#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 29.03.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 291800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.03.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Mit den besten Ostergrüßen aus der Sahara – „staubiger“ Karsamstag mit Südföhn
in den Alpen und Kaltfrontpassage im Westen.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Aktuell … wimmelt es auf der europäischen Wetterkarte nur so vor
Tiefdruckgebieten. Wo das Auge auch hinschaut, überall „Frauen“, was
grundsätzlich ja nichts Schlechtes ist: im Westen diverse NADJAs, im Norden die
MATILDA, im Südwesten Madame ONEGA, dazu noch ein paar namenlose Ladies – liebe
Hochdruckgebiete, wo seid ihr? Angesichts einer derartigen Frauenpower kann
Mensch und Meteorologe schon mal den Überblick verlieren. Es folgt ein Versuch,
etwas Ordnung in die Reihen zu bringen.
Fakt ist, dass wir derzeit eine ausgeprägte Südlage haben gemäß dem GWL-Muster
TB (Tief Britische Inseln). Dort bzw. knapp westlich von UK/Irland befindet sich
das Doppeltief NADJA, das bis morgen keinerlei Abschiedsgedanken hegt und somit
seine Position weitgehend beibehält. Weitgehend deshalb, weil sich die beiden
Tiefkerne gegen den Uhrzeigersinn um eine virtuelle Vertikalachse drehen, so
dass die Verbindungslinie zwischen den beiden Druckminima von zonal (heute
Mittag) auf meridional (morgen Mittag) wechselt. Gleiches gilt für die
korrespondierenden Höhentiefs respektiv den weit nach Süden ausgreifenden
Höhentrog, auf dessen Vorderseite bei uns die Strömung von Südwest auf glatt Süd
rückdreht.
Mit der hochreichenden südlichen Grundströmung wird eine ordentliche Portion
Warmluft nordafrikanischer Herkunft nach Mitteleuropa und somit auch nach
Deutschland verfrachtet (T850 am Morgen mit Ausnahme des äußersten Nordens und
Westens 10 bis 13°C!), in der die Temperatur am Samstag mächtig nach oben
marschiert. Wie weit es in der Spitze geht, dazu später mehr. Einen Vorgeschmack
gab es bereits am heutigen Karfreitag im föhnbegünstigten Süden, speziell am
Alpenrand sowie im Alpenvorland, wo nicht selten die 20°C-Marke überschritten
wurde (lokal sogar um 23°C). Ganz anders die Situation im Norden und in Teilen
der Mitte, wo Regen und/oder eine (noch) andere Luftmasse das Thermometer
vielerorts auf unter 15°C hielten. Auslöser des Regens (und gleichzeitig
Demarkationslinie zwischen den Luftmassen) ist eine wellende Warmfront, die sich
inmitten einer von Spanien bis nach Frankreich reichenden Tiefdruckrinne
befindet. Mitbestandteil dieser Rinne ist das flache Tief ONEGA, das heute Abend
die Pyrenäen in Richtung Frankreich überquert, um im weiteren Verlauf die
Zentrale der Grande Nation in Richtung Benelux zu passieren. Damit verlagern
sich Warmfront nebst frontalem Regengebiet in den Norden und Nordwesten, wobei
der Regen langsam aber sicher an Intensität einbüßt.
Ansonsten bleibt noch zu berichten, dass der Südföhn in und an den Alpen bis zum
Morgen zwar etwas an Stärke verliert (leichte Abnahme der Druckdifferenz
zwischen Süd und Nord), von Aufgabe aber meilenweit entfernt bleibt. Für die
Hochlagen gelten weiterhin Sturm- und Orkanwarnungen. Im Warmsektor lockert die
Bewölkung von Süden her mitunter auf, es muss aber mit Durchzug hoher und
mittelhoher Wolkenfelder gerechnet werden. Womit nicht gerechnet werden muss,
ist Frost, der in dieser Luftmasse inkl. der anderen Rahmenbedingungen
chancenlos ist. Stattdessen dürften die Tiefstwerte im Lee der Alpen sowie
einiger Mittelgebirge im unteren zweistelligen Bereich verharren, was auch Žne
Meldung wert ist. Nebel? – Im Westen und Südwesten in der durch den Tagesregen
angefeuchteten Grundschicht ja, wahrscheinlich aber nur lokal mit Sichtweiten
unter 150 m.
Samstag … dauert die Südströmung über Mitteleuropa vorderseitig des dicken
fetten Höhentrogs über dem Ostatlantik (nebst dem doppelten Lottchen NADJA
unweit UK/Irland) an. Dabei löst sich das flache Tief ONEGA aus der o.e. Rinne,
um ganz gemütlich knapp westlich der Grenze zwischen Deutschland und Benelux in
Richtung Nordsee zu flanieren. Die zugehörige Warmfront erreicht den äußersten
Norden des Vorhersageraums, so dass ganz Deutschland vorübergehend in den
breiten Warmsektor gelangt (T850 9 bis 13°C). Dabei soll sich verbreitet die
Sonne durchsetzen und die Temperatur auf über 20°C, in der Osthälfte laut
MOS-Mix teils sogar auf 25 oder gar 26°C hochprügeln, was durchaus bemerkenswert
wäre für Ende März. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken, der in der
heutigen Frühübersicht schon mikroskopisch zerlegt und bis ins Detail diskutiert
wurde, weshalb hier nur noch ganz kurz darauf eingegangen wird. Die Rede ist vom
Saharastaub, der morgen nach allen einschlägigen Modellen ein sattes
Stelldichein bei uns geben wird. Es ist alles andere als trivial, die
Auswirkungen genau einzuschätzen. Es sollte uns aber nicht wundern, wenn die
Cirrenbildung opulenter und nachhaltiger ausfällt als derzeit von den Modellen
avisiert bzw. der Himmel nicht in den schönsten Blautönen daherkommt, sondern
eher ein milchig-trübes Aussehen an den Tag legt. Dass die Temperatur aufgrund
fehlender direkter Solarstrahlung in diesem Fall nicht ganz so hoch ausfallen
würden wie von MOS apostrophiert, ist evident. Kalt wird es deswegen trotzdem
nicht. In und an den Alpen dauert der Südföhn an mit Böen je nach Exposition
zwischen 9 und 11, vereinzelt 12 Bft in den entsprechenden Hochlagen und 7-8 Bft
in anfälligen Tälern sowie in Richtung östlichen Bodensee.
Sprechen müssen wir an dieser Stelle noch über den äußersten Westen, wo der Hase
am Karsamstag etwas anders läuft als im großen Rest des Landes. Schuld ist das
bereits angesprochene Tief ONEGA, das nicht nur eine Warmfront mit sich oder
besser vor sich herführt, sondern der auch eine meridional exponierte Kaltfront
zu eigen ist. Diese Kaltfront ist baroklin hervorragend aufgestellt (rund 10
Kelvin Unterschied auf 250 km Distanz) und schwänzelt die ganze Zeit knapp
westlich der Grenzen zu Benelux und Frankreich herum, bis sie am Nachmittag und
Abend endlich den Übertritt auf deutsches Hoheitsgebiet wagt. Mit folgenden
Auswirkungen ist im Westen zu rechnen:
Mehr Bewölkung (hoch, mittelhoch, später auch tief) und niedrigere Temperaturen
(Tmax etwa 16 bis 19°C).
Am Nachmittag und Abend zwischen Emsland und Schwarzwald einzelne Schauer oder
im Südwesten schauerartiger Regen.
Unmittelbar vor der Front in labiler Warmluft (mit für nordafrikanische Warmluft
typischer abgehobener Mischungsschicht) respektive thermisch induzierter Rinne
Bildung von überwiegend gedeckeltem CAPE => Bildung isolierter Gewitterzellen
mit Wind bis Sturmstärke (trockene Grundschicht) und Hagel (solide Scherung)
möglich, wenn auch nicht überbordend wahrscheinlich. Als Hemmfaktoren sind die
fehlende Einstrahlung sowie das limitierte Feuchteangebot zu berücksichtigen.
Nördlich der Eifel könnte der auf westliche Richtungen drehende Wind am
Mittag/frühen Nachmittag kurzeitig auffrischen (KF-Passage), wobei die
Simulationen diesbezüglich eher rückläufig sind.
Am Nachmittag und Abend könnte der ebenfalls auf westliche Richtungen drehende
Wind im Südwesten merklich auffrischen (Böen 7-8 Bft). Auslöser hier ist eine
markante Druckanstiegswelle hinter der KF, die sich im weiteren Verlauf auf dem
Weg zur Mitte abschwächt. Auch in diesem Fall tendieren die numerischen
Vorhersagen eher in Richtung Abschwächung.
Beide Windereignisse werden von der Numerik noch nicht wirklich belastbar
abgebildet, so dass Entscheidungen über mögliche Windwarnungen erst am Samstag
getroffen werden sollten.
Kurz noch die Nacht zum Sonntag, in der – ganz wichtig – die Uhr um eine Stunde
vorgestellt wird (Sommerzeit). Das hindert die Kaltfront nicht daran, Boden nach
Osten hin gutzumachen. Wie weit sie genau vorankommt, ist noch nicht sicher.
Fakt ist, dass sich ihre Wetterwirksamkeit in Grenzen hält, auch wenn es im
Frontbereich mitunter regnet. Dazu frischt der Wind kurzzeitig, aber keinesfalls
dramatisch böig auf, während gleichzeitig der Föhn von Westen her etwas abgebaut
wird. Tendenziell bleibt die Nacht mild (im Osten bzw. in der östlichen Mitte
punktuell knapp über 10°C), einzig in den westlichen Mittelgebirgen sind bei
Aufklaren in weit herumgeholter und entsprechend modifizierter Subpolarluft
Tiefstwerte unter 5, aber über 0°C drin.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag … Der 12-UTC-Lauf von ICON unterscheidet sich kaum von den jüngsten
Vorgängerläufen. Entsprechend muss das Rad nicht neu erfunden werden, es gelten
die Ausführungen der heutigen Frühübersicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Der Kurs im groben Maßstab steht, die Details noch nicht ganz. Die Unbekannten
wie Saharastaub sowie KF-Passage am Samstag wurden textlich soweit wie möglich
gewürdigt. Antworten liefert am Ende wie immer die Atmosphäre. In diesem Sinne
„Frohe Ostern“!
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann