#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag den 04.12.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.12.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
SANI das perfide Wintertief – unbeständig mit Niederschlägen jeglicher Couleur.
Allmähliche Milderung.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Aktuell … zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein stark mäandrierendes,
sich vom mittleren Nordatlantik bis zum nahen Osteuropa erstreckendes Muster
auf, in dem abwechselnd Tröge und Rücken mit langsamer Phasengeschwindigkeit von
West nach Ost ablaufen. Deutschland befindet sich aktuell im Übergangsbereich
eines langsam ostwärts abwandernden Rückens zu einem Trog, der sich von
Westeuropa her regelrecht zu uns reinzuquälen scheint. Dynamisch geht jedenfalls
anders, was übrigens auch auf das korrespondierende Tief SANI zutrifft. Mit
etwas unter 995 hPa im Tank liegt der Wirbel heute Abend genau über dem
Ärmelkanal, von wo aus bis morgen früh unter leichter Abschwächung Belgien
angesteuert wird. Zwar weist der Höhentrog keine übermäßig ausgeprägte Amplitude
auf, doch reicht er soweit nach Süden, dass er im Löwengolf sowie den
balearischen Gewässern für Druckfall sorgt. Am Ende erwächst daraus ein neues
Tief, das aufgrund seiner Nähe zum Herrn SANI von der FU Berlin/BWK ganz einfach
den Namen SANI II erhalten hat. Dieser SANI II bewegt sich bis morgen Mittag
nach Mittelitalien, was für uns aber nur von peripherer Bedeutung ist.
Hier gilt es sich die Luftmassen mal etwas genauer anzuschauen. In weiten
Landesteilen lagert noch eine am Wochenende gealterte und durch den vielen
Schnee im Süden stark modifizierte, weil vor Ort ausgekühlte Polarluft (xP). Nun
hat der Kollege SANI die für uns Meteorologen ebenso wie für die
nicht-meteorologische Zivilbevölkerung saublöde Idee, diese für ihn
offensichtlich verbrauchte Luftmasse auszutauschen und durch eine mildere
Meeresluft (genau genommen mPs, sprich, erwärmte maritime Polarluft) zu
ersetzen. Ein solcher Luftmassenwechsel funktioniert erstens nicht im
Hauruckverfahren, weil die „alte“ Kaltluft schwer und träge darniederliegt,
wodurch die „neue“ milde Luft zunächst mal nur in etwas höheren Luftschichten
vorankommt. Womit wir dann auch schon bei zweitens wären, denn genau dieser
Prozess (mild mit Plusgraden über kalt mit Minusgraden) führt in der Regel zu
allerlei winterlichen Schweinereien, die zudem auch noch schwer vorhersagbar
sind. Vor allem wenn es um die Details geht, kann man sich noch so viele
konzeptionelle Gedanken machen und den wahrscheinlichsten atmosphärischen
Werdegang am Reißbrett entwerfen, es bleibt zunächst reine Theorie. Eine
Garantie, dass es auch tatsächlich genau so kommt, gibt es nicht und man ist
gezwungen, gewisse Dinge – insbesondere das Warnmanagement betreffend – erst
sehr kurzfristig zu erledigen.
Gemeint ist vornehmlich die Phase der Niederschläge, die heute tief- und
trogvorderseitig (vor allem WLA, zunehmend aber auch PVA) auf Deutschland
übergegriffen haben und sich nun in Schüben (schauerartige Bänder) sehr
gemächlich ost-nordostwärts ausbreiten. Von Schnee über Schneeregen und
„normalem“ Regen bis hin zu Eiskörnern sowie gefrierendem Regen mit Glatteis war
und ist für jeden was dabei und das teilweise auf engstem Raum, sowohl in
horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht. Bevor der Autor hier der
Versuchung unterliegt, sich zu sehr detaillierten und tiefgreifenden Gedanken
für die nächsten Stunden hinzugeben, im Folgenden ein eher schlichter Versuch,
das Geschehen der kommenden Nacht einzuordnen.
Das Einfachste zuerst: Vom Zittauer Gebirge bis hoch nach Vorpommern sowie
weiter über Mecklenburg bis nach Schleswig-Holstein kommt entweder gar kein oder
nur wenig Niederschlag an. Wenn doch, dann am ehesten im Süden SHs sowie in
Westmecklenburg, wobei dort eindeutig Schnee fällt. Zwar nimmt die Temperatur in
der unteren Troposphäre etwas zu, bleibt aber durchweg im negativen Bereich, so
dass bei hochreichender Durchfeuchtung reiner Schnee erzeugt wird. Das gilt
übrigens auch für weite Teile des norddeutschen Tieflands, wo es zeitweise
leicht schneit und bis zum Morgen 1 bis 3, hier und da bis 5 cm Neuschnee
zusammenkommen.
Komplizierter wird es zur Mitte und nach Süden hin, wo das Portfolio möglicher
Niederschlagsformen deutlich facettenreicher ausfällt. Zum einen sind die Böden
vielfach noch gefroren (vor allem im Süden) und die Belagstemperaturen im Minus.
Dem steht ein Warmlufteinschub in der untersten Troposphäre (unterhalb 850 hPa)
gegenüber, der eine sogenannte „warme Nase“ erzeugt – eine notwenige
Voraussetzung für gefrierenden Regen mit Glatteis. Das Problem, die „Nase“ ist
nicht überbordend ausgeprägt (kein richtiger Zinken), ragt z.T. nur wenig in den
positiven Temperaturbereich, so dass sie durch Niederschlagsverdunstung rasch
getilgt werden kann. Kurzum, der Grat zwischen Schneefall, gefrierenden Regen
und Eiskörnern (heute Abend z.B. im Rhein-Main-Gebiet) ist sehr schmal. Sagen
wir so, regional muss in der Nacht mit Glatteis gerechnet werden, insbesondere
zwischen Main und Donau (weiter südlich nur schwache oder keine Niederschläge)
sowie örtlich im zentralen Mittelgebirgsraum. Ansonsten fällt zunächst noch
häufig Schnee bis in tiefe Lagen, bevor die Schichtung von Westen her beginnt,
allmählich zu normalisieren und sich die Schneefallgrenze zwischen 400 und 800 m
einpendelt. Darüber sind im Westen und Südwesten sowie im zentralen Bereich 1
bis 5, in Staulagen lokal um 10 cm Neuschnee drin.
Ansonsten bliebe nur noch zu sagen, dass es mit Ausnahme einiger Gebiete West-
und Südwestdeutschlands leichten bis mäßigen, an den Alpen sowie im südlichen
Vorland lokal auch noch mal strengen Frost gibt. Außerdem bleibt in Sachsen der
Böhmische Wind am Start, während sich sonst der Südostwind am ehesten in den
Hochlagen bemerkbar macht (7-8 Bft, Feldberg 9 Bft). Ach ja, mit Annäherung des
Tiefs zieht der Wind aus Osten kommend auch über der Nordsee immer mehr an, was
vornehmlich auf den Inseln, teils aber auch direkt an der Küste die eine oder
andere steife Böe 7 Bft zur Folge hat.
Dienstag … greift der Höhentrog von Westen her auf den gesamten Vorhersageraum
über. Dadurch kommt es nicht nur zu einer weiteren Normalisierung der Schichtung
(ganz unten wärmer, darüber wieder kälter; T850 am Nachmittag um -2°C). Darüber
hinaus nehmen die Niederschläge zunehmend schauerartigen Charakter an. Einzig
ganz im Norden bleibt eine Schliere stratiformen Schneefalls übrig, die quasi
der nach Norden schwenkenden Okklusion des von Belgien zum Niederrhein ziehenden
Bodentiefs zugeordnet werden kann. Vom nördlichen Niedersachsen über SH bis nach
Vorpommern kommen über den Tag 1 bis 5 cm, hier und da auch etwas mehr Neuschnee
zusammen.
Darüber hinaus verhält es sich so, dass anfänglich potenziell noch vorhandene
„warme (Platt)Nasen“ abgebaut werden, was mit abnehmender Glatteisgefahr
einhergeht. Trotzdem, gerade am Morgen sowie am Vormittag heißt es im Süden und
in der Mitte an der einen oder anderen Stelle noch „Spitz pass auf“. Ansonsten
nimmt die Niederschlagsneigung nach Osten hin immer weiter ab, während sie im
Westen zunimmt. Dabei pendelt sich die Schneefallgrenze etwa zwischen 500 und
700 m ein. In den Hochlagen der west- und südwestdeutschen Mittelgebirge sind
durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee drin. Nach Südosten hin bleibt es gepaart mit
einigen Wolkenauflockerungen weitgehend niederschlagsfrei. Nur an den Alpen
könnte es etwas schneien, wobei die Schneefallgrenze von anfangs 1000 m bis in
die Täler sinkt.
Der östliche Wind weht vor allen den Küsten lebhaft mit Böen 6-7 Bft. Sonst
macht er im Wesentlichen nur in exponierten Hochlagen auf sich aufmerksam (7-8
Bft aus Südost bis Südwest). Der Böhmische Wind in den sächsischen Tälern geht
am Nachmittag in die Knie. Die Temperatur macht vor allem im Westen und
Südwesten einen ordentlichen Sprung nach oben: 4 bis 9°C stehen dort auf der
Karte, während es in den übrigen Gebieten meist 0 bis 5°C sind Dauerfrost bis
-2°C nur noch im Nordosten sowie lokal im Südosten Bayerns.
In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog weiter gen Osten, ohne uns aber zu
verlassen. Dahinter folgt das Bodentief, das am Morgen mit inzwischen fast 1010
hPa im Kern die Lüneburger Heidi erreicht. Es kommt verbreitet zu unorganisiert
auftretenden Niederschlägen, die im Norden und nach Osten hin teilweise bis ganz
runter als Schnee fallen. Wie hoch die Akkumulation ausfallen wird, lässt sich
heute noch nicht seriös einschätzen (Modellunterschiede, thermische
Rahmenbedingungen, Intensität etc.). Lokal ist auch gefrierender Regen nicht
ausgeschlossen, je nach dem wo wie viel Frost noch im Boden steckt. Ansonsten
ist die Schneefallgrenze zwischen 400 und 600 m anzusetzen, im Süden vielleicht
etwas höher. In den zentralen Mittelgebirgen sind durchaus 5 bis 10 cm Neuschnee
drin und im Hochschwarzwald könnte es noch deftiger zur Sache gehen. 20-25 cm
oder sogar etwas mehr wären keine Überraschung.
Tiefstwerte meist +2 bis -4°C mit der Faustregel, je weiter im Osten und je
höher, desto wahrscheinlicher Frost.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Mittwoch … siehe Frühübersicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Eine klassische, schwer zu warnende Winterdreckslage, bei der die Modelle
hinsichtlich der Niederschlagsphasen und -übergänge an ihre Grenzen stoßen und
einiges an Nowcast erforderlich machen. Die Basisfelder werden darüber hinaus
aber sehr kongruent simuliert.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann