#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Donnerstag den 20.06.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 20.06.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Gebietsweise starke Gewitter, am Freitag vor allem um Südosten und Osten erhöhte
Unwettergefahr. Am Samstag in der Südwesthälfte weitere, aber nur noch markante
Gewitter, an den Alpen Dauerregen möglich, sonst Wetterberuhigung.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
Aktuell … liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Troges über Westeuropa.
Da rückseitig der nächste Trog bereits ins Seegebiet knapp westlich der
Britischen Inseln steuert, schwenkt er unter Verkürzung seiner Wellenlänge
nordostwärst. Seine Achse liegt am Freitagmorgen in etwa auf einer Linie
Ostengland-Pyrenäen. Zwischen dem Trog und dem langsam ins östliche Mitteleuropa
abwandernden Rücken stellt sich bei uns eine süd-südwestliche Höhenströmung ein.
Auf der diffluenten Vorderseite sorgt PVA für großräumigen Luftdruckfall und die
Ausbildung eines kleinen Tiefs, das von Frankreich nach Benelux und
Westdeutschland zieht. Es führt mit südwestlicher Strömung sehr feuchte und
instabile geschichtete Subtropikluft in weite Teile des Landes, nur ganz im
Norden und Nordosten liegt noch eine etwas trockenere Luft.
An den Alpen südlich von München wurde am Nachmittag eine Zelle orographisch
ausgelöst. Ihr stand neben gut 1500 J/kg ML-CAPE auch sehr viel hochreichende
Scherung zur Verfügung, sodass sie sich innerhalb von gut 30 Minuten zu einer
sehr starken Superzelle mauserte und lokal größeren Hagel, heftigen Starkrehen
und wahrscheinlich räumlich eng begrenzt auch Orkanböen brachte. Sie hangelte
sich entlang des Alpenrandes nach Osten und zieht nun nach Österreich ab.
Ansonsten erfassen leichte Hebungsimpulse vornehmlich den Südwesten und Westen,
wo es über die Nacht hinweg zu weiteren Schauern und einzelnen Gewittern kommt.
Dies greifen im Verlauf auch auf die Mitte und den Nordwesten aus. Die
Konvektion ist meist abgehoben, können aber bei PPWs zwischen 35 und knapp 40 mm
lokalen Starkregen bringen, sowohl ein- als auch mehrstündig. Auch Unwetter
durch heftigen Starkregen sind nicht gänzlich auszuschließen. In der Osthälfte
bleibt es meist trocken und teils auch gering bewölkt. Die Tiefsttemperatur
liegt zwischen 18 und 9 Grad, mit den höchsten Werten im Süden.
Freitag … schwenkt der Trog unter weiterer Verkürzung seiner Wellenlänge
nordostwärts und erreicht abends Benelux und die Westalpen. Das Bodentief zieht
mit seinem Kern nach Norddeutschland. Die korrespondierende Kaltfront erreicht
im Tagesverlauf den Westen. Hier wird bereits vormittags trockenere, kühlere und
stabilere Luft advehiert, sodass nach Abzug der Schauer und Gewitter aus der
Nacht heraus nicht mehr viel passiert und es überwiegend trocken bleibt.
Der große Rest des Landes verbleibt in der feucht-warmen und mehr oder weniger
instabil geschichteten Subtropikluft. Da zunächst aber kein klarer synoptischer
Antrieb vorhanden ist, sondern nur kleine, schwer zu diagnostizierende, in die
Südwestströmung eingebettete Störungen, werden die Schwerpunkte der ab dem
Mittag wieder zunehmenden Gewittertätigkeit von den Modellen teils noch sehr
variabel simuliert. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor dürfte der Saharastaub
darstellen, von dem ein neuer, kräftiger Schwall nach Deutschland geführt wird.
Von den Modellen noch einigermaßen einheitlich simuliert wird ein Gebiet mit
schauerartigen, teils gewittrig durchsetzten Regenfällen, das sich schon in den
Frühstunden von Frankreich und der Schweiz nach Südwestdeutschland und bis zur
Mitte vorarbeitet. Dabei kann stellenweise mehrstündiger Starkregen um 20 l/qm
auftreten, die Unwettergefahr ist aufgrund der wohl abgehobenen Natur der
Konvektion eher gering.
Aus diesem Regengebiet läuft kalte Luft nach Osten heraus. Diese manifestiert
sich als Druckanstiegswelle (mit Böen Bft 7, exponiert Bft 8), die vor allem im
Alpenvorland schon im Vormittagsverlauf zu einer gewissen Stabilisierung führen
könnte. Ansonsten befinden sich der Südosten und Osten Deutschland aber noch
präfrontal in der wärmsten und labilsten Luftmasse. Vor allem innerhalb einer
Rinne, die sich ausgehend vom Tiefkern über Nordwest- und Norddeutschland in
einem Bogen über den Osten bis in den Südosten des Landes erstreckt, wird
einiges an CAPE aufgebaut, sofern es genügen einstrahlt. Den Zellen stehen meist
500 bis 1500 J/kg zur Verfügung, örtlich auch mehr. Die hochreichende Scherung
ist weiterhin veritabel, sodass sich die Zellen rasch zu Superzellen
organisieren können, die aufgrund des zur Konvergenz parallelen Schervektors
zügig verclustern dürften. Somit besteht zunächst vor allem Unwettergefahr durch
großen Hagel, bei größeren Systemen dann auch durch schwere Sturm- oder
Orkanböen. Starkregen ist nur sekundär, kann bei PPWs teils über 40 mm aber
räumlich eng begrenzt auch unwetterartig ausfallen. Im Osten fällt zudem auf,
dass die bodennahe Richtungsscherung erhöht ist. Bei niedrigen Wolkenbasen wäre
auch das Tornadorisiko erhöht.
Ein weiterer Schwerpunkt könnte sich im Norden abzeichnen. Hier ist die
Labilität zwar nicht so stark ausgeprägt, allerdings wird die sehr feuchte Luft
in das Tief hineingezogen, sodass vor allem im Hinblick auf den Starkregen
erhöhte Unwettergefahr besteht. Ansonsten sollten sich die einzelnen, im
Südwesten mit Übergreifen der Trogachse am Abend auch häufigeren Gewitter
meistens im markanten Bereich (neben Starkregen auch Sturmböen) abspielen.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 19 Grad im Nordwesten und lokal 30 Grad
in der Lausitz.
In der Nacht zum Samstag zieht der nun kurzwellige Trog in den Nordosten
Deutschlands, der nachfolgende erreicht England und Frankreich. Das Bodentief
verlagert sich zur westlichen Ostsee, sorgt dort im Küstenumfeld teils für stark
böig auffrischenden Westwind. Die Kaltfront schwenkt zumindest über die
Nordhälfte zügig ostwärts durch, sodass die Gewitter bereits in der ersten
Nachthälfte nach Nordosten abziehen. Rückseitig setzt sich ein Hochkeil durch
und das Wetter beruhigt sich. Gebietsweise lockert es auf, stellenweise bildet
sich Nebel.
Nach Süden zu hängt die Kaltfront zurück und wird später sogar wieder
rückläufig, sodass es zu keinem durchgreifenden Luftmassenwechsel kommt. Dort
muss mit weiteren Schauern und Gewittern gerechnet werden. Labilität,
Feuchtegehalt und Scherung gehen aber zurück, sodass es sich um markante
Gewitter, vor allem mit lokalem Starkregen, handelt dürfte.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 18 Grad an der Oder und 9 Grad in der Eifel.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Samstag … ergeben sich keine nennenswerten Diskrepanzen zur Frühübersicht. Der
Trog tropft über Frankreich ab und schwenkt zum Ligurischen Meer, dort induziert
das Cut-Off eine Zyklogenese. Die Südwesthälfte Deutschlands wird von dem
abtropfenden Trog gestreift, sodass es in feuchter und leidlich labiler Luft zu
schauerartigen Regenfällen und einzelnen Gewittern kommt. Bei PPWs um 30 mm ist
lokaler Starkregen möglich. Abends und in der Nacht zum Sonntag setzen am
Nordrand des sich ausbildenden Mittelmeertiefs Aufgleitprozesse und länger
anhaltende Regenfälle ein. Regional können 12-stündige Dauerregen-Warnschwellen
überschritten werden. Im Norden und Osten des Landes bleiben Hochdruckeinfluss
und trockenere Luftmassen vorherrschend, sodass bei einem Sonne-Wolken-Mix
überwiegend trocken bleibt.
Modellvergleich und -einschätzung
Die synoptischen Basisfelder werden sehr ähnlich simuliert. Die Probleme bei der
Prognose der konvektiven Schwerpunkte wurden im Text angesprochen und lassen
sich auch nicht lösen. Es betrifft zum einen die Druckwelle im Süden, zum
anderen die Lage der Rinne im Osten am morgigen Freitag und die damit in
Verbindung stehende Schwergewitterlage.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser