#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 14.11.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 141800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 14.11.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Wechselhaft, windig und mild bis sehr mild. Allgäu und Südschwarzwald weiterhin
Dauerregen UNWETTER.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … liegt Deutschland mehr oder weniger direkt im Einflussbereich einer
kräftigen zonal ausgerichteten Strömung, die durch hohes Geopotenzial über Süd-
und tiefes Geopotenzial über dem nördlichen Mitteleuropa geprägt ist. Dabei
befindet sich der thermisch forcierte Jet bezüglich Intensität am oberen Ende
dessen, was man in der Region zu dieser Zeit erwarten kann. Begleitet wird
dieser Jet weiterhin von einem gut ausgeprägten Atmosphärenfluss, der in
subtropischen Gefilden fußt und mit TPW Anomaliewerten von rund 200% in Richtung
Alpen gerichtet ist.
Im Bodendruck werden die Reste von JASPER in Form eines sich sukzessiv
auffüllenden Bodentiefs zum Abend in Richtung Danzig gedrückt. Er hinterlässt
ein Nord-Süd verlaufendes thermisches Gefälle in der mittleren Troposphäre.
Von daher gestaltet sich der Norden recht labil geschichtet mit reger
Schaueraktivität, die sich in zonaler Hintergrundströmung teils bandförmig
ausrichten konnten. Im „Day Cloud Phase Distinction“ Produkt zeigen sich jedoch
nur wenige Vereisungen, zumeist verbleibt die Konvektion recht flach, was auch
die neutralen bis leicht labilen Profile stützen. Dennoch sorgt eine deftige
30-40 kt Scherung in den untersten 3 km AGL für entsprechendes „markantes“
Böenpotential, das im EPS zumeist mit Bft 8 hinterlegt ist.
Für die Mitte und den Süden muss man seinen Blick zügig in Richtung
Nordfrankreich richten, wo eine recht scharfe Welle innerhalb der Numerik
gezeigt wird, die auch im Abgleich mit dem WV6.2 Kanal schön in Form eines
ausgeprägten dark stripes und einem immer weiter abkühlenden Wolkenkopf zu
erkennen ist. Im Bodendruck macht sich das System immerhin durch 40-iger
Druckfall (3-std.) bemerkbar, läuft jedoch in einen sich insgesamt nun
abschwächenden Höhenjet etwas abseits des wohl definierten Divergenzmaximums
hinein, was die weitere Intensivierung hemmen sollte. Dennoch sind die
Hebungsimpulse im Q Vektorfeld recht imposant. Die auf den über
Südfrankreich/dem Alpenraum liegende feuchte Luftmasse einwirkende Hebung sorgt
aktuell und auch eingangs der Nacht für ein ausgeprägtes Regenband, das
zunehmend ganz Süddeutschland mit Niederschlagsraten von 2-5 l/qm/h
überstreicht.
Ein zweites Niederschlagsband steht in Zusammenhang mit der eigentlichen
Kurzwelle und greift eingangs der Nacht auf den Westen über, dort allerdings mit
etwas geringeren stündlichen Raten. Von daher bleibt es abends nur von Leipzig
bis Nürnberg mehr oder weniger trocken.
Der starke West- bis Südwestwind im Norden schwächt sich zum Abend sukzessive
ab, sodass entsprechende Warnungen auch auslaufen können.
Anders sieht es im Südwesten aus, wo ein neuerliches niedertroposphärisches
Windmaximum der hereinlaufenden Kurzwelle mit 850 hPa Windgeschwindigkeiten von
45 bis 60 kt besonders dem Bergland wieder ordentlich Wind bringt (warmer Jet).
Robuste Bft 10 bis 11 Signale für den Hochschwarzwald und exponierte Alpengipfel
der westlichen bayerischen Alpen sind ebenso von der Partie wie Bft 7/8 Böen im
Allgäu und erste Bft 7 Böen in Oberschwaben. Der Wind kommt zumeist aus Südwest.
Die abendlichen Werte liegen bei 7 bis 11 Grad.
In der Nacht zum Mittwoch erfolgt diese Kurzwellenpassage bei recht konstanter
Intensität der Welle. Bei günstiger Zugbahn für einen zusätzlichen
Intensitätsschub der niedertrop. Winde durch die Orografie werden teils 70 kt in
850 hPa entlang des nördlichen Alpenhauptkamms erwartet. Insgesamt deutet die
Numerik eine recht labil geschichtete Grenzschicht an, sodass in einem Streifen
von den Alpen bis nach München vor Mitternacht wiederholt Bft 8 und immer wieder
auch Bft 9 Böen zu erwarten sind. In der zweiten Nachthälfte erfolgt im Tiefland
eine Abschwächung auf Bft 7 bis 8, ausgangs der Nacht auf Bft 6/7.
Zwischen Main und Donau erfolgt ebenfalls eine Windzunahme auf Bft 7 Böen, lokal
auch Bft 8 aus Südwest, bevor der Wind in der 2. Nachthälfte auch dort eher im
Bereich Bft 6/7 weht. Im süddt. Bergland treten je nach Exposition Bft 9 bis 12
Böen auf, der Wind nimmt aber auch dort im Verlauf der zweiten Nachthälfte ab.
Bezüglich des Niederschlags wird das erste Regenband über den
Alpenraum/Süddeutschland zügig nach Osten gedrückt. Derweilen erfasst der
eigentliche Niederschlag der Kurzwelle besonders die Mitte, wo im
Scheitelbereich der Welle „relativ gesehen“ die Verlagerung des Niederschlags
vermindert wird und es entsprechend dort längere Zeit regnet. Zudem wird
rückseitig der Welle die Kaltfront von JASPER (die bis dato ganz im Norden
Deutschlands lag) südwärts gedrückt und sorgt in einer recht strömungsparallelen
Ausrichtung (SO-NW) in einem schmalen Streifen von NRW bis ins Vogtland für
Niederschläge, teils schauerartig verstärkt und anhaltend, teils in Form von
Schauern.
Schaut man sich die 12-std. Mengen an, dann treten die Spitzen in Staulagen des
zentralen und südlichen Berglands auf mit 10 bis 20 l/qm, lokal bis 25 l/qm.
Ganz im Norden bleibt es trocken.
Die Tiefstwerte liegen bei 10 bis 5 Grad, im Norden bei kurzzeitigen
Auflockerungen sind auch mal 3 oder 2 Grad möglich (mit lokalem Frost in
Bodennähe).
Mittwoch … verbleibt Deutschland in einer zyklonal geprägten westlichen
Höhenströmung. Die quer über der Mitte liegende Kaltfront wird vorderseitig
einer neuen Welle in eine nordostwärts wandernde Warmfront umgewandelt, deren
Wetteraktivität sich jedoch in Grenzen hält.
Der niedertrop. Wind liegt meist im Bereich von 30 bis 40 kt, was bei
entsprechend guter Durchmischung für eine rege Bft 7 Aktivität aus West gut ist,
die alle Bereiche außer dem Norden/Nordosten betrifft. Markante Böen Bft 8/9
beschränken sich aufs Bergland, wobei anfangs exponiert im Erzgebirge/dem
Bayerischen Wald auch letzte Bft 10 Böen auftreten können.
Niederschlagstechnisch schwenkt das Band mit teils skaligem Regen von
NRW-Vogtland bis zum Abend ostwärts in Richtung Rostock-Dresden. Sonst dominiert
rege Schauertätigkeit, die abends allmählich nachlässt. Vielleicht reicht es im
Süden auch für einzelne Gewitter mit Bft 8 Böen.
12-std. Mengen liegen meist in der Fläche nur bei wenigen Litern auf den
Quadratmeter, im Umfeld der Front bei 5 bis 10 l/qm und im Stau des Harzes und
Erzgebirges bei 10 bis 15 l/qm.
Die zur Mittagszeit auslaufenden Dauerregenwarnungen (teils UNWETTER) im Süden
sollten aus heutiger Sicht planmäßig auslaufen können. Jüngste 48-std.
Aufsummierungen deuten in beiden Unwetterregionen bereits gefallene
Niederschlagsmengen von über 100 l/qm an (u.a. Vöhrenbach mit 123 l/qm zu 15Z –
weiter zunehmend).
Die Höchstwerte liegen postfrontal über weiten Bereichen Deutschlands bei 9 bis
14 Grad, präfrontal im Nordosten um 8 Grad.
In der Nacht zum Donnerstag zieht die nächste Welle in Form eines sich
strukturierenden Bodentiefs in den Grenzbereich von Dänemark/Schleswig-Holstein
und bringt den niedertrop. Wind im Norden wieder in den 35 bis 40 kt Bereich.
Innerhalb der Grenzschicht reicht das für Windböen der Stärke Bft 6/7 mit
markanten Böen Bft 8 im Bergland und schweren Sturmböen auf dem Brocken. Der
Wind kommt aus westlicher Richtung.
Die Schauer fallen über der Mitte/dem Süden allmählich in sich zusammen, während
in Norddeutschland im Umfeld des zyklonalen Wirbels die Schauertätigkeit weiter
andauert. Dort fallen in der Fläche auch 2 bis 5 l/qm, in Richtung
Mecklenburg-Vorpommern hat IFS 10 bis 15 l/qm im Gepäck, was mit einer etwas
südlicheren Lage des Bodentiefs in Verbindung gebracht werden kann.
Die Tiefstwerte liegen je nach Abkopplung zwischen 7 und 2 Grad, im Bergland
teils im leichten Frostbereich.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … zieht das Bodentief der Nacht von Dänemark nur unwesentlich
weiter nach Osten und könnte nach jetzigem Stand dank einer Zunahme des
thermischen Gradienten bis in die mittlere Troposphäre etwas an Intensität
zulegen. Dies würde dem Nordosten bis weit in den Tag einen böigen Westwind
bescheren (Bft 6/7) mit 8-er Böen im Küstenumfeld der Ostsee.
Sonst flaut der Wind in Folge eines schwachen Zwischenhochkeils deutschlandweit
vorübergehend etwas ab und könnten erst zum Abend im Südwesten wieder an Fahrt
zulegen.
Diese Windzunahme ist auf eine neue Bodentiefentwicklung zurückzuführen, die
jedoch innerhalb der Numerik weiterhin mit sehr großen zeitlichen und räumlichen
Unsicherheiten behaftet ist. Grund hierfür scheint ein Energietransfer vom
steuernden Tiefdruckgebiet südlich von Grönland zu einem östlicheren Part über
Südschweden zu sein, der mit einigen Unsicherheiten behaftet ist (wieviel
Energie transferiert wird, wann sich die Welle löst und wie genau die
Interaktion mit dem Tief bei Südschweden aussieht). Je nach timing könnte somit
zum Abend aus Südwest der erste Niederschlag auf Deutschland übergreifen.
Hoffentlich wird sich diese für eine Kurzfrist durchaus als „außergewöhnlich“
einzustufende Unsicherheit zeitnah von numerischer Seite glätten. Innerhalb der
Ensembleverfahren (z.B. beim IFS-ENS) findet eine eigentlich recht gute
Bündelung der Member statt, allerdings ergibt sich dank fallendem Bodendruck
südlich der Alpen eine zusätzliche Unsicherheit (ggf. Auffächern des
Gradienten). Aus heutiger Sicht steht jedoch weiterhin ein neues Windereignis
für Süddeutschland auf der Agenda, dessen endgültige Ausprägung noch unsicher
ist.
Je nach Geometrie des Bodentiefs könnten die Niederschläge fokussiert im
Scheitelbereich fallen mit gleichzeitig sinkender Schneefallgrenze, was nach
Scheitelpassage und verstärkter KLA den Gipfeln der zentralen Mittelgebirge
etwas Schnee bescheren könnte. Egal wie, das Wetter bleibt auf jedenfall
spannend.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Numerik hat die grobe Entwicklung der Trog-/Keilkonfiguration gut im Griff.
Allerdings entscheiden Feinheiten wie timing/Zugbahn von Kurzwellen und
Bodentiefs über regionale Warnschwerpunkte. Diese wurden im Text erörtert.
Die erheblichen Unsicherheiten einer Bodentiefpassage zum Ende der Kurzfrist
haben sich weiterhin nicht verringert. U.a. entscheidet auch der in Richtung
Italien gerichtete Energietransfer, ob nicht letztendlich gar eine Zyklogenese
über Norditalien dominiert, was dem Bodentief über Deutschland die Intensität
nehmen würde. GEFS und IFS-ENS zeigen jedoch beide eine deutliche
Memberbündelung nördlich der Alpen sowie einen erhöhten Spread am Westrand des
Mittels, was momentan nur auf einen zeitlichen Versatz hindeutet. Zyklonale
Optionen über Norditalien stehen auch im Ensemble weiterhin im Hintergrund.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy