#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 20.01.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.01.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
CORVIN geht, IRIS kommt – schwindender Hochdruckeinfluss, nachfolgend (vor allem
ab Montag) windig, stürmisch, unbeständig und milder.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … tut sich auf dem europäischen Kontinent insbesondere hier bei uns in
Mitteleuropa herzlich wenig in der Atmosphäre. Zwar hat von Westen her leichter
Druckfall eingesetzt, trotzdem ist das Setup noch sehr antizyklonal aufgestellt.
Ein breiter, von Südwesteuropa bis nach Skandinavien bzw. dem Europäischen
Nordmeer reichender Höhenrücken ist gerade dabei, den Vorhersageraum ostwärts zu
überqueren. Das dauert, zeigt sich der Rücken doch ziemlich muskulös, was in der
Regel auf Kosten der Sprintfähigkeiten geht. Mit dabei ist das korrespondierende
Bodenhoch CORVIN, der Schlawiner, der für heute den klaren Auftrag hatte,
Deutschland von Nebel, Hochnebel oder anderen tiefen Wolken zu befreien. Auftrag
verfehlt, lautet das Resümee, wenn auch knapp. Dass es im äußersten Norden sowie
im Nordosten schwer werden würde, gegen das ständig von der Nordsee nachrückende
tiefe Gewölk anzustinken, das war klar. Dass es der über 1030-hPa-schwere „Mann“
aber nicht oder erst sehr spät schafft, den zähen Nebel und Hochnebel in der
Mitte (Süd- bis Mittelhessen, Unterfranken bis Südthüringen) sowie an der Mosel
und im südlichen Oberrheingraben in die Schranken zu weisen, war so nicht
geplant. Ansonsten aber konnte man heute in weiten Landesteilen nicht meckern
und sich über einen sonnenscheinreichen und vergleichsweise kalten (okay, bis zu
+4°C nördlich der Mittelgebirgsschwelle sind nicht gerade bannig kalt, aber nun)
Wintertag freuen.
Weit spannender als das kontinentale Geschehen ist das, was sich aktuell auf dem
mittleren Nordatlantik tut. Dort formiert sich die Frontalzone zu einem straffen
Westwindband mit Entwicklungspotenzial. Gemeint sind weniger die
Tiefdruckgebiete auf der kalten Seite im Raum Island/Irminger See, die eher zu
alten Eisen gehören. Der Fokus liegt viel mehr auf einem Tief, das den Namen
IRIS (int. Isha) trägt, welches vom Seegebiet südlich Neufundlands mit
Sieben-Meilen-Stiefeln ostwärts zieht und dabei immer mehr ausgepumpt wird.
Grund dafür ist eine extrem fruchtbare Interaktion mit einem in die Frontalzone
eingebetteten, recht schnittig auftretenden KW-Trog, der über eine wunderbar
ausgeprägte diffluente Vorderseite mit reichlich Höhendivergenz verfügt. Das
Bodentief bewegt sich lange genau unter dem Maximum der Divergenz, was natürlich
den Druckfall fördert. Kurzum, am Sonntagmorgen 06 UTC schlägt das Tief mit
einem Kerndruck knapp unter 965 hPa gut 1500 km westlich von Irland auf.
Zugegen, noch ganz schön weit weg, trotzdem werden wir schon im Laufe des
morgigen Sonntags die ersten Ausläufer zu spüren bekommen.
Doch erst mal zu den nächsten Stunden, die in Teilen des Landes tatsächlich noch
mal richtig kalt werden. Mit Ausnahme des Nordens und Nordwestens, wo nur
leichter Frost auf der Karte steht (an der See z.T. sogar frostfrei) geht die
Temperatur verbreitet in den mäßigen bis strengen Frostbereich zurück.
Zweistellige Minusgrade vor allem nach Süden und Südosten hin, wo lokal sogar
nochmalig die -15°C-schwelle unterschritten werden kann. Ansonsten wird die
tiefe Bewölkung im Nordosten Richtung Ostsee abgedrängt und auch die letzten
Hochnebelreste sollten sich auflösen. Dafür bildet sich in der Mitte und im
Süden stellenweise Nebel. Außerdem wird der Rücken einmal mehr von WLA
überlaufen, die sich in hohen und mittelhohen Wolken ausdrückt (vornehmlich
Nordwesthälfte), welche auf die Abkühlungsrate in Bodennähe aber nur bedingt
Einfluss nehmen. Nicht vergessen dürfen wir den Wind. Druckfall und
Gradientverschärfung lassen den auf Süd rückdrehenden Wind vor allem auf, etwas
weniger an der Nordsee merklich bis stürmisch auffrischen (7-8 Bft, offene See 9
Bft). Windig auch die westlichen und zentralen Mittelgebirge sowie der Harz,
insbesondere in den Hochlagen, teils aber auch im Lee (7-8 Bft, Brocken 9-10
Bft).
Sonntag … greift die Zonalströmung vom Atlantik mehr und mehr auch auf den
europäischen Kontinent über. Derweil verabschiedet sich der Rücken zum östlichen
Mitteleuropa, während Kollege CORVIN sein Zentrum zum nördlichen Balkan bzw.
nach Ungarn verlagert. Trotzdem sind seine Tentakeln lang genug, um insbesondere
dem Süden und Südosten trotz aufziehender hoher Wolken einen einigermaßen
sonnenscheinreichen Sonntag zu bescheren.
Ansonsten gilt es weiterhin Sturmtief IRIS auf dem Schirm zu haben, das weiteren
Ballast abwirft und am Tagesende mit sagenhaften 947 hPa (+/-) knapp westlich
der Färöer-Inseln aufschlägt. Damit fällte der Luftdruck bei uns immer weiter,
im Nordwesten deutlich stärker als im Südosten. Folglich nimmt der Gradient
immer weiter zu, was selbstredend auch für den weiterhin aus südlichen
Richtungen kommenden Wind gilt. Im nordwestdeutschen Binnenland, in SH, an der
Ostsee sowie im Lee der westlichen und zentralen Mittelgebirge stehen Böen 7 Bft
auf dem Programm. Stürmisch (8-9 Bft) wird es auf und an der Nordsee
(nordfriesische Küste etwas mehr als ostfriesische) sowie in den Hochlagen der
genannten Mittelgebirge inkl. des Schwarzwalds. Der Brocken schlittert im
Tagesverlauf sogar in den Orkanbereich.
Wettertechnisch sorgt weit nach Osten ausgreifendende WLA auf der Vorderseite
des Sturm- respektive Orkantiefs für mehrschichtige Bewölkung, die im Nordwesten
sowie im äußersten Norden am dichtesten ist. Vornehmlich im Küstenraum sowie in
SH fällt mitunter etwas Niederschlag, meist als Regen, anfangs vielleicht
kurzeitig als Schnee oder Schneeregen. Die Gefahr gefrierenden Regens ist
relativ gering, wenn auch nicht gleich null. Der Niederschlag, der am Vormittag
von einigen Modellen in West- und Nordwestdeutschland simuliert wird, könnte
einerseits zu schwach sein, um den Boden überhaupt zu erreichen (trockene
Grundschicht). Zum anderen sorgen Gegenstrahlung und auffrischender Wind für
einen relativ zügigen Temperaturanstieg.
Die Temperatur steigt nicht nur niedertroposphärisch an (T850 am Abend zwischen
0 und +5°C). Auch in den Sphären, in denen wir Menschen uns für gewöhnlich
aufhalten (um die 2 m über dem Erdboden), geht es langsam nach oben. Dauerfrost
tritt nur noch lokal im zentralen Mittelgebirgsraum sowie nach Südosten hin auf.
Sonst stehen Höchstwerte von 0 bis 6, im Südwesten lokal bis zu 8°C auf der
Karte.
In der Nacht zum Montag setzt sich der Trend „weg vom Hoch, hin zum Tief“ weiter
fort. Das Sturm- bzw. Orkantief überquert die Färöers dicht an den Shetlands
vorbei in Richtung Svinöy (Westküste Norwegens). Der o.e. KW-Trog liegt
inzwischen genau über dem Bodenkern, so dass keine weitere Vertiefung mehr
erfolgt – knapp unter 950 hPa reicht ja auch. Der Gradient bei uns legt weiter
mächtig zu, insbesondere in der Nordwesthälfte. Dort frischt der Süd-Südwestwind
stark bis stürmisch auf mit Böen 7-8 Bft, wobei die „8er“ im nordwestdeutschen
Tiefland immer häufiger werden und am frühen Morgen sogar die eine oder andere
Sturmböe 9 Bft an den Start geht. Böen 9 Bft stehen auch in höheren Lagen der
Mittelgebirge, an einigen Nordrändern (zentrale, westliche Mittelgebirge, Harz)
sowie exponiert an der Ostsee auf dem Zettel. Noch fetter kommt es an der
Nordsee, wo die Wahrscheinlichkeit für schwere Sturmböen 10 Bft signifikant
zunimmt und orkanartige Böen 11 Bft gerade an der nordfriesischen Küste nicht
ausgeschlossen sind (auch wenn ICON-D2-EPS davon noch nichts wissen will). Sehr
zugig wird es natürlich auch in exponierten Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge (9-11 Bft), wobei der Brocken – fast müßig zu erwähnen – sogar die
Windstärke 12 Bft reißt und wohl auf über 140 km/h kommt. Je weiter im Südosten,
desto weniger Wind, so dass man in tiefen Lagen bis zum Morgen vielerorts sogar
warnfrei bleibt.
Neben dem Wind rückt auch der Niederschlag nun wieder zunehmend in den Fokus.
Initiiert durch die Warmfront von Tief IRIS breiten sich im Laufe der Nacht
stratiforme Regenfälle von der Nordsee und Benelux auf die Nordwesthälfte aus,
wobei die Mengen meist unter 5 l/m² innert 12 h bleiben. Nur in einigen
Staulagen sind lokal ein paar Millimeter mehr drin. Mit dem Wind und dem Regen
setzt natürlich Tauwetter ein, das Niederschlagsdargebot (Regen- +
Schmelzwasser) dürfte sich anfangs aber noch in Grenzen halten. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass wenn die Vorderkante des Regengebietes auf lokale
Kältelöcher (Mitte, Osten) trifft, für kurze Zeit mal Glatteis auftritt.
Ansonsten zieht sich der leichte bis mäßige Frost in den Südosten zurück,
vereinzelt reicht es vielleicht sogar noch mal für -10°C oder etwas darunter.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … Die Modellkonsistenz ist sehr gut und auch der Vergleich mit externen
Prognosen zeigt erfreulich hohe Übereinstimmungen. Von daher behalten die
Ausführungen der heutigen Frühübersicht ihre Gültigkeit. Inwieweit am Sonntag
mögliche Tauwetterwarnungen geschaltet werden, bleibt abzuwarten. Unstrittig
ist, dass die neue Woche sehr windig bis stürmisch und unbeständig mit deutlich
steigenden Temperaturen beginnt.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Kongruenz der Modellfelder und damit auch der Vertrauensgrad der Vorhersage
ist hoch.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann