SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.06.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
In der Nacht zum Montag im äußersten Süden markante Regenfälle, anfangs noch mit
Gewittern durchsetzt. Tagsüber dann direkt aus Holland die perfide ULJANA mit
Überraschungspotenzial – na schauen mer mal…

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland nach wie vor auf der Süd-Südostflanke des
hochreichenden Tiefs SWANTJE, das mit einem Kerndruck von etwas unter 990 hPa
über Südskandinavien (Grenzbereich SWE-NOR) platziert ist. Davon ausgehend
erstreckt sich ein sehr breitgelatschter Potenzialtrog in Richtung Westeuropa,
was bei uns wiederum eine südwestliche Höhenströmung zur Folge hat. Mit
langsamer Annäherung des Troges drehen die Höhenwinde in den nächsten Stunden
noch etwas zurück, bleiben dabei aber auf Südwest. Interessanter als das scheint
das Geschehen an der Südspitze des Troges zu sein, wo ein kleines, heute Mittag
noch über der Nordostspitze Spaniens respektive dem westlichen Löwengolf
positioniertes Höhentief andockt und damit in die Hauptzirkulation aufgenommen
wird. Das Tief wird im Laufe der Nacht als kleiner Sekundärtrog den Alpenraum
ostwärts überqueren, wobei der Löwenanteil südlich des Hauptkammes verbleibt.
Das ist insofern von Bedeutung, als dass der im Wesentlichen durch PVA
induzierte Hebungsantrieb bei uns im Süden nur in abgeschwächter Form greift,
was aber immer noch dicke ausreicht, um das Thema „Niederschlag“ nachhaltig auf
die Anzeigetafel zu bringen.

Unterstützung erfährt der Sekundärtrog durch eine flache, sich vom östlichen
Alpenraum nordwärts ausdehnende Tiefdruckrinne sowie die immer noch im
Donaubereich lagernde Luftmassengrenze der vergangenen Tage. Diese trennt
weiterhin die inzwischen gealterte und merklich abgetrocknete Subpolarluft in
der Mitte (xPs; T850 etwa 5 bis 10°C) von potenziell instabiler und deutlich
feuchterer Subtropikluft im äußersten Süden (xS; T850 10 bis 13°C, PPW über 30
mm). Bis 13 UTC hatte sich an der LMG ein definiertes, im Radar wunderbar zu
erkennendes stabiles Regenband etabliert, in es dem gemütlich (und
glücklicherweise) ohne nennenswerte Intensität vor sich hinplätscherte. Dagegen
hatte sich zum selben Zeitpunkt noch kein einziges Gewitter entwickelt, was im
Wesentlichen auf die starke Bewölkung und dem daraus resultierenden geringen
Energieinput geschuldet war. Inzwischen ist das Regenband etwas nördlich der
Donau weitgehend zerfleddert, während weiter südlich – teils aus der Schweiz und
den Alpen heraus, teils durch Neubildungen – nun vermehrt Gewitter und
schauerartige Regenfälle am Start sind.

In den nächsten Stunden wachsen die Reste des Regenbands sowie die konvektiven
Niederschläge mehr und mehr zu einem flächigen, skalig anmutenden Regengebiet
zusammen. Dabei kommt nun auch die o.e. Rinne mit ins Spiel, auf deren
Westflanke der niedertroposphärische Wind zusehend auf Nordwest dreht, während
weiter oben weiterhin west-südwestliche Winde wirken. Zugegeben, keine
Gegenstromlage par excellence, aber immerhin ein bisschen. Hinzu kommt an den
Alpen etwas Stau, der aber nicht allzu stark ins Gewicht fällt, da er nicht
lange genug andauert. Kurzum, schwerpunktmäßig von der Bodenseeregion über den
Alpenrand nebst angrenzendem Vorland bis hoch nach Niederbayern zu recht
erklecklichen Regenfällen unterschiedlicher Intensität, die meist aber unterhalb
der Unwetterschwelle verbleiben. Einzig durch anfänglich noch auftretende
eingelagerte bzw. von Austria und Switzerland exportierte Gewitter könnte in der
ersten Nachthälfte räumlich eng begrenzt das Kriterium von 25 bis 40 l/m² innert
kurzer Zeit (anfangs auch noch Hagel) gerissen werden. Ansonsten werden in den
genannten Regionen innerhalb von etwa 8 bis 16 Stunden (am längsten regnet es im
südöstlichen Oberbayern, am kürzesten in Oberschwaben) etwa 30 bis 40 l/m²
erwartet, was mit einer markanten Dauer-, nach Westen hin mehrstündigen
Starkregenwarnung gewürdigt wird.

Vom Süden über die unspektakuläre Mitte (schwache, aber durchaus wirksame Brücke
zwischen dem Hoch über dem Ostatlantik und hohem Luftdruck über dem nahen
Osteuropa => vielfach klare Nacht mit einstelligen Tiefstwerten teils unter 5°C
in einigen Mittelgebirgen) in den kühlen und heute tagsüber windigen Norden.
Dort macht sich die Nähe zur garstigen SWANTJE bemerkbar, auch wenn der Gradient
in der Nacht etwas auffächert und der Wind vor allem im Binnenland an Stärke
verliert. Vor allem an der nordfriesischen Küste muss aber weiterhin mit Böen 7
Bft um West gerechnet werden. Ansonsten werden durch das Rückdrehen der
Höhenströmung die anfänglich noch auftretenden Schauer mehr und mehr nach Norden
rausgedrückt. Dafür tauchen am Morgen von den Niederlanden neue erste
Regenwolken auf, die die Vorboten zu einem möglichen brisanten Wochenauftakt in
Nordwestdeutschland markieren.

Montag … Grund ist ein in den Haupttrog eingebetteter, vor allem in den
Höhenschichten um und unterhalb von 500 hPa recht scharf geschnittener Randtrog.
Dieser überquert am Vormittag die südwestliche Nordsee in Richtung Niederlande,
um in den Abendstunden das westliche Niedersachsen zu erreichen. Dabei
interagiert er ziemlich harmonisch mit einem Bodentrog, der sich gleichzeitig
noch unter dem diffluenten linken Jetausgang befindet. Kein Wunder also, dass
ausreichend Höhendivergenz vorhanden ist, deren Pumpleistung schlussendlich ein
kleines abgeschlossenes Bodentief namens ULJANA entstehen lässt. Wenn auch der
Steckbrief von ULJANA noch nicht final unterschrieben ist, zeichnet sich doch
gegen 15 UTC der Grenzübertritt in oder zumindest in der Nähe der Grafschaft
Bentheim ab, wobei ein Kerndruck von 1003/1002 hPa avisiert ist. Zwar handelt es
nicht um eine Shapiro-Keyser-Zyklone, gleichwohl nimmt die teilokkludierte,
baroklin gar nicht mal so prominent aufgestellte Kaltfront eine fast schon als
ästhetisch zu bezeichnende Kommastruktur mit um den Kern herumgewickelten
Feuchteanteil und von Südwesten in den vorderen Kernbereich vorstoßenden
Dry-Intrusion ein.

Die Frage ist nun, zu welchen „Schandtaten“ Madame ULJANA angesichts dieser
Rahmenbedingungen in der Lage ist. Schaut man sich die omegaforcierenden
Elemente in der Höhe an, so findet man ein wunderbares PVA/NVA-Pärchen knapp vor
bzw. hinter dem Randtrog. Die PVA wird von weit nach Osten vorstoßender KLA
teilkompensiert und auch ein zweiter, über UK und die westliche Nordsee südwärts
schwenkender KW-Trog könnte dem ersten Randtrog etwas die Show stehlen. Rechnet
man nun noch die üblichen Modellschärfen mit allem Pipapo dazu und
berücksichtigt die Tatsache, dass die höchte Labilität eigentlich im
Trockenbereich simuliert wird, ergibt sich eine komplexe Gemengelage, die heute
noch nicht deterministisch aufgelöst werden kann. Vielmehr sollte man davon
ausgehen, dass die Wetterlage und speziell das Tief das Potenzial zu
„Überraschungen“ haben, wie auch immer diese geartet sein mögen.

Der grobe Fahrplan jedenfalls könnte wie folgt aussehen: Die Kaltfront des Tiefs
greift im Tagesverlauf auf den W und NW über, um von dort weiter in Richtung
Mitte zu ziehen. Dort nimmt ihre Wetterwirksamkeit aufgrund der zunehmenden
Entkopplung vom Randtrog immer weiter ab. Mehr als zeitweise leichter Regen und
ein etwas aufbrisender westlicher Wind sollte dort nicht möglich sein, auch wenn
z.B. SuperHD einzelne eingelagerte Gewitter anbietet – zweifelhaft angesichts
der nicht überbordend labilen Schichtung. Anders hingegen die Situation im
Westen und Nordwesten, schwerpunktmäßig im westlichen und nördlichen NDS. Dort
breitet sich nicht nur länger andauernder, sondern gebietsweise auch recht
kräftiger Regen um oder auch über 20 l/m² innert weniger Stunden aus. Hinzu
kommen eingelagerte konvektive Verstärkungen sowie mögliche Gewitter, die lokal
noch höhere Niederschlagsmengen bringen können. Hinzu kommt eine ausgeprägte LLS
mit 10 bis 15 m/s (viel Richtungsscherung) sowie ein deutlich abgesenktes HKN
teils um 500 m, was sogar einzelne Tornados nicht ausschließt. Wie gesagt, alles
nicht save, aber möglich.

Gleiches gilt für die Windentwicklung, bei der ebenfalls noch ein paar
Unsicherheitsfaktoren mitmischen (Dry-Intrusion, Herabmischen von Höhenwinden,
evtl. Ausbildung eines Cold- oder Sting-Jets). Was man sehen kann, ist eine
ausgewiesene Stauchung der Isobaren auf der Südwestflanke des Tiefs, die ein
spürbares Windmaximum zur Folge hat. Die Frage ist, reichen Böen 7-8 Bft aus,
wie von einigen Modellen apostrophiert oder wird noch bis Stärke 9 oder gar 10
Bft draufgesattelt (was die Lage rein von Bauchgefühl hergibt und z.T. sogar von
der Numerik angedeutet wird). Vom Impact hätte das angesichts der
fortgeschrittenen Vegetation durchaus unschöne Konsequenzen haben. Allerdings
werden wir uns bis morgen vielleicht sogar bis in den Nachmittag begnügen
müssen, um wirklich belastbare Aussagen im Indikativ treffen zu können. Mit
Verlagerung des Tiefs in Richtung Ostsee soll das Windmaximum ab dem (späten)
Nachmittag beginnend vom westlichen NDS und Westfalen über die nördliche Mitte
ostwärts ziehen, wobei sich in der Nacht zum Dienstag eine Abschwächung
abzeichnet.

Kurz noch einen Abstecher in den Süden, wo sich die ehemalige LMG als Kaltfront
relativ zügig in die Alpen zurückzieht. Damit verabschieden sich auch die
Regenfälle, die am Vormittag im Chiemgau und im Berchtesgadener Land aber
durchaus noch mal 10 bis 15 l/m² abladen können. Dahinter setzt sich gerade
zwischen Main und Donau bis hinüber nach Sachsen sowie in die Oder-Neiße-Region
trotz einiger Quellungen zeitweise die Sonne durch. In der frisch einfließenden
maritimen Polarluft (mP) wird es im bedeckten und regnerischen NW schwer, die
15°C-Marke zu erreichen. Dagegen werden im Süden 20°C öfters überschritten,
einen Sommertag wird es aber nicht geben.

Kurz noch der Ausblick in die Nacht zum Dienstag, in der das Tief über
Norddeutschland hinweg gen Ostsee zieht. Dabei deutet sich eine zunehmend
schlechtere Interaktion mit dem begleitenden Randtrog an. Gleichwohl kann es
gerade in den Abendstunden bis in die erste Nachthälfte rein im Bereich des
Tiefkerns noch zu kräftigen, mit Gewittern durchsetzen Regenfällen kommen,
insbesondere im nordöstlichen NDS, im HH-Raum sowie in SH. 15 bis 20 l/m² sind
strichweise nicht ausgeschlossen, lokal noch mehr. Auch beim Wind ist anfangs
noch ordentlich Bambule möglich, bevor in Nachthälfte zwei wohl nur noch Böen
6-7 Bft im Osten sowie an den Küsten auftreten.

Im Süden wird die dort ankommende und zuvor etwas ins Stottern gekommene
teilokkludierte Kaltfront wieder etwas reanimiert, was sich inn zeitweiligen,
meist schwachen Regenfällen äußert.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag … Die Modellkonsistenz von ICON ist sehr gut, daher keine
substanziellen Ergänzungen zur heutigen Frühübersicht nötig.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Entwicklung ähnlich. Die größten
Unbekannten im Portfolio sind morgen Montag das kleine Tief ULJANA nebst ihrem
KW-Begleiter in der Höhe. Hier sind sowohl hinsichtlich der genauen Zugbahn als
auch des Impacts (Wind/Niederschlag/Gewitter) ein paar Fragezeichen offen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann