SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.05.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Undankbare Großwetterlage mit konvektiven Schweinereien – auch zu Wochenbeginn
keine Beruhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines relativ breiten,
dafür nur mit limitierter Amplitude ausgestatteten Höhentrogs über dem nahen
Atlantik, von dem aus ein Randtrog bis nach Deutschland gerichtet ist.
Eingelagert in den Haupttrog ist ein abgeschlossenes Höhentief mit Drehachse
knapp westlich Irlands, das am Boden mit NORA zusammenarbeitet. Dabei handelt es
sich um ein flaches Bodentief, das seinen Höhepunkt bereits überschritten hat
und sich nun auf den wohlverdienten Lebensabend vorbereitet. Als kleines
Abschiedsgeschenk kredenzt uns NORA eine in der Analyse nur schwer
auszumachende, weil baroklin mau aufgestellte Kaltfront, die in den Abendstunden
von Benelux und Frankreich her auf die westlichen Landesteile übergreift, um von
dort weiter gen Mitte zu ziehen.

Vorderseitig von Trog und Front haben sich am heutigen Sonntag in gealterter
gemäßigter Warmluft (xSp; T850 um 10°C) Schauer und Gewitter entwickelt, deren
Schwerpunkt im äußersten Norden und Nordosten lag (höchster Wasserdampfgehalt,
höchstes CAPE). Durch rückseitigen Anbau in Strömungsrichtung (von Süd nach
Nord) sowie den daraus folgenden Mehrfachtreffern kam es räumlich sehr eng
begrenzt (quasi strichweise) zu stärkeren Regenfällen teils oberhalb der
Unwetterschwelle. In den nächsten Stunden ebbt die Konvektion tagesgangbedingt
relativ zügig ab bzw. ziehen die Gewitter nach Norden ab, so dass wir uns ohne
größere Nebengeräusche dem Tun der o.e. Kaltfront widmen können.

Deren Wetteraktivität ist in der kommenden Nacht zunächst noch recht
überschaubar, was zum einen an der ungünstigen Tageszeit, zum anderen aber auch
an der nicht optimal abgestimmten Zusammenarbeit mit dem Höhentrog liegt.
Trotzdem gilt es zwei Baustellen zu beleuchten, die sich in Verbindung mit der
Front auftun respektive das schon getan haben. So erkennt man im Radar ein
kleines Regengebiet, das schon am Nachmittag den äußersten Südwesten erreicht
hat. Es wird sich unter Abschwächung noch etwas weiter nach Osten ausweiten und
dabei auch die südliche Mitte ankratzen. Dabei können gebietsweise 5 bis 10
l/m², lokal vielleicht auch etwas mehr Niederschlag zusammenkommen. Zwar weist
das Regengebiet konvektive Einlagerungen auf, für Gewitter dürfte die Luftmasse
trotz etwas abgehobener Labilität (EML) insgesamt aber zu stabil sein. Ganz
ausgeschlossen sind ein paar eingelagerte Blitze jedoch nicht.

Baustelle #2 befindet sich im Westen und Nordwesten des Landes, wo das gesamte
Setup etwas konvektionsfreudiger daherkommt als im Südwesten. So weist nicht nur
das Bodendruckfeld rinnenartige Züge mit konfluenten Winden auf, auch der o.e.
Randtrog liegt „günstiger“, um die leidlich labil geschichtete Luftmasse zu
aktivieren. So muss in der ersten Nachhälfte noch mit einigen markanten
Gewittern gerechnet werden, bevor das Ganze dann über die Nordsee nordostwärts
abzieht.

Bliebe zum Schluss nur noch der Hinweis auf die deutschlandweite
Tiefsttemperatur, die zwischen 16 und 8°C anzusiedeln ist. Außerdem können sich
gerade im östlichen und südöstlichen Bayern einige Nebelfelder bilden.

Montag … verkürzt der Höhentrog seine Wellenlänge, was seiner Amplitude
zugutekommt. Die weitet sich süd-südostwärts aus, wodurch einerseits der Trog
dem Vorhersageraum etwas näherkommt, gleichzeitig aber auch die südwestliche
Höhenströmung beginnt rückzudrehen. Das wiederum schmeckt der Kaltfront nur
bedingt, weil sie durch die zunehmend höhenströmungsparallele Exposition immer
mehr ausgebremst wird bzw. ins Schleifen kommt. Wo genau sie schlussendlich zu
liegen kommt, ist schwer zu sagen, weil der thermische Gradient nach wie vor nur
schwach ausgeprägt ist und bei geringen Luftdruckgegensätzen eher willkürliche
denn definierte Windsprünge zu erkennen sind.

Auf alle Fälle kommt auch morgen wieder einiges an Arbeit auf die vorhersagende
Meteorologenschaft zu. Die Troposphäre bleibt leidlich labil geschichtet und
ausreichend feucht, auch wenn von Westen her langsam etwas weniger warme und
weniger feuchte Luft einsickert (T850 im Westen am Abend nur noch bei 6°C vs. 9
bis 12°C im Osten und Südosten). Am wasserdampfhaltigsten ist die Luft im Osten
(PPW um oder etwas über 30 mm, spezifische Grundschichtfeuchte bis 11 g/kg), wo
je nach Einstrahlung etwa 500 bis 1000 J/kg ML-CAPE aufgebaut werden können.
Diese Energie wird mit Hilfe des Tagesgangs sowie der langsamen Annäherung der
Kaltfront in Gewitter umgesetzt, die in Form von Einzel- oder Multizellen von
Süd nach Nord ziehen und mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und Böen 7-8 Bft
einhergehen. Durch rückwärtigen Anbau und Mehrfachtreffer sind auch morgen
wieder regional eng begrenzt größere Regenmengen über 25 l/m² innert kurzer Zeit
möglich. Interessant ist, dass vor allem ICON-D2 die Zone mit der höchsten
Gewitteraktivität immer weiter nach Osten auf die polnische Seite verlagert, was
aber mit Vorsicht zu genießen ist. Offensichtlich wird die Kaltfront
vergleichsweise progressiv simuliert, was angesichts der flauen und in der Höhe
rückdrehenden Strömung ein recht kühnes Unterfangen ist.

Vom Osten in den Süden und Südwesten, wo die Front definitiv zurückhängt. Dort
gehen die skalig anmutenden Regenfälle aus der Nacht im Laufe des Tages mehr und
mehr in konvektiv geprägtes Geschehen in Form von Schauern und Gewittern über.
Vor der diffluenten Trogspitze nehmen die synoptisch-skaligen Hebungsantriebe zu
(PVA). Außerdem bildet sich mit orografischer Unterstützung ein flaches Tief im
Bereich des östlichen Alpenrandes. Das könnte ausreichen, um im ansonsten eher
scherungsarmen Umfeld die Organisationsbedingungen für stärkere Zellen zu
verbessern, was offensichtlich auch von ICON-D2-EPS so gesehen wird (Signale im
Updraft Helicity Modus). Kurzum, am Nachmittag und Abend nimmt die
Wahrscheinlichkeit für stärkere konvektive Umlagerungen insbesondere am
Alpenrand sowie im benachbarten Vorland, aber auch west-nordwestlich davon zu.
Neben Starkregen bis in den Unwetterbereich sind auch Böen 8-9 Bft sowie Hagel
bzw. Hagelansammlungen möglich, wobei aber die Wahrscheinlichkeit für den ganz
großen Hagel (> 2-3 cm) aufgrund des limitierten Energieangebots gering ist.

Bleiben am Ende noch der Westen und Teile der Mitte, die zu Beginn der neuen
Woche ebenfalls nicht ohne Schauer und Gewitter davonkommen. Zwar ist die
frische Luftmasse etwas weniger energieträchtig als im Osten, bietet bei
besseren Scherungsbedingungen aber trotzdem ausreichend Möglichkeiten,
Überentwicklungen mindestens mal im markanten Bereich zu kreieren (leichte
Unwettergefahr durch lokalen Starkregen, ansonsten Schwerpunkt Wind bis zu 9
Bft). Am wenigsten passiert im Nordwesten, wo tatsächlich ein Trockeneinschub
erkennbar ist und die Höhenströmung ziemlich glatt verläuft.

Die Temperatur erreicht im äußersten Osten noch mal um die 25°C, wohingegen es
im äußersten Westen und Südwesten schwer wird, die 20°C-Marke zu knacken.

Am Abend und in der Nacht zum Dienstag verschärft sich die Lage, wenn nämlich
der immer schmaler werdende, zunehmend negativ (also nach Südosten) geneigte
Trog auf Deutschland übergreift. Vorderseitiger Druckfall lässt eine von Südost
nach Nordwest exponierte Tiefdruckrinne entstehen, in die auch das flache Tief
aus Südostbayern aufgeht. Die Rinne schwenkt langsam nordostwärts und führt
dabei die Kaltfront mit sich, die den südwestlichen Rand der Rinne markiert.

Auf der wärmeren, der nach Osten und Nordosten gerichteten Seite kommt es bis
weit in die Nacht hinein zu teils kräftigen Gewittern, bei denen der Starkregen
bis in den WU-Bereich ganz weit vorne auf der Karte steht. Auf der kälteren
Seite hingegen nimmt die Gewitterbereitschaft immer weiter ab, dafür tritt immer
stärker die ungewittrige Regenkomponente in den Vordergrund. In einem Bogen vom
südöstlichen Bayern über die östliche Mitte bis hoch nach Nordwestdeutschland
kommt es gebietsweise zu mehrstündigem Starkregen von 20 bis 35 l/m² innert
mehrerer Stunden, lokal auch mehr (konvektive Verstärkung). Vor allem in
Südostbayern ist die Unwettergefahr erhöht, weil sich dort vorübergehend eine
solide Gegenstromlage einstellt. Noch werden die Schwerpunkte seitens der
Modelle aber unterschiedlich und nur wenig konsistent simuliert.

Am wenigsten passiert in der Nacht im Südwesten und Westen von BaWü bis hoch
nach Hessen und NRW. Zwar regnet oder gewittert es dort anfangs auch noch, bevor
es dann im Verlauf aber abtrocknet und z.T. auch auflockert.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag … Es gelten die Ausführungen der Frühübersicht.

Modellvergleich und -einschätzung

Es ist wie fast immer bei vergleichbaren Lagen: Die Basisfelder passen gut,
Niederschlag und Konvektion nicht so. Entsprechend stehen die Diensthabenden
auch am morgigen Montag vor einer unangenehmen Warnlage mit viel Nowcast.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann