SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.12.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
In den typischen Staulagen weiterhin, teilweise bis in den Montag hinein,
Dauerniederschläge (teils UNWETTER). Im Erzgebirge ab heute Nacht bis
Samstagabend vorübergehend bis in tiefere Lagen kräftige Schneefälle (UNWETTER).

Nach wie vor windig mit stürmischen Böen bzw. Sturmböen bis in die Niederungen,
auf den Bergen schwere Sturm-, vereinzelt Orkanböen (UNWETTER).

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland zwischen dem inzwischen bis weit in die
mittlere Troposphäre reichenden Sturmtief „ZOLTAN“ über dem Rigaischen Meerbusen
(Kerndruck aktuell 965 hPa, allmählich weiter auffüllend) und dem nach wie vor
kräftigen Hochdruckgebiet „GUSTI“ über dem Ostatlantik südwestlich von Irland
unterhalb einer äußerst strammen, aber sehr glatt konturierten nordwestlichen
Höhenströmung. Der Jetstream reicht mit Geschwindigkeiten von über 150 kn in 300
hPa nach wie vor über den Norden und Osten Deutschlands hinweg südostwärts,
darin eingebettet, wird im Laufe der Nacht ein flacher kurzwelliger Randtrog
südostwärts geführt, so dass er vorübergehend leicht ins Schlingern gerät.
Im Bodenfeld füllt sich „ZOLTAN“ über dem Baltikum langsam weiter auf, bleibt
aber quasistationär. An dessen Südwestflanke fächert der scharfe Gradient somit
nur zögernd ein wenig auf – im Gegenteil, dem Randtrog ist ein Bodentrog
vorgeschaltet, der in der ersten Nachthälfte den Norden und Nordosten rasch
ostsüdostwärts überquert und zu einer vorübergehenden Gradientverschärfung
führt. Nachdem der Wind vor allem im Nordseeumfeld kurzzeitig deutlich
nachgelassen hat, ist er dort inzwischen wieder aufgefrischt und vor allem in
der ersten Nachthälfte gibt es dort erneut schwere Sturmböen, an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind vereinzelt sogar orkanartige Böen aus
Nordwest, später dann auch entlang der vorpommerschen Küste. Weiter im
Binnenland frischt der Wind mit Durchschwenken des Bodentroges ebenfalls von
Nordwest nach Südost vorübergehend auf und es gibt von Niedersachsen über
Sachsen-Anhalt bis nach Thüringen, Sachsen und Südbrandenburg vorübergehend
häufiger stürmische Böen bzw. Sturmböen aus Nordwest. Vor allem in der
Norddeutschen Tiefebene lässt der Wind im Laufe der Nacht dann aber mehr und
mehr nach.
Der oben erwähnte Randtrog treibt im Bodenfeld auch eine flache, in eine über
den Südwesten Deutschlands eingebettete Luftmassengrenze eingebettete
Frontalwelle vor sich her. Diese Welle hat die Luftmassengrenze vor allem in der
Mitte und im Südosten etwas nach Osten gedrückt, während auf dessen Rückseite
die im Norden und Osten wetterbestimmende maritim erwärmte Polarluft im
Nordwesten kurzzeitig ein wenig nach Süden vorangekommen ist. Aktuell reicht die
-2 Grad-Isotherme in 850 hPa in etwa vom Westmünsterland bis zum Vogtland.
Nordöstlich davon liegen die 850 hPa-Werte zwischen -3 und -7 Grad (Rügen),
südwestlich davon zwischen -2 und +2 Grad.
Die Luftmasse ist in dieser Region hochreichend (ungefähr bis 600 hPa, teilweise
darüber hinaus) feuchtegesättigt mit PPW-Werten von über 15 mm. So bedarf es
nicht viel an dynamischer Hebung, um verbreitet Niederschläge auszulösen. Zudem
nähert sich ausgangs der Nacht von Nordwesten her eine weitere flache Welle, die
morgens bereits im Nordwesten die -2 Grad-Isotherme wieder etwas nach Norden
drückt. Vor allem in der Mitte kann die kühlere Luft aber vorübergehend etwas
nach Westen vorankommen.
Auf der „kalten“ Seite fallen vor allem im Luv der Mittelgebirge (vor allem
Erzgebirge, aber auch Harz) die Niederschläge teilweise bis in die Niederungen
zunehmend als Schnee, ebenso kann es an der Nordostgrenze des
Niederschlagsgebietes, etwa vom östlichen Niedersachsen über Sachsen-Anhalt bis
nach Sachsen, etwas schneien. Während es dort aber nur bei halbwegs gut
durchmischter Luftmasse und relativ warmen Böen nur für eine dünne
Nassschneedecke maximal, meist aber nur für etwas Schneematsch reicht, gibt es
im Harz durchaus einige Zentimeter Neuschnee, in Staulagen bis zum Vormittag an
die 10 cm. Noch mehr schneit es dagegen im Erzgebirge; dort werden bis
Samstagfrüh teilweise bis an die 15 l/qm simuliert, die oberhalb von 400 m wohl
durchwegs als Schnee fallen. Am morgigen Samstag intensivieren sich die
Niederschläge dort weiter, wobei dann auch die mildere Luft von Westen her
allmählich einsickert. Vor allem im zentralen Erzgebirge dürfte es aber vorher
noch für größere Schneemengen reichen, in Staulagen durchaus 20 bis 40 cm, so
dass zumindest dort eine Unwetterwarnung durchaus in Betracht zu ziehen ist.
Weiter westlich und südlich ist die Schneephase meist unkritisch; in den
ostbayerischen Mittelgebirgen und im Thüringer Wald steigt die Schneefallgrenze
vor allem im Laufe der zweiten Nachthälfte auf etwa 600 bis nahe 1000 m, vorher
fallen dort noch 1 bis 5 cm. In Staulagen des Bayerwaldes oberhalb von 800 m
auch deutlich mehr. Am Alpenrand liegt die Schneefallgrenze zwischen etwa 1000
und 1300 m, darüber gibt es ebenfalls einiges an Neuschnee, darunter viel Regen.

Insgesamt werden in den 12 Stunden bis Samstagfrüh 1 bis 10 l/qm simuliert, in
den Staulagen 10 bis 30 l/qm in den Allgäuer Alpen bis über 40 l/qm. Trocken
bleibt es ganz im Nordosten und auch in den Leelagen Südwestdeutschlands
(Kraichgau, Oberrheingraben) fällt nur noch wenig Regen.
Noch ein paar Worte zum Wind auf der „warmen“ Seite der Luftmassengrenze: Da
sich ein Keil des kräftigen Atlantikhochs über Frankreich Richtung
Südwestdeutschland schiebt, kommt es im Warmsektor der Frontalwelle(n) zu einer
Stauchung der Isobaren, so dass dort bis in die Niederungen nach wie vor mit
steifen, teils auch stürmischen Böen zu rechnen ist, wobei der Wind auf Südwest
bis West dreht. Vor allem im Südosten, in Teilen Bayerns, wirkt dabei immer
wieder auch die Orographie verstärkend, so dass es dort häufiger Sturmböen, in
freien und höheren Lagen schwere Sturmböen gibt.
In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen bleibt es bei
schweren Sturmböen, auf exponierten Gipfeln bei Orkanböen.
Im Nordosten bleibt es aufgelockert bewölkt, so dass es dort gebietsweise
leichten Frost geben kann. Sonst beschränkt sich dieser auf die mittleren
Höhenlagen der östlichen Mittelgebirge, ansonsten auf die Hochlagen der Alpen.

Samstag … nähert sich vom nahen Ostatlantik ein breiter Höhenrücken den
Britischen Inseln an, so dass die Frontalzone etwas nach Nordosten gedrückt wird
und die nach wie vor stramme Höhenströmung durch weiter zunehmende WLA einen
leicht antizyklonalen „Touch“ bekommt. Nach Abzug einer weiteren flachen Welle
kommt auch die Luftmassengrenze als Warmfront vor allem in der zweiten
Tageshälfte zögernd nach Nordosten voran, die -2 Grad-Isotherme erstreckt sich
abends in etwa von der Elbmündung bis zum zentralen Erzgebirge. Im Warmsektor
liegen die 850 hPa-Werte zwischen -1 und +2 Grad, entsprechend bewegen sich die
Schneefallgrenzen in den Mittelgebirgen und an den Alpen etwa zwischen 900 und
1200 m. Auf der kalten Seite schneit es nach wie vor teils bis in tiefere Lagen,
meist aber steigt die Schneefallgrenze auch dort bei guter Durchmischung auf
etwa 200 bis 400 m. Darüber kommt aber nach wie vor insbesondere im Erzgebirge
einiges an Neuschnee zusammen, wobei der zentrale Erzgebirgsraum am heftigsten
betroffen sein sollte, während die Schneefallgrenze im Westerzgebirge schon
recht frühzeitig beginnt zu steigen und nach Osten zu die Intensität der
Niederschläge noch nicht allzu hoch ist. ICON-EU simuliert bis zum Abend
teilweise um 30 l/qm als Schnee in den Staulagen, die anderen Modelle stehen dem
kaum nach. Wie bereits weiter oben erwähnt, dürfte an einer entsprechenden
Unwetterwarnung kein Weg mehr vorbeiführen.
Mit Vorankommen der Warmfront klingen die Niederschläge ganz im Südwesten und
Süden dagegen allmählich ab, selbst in den Staulagen des Schwarzwaldes und des
Oberallgäus sollten bis zum Abend kaum mehr als 10 l/qm zusammenkommen,
gebietsweise bleibt es an Hoch- und Oberrhein auch trocken, die Wolken lockern
aber kaum auf.
Die Hauptniederschlagsaktivität beschränkt sich somit auf die Warmfront, wobei
die herangeführte Luftmasse allmählich aus immer wärmeren Gefilden stammt (aus
dem Seegebiet westsüdwestlich Irlands) und mit entsprechend hohen PPWs von
teilweise über 20 mm ausgestattet ist. Zudem bleibt die Luftmasse bis in die
mittlere Troposphäre oft feuchtegesättigt. Somit intensivieren sich die
Regenfälle vor allem in den Staulagen der westlichen, zentralen und
ostbayerischen Mittelgebirge noch einmal; dort wurden die laufenden
Dauerregenwarnungen auch schon teilweise auf Unwetter hochgestuft
(Fichtelgebirge, Bayerwald). ICON-EU simuliert dort bis zum Abend meist 25 bis
40 l/qm in 12 Stunden, die anderen Modelle aber teilweiser geringere Mengen,
ICON-D2 und AROME in exponierten Staulagen dagegen sogar etwas mehr.
Der Wind lässt präfrontal im Norden und Osten weiter nach, lediglich im
Ostseeumfeld kann es bis um die Mittagszeit noch steife bis stürmische Böen
geben. Im Warmsektor bleibt es dagegen bei der Stauchung der Isobaren, zumal der
nach Südwestdeutschland gerichtete Hochkeil kaum abgebaut wird. Somit gibt es
dort weiterhin steife bis stürmische Böen, in freien und höheren Lagen auch
Sturmböen, im höheren Alpenvorland sind aufgrund des Leitplankeneffektes
vorübergehend auch schwere Sturmböen aus West bis Südwest nicht ausgeschlossen.
Auf den Gipfeln der Berge gibt es weiterhin Sturm- und schwere Sturmböen,
vereinzelt Orkanböen. Zum späten Nachmittag und Abend deutet sich von Westen her
eine leichte Windabschwächung an.
Die Höchsttemperaturen erreichen präfrontal im Nordosten und Osten Werte
zwischen 2 und 5 Grad, im Warmsektor wird es dagegen mit 7 bis 12 Grad sehr
mild.

In der Nacht zum Sonntag erreicht der Höhenrücken die Nordsee und
Südskandinavien. Stromaufwärts schwenkt ein Höhentrog ins Seegebiet südlich von
Island und korrespondiert mit dem Tief „ABDUL“, das morgens unmittelbar westlich
der Färöer-Inseln aufschlägt und dessen Warmfront bis Sonntagfrüh nun endlich
auch den Nordosten überquert hat. Somit kommen die Niederschläge nordostwärts
voran, wobei es von Vorpommern bis nach Südostbrandenburg vorübergehend auch mal
bis in tiefere Lagen kräftiger schneien kann und sich gebietsweise eine dünne
Nassschneedecke ausbildet, ehe sie durch den folgenden Regen wieder weggespült
wird. Ansonsten steigt die Schneefallgrenze auch im Erzgebirge bis in die
Kammlagen, so dass dort mindestens markantes, mit den noch zusätzlichen
Niederschlägen (bis Sonntagfrüh 10 bis 20 l/qm, am Sonntag nochmals bis nahe 10
l/qm, wobei die Modelle diesbezüglich noch nicht einig sind), eventuell sogar
unwetterartiges Tauwetter einsetzt.
Im Südwesten und Süden fällt nur noch wenig Regen, ansonsten fallen die
Niederschläge mit der langsam durchschwenkenden Warmfront aber teilweise recht
ergiebig aus. Die PPWs steigen noch weiter an, im Norden und in der Mitte auf 20
bis 25 mm und somit fallen flächendeckend 5 bis 15 l/qm, gebietsweise mehr, in
den Staulagen insbesondere des Harzes und der ostbayerischen Mittelgebirge
teilweise um 30 l/qm.
Mit Voranschreiten der Warmfront frischt auch in der Mitte und im Nordwesten der
Wind wieder auf, morgens spielt er nur noch ganz im Nordosten warntechnisch
keine Rolle. Ansonsten gibt es vielerorts steife, gebietsweise auch stürmische
Böen, im Südosten anfangs Sturmböen aus West bis Südwest. In den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen muss weiterhin mit Sturm- und
schweren Sturmböen gerechnet werden, auf exponierten Gipfeln auch mehr.
Im Osten kann es präfrontal noch einmal gebietsweise auf nahe 0 Grad abkühlen,
ansonsten bleibt es mit 9 bis 3 Grad relativ mild.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … hat sich gegenüber den Ausführungen in der Frühkonferenz nur wenig
geändert. Ein mildes und teilweise feuchtes Weihnachtsfest steht ins Haus. Nach
Durchschwenken des Höhenrückens zonalisiert die Höhenströmung wieder, dieses Mal
eher auf glatt West mit der Frontalzone meist knapp nördlich von uns.
Tief „ABDUL“ und der korrespondierende Höhentrog ziehen bis zum Abend zur
Norwegischen See, wo das Tief mit einem Kerndruck von etwa 965 hPa aufschlägt,
und in der Heiligen Nacht weiter nach Südskandinavien, wo er in mehrere
Drehzentren zerfällt und wobei gleichzeitig der Höhentrogkomplex über
Skandinavien regeneriert wird.
Das Vorhersagegebiet bleibt dabei zunächst im Warmsektor des Tiefs, erst in der
Nacht erreicht die schleifende Kaltfront den Nordwesten bzw. Norden
Deutschlands. Dabei etabliert sich über weiten Teilen des Vorhersagegebietes
eine Art „atmosphärischer Fluss“ mit sehr feuchter und milder Atlantikluft, die
ursprünglich aus dem Raum der Azoren kommt und vor allem über den mittleren
Landesteilen ungewöhnlich hohe PPW-Werte von 25 bis 30 mm aufweist. Diese
Luftmasse ist teilweise bis 500 hPa feuchtegesättigt und somit dürfte wohl kaum
eine Entspannung der Dauerregen- und Hochwasserlage ins Haus stehen.
Glücklicherweise fehlt ein zusätzlicher dynamischer Hebungsantrieb, dennoch
reicht es verbreitet für Niederschläge leichter, teils auch mäßiger Intensität,
vor allem im Nordwesten und Westen kann es auch mal kräftiger regnen, in den
Staulagen sowieso. Dort kommen in 24 Stunden bis Montagfrüh durchaus weitere 20
bis 30 l/qm zusammen, sonst sind es meist 5 bis 20 l/qm, im äußersten Norden und
in den Leelagen Süddeutschlands dagegen maximal wenige l/qm. In welchen
Mittelgebirgen es genau wie viel anstaut, ist noch unklar, am ehesten dürften
wohl einmal mehr die westlichen, aber auch die ostbayerischen Mittelgebirge und
der Harz betroffen sein, der Schwarzwald, die Alpen und das Erzgebirge dagegen
eher weniger. Einige Dauerregenwarnungen wurden bereits bis Montag, 06 UTCV
verlängert, für andere dürfte das spätestens im Laufe des morgigen Tages der
Fall sein.
Warnrelevant bleibt selbstredend auch der Wind. Verbreitet gibt es starke bis
stürmische Böen aus West bis Südwest, an den Küsten wieder vermehrt Sturmböen,
in der Nacht zum 1. Weihnachtstag könnte es in ganz Norddeutschland eventuell
wieder für Sturm reichen. In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der
Alpen bleibt es bei Sturm- bis Orkanböen.
Die maritime Subtropikluft kann sich mit 850 hPa-Temperaturen von 4 bis 7 Grad
zwar bodennah aufgrund der dichten Bewölkung zwar nicht voll entfalten, dennoch
wird es mit Höchstwerten zwischen 8 und 13 Grad zur Bescherung sehr mild, auch
die Heilige Nacht bleibt bei Tiefstwerten zwischen 11 und 4 Grad mild und bis in
höhere Lagen frostfrei.

Modellvergleich und -einschätzung

Anhand der aktuell vorliegenden Modelle lassen sich keine signifikanten
Unterschiede ausmachen, zumindest nicht bis zum Sonntag. Danach laufen die
Niederschlagsprognosen noch ein wenig auseinander, letztendlich geht es aber nur
darum, welche Dauerregenwarnungen noch wie lange verlängert werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff