerte des
niederschlagbaren Wassers weichen durchweg positiv von der Klimatologie ab. Aus
heutiger Sicht ergeben sich somit wohl immer wieder regionale Schwerpunkte mit
erhöhter Gewittertätigkeit bis in den Unwetterbereich.

DAUERREGEN:

Die Signale für eine Dauerregenlage sind noch sehr diffus, was nicht nur an der
unsicheren Handhabe möglicher Bodentiefentwicklungen liegt, sondern auch an der
teils regional sehr geringen Ausdehnung der Niederschlagsmaxima (mit Blick auf
die Modellauflösung). Eine jede Bodentiefentwicklung birgt jedoch das Potenzial
für regional auftretende Stark-/Dauerregenfälle bis in den Unwetterbereich. Im
IFS-ENS ergeben sich für das Wochenende teils flächendeckend gering erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für markanten Dauerregen. Diese werden zudem mit geringen
Wahrscheinlichkeiten für unwetterartige Regenmengen garniert, was grundsätzlich
nur das Potenzial hervorhebt, dass eine optionale Lage schnell in den
Unwetterbereich rutschen kann. Die Signale dafür sind aber aus heutiger Sicht
noch sehr schwach.

Nebenbei sei noch erwähnt, dass die Hitzebelastung vor allem durch warme Nächte,
hohe Taupunkte und Maxima von teils um 30 Grad regional rasch zunehmen dürfte.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS, MOSMIX (abseits der Spitzenwerte)

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy