SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.12.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Milde West-Südwestlage ohne die ganz großen Schlagzeilen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … kommen wir der Crunch-Time zum Jahresendspurt immer näher. Und es
sieht nicht so aus, als würde sich am Großwetterlagenmuster substanziell etwas
ändern. Das allbeherrschende Attribut in den einschlägigen Wetterberichten
lautet nach wie vor „zyklonal“, egal ob eher Wz oder SWz oder Ws (West zyklonal,
Südwest zyklonal oder südliche Westlage (Letzteres eher mittelfristig)). Dabei
wird in Schüben immer wider ein erwärmte Meereskaltluft subpolaren Ursprungs bei
uns abgeladen (mPs), die mit Winter so viel zu tun hat wie Hannover 96 – man
muss es leider so hart sagen – mit dem Aufstieg in die Fußballbundesliga (gut,
dass der Ball gerade ruht und Weihnachtspause ist). Dabei, so ganz weit weg ist
die für winterliche Szenarien erforderliche Kaltluft gar nicht. Fast ganz
Nordeuropa ist geflutet mit tauglicher Polar- oder Arktikluft, aus der sich was
machen ließe. Allein der Anzapfmechanismus für diese Luftmassen fehlt, weil die
Tiefs immer schön knapp nördlich an uns vorbeimarschieren und die Windrichtung
Nord bis Ost im Vorhersageraum schlichtweg negieren. Vielleicht, eventuell,
möglicherweise klopft die Kaltluft im Laufe der nächsten Woche mal im äußersten
Norden und Nordosten an, was aber noch mit einigen Fragezeichen versehen ist.
Kurzfristig tut sich diesbezüglich aber sowas von nichts, aber gut.

Kommen wir zur Wetterlage, die geprägt ist von einer langestreckten Frontalzone,
welche vom mittleren Nordatlantik kommend bis weit nach Russland hinein
verläuft. Deutschland liegt genau unterhalb dieses Westwindbands, das zunächst
nur leicht schlingert, zum Jahresendwochenende aber immer mehr mäandriert und
zunehmend meridionale Züge annimmt. Hauptauslöser dafür ist eine bereits jetzt
schon einsetzende Austrogung über dem nahen Atlantik, die mit einer saftigen
Zyklogenese einhergeht. Genau genommen hat im Laufe des heutigen Freitags noch
relativ „weit draußen“ eine fruchtbare Interaktion zwischen einer Welle und dem
höhendivergenten linken Ausgang eines Jetstreaks begonnen, aus der mittlerweile
(18 UTC) das stattliche Sturmtief COSTA etwa 1000 km westlich von Irland
geworden ist. COSTA bringt etwas unter 975 hPa auf die barische Waage, Tendenz
bis zum Morgen noch weiter fallend bei gleichzeitiger Verlagerung gen Osten.
Droht nach ZOLTAN und ABDUL bereits der dritte fette Sturm in Folge? – Sehr
wahrscheinlich nein, sorgt doch die die angesprochene Austrogung für eine
Unterbrechung der glatten und lebhaften Westdrift. Oder anders ausgedrückt,
Meister COSTA marschiert nicht so einfach von West nach Ost durch, sondern wird
vorher ausgebremst, wobei er sich an Silvester deutlich auffüllt und an Gewicht
zulegt (was menschlich ist – wer tut das nicht gerne am letzten Tag des Jahres).

Wie so oft bei vergleichbaren Konstellationen wird auf der Vorderseite des Tiefs
respektive des zusehend an Amplitude gewinnenden Höhentrogs ordentlich WLA
generiert, die stromab Potenzialgewinn und die Bildung eines kurzwelligen
Rückens zur Folge hat. Dieser liegt morgen früh genau über UK/Irland, während
bei uns die Höhenströmung noch glatt (Süden) oder leicht zyklonal (Norden)
konturiert ist. Dabei hat ein Schwall labil geschichteter Meeresluft den Weg ins
Norddeutsche gefunden (T500 knapp unter -30°C, T850 um -2°C), während die
Luftmasse weiter südlich wärmer und stabiler ist (T500 um -24°C über T850 um
+2°C). Mit postweihnachtlichem Wohlwollen und etwas Fantasie lässt sich in den
Analysen eine schwache Kaltfront detektieren, die weitgehend strömungsparallel
exponiert ist und die beiden Luftmassen voneinander trennt (im 2m-Niveau sind
die Gegensätze aufgrund der guten Durchmischung geringer als in der Höhe).
Letztlich führt das dazu, dass es auch in der kommenden Nacht in der Nordhälfte
zu schauerartigen, teils sogar gewittrigen Regenfällen kommt, wobei kurzzeitig
eine von West nach Ost wandernde Verstärkung (kurze Welle) auszumachen ist.
Akkumuliert über 12 Stunden können vom nördlichen NRW bis hinüber ins nördliche
BB bzw. in den Berliner Raum 5 bis 10, lokal um oder etwas über 15 l/m²
Niederschlag zusammenkommen. Auch wenn die aktuell vor Dauerregen bewarnten
Mittelgebirge (Bergisches Land, Rothaargebirge, Harz) nur am Rande dieses
Korridors liegen, bleiben die bis Samstagfrüh geltenden Warnungen bestehen. In
den übrigen Regionen der Nordhälfte liegen die Regenmengen meist darunter, im
Süden bleibt es vielerorts sogar ganz oder zumindest weitgehend trocken.

Zwar fächert der Gradient auf der Südflanke eines mehrkernigen Tiefdrucksystems
über der nördlichen Nordsee, Südskandinavien und dem Baltikum auf – die Rede ist
hier übrigens von BODO samt gleichnamigen Anhang -, trotzdem bleibt der Südwest-
bis Westwind an der See, im Bergland sowie in der (nördlichen) Mitte so flott
unterwegs, dass er in Böen Stärke 7-8 Bft, anfangs vereinzelt 9 Bft erreicht. In
exponierten Kamm- und Gipfellagen, in vorderster Linie sei hier einmal mehr der
Brocken erwähnt, sind neben Sturmböen 9 Bft auch schwere Sturmböen oder
orkanartige Böen 10-11 Bft drin.

Fast müßig zu erwähnen, dass die Nacht angesichts der beschriebenen
Rahmenbedingungen deutschlandweit nahezu frostfrei bleibt. Einzig in einigen
Hochlagen sowie vereinzelt in dem einen oder anderen Alpental könnte es für 0°C
oder etwas darunter reichen, und das Ende Dezember. Traurig!

Samstag … setzt sich die Austrogung über dem nahen Atlantik fort, wodurch wie
bereits angedeutet das Bodentief in seiner Translation erheblich gestört wird.
Irgendwann (wahrscheinlich gegen Abend oder erst zum Tagesende) kommt das
Drehzentrum des Troges dicht vor Irland genau über dem Bodentief zu liegen, was
ein senkrechte Achsstellung und damit keine weitere Vertiefung nach sich zieht.
Stromab nähert sich derweil der Rücken dem Vorhersageraum an, den er aber erst
in der Nacht zum Sonntag vollumfänglich erreicht. Allerdings steigt der
Luftdruck bereits vorderseitig an, so dass nicht nur der Gradient weiter
auffächert, sondern zudem die Isobaren eine leicht nach Norden gekrümmte Kontur
annehmen. Von einem echten Zwischenhoch zu sprechen, wäre vielleicht etwas zu
euphemistisch, was offensichtlich von der FU Berlin/BWK ebenso gesehen wird. So
sucht man einen Namen für diese antizyklonale Anomalie vergebens, auch wenn es
wahrscheinlich die letzte Möglichkeit des Jahres gewesen wäre, noch mal einen
weiblichen Hochnamen loszuwerden und ein paar Euronen einzunehmen. Schön, dass
es noch Institutionen gibt, wo ein reines Gewissen über merkantilen
Gesichtspunkten steht.

Namen hin, Zwischenhoch her, allzu viel Atmosphärisches passiert am vorletzten
Tag des Jahres nicht, so dass wir die weiteren Schilderungen an dieser Stelle
kurzhalten können. Bei wechselnder bis starker Bewölkung entwickeln sich gerade
in Küstennähe sowie im zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum noch einzelne
Schauer, während es im Süden meist trocken bleibt bei gleichzeitiger Chance auf
ein paar Sonnenfenster. Im Laufe des Tages nimmt mit zunehmender WLA und damit
einhergehender Stabilisierung die Schauerneigung immer weiter ab. Dafür greift
so ganz allmählich die Warmfront von Sturmtief COSTA auf den Nordwesten
überzugreifen, wobei mehr mit mehrschichtiger Bewölkung als mit Regen zu rechnen
ist. Der Wind bleibt an der See (Nordsee eher als Ostsee) und im Bergland (+
Lee) zunächst noch so prominent unterwegs, dass es für Böen 7 bis 8 Bft, anfangs
vereinzelt 9 Bft, Brocken 10 Bft reicht. Am Nachmittag wird der Wind mit
Rückdrehung auf Südwest bis Süd dann immer schwächer. Während im Norden und
Osten eiskalte 6 bis 10°C nicht überschritten werden (T850 zur Mittagszeit um
-4°C), stehen im Rest des Landes milde bis sehr milde 8 bis 14°C auf der Karte.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt die Warmfront langsam nordostwärts über den
Norden hinweg. Dabei wird weiterhin nur wenig Regen produziert, was angesichts
der Vorgeschichte eine gute Nachricht ist und zu einem Großteil dem überlagerten
Höhenrücken geschuldet ist, der von der Front „erklommen“ werden muss und dabei
nicht gerade die Rolle eines hebungsfördernden Systems spielt. Für ein paar
größere Tropfen oder etwas Nieselregen wird es von Niedersachsen bis hinüber
nach SH und MV trotzdem reichen, die Mengen bleiben aber marginal.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass der südliche Teil des Höhentrogs ganz
allmählich beginnt, sich in Richtung Kontinent zu orientieren, wodurch das
Gesamtgebilde eine leicht negative Achsstellung bekommt. Derweil konvergiert das
Bodentief in infinitesimal kleinen Schritten gen äußere Hebriden, die aber noch
nicht erreicht werden. Gleichzeitig wird der Auffüllprozess eingeleitet, was
aber alles andere als im D-Zug-Tempo (D-Züge waren früher die Schnellzüge der
Deutschen Bahn – nicht so schnell wie die heutigen ICEs, aber meist pünktlicher)
erfolgt. So verwundert es nicht, dass der Kerndruck des Tiefs am Silvestermorgen
noch immer zwischen stattlichen 970 und 975 hPa liegt. Auf seiner Ostflanke
dreht der Wind bei uns weiter rück auf Süd bis Südost, wobei er im Westen und
Nordwesten etwas auflebt. Spürbar wird das aufgrund der stabilen Schichtung am
ehesten auf der Nordsee sowie in höheren Lagen, bedingt auch in einigen Leelagen
Westdeutschlands sein, wo es für Böen 6-7 Bft, exponiert 8 Bft reicht. Aufgrund
der ablandigen Windkomponente dürfte für die Nordseeküste und die Inseln bis zum
frühen Morgen noch keine Warnung fällig werden, den etwas vorgelagerten roten
„Vogelfelsen“ mal ausgenommen.

Bei teils aufgelockerter Bewölkung und windschwachen Bedingungen kann die
Grundschicht im Süden und Südosten soweit entkoppeln, dass die Temperatur auf
nahe 0°C, im Alpenvorland sowie in den Alpen- und Mittelgebirgstälern häufig
auch in den leichten Frostbereich zurückgeht. Zudem kann sich an der einen oder
anderen Stelle Nebel bilden.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … Der 12-UTC-Lauf von ICON ähnelt ganz stark den jüngsten Vorläufen.
Es gelten mithin die Ausführungen der heutigen Frühübersicht, der nix
Substanzielles hinzuzufügen ist.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die beschriebene Entwicklung nahezu kongruent.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann