#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag den 20.05.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 20.05.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Nach ruhiger Nacht am Dienstag neue Bambule. Vor allem in einem Streifen von
Südostbayern bis hinüber ins südliche NRW teils kräftige Regenfälle und schwere
Gewitter (Unwetter).
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Aktuell … konvergiert das lange Pfingstwochenende langsam aber sicher seinem
Ende entgegen. Und wie schon die Tage zuvor haben sich heute wieder zahlreiche
Gewitter entwickelt, die auch am Abend noch ihr Unwesen treiben. Erwartungsgemäß
war und ist der Norden des Landes der konvektive Hauptgewinner, während im
großen Rest nur ein paar Einzeltäter unterwegs waren, vornehmlich über und an
den Mittelgebirgen.
Zur Wetterlage, die geprägt ist von labil geschichteter, gealterter
Subtropikluft (xS, xSp), die im Norden deutlich feuchter ist als im Süden. Die
Luftmasse befindet sich inmitten einer äußerst gradientschwachen
Druckverteilung, in der sie mit Hilfe des Tagesgangs schön vor sich
hinvegetieren kann. Unterstützung kommt im Norden von einem schmalen
Potenzialschlauch, der sich ausgehend von einem Höhentief über Westfrankreich
bis in den Norden Polens erstreckt. Nach Süden hin macht sich dagegen der flache
Keil eines breiten Höhenrückens über dem zentralen Mittelmeer respektive
Südosteuropa bemerkbar (zusammen mit leichten Föhneffekten der Grund, warum
heute aus den Alpen heraus nicht viel bis gar nichts ging in Sachsen Gewitter).
Während sich Rücken und Keil zusehends zurückziehen, kommt es über dem nahen
Ostatlantik ausgehend von der Irminger See zu einer Austrogung, die im Laufe der
kommenden Nacht mit dem „Pickup“ des westfranzösischen Höhentiefs ihren
vorläufigen Höhepunkt erfährt. Am Ende steht da ein negativ, weil nach Südosten
geneigter Höhentrog, auf dessen diffluenter Vorderseite sich leichter, von
Frankreich bis in den Alpenraum sowie nach Deutschland reichender Druckfall
fortsetzt. Welche Konsequenzen das für die Entwicklung am morgigen Dienstag für
uns hat, dazu gleich mehr.
Zunächst noch ein paar Sätze zur Nacht, wo der Tagesgang und das damit
verbundene Zudrehen des Energiehahns für ein rasches Abebben der konvektiven
Aktivitäten sorgen. Vor allem nach Norden hin bleibt einige Restbewölkung übrig,
so dass Nebel in der feuchten Grundschicht wohl nur ein lokales Thema ist.
Weiter südlich kann es zwar für längere Zeit aufklaren, dafür ist die
Grundschicht häufig zu trocken, um überregionalen Nebel zu produzieren. Mit
Ausnahme einiger kühlerer Mittelgebirgssenken geht die Temperatur auf 14 bis 8°C
zurück.
In den frühen Morgenstunden setzen vorderseitig des o.e. Höhentroges die ersten
schauerartigen Regenfälle ein. Betroffen davon sind vor allem das südliche BaWü
und der Alpenrand, evtl. auch schon die Südpfalz und das Saarland. Die Mengen
halten sich noch in Grenzen, einzig bei konvektiven Einlagerungen sind räumlich
eng begrenzt mal 10 oder 15 l/m² innert kurzer Zeit möglich.
Dienstag … droht neues Ungemach. So schwenkt der Höhentrog trotz blockierender
Wirkung eines Hochs über Fennoskandien und dem nahen Osteuropa zumindest in
homöopathischen Dosen nordostwärts. Damit setzt sich nicht nur der Druckfall
fort, auch die Hebungsprozesse auf der diffluenten Vorderseite weiten sich von
Süden her bis in die mittleren Landesteile aus. Bereits in der Nacht etabliert
sich eine breite Tiefruckrinne, die ausgehend vom zentralen Mittelmeer über die
Alpen hinweg bis nach Frankreich respektive England reicht. Die Rinne vertieft
sich noch etwas auf rund 1005 hPa und verlagert seine Konvergenzachse bis zum
Abend etwa auf eine Linie Niederrhein-Rhön-Bayerischer Wald (ICON-D2 von 12
UTC). Innerhalb der Rinne werden sich voraussichtlich mehre lokale Druckminima
bzw. Drehzentren bilden, deren genaue Position heute noch nicht final
prognostiziert werden kann, die aber kollektiv den Namen LISA tragen (Rinne
LISA).
LISA hin, Rinne her, Fakt ist, dass es im Tagesverlauf zu einer fruchtbaren
Interaktion der potenziell instabilen, aber nicht überbordend labilen Luftmasse,
der Trogvorderseite sowie der Rinne/Konvergenz kommt, die sich insbesondere in
der zweiten Tageshälfte in Form zahlreicher und vielfach schwerer Gewitter
widerspiegelt. Förderlich für die Heftigkeit ist neben der schon genannten
Konstellation die Tatsache, dass beim Wasserdampf noch mal eine Schippe
draufgelegt wird. So ist vor allem im Südosten sowie in der südlichen Mitte eine
relativ deutliche Feuchteflusskonvergenz erkennbar, die einen Anstieg des PPWs
auf 30 bis 35 mm und der spezifischen Feuchte in der Grundschicht auf rund 10
g/kg zur Folge hat. Die nachmittägliche und abendliche Hauptaktivität ist im
inneren Bereich der Rinne (wo die Konvergenzeffekte am stärksten ausgeprägt
sind) sowie knapp süd-südwestlich davon zu erwarten Übersetzt in geografische
Angaben bedeutet das einen bogenförmigen, rund 200 km breiten Korridor, der von
Südostbayern über Franken und Hessen bis in den Norden von RP sowie das südliche
NRW reicht. Angesichts der Rahmenbedingungen (limitiertes CAPE, weinig Wind,
schlechte Organisation) liegt der Fokus eindeutig auf dem Starkregen bis in den
Unwetterbereich, wobei durch Verclusterung oder Mehrfachtreffer nicht nur ein-
sondern auch mehrstündig gedacht werden muss. Eine entsprechende
Vorabinformation wurde bereits heute Vormittag ausgegeben.
Gehen wir im Zeitstrahl noch mal zurück auf die Stunden vor dem Mittagsmahl und
regional in den Südwesten. Dort sind ja schon die schauerartigen Regenfälle aus
der Nacht aufgeschlagen, die sich nun weiter in Richtung Nordbaden, südliches RP
und Saarland ausweiten. Aufgrund stabilerer Schichtung sind die Niederschläge
eher skalig motiviert, wenn auch mit konvektiven Einlagerungen (schauerartige
Verstärkungen, vereinzelte Gewitter nicht ausgeschlossen). Dabei sind durchaus
Hinweise für lokalen Starkregen vorhanden (vor allem im Oberrheingraben; det. 20
bis 30 l/m² innert 6 h, prob. 20-40% Wahrscheinlichkeit für mehr als 20
l/m²/6h). Insgesamt wurden die Mengen gegenüber den meisten Vorläufen – übrigens
auch auf der benachbarten französischen Seite – aber etwas zurückgenommen, was
für die gebeutelten Regionen im und um das Saarland herum sicherlich erstmal
eine gute Nachricht ist. Trotzdem, und auch das gehört zur Wahrheit, sind die
bis morgen Abend aufakkumulierten Mengen im Saarland tendenziell sogar etwas
nach oben gegangen auf etwa 10 bis 20 l/m². Das erfüllt zwar bei Weitem nicht
das Kriterium für eine Unwetterwarnung. Vor dem Hintergrund der üblichen
Prognoseunschärfe sowie der Tatsache, dass in unmittelbarer Nachbarschaft noch
etwas größere Mengen gerechnet werden, sollte man die Vorabinformation zunächst
noch stehenlassen.
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass der Norden und Osten des Landes
von dem ganzen Brimbamborium weiter südlich so gut wie nix mitkriegen. Zwischen
der Rinne und dem o.e. Hoch weht ein leicht bis mäßig böig auflebender Ostwind
(an der Ostsee einzelne steife Böen 7 Bft), der trocken-warme Kontinentalluft
heranweht (T850 um 12°C), in der die Temperatur abseits der Küsten auf 24 bis
28°C steigt. In den übrigen Gebieten stehen 19 bis 24°C, im Südwesten und dem
äußersten Süden nur 14 bis 19°C auf der Karte.
In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der Höhentrog noch etwas nach Nordosten
aus, wobei sich ein Richtung Alpen gerichteter kurzwelliger Anteil
herauskristallisiert. Vorderseitig schwenkt die Bodenrinne langsam über die
Mitte hinweg gen Norden, wobei ICON-D2 etwas progressiver zur Sache geht als der
große ICON-Bruder. Fakt ist, dass sich nun eindeutiger als tagsüber ein
eigenständiges Drehzentrum entwickelt, welches um Mitternacht über
Westdeutschland liegt, um am Morgen die Rheinmündung (ICON-Nest) oder die
südwestliche Nordsee (ICON-D2) zu erreichen.
Mit der Rinne verlagern sich die schauerartigen (Stark)Regenfälle und Gewitter
peu a peu nord-nordostwärts, wobei die Gewitterneigung im Nachtverlauf
allmählich abnimmt. Die höchste Starkregengefahr bis hin zu Unwettern (ein- oder
mehrstündig) verbleibt in einem relativ schmalen Korridor, der von NRW über die
Mitte bis nach Ostbayern reicht.
Ganz im Norden und Nordosten kommt der Regen bei weiterhin böigem Ostwind noch
nicht an und auch im Süden und Südwesten trocknet es in der von Südwesten
einfließenden erwärmten subpolaren Meeresluft (mPs; T850 um 7°C) mehr und mehr
ab (=> Wolkenauflockerungen).
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Mittwoch … lässt sich im neuesten ICON-Lauf von 12 UTC erkennen, dass der
Streifen mit der stärksten Konvektion etwas weiter nach Nordosten verschoben
wurde. Ansonsten bleibt aber alles beim Alten, weshalb auch die Aussagen aus der
Frühübersicht ihre Gültigkeit behalten.
Modellvergleich und -einschätzung
Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Entwicklung ähnlich,
insbesondere wenn man auf die Basisfelder schaut. Gleichwohl beinhaltet die
Vorhersage noch einige Tücken und Fragen, die z.T. wohl erst recht kurzfristig
gelöst werden können. So gibt es seitens ICON-D2 (-EPS) Andeutungen, dass der
Korridor mit den starken Gewittern am morgigen Dienstag etwas weiter nach Norden
ausgreift als in vorherigen Läufen. Da hier aber nicht alle Modelle und
EPS-Verfahren mitspielen, wird die laufende Vorabinfo erstmal nicht angefasst.
Baustelle #2 betrifft den Südwesten, wo mehr der (Stark)Regen als etwaige
Gewitter im Fokus stehen. Auch dort schwanken die Vorhersagen. Wahrscheinlich
wird dort mit einer relativ kurzfristigen Dauer- oder (mehrstündigen)
Starkregenwarnung operiert. Aus warntaktischen Gründen (Stichwort „falsch
verstandenes Signal auf der Kundenseite“) wird die Vorabinfo vor heftigem Regen
im Saarland/südlichen RP zunächst nicht aufgehoben, auch wenn sich abzeichnet,
das die Unwetterschwelle wohl nicht gerissen wird (Impactgedanke/Vorgeschichte).
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann