SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 31.05.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Im Süden bis Sonntag/Nacht zu Montag ergiebiger Dauerregen (UNWETTER, teils
extrem).
Am Samstag und in der Nacht zum Sonntag von der Osthälfte bis in die mittleren
Landesteile teils kräftige Gewitter, vor allem bzgl. Starkregen mit
Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland nach wie vor im Einflussbereich eines
Höhentiefkomplexes mit mehreren kleinräumigen Drehzentren. Zwei davon, die sich
als Dipol um einen imaginären Schwerpunkt bewegen, beeinflussen in den kommenden
24 bis 48 Stunden maßgeblich unser Wetter.
Der westliche Dipol verlagert sich dabei im Laufe der Nacht vom Nordwesten en
Frankreichs Richtung Zentralmassiv, wodurch der östlichere von Norditalien in
den Norden Österreichs abgedrängt wird.
Die südöstliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet dreht dadurch allmählich
auf Ost bis Nordost, dabei bleibt vor allem über der Südhälfte des Landes
weiterhin recht markante WLA aktiv. Der dadurch generierte dynamische
Hebungsantrieb wird im Laufe der Nacht durch etwas PVA an der Nordwestflanke des
über die Alpen ziehenden Höhentiefs vor allem in Südbayern und dem südöstlichen
Baden-Württemberg noch gestützt bzw. etwas verstärkt.
Im Bodenfeld füllt sich das Tiefdruckgebiet über Norditalien derweil weiter auf,
während sich durch Überströmen der Ostalpen eine mehrkernige Tiefdruckrinne
etabliert hat, die vom ostbayerischen Mittelgebirgsraum über Tschechien und der
Slowakei in einem Bogen bis nach Ungarn reicht und sich im Laufe der Nacht
nordwärts Richtung Südpolen ausweitet. In der Früh befindet sich der westlichste
Tiefkern mit etwa 1006 hPa über dem Böhmischen Becken. An der Nordflanke des
Tiefs gelangt zunehmend feuchtwarme, potenziell instabile Luft aus dem östlichen
Mitteleuropa in den Osten und Norden Deutschlands; bereits am heutigen
Nachmittag und Abend haben sich dort einzelne Gewitter entwickelt, gebietsweise
fiel auch mehrstündiger Starkregen, die Hauptgewitteraktivität blieb aber
zunächst noch weitgehend über Polen.
In Süddeutschland hat sich dagegen an der West- und Südwestflanke des Tiefs eine
veritable Gegenstromlage eingestellt; bodennah kommt der Wind aus westlichen
Richtungen, in der Höhe dreht er auf Nord bis Nordost. Dazu gesellen sich
Aufgleiten mit WLA und vor allem nach Süden zu, von Oberschwaben bis ins
schwäbische Alpenvorland, der oben beschriebene zusätzliche dynamische
Hebungsinput aufgrund von PVA. Summa summarum weiten sich also die länger
anhaltenden Niederschläge in Süddeutschland im Laufe der Nacht einerseits noch
etwas nach Norden aus und erfassen zumindest den östlichen bzw. zentralen
Mittelgebirgsraum, andererseits intensivieren sie sich vor allem von
Oberschwaben bis ins westliche Oberbayern sowie im Bereich der Schwäbischen Alb
noch einmal deutlich, selbst eingelagerte kurze Gewitter können dort bei etwas
vorhandener MU-Cape nicht ganz ausgeschlossen werden, erscheinen jedoch eher
unwahrscheinlich. Diese Regenfälle dauern dort auch noch bis in den
Samstagvormittag an, ehe sie deutlich an Intensität verlieren.
Im Zeitraum heute, 12 UTC bis Samstag, 12 UTC dürfte somit schon zumindest im
Süden das Gros der Niederschläge in den teilweise bis in die Nacht zum Montag
mit Unwetter bzw. mit markantem Dauerregen bewarnten Regionen fallen. ICON-EU
sowie die Konvektion erlaubenden Modelle (ICON-D2, SuperHD und etwas
abgeschwächt auch AROME) simulieren von Oberschwaben bis ins westliche
Oberbayern sowie im Nordstau der Schwäbischen Alb vielerorts mehr als 80 l/qm in
24 Stunden, in Staulagen teils auch über 100 l/qm, die probabilistischen
Verfahren haben recht hohe Wahrscheinlichkeiten dafür auf der Agenda, so dass
für diese Regionen die Unwetterwarnung auf „extrem“ hochgestuft wurde.
Niedertroposphärisch strömt in den Süden des Landes von Westen her lediglich
mäßig warme Meeresluft, die 850 hPa schwankt dort in der Nacht um 5 Grad, an den
Alpen sinkt sie durch die Niederschlagsabkühlung sogar auf nahe 2 Grad,
entsprechend schneit es, je nach Intensität der Niederschläge, dort teilweise
bis auf nahe 1500 m. Oberhalb von 2000 m kommen durchaus nennenswerte
Neuschneehöhen zusammen.
Dazu verschärft sich an der Südflanke des Tiefs vor allem im südlichen
Alpenvorland der Gradient und der Wind frischt dort aus West bis Südwest mit
Böen Bft 7, in freien und höheren Lagen Bft 8 und auf den Alpengipfeln mit
Sturmböen Bft 9 auf.
Im Norden und Westen verläuft die Nacht dagegen deutlich ruhiger. Die einzelnen
Gewitter und auch der kleinräumig auftretende Starkregen klingen alsbald ab,
lediglich in Südbrandenburg und Sachsen, etwas nördlich abgesetzt des sich
allmählich von Süden her dorthin ausweitenden Regengebietes, kann es noch bis
weit in die Nacht hinein einzelne Gewitter mit Starkregen geben. Ansonsten
lockern die Wolken vor allem im Nordosten stärker auf.
Die Tiefsttemperaturen erreichen im Norden und Osten etwa 16 bis 12 Grad, im
Westen und vor allem aber im Süden bleibt es mit Minima zwischen 13 und 8 Grad,
am Alpenrand teilweise um 6 Grad frischer.

Samstag … kommt der westliche Höhentiefdipol etwa bis zur Rhonemündung voran,
der östliche bleibt dagegen im böhmisch-oberösterreichischem Grenzgebiet
zunächst quasistationär. Somit dreht die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
auf Nordost, wobei über Süddeutschland nach wie vor WLA wirksam bleibt.
Somit hält die Dauerregenlage zwar noch an, allerdings wird die WLA dynamisch
immer weniger durch PVA gestützt, so dass der Hebungsinput insgesamt mehr oder
weniger deutlich nachlässt.
Die Tiefdruckrinne kommt allmählich nordwärts voran, das Tief über dem
Böhmischen Becken zieht bis zum Abend in etwa nach Westpolen und füllt sich
allmählich auf. An dessen Südwestflanke fächert der Gradient in Südbayern wieder
auf, so dass der Wind dort bis zum Nachmittag wieder nachlässt und nicht mehr
warnrelevant ist.
Mit der Nordverlagerung der Rinne kommen auch die Niederschläge allmählich
nordwärts voran, wobei sich nordseitig der Rinne die Advektion warmer und
potenziell instabiler Luftmassen von Osten her weiter verstärkt. Von der
Osthälfte ausgehend bis in die mittleren und teilweise auch westlichen
Landesteile können nun gebietsweise mehr als 500 J/kg ML-Cape generiert werden,
zumal sich ab der Rinne nordwärts auch zeitweise die Sonne durchsetzen kann, die
PPW-Werte steigen auf 25 bis 30 mm. Vor allem im Bereich und unmittelbar
nördlich der Rinne von Sachsen/Brandenburg westsüdwestwärts bis in die mittleren
Landesteile und eventuell auch noch bis nach Franken, Südhessen und Nordbaden
(noch unsicher) nehmen die Niederschläge nun mehr und mehr konvektiven Charakter
an bzw. beginnen schon als Gewitter. Die hochreichende Scherung ist nur sehr
schwach, dafür steht vor allem im Bereich des konvergenten Windfeldes einiges an
bodennaher Richtungsscherung zur Verfügung. Die Folge sind langsam ziehende,
rückseitig immer wieder anbauende Gewitterzellen, die vor allem ein hohes
Potenzial für Starkregen bis hin zu Unwetter aufweisen. Eine entsprechende
Vorabinformation wurde bereits ausgegeben.
Als weitere Begleiterscheinungen kommen kleinkörniger Hagel und stürmische Böen
in Frage, Typ 2-Tornados sind ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Wie weit diese Gewitter noch nach Norden und Westen ausgreifen können, ist
unklar. Trotz recht großer potenzieller Instabilität dürfte es im äußersten
Norden und Nordwesten (etwa von Nordbrandenburg bis zum Niederrhein und nördlich
davon) weitgehend trocken bleiben und auch südlich daran angrenzend treten
einzelne Gewitter nur isoliert auf (SuperHD ist diesbezüglich offensiver
aufgestellt als ICON-D2).
In den Dauerregengebieten Süddeutschlands hingegen klingt die Intensität der
Niederschläge ab und es kommen bis zum Abend noch etwa 10 bis 30 l/qm dazu,
lediglich in Teilen Ostbayerns fällt kaum mehr was. Allerdings können auch dort
„konvektive Einschläge“ kleinräumig noch für deutlich höhere Mengen sorgen, vor
allem ICON-D2 ist diesbezüglich bis weit nach Unterfranken rein recht offensiv
aufgestellt. Überhaupt ist noch ein wenig unklar, wie weit die Gewitter nach
Süden ausgreifen.
Während sich vor allem im Nordosten und an den Küsten gebietsweise auch länger
die Sonne durchsetzen kann und die 850 hPa-Temperatur in der gesamten Nordhälfte
und auch in der Mitte die 10 Grad überschreitet, bleibt es im Süden mit 6 bis 8
Grad kühler. Das schlägt sich auch in den Maxima nieder. Im Norden und in der
nördlichen Mitte werden etwa 20 bis 25 Grad, in Brandenburg/Berlin auch mehr
erreicht, im Süden dagegen lediglich 14 bis 18 Grad, an den Alpen nur wenig über
10 Grad.

In der Nacht zum Sonntag nimmt nun auch der östliche Höhentiefdipol an Fahrt auf
und zieht nach Ostpolen, während der westliche Sonntagfrüh das Ligurische Meer
erreicht. Gleichzeitig weitet sich – ausgehend vom hochreichenden
Hochdruckgebiet über dem nahen Ostatlantik – ein Höhenkeil über Schottland zur
nördlichen Nordsee aus. Somit dreht die Höhenströmung hierzulande auf Nord.
Das Bodentief über Polen kann sich vorübergehend etwas vertiefen und zieht
allmählich Richtung Baltikum, während die bis in die Mitte Deutschlands
reichende Rinne zusammen mit der feuchten und potenziell instabilen Luftmasse
ein wenig nach Süden gedrückt wird. Südlich davon dreht die Strömung bodennah
wieder mehr auf Nordwest und vor allem südlich der Donau dauern die Regenfälle
weiter an bzw. verstärken sich Richtung Südostbayern sogar wieder etwas. Bis
Sonntagfrüh kommen nochmals 5 bis 25 l/qm zusammen, kleinräumig innerhalb
konvektiver Verstärkungen auch mehr.
Nördlich davon gibt es im Bereich der Rinne anfangs noch weitere
Starkregengewitter mit teils unwetterartigen Mengen, die nur zögernd an
Intensität verlieren. Welche Regionen nachts noch davon im Detail betroffen
sind, ist noch unklar. Vor allem vom Thüringer Wald über Unterfranken, Ost- und
Südhessen bis nach Nordbaden und gar bis zur Eifel haben die Konvektion
erlaubenden Modelle – von Lauf zu Lauf mit noch größeren Unterschieden – immer
wieder kleinräumig Regionen mit unwetterartigen Regenmengen auf der Agenda,
vereinzelt sogar noch in der zweiten Nachthälfte. Allgemein lässt dann aber die
konvektive Aktivität allmählich nach.
In weiten Teilen Norddeutschlands verläuft die Nacht dagegen trocken, allerdings
sorgt ein flacher, in die nördliche Höhenströmung eingebetteter Randtrog im
Laufe der Nacht am ehesten im Nordwesten sowie ganz im Nordosten für vereinzelte
Schauer oder kurze Gewitter.
Mit Abzug des Tiefs setzt im Vorhersagegebiet Druckanstieg ein, der im Westen
etwas stärker ausfällt als im Osten, da sich der ins westliche Mitteleuropa
gerichtete Hochkeil ein wenig intensiviert. Das führt vor allem im Nordwesten zu
einer Gradientverschärfung und der Wind frischt aus Nordnordwest auf. Im
Nordseeumfeld, vor allem auf Helgoland und auf den Ostfriesischen Inseln gibt es
dann vermehrt steife Böen (Bft 7).
Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 15 und 10 Grad, ganz im Süden auch
darunter.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … gelten weiterhin überwiegend die Ausführungen in der Frühübersicht.
Die Höhentiefs verlagern sich ins Baltikum bzw. nach Korsika, der Hochkeil kommt
bis zum Abend zur südlichen Nordsee voran, wird aber in der Nacht zum Montag mit
einem markanten Trogvorstoß ins Nordmeer von Norden her wieder „abgehobelt“.
Der flache Randtrog, der von Norden her morgens Norddeutschland erreicht, kommt
im Tagesverlauf zögernd nach Süden voran.
Im Bodenfeld bleibt die Tiefdruckrinne mit der potenziell instabilen Luftmasse
noch über Süddeutschland „hängen“ und auch über der Osthälfte wird diese
Luftmasse noch nicht ausgeräumt. Vor allem dort sowie etwa von den östlichen und
zentralen Mittelgebirgen südwärts bis etwa zur Donau kann bei zeitweise
auflockernder Bewölkung auch gebietsweise wieder mehr als 500 J/kg ML-Cape
generiert werden, so dass sich erneut teils kräftige Gewitter entwickeln. Ob
diese nochmals Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen aufweisen ist noch
unsicher, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber aufgrund höherer
Zuggeschwindigkeit geringer als an den Vortagen. Allerdings fallen flächig
nochmals 5 bis gebietsweise über 20 l/qm, so dass die Dauerregenwarnungen noch
aufrecht erhalten werden können.
Südlich der Donau klingen die Regenfälle dagegen ab, tagsüber kommen dort kaum
mehr nennenswerte Mengen zusammen. Erst in der Nacht zum Montag, wenn die Rinne
schließlich doch mal die Alpen erreicht, kann es auch dort wieder häufiger
regnen, während es weiter nördlich sowie im Osten dann mit dem Einströmen
stabilerer Luftmassen zusehends abtrocknet.
Generell trocken bleibt es bereits am Sonntag tagsüber in weiten Teilen Nord-
und Westdeutschlands, wo sich schon tagsüber mit frischem Nordwestwind (an den
Küsten nach wie vor Bft 7) die stabilere und nur noch mäßig warme Nordseeluft
breit macht. Vor allem an den Küsten scheint auch mal länger die Sonne. Die
Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 18 und 23 Grad, mit den höchsten
Werten in der Osthälfte. Im Nordseeumfeld sowie an den Alpen bleibt es frischer.

Modellvergleich und -einschätzung

Der grobe Fahrplan steht, die synoptische Ausgangssituation wird von allen
Modellen mit recht großer Einigkeit simuliert.
Im Detail gibt es natürlich Differenzen, die teilweise aber auch den
Modellcharakteristika geschuldet sind. GFS und IFS simulieren z.B. in den
Dauerregenregionen etwas geringere Mengen als ICON-EU, die Konvektion
erlaubenden Modelle aufgrund der höheren Auflösung dagegen durch die Bank weg
höhere Niederschlagsmengen.
Unklar sind noch die konvektiven Schwerpunkte der Starkregengewitter am morgigen
Samstag und in der Nacht zum Sonntag, die sowohl von Modell zu Modell als auch
von Lauf zu Lauf noch mit gröberen Differenzen simuliert werden.
Die Vorabinformation wurde entsprechend recht grob abgefasst und gilt auch für
Regionen, die wohl nicht davon betroffen sein werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff