#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag den 18.09.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 181800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 18.09.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Im Osten und Südosten einzelne markante Gewitter (Fokus Starkregen) möglich,
Unwetter nicht gänzlich ausgeschlossen, nachts abziehend. Von Westen her
Gewitter mit Starkregen und Sturmböen, auch dort lokal Unwetter nicht gänzlich
ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich. An der Nordsee, insbesondere in
Nordfriesland, Sturmböen.
Am Dienstag an der Nordsee und im angrenzenden Binnenland stürmische Böen und
Sturmböen, nachmittags und abends an der Nordfriesischen Küste auch schwere
Sturmböen und Böen Bft 11. Auf dem Brocken schwere Sturmböen. Im
Nordseeküstenumfeld einzelne starke Gewitter.
Am Mittwoch an der Nordseeküste steife bis stürmische Böen Bft 7 bis 8, auf dem
Brocken Böen Bft 9, dabei insgesamt nachlassender Wind.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Aktuell … liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, der
weite Teile West- und Südwesteuropas überdeckt. Das eigelagerte abgeschlossene
Höhentief befindet sich südlich von Island, die Isohypsen sind um dieses Tief
elliptisch konfiguriert, wobei die Hauptachse der gedachten Ellipse von
West-Nordwest nach Ost-Südost orientiert ist. Im Laufe der Nacht wird die
Ellipse noch weiter gestaucht, so dass zum Morgen eine dann weitgehend von West
nach Ost orientierte Geopotentialrinne südlich von Island den Nordatlantik
prägt. Die Hauptachse des Langwellentroges verläuft aktuell in einem weiten
Boden vom Nordatlantik über die Britischen Inseln und Frankreich bis nach
Spanien und weiter in Seegebiet südwestlich von Portugal. Ihr läuft ein
kurzwelliger Troganteil voraus, der schon den Westen und Südwesten Deutschlands
erreicht hat. Im Vorfeld beider Troganteile finden sich im Omegafeld Gebiete
verstärkter Hebung, wobei ein Hebungsimpuls über der Osthälfte Deutschlands die
diffluente Höhenströmung ist. Im Laufe der Nacht werden beide Trogachsen nach
Osten verschoben, von Frankreich kommend erreicht die Hauptachse die Westhälfte
unseres Landes, die vorlaufende Achse wandert derweil nach Polen aus. Im
Bodendruckfeld korrespondiert mit dem Höhentief bei Island ein Nordatlantiktief
(JAN), das am heutigen Abend zwei Kerne aufweist, wobei der mit 982 hPa
schwächere nordöstlich von Schottland herumwabert, der kräftigere mit etwa 978
hPa dagegen südwestlich von Island liegt. Die „Mehrkernigkeit“ des Tiefs wird in
der Nacht noch gesteigert. Einerseits wird der sich von Westen nähernde
Ex-Hurrikan LEE in das Zirkulationsfeld mit einbezogen, obendrein bildet sich
bei süd- bis südöstlichen Überströmung der südlichen Skanden vor der Südküste
Norwegens ein kleineres, aber abgeschlossenes Leetief, so dass sich zum Morgen
laut ICON dann insgesamt vier Tiefs über dem Nordatlantik tummeln sollen. Sie
sorgen für einen recht strammen zonalen Gradienten, anfangs nur über dem
Atlantik, wobei im Bereich eines markanten Bodentroges über Frankreich (siehe
Lage der Haupttrogachse) die Strömung vorderseitig des Bodentroges auf Südwest
dreht. Im Laufe der Nacht überqueret der Bodentrog Deutschland komplett von West
nach Ost. Auf seiner Rückseite ist dann zum Morgen ein leicht antizyklonales
Strömungsmuster zu erkennen, was in weiten Teilen des Vorhersagegebietes auch zu
einem Nachlassen der Niederschläge beiträgt. Insgesamt wird in mehreren Schüben
kältere, trockenere und stabiler geschichtete Luft nach Deutschland geführt. Der
Luftmassenwechsel ist allerdings von recht reger Wetteraktivität geprägt. Im
Vorfeld der vorlaufenden Nebenachse des Troges befindet sich eine erste
Kaltfront zum Abend etwa auf einer Linie Rügen – Westerzgebirge – Allgäu. Die
vor allem im Vorfeld der Front befindlichen Niederschläge lassen Kata-Charakter
erahnen, sie beschränken sich aber räumlich auf eine breitere Linie entlang von
Oder und Neiße und den Südosten Bayerns und den Alpenrand, zeitlich ist von
ihnen vor allem die erste Nachthälfte betroffen, vereinzelt hält der Regen aber
auch bis in die zweite Nachthälfte an (z. B. Alpenrand). Die erwarteten Mengen
in diesen Bereichen liegen meist bei 2 bis 5 l/qm, lokal kann es auch 5 bis 10
l/qm geben. Nur unmittelbar an den Alpen sowie im äußersten Osten Sachsen ist
lokal auch noch „etwas mehr drin“. Einzelne Gewitter mit Fokus auf Starkregen
können dabei nicht ausgeschlossen werden. Allerdings wird genau in diesem
Bereich schon aus dem Tag heraus kaum CAPE prognostiziert, auch ist die
Thermische Schichtung recht stabil, womit es dann am Ende die Dynamik (u. a. die
diffluente Höhenströmung) richten müsste. Mit einer zweiten Front, die von
Frankreich und Benelux auf uns übergreift und die bis zum Morgen den Westen
Polens und den Südosten erreicht, sind ebenfalls Schauer und einzelne Gewitter
verbunden. Diese erreichen bis zum Morgen die Ostsee, die Börde und Oberfranken,
nur wenige Schauer schaffen es weiter in den Osten. Das ist natürlich auch dem
Bodenkeil geschuldet, aber ebenso der Tatsache, dass der Trog, auch am Boden, an
Kontur verliert und in der Folge die Konvergenz im Frontbereich nachlässt. Die
im Vergleich zur Front über dem Osten deutlich besser ausgeprägte Scherung lässt
allerdings einen höheren Organisationsgrad erwarten, eventuell linienartige
Strukturen oder langlebigere Zellen. Dabei ist der Fokus neben dem Starkregen
auch auf die Böen zu richten, die Ensembles des ICON-D2 zeigen aber sowohl für
mehr als 15 l/qm in einer Stunde als auch für Sturmböen nur schwache Signale,
beides ist aber nicht ausgeschlossen. Dazu könnte auch noch kleinerer Hagel mit
von der Partie sein. Da der Gradient insgesamt anzieht, lebt auch der Wind auf.
Für die Nordfriesische Küste muss die Bft 8 auf jeden Fall ins Kalkül gezogen
werden, exponiert ist dort auch mal eine Bft 9 drin. Ansonsten ist es die Bft 7,
die exponierte Bereiche der Ostseeküste und eventuell auch mal das unmittelbar
an die Nordsee angrenzende Binnenland erfasst, die Bft 8 ist dann an der
Ostfriesischen Küste auch nicht ausgeschlossen. Auch in einigen Höhenlagen kann
es stürmische Böen bzw. Sturmböen geben (insbesondere Brocken). Postfrontal
fließt erwärmte maritime Subpolarluft mit 4 bis 7°C in 850 hPa ein, südlich der
Donau liegen die 850er-Werte auch am Morgen noch leicht über 10°C. Das ergibt
Tiefstwerte zwischen 17°C an der Oder und 9°C in den westlichen Mittelgebirgen.
Dienstag … stellt sich an der Südflanke des inzwischen vom mittleren
Nordatlantik bis zum Finnischen Meerbusen reichenden und mit zwei bis drei
Höhentiefs ausgestatteten Höhentiefkomplexes eine zyklonale West- bis
Südwestlage über West- und Mitteleuropa ein, wobei der Jet nördlich von uns über
die Britischen Inseln, die Nordsee und Südskandinavien verläuft. Im Bodenfeld
überquert die Kaltfront von „JAN“ (die im Norden und der Mitte ja schon die
polnische Grenze erreicht hat) bereits am frühen Vormittag den Südosten
Deutschlands mit einzelnen Schauern, anfangs vielleicht auch noch dem einen oder
anderen Gewitter. Ihr folgt dann auch dort der flacher Bodenhochkeil, der aber
schon am Abend unter Abschwächung nach Polen abgezogen ist. Derweil beginnt der
Ex-Hurrikan LEE, sich unter weiterer Vertiefung bei fortschreitendem
Okklusionsprozess nahe Schottland einzudrehen. Die weitgehend zonal liegende
zugehörige Warmfront wellt über der Nordsee, das Wellentief erreicht zum Abend
die Nordspitze Dänemarks. Der Warmfrontanteil des Wellentiefs greift am späten
Nachmittag auf den Nordwesten über und bringt von der Eifel bis nach Mecklenburg
dichte Wolken, vom Niederrhein bis zur Nordsee auch etwas Regen, während die
Kaltfront dann über der zentralen Nordsee ins Schleifen gerät. Insbesondere an
der Nordfriesischen Küste ist, mit diabatischer Unterstützung, auch ein Gewitter
nicht ausgeschlossen. Das bedeutet dann aber auch kräftigeren Regen (für
Starkregen wird es aufgrund der raschen Verlagerung wohl nicht reichen), aber
bei dem mehr als lebhaften Grundwind sind schwere Sturmböen oder sogar
orkanartige Böen in kräftigen Schauern und Gewittern wahrscheinlich. Der Wind
steht ohnehin im Zentrum der Warntätigkeit. An der Südostflanke des Tiefs
verschärft sich, wie oben schon angedeutet, der Gradient über dem Nordwesten
Deutschlands deutlich, vor allem unmittelbar präfrontal zur Kaltfront. ICON-EU
simuliert im Westen/Nordwesten Deutschlands und an der vorpommerschen
Ostseeküste steife Böen (Bft 7) aus Südwest, im Nordseeumfeld stürmische Böen
bzw. Sturmböen, entlang der nordfriesischen Küste vorübergehend sogar schwere
Sturmböen, an der Nordfriesischen Küste am Nachmittag und Abend gar orkanartige
Böen (Bft 11). Die externen Modelle sind da insgesamt doch etwas defensiver
aufgestellt, für schwere Sturmböen an der Nordfriesischen Küste und Sturmböen am
Rest der Nordseeküste sollte es aber wohl mindestens reichen.
Weiter im Binnenland schwächt sich der Wind dann nach Südosten zu doch recht
rasch ab, lediglich in einigen Hochlagen (Brocken, Fichtelberg) reicht es wohl
noch für Sturmböen. Vor allem im Osten, Süden und Südwesten setzt sich nach
Abzug der Kaltfront und dort, wo die Warmfrontbewölkung nicht übergreift, die
Sonne durch. Dagegen bleibt es im Nordwesten und Westen eher bewölkt. Bei 850
hPa-Temperaturen zwischen 7 und 10°C erreichen die Höchsttemperaturen zwischen
18°C an der Nordsee und 23°C in der Lausitz sowie am Oberrhein.
In der Nacht zum Mittwoch wird der Norden des Landes von einem flachen
kurzwelligen Troganteil überquert, der dann ein flacher Rücken folgt. Die über
der Nordsee schleifende Front wird vorderseitig von Ex-Hurrikan LEE mehr und
mehr zur Warmfront und verlagert sich folglich nordwärts, bis sie zum Abend
Südskandinavien erreicht. LEE selbst ist am Morgen etwa bei den Hebriden zu
finden. Das kleinräumige Dänemark-Tief zieht über die Ostsee nach Finnland, und
der mit seiner Warmfront verbundene schwache Regen überquert den Norden von West
nach Ost, wobei er nach ICON-EU auch den Norden NRWs, Sachsen-Anhalts und
Brandenburgs streift. Im Rest des Landes bleibt es trocken und nach Süden und
Südosten zu auch oft gering bewölkt, dort ist der Gradient auch so weit
auseinandergezogen, dass sich lokal Nebel bilden kann. Der Wind bleibt weiter
warnrelevant. Vor allem im Nordseeumfeld gibt es weiterhin stürmische Böen Bft
8, vor allem anfangs auch Sturmböen Bft 9 aus Südwest. Auch auf den Gipfeln weht
es kräftig, der Brocken bring es auf Bft 9 bis 10, der Fichtelberg immerhin auf
eine Bft 8. Im erweiterten Küstenumfeld reicht es dann noch für eine Bft 7, das
gilt eventuell auch im Lee einiger Mittelgebirge. Ansonsten ist der Wind nur
schwach bis mäßig. Im Nordwesten verläuft die Nacht mit Minima zwischen 17 und
14°C sehr mild, sonst kühlt es auf 14 bis 8°C ab.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Mittwoch … Am Mittwoch ergeben sich im Vergleich zur Frühübersicht keine
wesentlichen Unterschiede.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Vorhersage ist aufgrund der Dynamik der Entwicklung mit einigen
Unsicherheiten behaftet. Die genaue Position der zahlreichen Tiefs ist ebenso
ein Prognoseproblem wie deren Verlagerung. Auch die Trogstrukturen sind durchaus
komplex. Dazu kommen die grundsätzlich vorhandenen Schwierigkeiten in der Regen-
oder Gewittervorhersage. Trotzdem ergibt sich in der Gesamtschau ein durchaus
belastbares Bild. Die abziehenden Gewitter im Osten, die aufkommenden, sich aber
abschwächenden im Westen und der Mitte, dazu die Sturmsituation an der Nordsee –
es gibt kein Modell, das auf diese Ereignisse nicht in irgendeiner Form
hinweisen würde.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas