S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.11.2023 um 10.30 UTC

Fetter Höhentrog mit nordeuropäischer (erwärmter) Kaltluft – Wintereinbruch zum
Herbstausklang.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 29.11.2023

Schaut man sich die Wetterkarten für den kommenden Samstag – endlich wieder
Bundesliga nach dem armseligen DFB-Gegurke – an, mag so mancher seinen Augen
nicht trauen. Ein fetter, mit Mordsamplitude ausgestatteter Höhentrog knapp
östlich von uns, auf dessen Westflanke straight foreward maritime Polarluft
arktischen Ursprungs (mA) zu uns strömt. Ja gibtŽs das noch, ist denn etwa schon
Winter? Noch nicht ganz lautet die Antwort, wenn wir uns auf den
meteorologischen Terminus berufen. Danach dauert es noch ein paar Tage, genau
genommen bis übernächsten Freitag, dem 1. Dezember, wo offiziell der Start in
die kalte Jahreszeit beginnt. Ob diese am Ende tatsächlich auch mal wieder kalt
ausfällt, weiß heute – abgesehen von einigen ganz wenige Strategen mit
vermeintlich übermenschlichen Prognosefähigkeiten – kein Meteorologe. Die
Ouvertüre, die zum Herbstausklang gespielt wird, ist freilich verheißungsvoll,
auch wenn die ersten Spötter im Hause schon Kassandra mimen und meinen, der
Winter würde mit diesem Kaltluftvorstoß sein Pulver bereits verschießen. Nun
gut, schaun mer mal…

Beschäftigen wir uns lieber mit den Fakten, die sich am kommenden Samstag, dem
Beginn der offiziellen Mittelfrist wie folgt darstellen. Zwischen einer
hochreichenden Antizyklone über dem nahen Atlantik mit Keil in Richtung Nordmeer
und dem o.e. Trog (Drehzentren Westrussland/Baltikum sowie südlicher Balkan)
gelangt mit nordwest- bis nördlicher Strömung auf direktem Wege hochreichende
Kaltluft nach Mitteleuropa respektive Deutschland, die sich vor allem an den
Alpen, bedingt aber auch an den Nordrändern der Mittelgebirge staut. Was das
angesichts von Temperaturen zwischen -5 und -9°C auf 850 hPa und -30 bis -38°C
auf 500 hPa (Samstag 12 UTC; im Osten kälter als im Westen) bedeutet, ist
evident: Es schneit, zumindest im Bergland, je nach Tageszeit und
Niederschlagsintensität teilweise aber auch im Flach- bzw. Tiefland (eher im
kälteren Osten sowie dem höher gelegenen Süden als im stark maritim geprägten
Westen und Nordwesten). Während unten bevorzugt die nasskalte Variante mit
temporärem Nassschnee, Matschepampe und baldigem Abtauen angesagt ist,
akkumuliert sich weiter oben eine Schneedecke unterschiedlicher Dicke. Den Vogel
schießen dabei die üblichen Staulagen am Alpennordrand ab, die im Laufe des
Wochenendes durchaus auf satte 50 bis 100 cm (in Worten „einen halben bis ganzen
Meter“) Neuschnee kommen können, der im Hochgebirge zumindest am Samstag auch
noch Verfrachtungen durch Starkwind/Sturm ausgesetzt ist. Überhaupt muss man
konstatieren, dass und gerade am Samstag ein böiger, teils ruppiger und kalter
Wind Nordwestwind um die Nase bläst.

Zu Beginn der neuen Woche hat sich das o.e. südliche Drehzentraum nicht nur via
Schwarzes Meer und Ukraine nach Westrussland verlagert Es hat sich zudem mächtig
vertieft und dabei das nördliche Tief „geschluckt“. Weit wichtiger und
interessanter für uns ist allerdings ein ganz anderes Tief, ein sogenanntes
Randtief, das von der Nordsee her auf Nordwestdeutschland übergreift, um bis
Dienstag nach Tschechien zu ziehen. Dabei kommt es schon in der Nacht beginnend
zu flächigen Niederschlägen, die im Osten und Süden bei weit runter als Schnee
fallen können. Nach Westen und Südwesten hin wird mit Winddrehung auf Südwest
vorübergehend eine Portion milder Meeresluft eingespült (T850 um 0°C), so dass
dort die Schneefallgrenze bis in Kammnähe oder darüber hinaus ansteigt.

Nach Abzug des Randtiefs dreht die Strömung wieder nach rechts, so dass das
ganze Land in den „Genuss“ von Kaltluft kommt (Dienstag 12 UTC auf T850 um
-10°C!, nur im äußersten Westen und Süden etwas darüber). KLA sowie die leichte
Annäherung des atlantischen Rückens lassen den Luftdruck bei uns vorübergehend
steigen und die Niederschlagsneigung abnehmen (Dienstag/Mittwoch), bevor sich in
der erweiterten Mittelfrist ab Donnerstag die nächste Austrogung mit
hochreichender Kaltluft ankündigt. Dazu ein weiteres Randtief von Westen her,
das über Süddeutschland hinwegzieht und bevorzugt in der Mitte zu einem echten
Träumli für Winter- und Schneefreaks werden könnte. 10 bis 20 cm Neuschnee im
Rhein-Main-Gebiet am kommenden Donnerstag hätten schon einen gewissen Charme,
allein der Glaube an dieses tatsächlich von IFS feilgebotenen Szenarios fehlt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Anfangs der Mittelfrist, namentlich am kommenden Wochenende, kann IFS (ECMF) mit
einer passablen Konsistenz aufwarten. Demnach steht dem im Tiefland teilweise
nasskalten Wintereinbruch, bei dem uns maritime Polarluft arktischen Ursprungs
direkt von Norden her beehrt, nichts im Wege. Zu Beginn der neuen Woche sowie in
der Folge nehmen die Unterschiede zwischen dem aktuellen 00-UTC-Lauf und seinen
jüngsten Vorgängern zu, die Konsistenz beginnt zu bröckeln. Zusammengefasst geht
es um die Frage, ob und in welcher Form sich eine Milderung durchsetzt und wenn
ja, wie nachhaltig diese ausfällt. Es deutet sich aber an, dass die Witterung
insgesamt tiefdruckbestimmt bleibt (unbeständig mit Niederschlägen) und etwaige
Hochs über kurze Gastspiele – wenn überhaupt – nicht hinauskommen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ähnlich wie bei der Konsistenzbetrachtung gilt auch beim Modellvergleich, dass
die Prognosen ab Montag divergieren. Das geht mit dem Randtief los, das man bei
ICON und GFS vergebens sucht (bzw. bei GFS deutlich weiter nördlich zieht), bei
GEM erst am Dienstag durchzieht und nur bei UK10 ähnlich simuliert wird. Auch
danach setzen sich die Modellunterschiede fort, wobei es im Wesentlichen die
kurzen Strömungsanteile sind, die unterschiedlich behandelt werden. Gemein ist
eigentlich allen Modellen das relativ niedrige thermische Niveau, das durchweg
erhalten bleibt bzw. im Falle von kurzen Störungen rasch wieder hergestellt
wird.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Während das Ensemble von GFS die letzte Aussage aus dem Kapitel zuvor
eindrucksvoll unterstreicht, kommt das bei IFS-EPS nicht ganz so klar heraus.
Dort lässt sich an den Rauchfahnen zunächst mal ablesen, dass der Mildeinschub
am Wochenanfang vor allem vom Hauptlauf, aber nur wenigen Ensemblemitgliedern
propagiert wird. Die meisten Lösungen weisen niedrigere Temperaturen auf. Im
weiteren Verlauf der Woche nimmt die Streuung sowohl bei der 850-hPa-Temperatur
als auch beim 500-hPa-Geopotenzial merklich zu, wobei beim Niederschlag ein
kontinuierliches Grundrauschen zu beobachten ist (=> unbeständig mit
Niederschlägen). Der hohe Peak vom Hauptlauf am übernächsten Donnerstag
(Referenz Offenbach, Stichwort „Schneebombe“) wird probabilistisch nicht
gestützt – hätte auch sehr verwundert. Zum Ende hin (erweiterte Mittelfrist)
bewegt sich der deterministische Lauf am unteren Rand der Kurvenschar, heißt, er
zeigt eine „extrem“ kalte Lösung (T850 um -10°C). Der durchaus erkennbare
Medianbereich liegt einige Grad darüber, aber noch deutlich im negativen
Bereich.

Für den Zeitraum T+72…96h (Samstag/Sonntag) werden zwar drei Cluster angeboten
(„Atlantischer Rücken“), die sich aber nur in Nuancen unterscheiden. Allen
gemein ist der satte Höhentrog knapp östlich von uns, der mit dem Rücken die
Zufuhr der nordischen Kaltluft steuert. Von Montag bis Mittwoch (T+120…168h)
bleibt die Zahl Drei ebenso erhalten wie das Regime „Atlantischer Rücken“.
Cluster 2 (15 Fälle) zeigt einen leichten Trend zur Zonalisierung bei uns,
während CL 1 (21) und 3 (15) weiterhin auf Trograndlage setzen (CL 1 etwas
antizyklonaler als CL 3). Das für Montag vom Hauptlauf apostrophierte Randtief
ist in den repräsentativen Druckfeldern (1000 hPa) nicht zu finden. Aller guten
Dinge sind drei, was heute auch auf die Cluster der erweiterten Mittelfrist ab
Donnerstag (T+192…240h) zutrifft. Dabei bleiben die Cluster dem Regime
„Atlantischer Rücken“ treu. Wenn auch jeweils etwas anders konfiguriert,
tendieren doch alle drei Cluster zu einer Regeneration bzw. Neubildung des/eines
Höhentrogs über Mitteleuropa.

FAZIT: Der Wintereinbruch (Übergang Kurz- zur Mittelfrist) mit monumentaler
Austrogung und Zufuhr maritimer (=> erwärmter) arktischer Polarluft ist
unstrittig. Unklar ist, wie es im Laufe der nächsten Woche en detail weitergeht,
was sowohl im Modellvergleich als auch in der zunehmenden Streuung bei den
Ensembles zum Ausdruck kommt. Es sprich aber Vieles dafür, dass es relativ kalt
oder sagen wir besser nasskalt bleibt mit dem Potenzial für sogenannte
„winterliche Überraschungen“. Für „richtigen“ Winter mit Ost- oder
Nordosteinschlag reicht es aber (noch?) nicht.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Im Fokus möglicher signifikanter Wettererscheinungen steht eindeutig der
Parameter Schnee, der am Wochenende insbesondere im Nordstau der Alpen für
Schlagzeilen sorgen dürfte. Akkumuliert man die Mengen, die etwa ab Freitagabend
bis Montagfrüh fallen sollen, so kommt man ohne Weiteres auf 50 bis 100 cm,
wovon ein Teil zumindest im Hochgebirge noch verweht ist (Starkwind mit Sturm am
Samstag). Dass damit eine hohe Lawinengefahr einhergeht, ist offensichtlich.
Nicht so hoch fallen die Schneemengen in den Mittelgebirgen aus, wo vor allem
die West- (Schwarzwald) und Nordweststaulagen betroffen sind. Im Hochschwarzwald
könnte es im selben Zeitraum für 20 bis 40 cm, im Erzgebirge für etwas weniger
und in den übrigen Mittelgebirgen für noch weniger reichen. Es sei allerdings
angemerkt, dass es nicht das erste Mal wäre, dass die Modelle mit Näherrücken
des Niederschlagsereignis von ihren „Maximalforderungen“ abrücken und geringere
Mengen simulieren. An Žnem ordentlichen Alpenstau wird das aber nichts ändern.
Was im Flachland passiert, auch im Verlauf der nächsten Woche, ist noch sehr
unsicher.

Der Wind spielt am Samstag vor allem auf den Bergen noch eine prominente, da
stürmische Rolle, wobei die Alpengipfel mit Böen bis 10/11 Bft die Hitliste
anführen.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann