S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.09.2023 um 10.30 UTC

Am Mittwoch mit Kaltfrontpassage deutliche Abkühlung, im Südosten vorher noch
teils kräftige Gewitter bzw. Starkregen. Nach vorübergehendem Hochdruckeinfluss
und allmählicher Erwärmung am Wochenende wieder unbeständiger mit erhöhtem
Gewitterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 17.09.2023

Zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, am Mittwoch, ist die ungewöhnlich lange
anhaltende sonnige und sehr warme Witterungsperiode erst einmal beendet.
Verantwortlich dafür ist ein in die vom mittlere Nordatlantik über Westeuropa
und von dort aus nach Nordosten abknickende, leicht mäandrierende Frontalzone
eingebetteter Höhentrog, der mit seiner Achse im Tagesverlauf unter
Konturverlust das Vorhersagegebiet ostwärts überquert. Dem Trog ist im Bodenfeld
eine langgestreckte Tiefdruckrinne vorgeschaltet, die von der Kola-Halbinsel
über die Ostsee südwestwärts bis nach Südwestdeutschland reicht und samt
eingebetteter Kaltfront Deutschland allmählich südostwärts überquert. Abends
bzw. eingangs der Nacht zum Donnerstag erreicht die Kaltfront die Alpen.
Präfrontal halten sich im Südosten, eventuell auch noch im Osten des Landes
anfangs noch Reste der ehemals feuchtlabilen Luftmasse, somit kann es dort im
Tagesverlauf nochmals teil kräftige Gewitter geben, am ehesten wohl im Südosten
Bayerns. Im Fokus der Begleiterscheinungen steht der Starkregen (vielleicht auch
ungewittrig), wobei unwetterartige Mengen (auch mehrstündig) nicht
ausgeschlossen sind. Der Kaltfront folgt ein Schwall maritimer Polarluft, die in
der Nacht auch die Alpen erreicht. Dort gibt es womöglich bis in die Frühstunden
des Donnerstags noch schauerartige Regenfälle. Ansonsten gerät die recht kühle
Luftmasse (T850 hPa am Donnerstagfrüh zwischen 2 Grad über der Nordsee und 9
Grad am Alpenrand) mit Annäherung eines flachen Höhenrückens rasch in den
Einflussbereich einer vom Ostatlantik über Nordfrankreich und Mitteleuropa bis
nach Mittelskandinavien bzw. zum Nordmeer reichenden Hochdruckzone, wobei sich
in etwa über der Mitte Deutschlands eine eigenständige Hochdruckparzelle (etwa
1025 hPa Kerndruck) etabliert. Somit klart der Himmel teilweise auf, örtlich
bilden sich Nebelfelder und es steht vor allem im Norden und in der Mitte eine
frische Nacht ins Haus mit Tiefstwerten teilweise um oder sogar knapp unter 5
Grad in der Norddeutschen Tiefebene.

Der Donnerstag und Freitag stehen dann ganz im Zeichen der Hochdruckzone, die
langsam über uns hinweg ostwärts wandert und mit einer beginnenden Austrogung
über dem nahen Ostatlantik westlich der Britischen Inseln von Westen her
allmählich abgebaut wird.
Mit der Austrogung dreht die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet nach und
nach wieder auf Südwest, bleibt aber vor allem nach Süden zu noch deutlich
antizyklonal konturiert. Vor allem am Freitag steilt die Strömung auch
niedertroposphärisch etwas auf und dreht bodennah sogar auf Südsüdost, so dass
weiterhin trockene, vor allem aber wieder wärmere Luftmassen zu uns gelangen.
Bis Freitagabend steigt die 850 hPa-Temperatur auf Werte zwischen 8 Grad im
Norden und 13 bis 14 Grad an den Alpen.
Während es am Donnerstag mit den Resten der sich auflösenden Kaltfront an den
Alpen noch einzelne Schauer geben kann und an der Nordflanke des Hochs über
Norddeutschland zeitweise lockere Wolkenfelder ziehen, scheint sonst neben
wenigen Quellwolken häufig die Sonne bei knapp unter 20 Grad Höchstwerten im
Norden und bis zu 24 Grad am Oberrhein. Am Freitag steht allgemein ein recht
sonniger Tag auf der Agenda, lediglich über dem Nordwesten ist es nahe eines
über der mittleren Nordsee schleifenden Frontensystems zeitweise bewölkt, es
bleibt aber trocken. Mit Höchstwerten zwischen 20 Grad an den Küsten und bis zu
26 Grad im Südwesten wird es wieder etwas wärmer. Auch in der Nacht zum Samstag
dominiert nach Lesart des IFS noch Hochdruckeinfluss.

Die weitere Wetterentwicklung ab dem kommenden Wochenende betreffend nimmt dann
das IFS – das sei schon einmal vorweg genommen – eine Außenseiterrolle gegenüber
den anderen Globalmodelle ein.
Der Höhentrog über Westeuropa vollzieht gleich mehrere Cut-Off-Prozesse. Ein
erster kommt bereits in der Nacht zum Samstag in Gang, das zugehörige Höhentief
befindet sich am Samstag vor der portugiesischen Atlantikküste und füllt sich
dort auf bzw. schwenkt als Trog am Sonntag über die Iberische Halbinsel hinweg
ostwärts.
Ein weiteres Cut-Off-Tief befindet sich am Sonntag in etwa über Irland.
Vorderseitig baut sich durch beständige WLA über Osteuropa eine kräftige und
umfangreiche Höhenantizyklone auf, wodurch die Höhenströmung über Mitteleuropa
aufsteilt und auf Südsüdwest dreht. Damit gelangen erneut sehr warme, eventuell
sogar heiße Luftmasse aus Südeuropa ins Vorhersagegebiet. Das Hochdruckgebiet
verabschiedet sich nach Osteuropa, bleibt aber am Samstag trotz beständigen
Druckfalls wohl noch wetterbestimmend. Am Sonntag greift dann von Frankreich und
Benelux allmählich eine Tiefdruckrinne auf Westdeutschland über. Bis dahin steig
die 850 hPa-Temperatur auf Werte zwischen 14 Grad im Norden und nahe 20 Grad an
den Alpen. Zudem ist die Luftmasse zunehmend potenziell instabil. Während es am
Samstag nach Lesart des IFS lediglich in den südwestdeutschen Mittelgebirgen und
an den Alpen für einzelne Gewitter reichen dürfte, muss am Sonntag, vor allem
aber auch in der Nacht zum Montag in der gesamten Westhälfte, im Südwesten und
ganz im Süden mit teils kräftigen Gewittern gerechnet werden, Unwetter nicht
ausgeschlossen.
Dazu wird es bereits am Samstag vielerorts wieder sommerlich warm, am Sonntag
ließe die aktuelle IFS-Lösung sogar Höchstwerte von übe 30 Grad im Südwesten zu.

In der erweiterten Mittelfrist wird dann der Höhentrog über Westeuropa immer
wieder regeneriert, nähert sich aber nur sehr zögernd dem Kontinent an. Somit
stellt sich hierzulande eine zyklonal konturierte Südwestlage ein mit mehreren
Frontenpassagen, wobei die sehr warme bis heiße Luftmasse bereits am Montag
komplett wieder ausgeräumt wird und einer mäßig warmen bis warmen (T850 hPa
meist zwischen 6 und 12 Grad, die höheren Werte im Süden) weicht.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Freitag erweist sich der aktuelle Lauf als einigermaßen
konsistent zu seinen beiden Vorgängern, wobei vor allem der gestrige 00 UTC-Lauf
am Donnerstag am Nordrand des Höhenrückens für Norddeutschland etwas zyklonaler
aufgestellt war und sogar die Passage eines flachen Kurzwellentroges
(einhergehend mit dichterer Bewölkung und sogar vereinzelten Schauern) auf der
Agenda hatte.
Die Cut-Off-Prozesse über Westeuropa am Wochenende haben dagegen die beiden
Vorläufe beide nicht simuliert. Stattdessen sollte der Höhentrog von West- bis
zum Sonntag (gestern, 00 UTC-Lauf) bzw. der Nacht zum Montag (gestern, 12
UTC-Lauf auf Mitteleuropa übergreifen. Diesem Trog ist in beiden Modellläufen
eine Kaltfront vorgeschaltet, die das Vorhersagegebiet bis Sonntagabend
überqueren sollte, wohl mit teils kräftigen Schauern und Gewittern im Vorfeld
bereits ab Samstag und deutlicher Abkühlung postfrontal am Sonntag (T850 hPa in
beiden Läufen teilweise unter 5 Grad).

In der erweiterten Mittelfrist tendierte der gestrige 00 UTC-Lauf nach Abzug der
Kaltfront Richtung Nordwest antizyklonal bzw. Hoch Mitteleuropa und der gestrig
12 UTC-Lauf Richtung Hoch Fennoskandien, an dessen Südflanke von Ostnordost her
eher kühle Luftmassen zu uns gelangen würden.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch unter den Globalmodellen herrscht bis einschließlich Freitag weitgehen
Einigkeit, mal abgesehen von der Kaltfrontpassage bzw. der präfrontalen
Niederschlagsaktivität am Mittwoch im Detail, die wohl nur nowcasttechnisch
händelbar sein dürfte. Einzig das UK10 fährt, ähnlich wie der gestrige 00
UTC-Lauf es IFS, wenngleich eher noch abgeschwächt, für Norddeutschland am
Donnerstag eine geringfügig zyklonalere Variante.
Am Wochenende haben dann aber nahezu alle anderen Globalmodelle im Gegensatz zum
IFS-Hauptlauf eine Trogpassage über Mitteleuropa mit deutlicher Abkühlung am
Sonntag auf der Agenda, ähnlich wie die beiden gestrigen IFS-Läufe, lediglich
noch etwas progressiver. Einzig das kanadische GEM-Modell simuliert nur über
Norddeutschland die Passage eines nur flachen und wenig wetteraktiven
Randtroges. 850 hPa-Werte von über 15 Grad bis nahe 20 Grad über Süddeutschland
am Sonntag zeigt aber auch das Modell nicht. Nach Lesart des ICON und GFS folgt
am Sonntag mit Passage einer Kaltfront sogar eine deutliche Abkühlung auf Werte
unter 5 Grad über dem Norden und der Mitte Deutschlands. Somit ist die aktuelle
IFS-Lösung wohl sehr mit Vorsicht zu genießen.
In der erweiterten Mittelfrist tendiert dann auch der aktuelle GFS-Lauf Richtung
Südwest bis West zyklonal, lässt dann aber Richtung Wochenmitte den Trog auf
Mitteleuropa übergreifen, während es IFS bei SWz belässt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Zu Beginn der Mittelfrist, im Zeitraum 72 bis 96 Stunden, verteilen sich die
ENS-Member des IFS, der Haupt- und der Kontrolllauf auf 2 Cluster, die sich für
Mitteleuropa aber nicht signifikant unterscheiden.

Der Zeitraum 120 bis 168 Stunden hat dann drei Cluster auf der Agenda. Allen
drei Clustern gemein ist ein recht kräftiges blockierendes Hoch über
Nordwestrussland, in Uralnähe.
Cluster 1 (22 Member) zeigt einen weiteren markanten Höhenrücken Osteuropa
(entsprechend ändert sich das Großwetterlagenregime von „NAO+“ hin zu
„Blocking“). Der Höhentrog über Westeuropa tropft südwestlich der Iberischen
Halbinsel ab, das nördliche Residuum passiert am Sonntag immerhin noch unter
deutlichen Konturverlust die Nordhälfte des Vorhersagegebietes.
Nach Lesart des Cluster 2 (15 Member, dazu Haupt- und Kontrolllauf) tropft der
Trog – ähnlich wie im Hauptlauf – vor der portugiesischen Atlantikküste ab und
wir bleiben beständig auf dessen Vorderseite, eine Trog- bzw. Frontpassage über
dem Vorhersagegebiet wird nicht einmal angedeutet.
Cluster 3 (14 Member) dagegen tendiert Richtung West- bis Südwestlage, am
Sonntag leicht zyklonal konturiert, inklusive Frontpassage, wenngleich aber
deutlich schwächer als in den deterministischen 00 UTC-Läufen des GFS und ICON.

Die erweiterte Mittelfrist (192 bis 240 Stunden) hat dann sechs Cluster (jeweils
13, 11, 9, 8, 6 und 4 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 5). Bis auf
Cluster 6, der Richtung Hoch Nordmeer tendiert, zeigen alle Richtung Mitte
übernächster Woche eine mehr oder weniger zyklonale West- bis Südwestlage,
teilweise auch mit Abtropftendenzen knapp westlich von uns bzw. mit kräftigen
Bodentiefentwicklungen (v.a. Cluster 4 über der Nordsee).

Wenig Überraschendes bieten die Rauchfahnen einzelne Gitterpunkte im
Vorhersagegebiet. Die 850 hPa-Temperatur der einzelnen ENS-Member verläuft
zunächst in einem recht engen Spread, wobei der Luftmassenwechsel am Mittwoch
klar ins Auge sticht. Nach dem „Tiefpunkt“ in der Nacht zum Donnerstag, im
Norden auch noch teilweise am Donnerstag selber geht es danach bis Samstag bei
zunehmendem Spread wieder bergauf, wobei ab Samstag, vor allem aber am Sonntag
die Niederschlagssignale in allen Gitterpunkten deutlich zunehmen.
Ab Sonntag wird dann allerdings der Spread der 850 hPa-Temperatur in allen
Rauchfahnen deutlich größer (teilweise zwischen 0 und 15 Grad im Norden bzw.
zwischen 3 und 18 Grad im Süden), wobei der Hauptlauf am Sonntag und Montag
zumindest kurzzeitig für alle Gitterpunkte den wärmsten Lauf markiert.

FAZIT:
Bis einschließlich Freitag dürfte die Wetterentwicklung im Groben unstrittig
sein. Nach der Kaltfrontpassage am Mittwoch stellt sich erst einmal eine
Wetterberuhigung ein bei wieder zögernd ansteigenden Temperaturen.
Am Wochenende wird es dann wieder unbeständiger. Dabei markieren IFS mit der
auch am Sonntag noch anhaltenden Zufuhr sehr warmer bis heißer Luftmassen aus
Südeuropa und GFS bzw. ICON mit der markanten Kaltfrontpassage, gefolgt von
deutlicher Abkühlung in etwa die Extrempositionen. Vorstellbar ist, dass eine
dieser „Extremlösungen“ auch eintrifft, tendenziell, auch unter Berücksichtigung
der beiden gestrigen IFS-Läufe, wohl eher die kältere Lösung.
Aber vielleicht läuft es ja auch auf den „goldenen“ Mittelweg hinaus, wie es GEM
andeutet, aber auch viele ENS-Member.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Mittwoch kann es präfrontal im Südosten Deutschlands, insbesondere wohl in
Bayern, nochmals teil kräftige Gewitter geben. Zwar ist die potenziell
instabilste Luftmasse bereits abgedrängt, dennoch zeichnet sie sich noch durch
hohe PPWs aus, so dass insbesondere der Starkregen im Fokus steht, eventuell
auch mehrstündig, unwetterartige Mengen durchaus nicht ausgeschlossen.
Danach stellt sich erst einmal eine deutliche Wetterberuhigung ein, bis
einschließlich Freitag ist bei einem zunächst der Jahreszeit angemessenen, ab
Freitag wieder etwas übernormalen Temperaturniveau nicht mit markanten
Wetterereignissen zu rechnen.
Am Wochenende gelangen von Südwesten her erneut potenziell instabile Luftmassen
ins Vorhersagegebiet, mit Annäherung des Troges über Westeuropa (und eventueller
Passage) nimmt das Potenzial für kräftige Gewitter wieder zu. Ob es für
unwetterartige Entwicklungen reicht und wie das Ganze im Detail verläuft,
darüber lassen sich derzeit noch keine genauen Aussagen tätigen. Nach Lesart des
IFS-Hauptlaufes kann es vor allem am Sonntag im Südwesten sogar noch einmal mit
Werten über 30 Grad heiß werden.

Basis für Mittelfristvorhersage
MODELMIX (IFS-Hauptlauf markiert eine Sonderlösung), IFS-ENS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff