#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 01.05.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.05.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Nach sommerlichem Maistart ab Donnerstag erstmal wieder bergab. Dabei in der
Südwesthälfte deutlich unbeständiger mit Gewittern respektive gewittrigen
Regenfällen und regional begrenzt erhöhter Starkregengefahr.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Aktuell … biegt der heutige Maifeiertag in die Zielgrade ein. Ein Feiertag
ganz nach dem Geschmack der breiten Bevölkerungsmasse und wie geschaffen für
Aktivitäten unter freiem Himmel: sonnig, warm und trocken, dazu hier und da
etwas Saharastaub, um kurz und knackig die wesentlichen Attribute des heutigen
meteorologischen Profils zu nennen. Einzig tief im Westen (aber nicht in
Bochum), wo die Luft nicht ganz so trocken war (Taupunkte um oder sogar etwas
über 15°C) entwickelten sich aus dem Bergland heraus einzelne Gewitter. Das
passt insofern, als dass der Luftdruck schon seit geraumer Zeit fällt und wir
genau genommen einem Tief näher als einem Hoch sind. Während eine umfangreiche
Hochdruckzone bestehend aus den Herren SVEN und REINER von Skandinavien bis
hinunter nach Südosteuropa verläuft, hat sich in den Mittagsstunden über der
Schweiz mit Föhnunterstützung das flache Tief FLURINA gebildet. Es wird bei uns
am morgigen Donnerstag eine äußerst prominente Rolle einnehmen, während es heute
zumindest in Deutschland durch weitgehende Passivität auffiel. Gründe für das
schöne Frühsommerwetter (ich weiß, ich weiß, nicht alle finden’s schön, aber die
meisten) sind zum einen der relativ trockene, aus dem Hoch ausfließende östliche
Wind im Verbund mit einer zunächst noch antizyklonal konturierten südöstlichen
Höhenströmung.
Womit wir bei der Potenzialverteilung wären, die in Summe ein stark
blockierendes Muster beschreibt. Protagonisten sind ein
nordwest-südost-exponierter Rücken, der vom südlichen Europäischen Nordmeer bis
hinunter nach Südosteuropa reicht und dabei das Bodenhoch stützt. Ihm gegenüber
steht ein länglicher, dafür nicht allzu breiter Trog über dem nahen Atlantik
sowie der Iberischen Halbinsel. Seine Hauptachse dreht sich langsam gegen den
Uhrzeigersinn, was den südlichen Teil des Troges mehr und mehr in den westlichen
Mittelmeerraum verschiebt. Dort befand sich heute tagsüber auch ein
vorgelagerter Randtrog, der nun aber damit beschäftigt ist, Richtung Alpen zu
konvergieren. Vorderseitig wird Druckfall generiert, der auch der o.e. FLURINA
zugutekommt, die sich auf etwas unter 1000 hPa vertieft. Doch nicht nur das, bis
Donnerstagfrüh verlagert sich der Kern Richtung Dreiländereck D-B-NL, wobei das
Tief eine zunehmend rinnenartige Geometrie annimmt.
Und was bedeutet der ganze Spaß nun für die Wetterentwicklung? – Nun, insgesamt
noch nicht allzu viel, bleibt es doch im größten Teil des Landes gering bewölkt
oder klar und trocken. Lediglich im Südwesten, quasi im Bereich der Bodenrinne
respektive knapp dahinter kommt es zu einer Feuchteflusskonvergenz
(Wasserdampfanreicherung), so dass die von Haus aus instabile Subtropikluft mit
etwas MU-CAPE angereichert wird. Neben Wolken dürfte es auch für einzelne
Schauer reichen, während hinter dem Wetterelement „Gewitter“ noch ein
Fragezeichen steht. Reicht das bisschen PVA auf der Vorderseite des zu den Alpen
ziehenden Randtrogs aus, die deutlich abgehobene Mischungsschicht (ELM =>
Elevated Mixed Layer) soweit in Wallung zu bringen (also zu heben), dass am Ende
einzelne Überentwicklungen dabei herausspringen. Wenn ja, dann liegt der
Schwerpunkt der Begleiterscheinungen auf Starkregen (abgehobenen Konvektion).
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass der Gradient zwischen dem
langsam ziehenden Tief und dem stationären Hoch insbesondere im Norden und Osten
leidlich aufgestellt bleibt. Dem Tagesgang folgend lässt der östliche Wind im
nordostdeutschen Binnenland trotzdem soweit nach, dass keine Warnungen mehr
erforderlich sind. Lediglich über der freien Nord- und Ostsee inkl. der
vorgelagerten Inseln sowie im Bereich des sächsischen und ostbayerischen
Berglands stehen einige Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft auf der Karte. Gleiches gilt
für die Hochlagen sowie typische Föhnschneisen der Alpen.
Thermisch gehtŽs runter auf Tiefstwerte zwischen 15 und 7°C, was gemeinhin als
mild bezeichnet werden kann.
Donnerstag … stellt sich eine Zweiteilung des Wetters ein, wobei ganz grob die
Südwest- von der Nordosthälfte zu unterscheiden sind. Zuvor in Kürze die
wesentlichen synoptischen Mechanismen. Zunächst mal dreht sich die Achse des
schmalen Höhentrogs weiter gegen den Uhrzeigersinn, was ihr um 12 UTC eine
Ausrichtung vom Seegebiet knapp westlich Irlands bis zum Tyrrhenischen Meer
bringt. Und da auch der konkurrierende Rücken noch etwa in die zyklonale Drehung
geht, bekommt die Blockierung mehr und mehr das Muster einer
„High-over-Low-Konstellation“. Der o.e. Randtrog überquert die Alpen von Süden
her und begleitet die Bodenrinne (besser schiebt diese vor sich her) auf ihrem
Weg vom Südwesten in den Westen und die Mitte (abends).
Auf der Nord-Nordostflanke der Rinne weht ein mäßiger, mitunter auch frischer
Südost- bis Ostwind (über der freien See sogar ein leichter Nordosteinschlag),
der durch den Tagesgang zusätzlich angefacht wird. Dabei werden immer mal wieder
Böen 7 Bft erreicht, allerdings nicht so flächendeckend und wiederholt, dass
sich eine großräumige Warnung vergleichbar dem heutigen (überwarnten) Muster
aufdrängen würde. Am klarsten sind die Signale für das Erzgebirge nebst Vorland
(dort exponiert auch Böen 8 Bft) sowie für Fehmarn und den Norden SHs, wo sich
eine kleine Warnung anbieten würde.
Mit dem östlichen Wind wird weiterhin kontinental geprägte Warmluft (xS; T850 um
11°C) advehiert, die zwar instabil geschichtet, aber eben auch ziemlich trocken
ist. Zwar werden am unmittelbaren Nordrand der Rinne einige hundert Joule pro
Kilogramm ML-CAPE zur Verfügung gestellt. Trotzdem wird es schwer, die
potenzielle Energie vermehrt! in konvektive Umlagerungen zu transferieren, weil
sich das Eimischen der trockenen Luftmasse („Entrainment“) als substanzielles
Hemmnis erweist. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass es insbesondere aus dem
Bergland heraus zu isolierten Einzelentwicklungen kommt. Die Scherung ist mau,
weshalb es mit der Organisation der Gewitter hapert und zumindest größerer Hagel
keine Rolle spielen sollte. Auch Starkregen drängt sich nicht unbedingt auf,
weil die Zellen ziehen. Zu achten ist vor allem auf den Wind, weniger wegen des
Höhenwindes als vielmehr wegen der trockenen Grundschicht mit inverser
V-Struktur. Damit ist Gefahr von Downbursts gegeben mit Spitzen, die durchaus
Stärke 8, vielleicht sogar 9 Bft erreichen können.
Anders als die Situation knapp vor stellt sich die Lage innerhalb bzw. knapp
hinter der Rinne dar. Die Luftmasse ist noch etwas labiler, vor allem aber
feuchter (PPWs im Westen bis zu 30 mm), so dass potenziell noch mehr CAPE zur
Verfügung steht. Potenziell deswegen, weil nicht klar ist, wie viel Einstrahlung
vorher noch zum Tragen kommt, um die Luftmasse entsprechend energetisch
aufzubereiten. Fakt ist, dass die Scherung nicht besonders ausgeprägt ist und
somit organisierte Strukturen nur wenig wahrscheinlich sind. Vielmehr besteht
aufgrund der eher flauen Strömungsverhältnisse ein gewisser Hang zur
Verclusterung und auch „Wiederholungstäter“ (gemeint sind natürlich
Mehrfachtreffer von verschiedenen Zellen) sind nicht unwahrscheinlich. Das
erklärt auch ein Stück weit, warum hochaufgelöste Modelle, allen voran ICON-D2,
stellenweise exorbitant hohe Regenmengen ausspucken (einstündig bis zu 50 l/m²,
dreistündig bis zu 90 l/m²), die synoptisch aufgrund der der zwar feuchten, aber
nicht quatschnassen Luftmasse nur schwer nachzuvollziehen sind. Gleichwohl, auch
wenn die Mengen vielleicht nicht so hoch ausfallen wie eben beschrieben, ist
doch Starkregen bis in den Unwetterbereich – sei es ein- oder mehrstündig –
durchaus ins Kalkül zu ziehen. Das belegen übrigens auch die
ICON-D2-EPS-Prognosen, die im Westen und Süden für morgen Nachmittag deutlich
erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Starkregen anbieten. Schwerpunkte sind dabei
auszumachen im Bereich Rheinland/Ruhrpott, rund um die Schwäbische Alb sowie
zwischen Bayerisch Schwaben und dem westlichen Oberbayern. Dagegen lässt sich
zwischen Eifel und Vorderpfalz inkl. RMG ein Minimum detektieren. Für eine
Vorabinformation reicht das Ganze zumindest heute Abend aber (noch) nicht, zumal
externe Modelle die Sache um einiges defensiver angehen und die echten Hotspots
wahrscheinlich räumlich sehr eng begrenzt auftreten werden.
Zu sagen wäre noch, dass sowohl Hagel als auch Starkwind bei den Gewittern in
und hinter der Rinne nur eine untergeordnete Rolle hinter dem Starkregen
spielen, was aber Böen 7-8 Bft, nach Südosten hin sogar 9 Bft sowie
kleinkörnigen Hagel (nebst Ansammlungen) nicht kategorisch ausschließt. Je
weiter wir uns von der Konvergenzachse (in die übrigens eine Luftmassengrenze
eingelagert ist) nach Südwesten orientieren, desto stärker wird die Zufuhr
kühlerer und stabilerer Luftmassen vom Atlantik (mPs; Rückgang T850 bis zum
Abend auf 9 bis 5°C, in Südbaden nur noch um 3°C). Die Gewitter gehen in
gewittrigen, später zunehmend in ungewittrigen Regen über oder es hört ganz auf
zu regnen. Der Wind dreht auf westliche Richtungen und frischt im Südwesten und
Süden in Verbindung mit einer Druckanstiegswelle mitunter böig auf (Böen 6-7,
exponiert 8 Bft).
Einen mächtigen Gradienten gilt es bei der Temperatur zu beschreiben: Während es
in der verbreitet sonnigen oder nur locker bewölkten Nordosthälfte nochmals
verbreitet für einen Sommertag reicht (in BB bis zu 28°C, an den Küsten
allerdings kühler, bei auflandigem Wind sogar deutlich kühler), steht im
Badischen mit 14 bis 18°C je nach Höhenlage (ganz oben noch frischer) ein
Kleidungswechsel gegenüber heute an.
In der Nacht zum Freitag verschiebt sich das Potenzialmuster kaum noch, wodurch
die Blockadewirkung erhalten bleibt. Das macht es der Bodenrinne inkl. der
Luftmassengrenze (Kaltfront) schwer, Boden nach Norden hin gutzumachen.
Stattdessen beginnt sie sich allmählich aufzufüllen, was aber nicht zu falschen
Schlüssen führen sollte. Zwar nehmen die Regen- und Gewitterwahrscheinlichkeit
im Süden und in der Mitte deutlich ab. Im Westen hingegen werden
modellübergreifend weitere, teils gewittrige Regenfälle mit erhöhter
Starkregengefahr angeboten. Wie das Ganze warntechnisch umgesetzt wird –
Gewitter, mehrstündiger Starkregen, evtl. sogar Dauerregen mit aufgesattelten
Gewittern – muss am Donnerstag beschlossen werden. Die vor allem gestern noch
von einigen Modellen gemachte Andeutung einer Gegenstromlage mit warnrelevantem
Dauerregen in Teilen Süd- und Südwestdeutschlands ist zwar noch nicht ganz vom
Tisch, ist insgesamt aber zurückgenommen worden. Zurück gehtŽs auch bei der
Temperatur und zwar auf 15 bis 8°C, im Süden z.T. etwas darunter.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
Freitag … Der neueste ICON-Lauf von 12 UTC deckt sich im Wesentlichen mit den
jüngsten Vorläufen. Es gelten somit die Ausführungen der Frühübersicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Während die Basisfelder ziemlich kongruent gerechnet werden, offenbaren sich bei
den Niederschlags- und Konvektionsprognosen doch einige Diskrepanzen. Dass am
morgigen Donnerstag und im Westen auch noch in der Nacht zum Freitag eine
gewisse Starkregengefahr bis hin zu Unwettern besteht, wird vor allem von den
hochauflösenden Modellen und deren probabilistischen Anschlussverfahren
propagiert. ICON nimmt dabei eine Führungsrolle ein. Das Problem, sowohl
Intensität als auch die genaue räumliche Verteilung werden jeweils etwas anders
eingeschätzt. Wie man ohnehin sagen muss, dass die genauen konvektiven Abläufe
des morgigen Tages schwierig einzuschätzen sind. Wir dürfen gespannt sein.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann