SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 26.08.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Ab der Nacht zum Sonntag im Süden beginnende Dauerregenlage, teils Unwetter.
Tagsüber in der Nordwesthälfte einige markante Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland weiterhin auf der Vorderseite eines leicht
positiv geneigten Höhentrogs über dem nahen Atlantik. Dessen Hauptachse stellt
sich aber zusehends meridional auf bei gleichzeitiger Vergrößerung der
Amplitude. Folglich steilt die leicht zyklonale bis indifferente südwestliche
Strömung bei uns weiter auf, während über der Biskaya die Vorbereitungen für
eine bevorstehende Abtropfung getroffen werden, welche im Laufe des Sonntags
weiter südlich in die Tat umgesetzt wird. Sind die Strömungsverhältnisse in der
Höhe also vergleichsweise eindeutig, lässt sich das am Boden nicht behaupten.
Dort sehen wir eine aus mehreren Kernen bestehende Tiefdruckzone (DENIS), die
von UK/Irland über die Nordsee bis nach Südskandinavien respektive zur Ostsee
reicht. Deutschland liegt genau auf der Südflanke inmitten einer flachen und
ziemlich unstrukturierten Druckverteilung, in die eine
südwest-nordost-exponierte Kaltfront eingelagert ist. Diese trennt die
inzwischen arg heruntergekommenen Reste der vormals heißen und instabilen
Subtropikluft im Süden und Südosten von gemäßigterer und trockenerer Meeresluft
im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte. Bis zum Morgen macht die Front
noch ein paar Meter Richtung Alpen und Oberbayern gut, wodurch es der
Rest-Subtropikluft mehr und mehr an den Kragen geht.

Letzteres trifft auch auf die schweren Gewitter zu, die am frühen Nachmittag in
Oberschwaben ihren Anfang genommen und inzwischen das ost-südöstliche Altbayern
erreicht haben. Schlussendlich waren es drei fette Superzellen, die die Musik
gespielt haben, und das mit Pauken und Trompeten. Von Großhagel mit Korngrößen
über 5 cm über (lokal extremen) Starkregen bis hin zu Sturm- und Orkanböen war
eigentlich alles dabei, was das Herz des Vollwetterfans begehrt, auf das die
Meisten in den betroffenen Regionen aber gerne verzichtet hätten. Jedenfalls
beruhigt sich Lage in Süddeutschland nach Abzug der letzten Gewitter ziemlich
rasch. Spätestens in der zweiten Nachthälfte setzen aus der Schweiz und dem
Vorarlberg heraus neue Regenfälle ein, die aber weniger gewitterträchtig sind,
da sich die Schichtung mittlerweile stabilisiert hat. Zwar sind ein paar
elektrische Einlagerungen nicht ganz ausgeschlossen, meist wird es wohl aber
„nur“ für schauerartige Verstärkungen reichen. Dabei ist es gut möglich, dass
gerade im Bereich Oberschwaben/Allgäu auch mal (mehrstündiger) Starkregen am
Start ist, der aber der um Mitternacht beginnenden Dauerregenwarnung
zugeschlagen werden kann. Wie man überhaupt sagen muss, dass der neue Regen im
Grunde den Anfang einer mehrtägigen und gebietsweise sehr fruchtbaren,
möglicherweise sogar über das Ziel hinausschießenden Dauerregenlage markiert,
die die Szenerie bis Dienstag bestimmen wird.

Im großen Rest der Republik tut sich nicht allzu viel beim Wetter. Meist
verläuft die Nacht trocken unter teilweise gering bewölktem oder klarem Himmel.
Da und dort bilden sich ein paar flache Nebelfelder. Einzelne Schauer oder kurze
Gewitter treten am ehesten noch in Nordseenähe auf. Am frühen Morgen sind mit
Annäherung des Troges auch im Westen einzelne Schauer nicht ausgeschlossen.

Die Temperatur geht auf Werte um 16°C im äußersten Süden und Südosten sowie
direkt an der See und bis zu 8 oder 7°C bei längerem Aufklaren in den westlichen
Mittelgebirgen sowie in der Norddeutschen Tiefebene zurück.

Sonntag … beginnt der Höhentrog über den Pyrenäen oder Katalonien abzutropfen.
Das Cut-Off-Tief zieht von dort ins westliche Mittelmeer, wo dadurch eine
Zyklogenese angestoßen wird. Das Bodentief soll sich im Tagesverlauf rasch
vertiefen und zum Ligurischen Meer bzw. nach Norditalien ziehen, wo es am
Tagesende mit etwas unter 1000 hPa aufschlägt. Gleichzeitig steigt der
Luftdruck bei uns leicht an auf rund 1010 hPa, wobei sich ein von Frankreich bis
in die Südhälfte reichender schwacher Hochkeil etabliert. Diese
Druckkonstellation führt dazu, dass sich im Süden und Südosten unterhalb etwa
800 hPa ein stark von West nach Ost rechtdrehendes Windprofil aufbaut, während
weiter oben nach wie vor Südwestwind vorherrscht. Das liegt daran, dass das
Trogresiduum nach dem Abtropfen zwar dichter an den Vorhersageraum heranrückt,
mit seiner Achse aber noch westlich verbleibt. Kurzum, es stellt sich auf der
kalten Seite der inzwischen aus Deutschland herausgelaufenen Luftmassengrenze
eine wunderschöne Gegenstromlage ein, die den Dauerregen im Tagesverlauf von
Süden her nach Nordosten bis nach Sachsen und ins südliche BB befördert.
Akkumuliert über 12 Stunden kommen im Süden vielerorts 10 bis 25 l/m² zusammen.
Der Schwerpunkt liegt im Bereich Oberschwaben sowie vom Allgäu bis hinüber zum
Karwendel, wo 25 bis 40 l/m², in Staulagen auch noch etwas mehr fallen können.
Etwas geringer sind die Mengen tagsüber zwischen Chiemgauer Alpen und dem
Bayerischen Wald. Mit etwas Fantasie findet man dort einen kümmerlichen Rest der
alten Subtropikluft, in der es mit geringer Wahrscheinlichkeit noch mal blitzt
und donnert.

Nach Norden und Westen zu wird das Sonntagswetter von dem sich annähernden
Trogresiduum bestimmt. Auf dessen leicht diffluenter Vorderseite werden zum
einen Hebungsimpulse ausgelöst, zum anderen wird gegenüber heute etwas labilere,
vor allem aber feuchtere Luft eingesteuert (PPWs 20 bis 25 mm), in der mit
zeitweiliger Einstrahlung (anfangs vielfach aufgelockert, später wechselnde
Bewölkung) ein paar hundert Joule pro Kilogramm CAPE aufgebaut werden können.
Das genügt, um im Tagesverlauf insbesondere im Westen und Nordwesten bis
hinunter in die westliche Mitte Schauer und einzelne Gewitter entstehen zu
lassen. Bei soliden bis guten Scherungsbedingungen ist etwas Organisation
gewährleistet, so dass von markanten Entwicklungen mit Starkregen 15-25 l/m²
innert kurzer Zeit, kleinkörnigem Hagel und Böen 7-8 Bft auszugehen ist. Selbst
ein lokales Rüsseln kann in feuchter Luft (niedriges HKN) und evtl. leichtem
Ausscheren einer Zelle nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Zwischen der Konvektion im Nordwesten und dem stratiformen Regen im Südosten tut
sich ein recht schmaler, etwa vom Kraichgau und der Südpfalz bis hoch nach
Vorpommern reichender Korridor auf, in dem entweder kompensatorisches Absinken
oder die Stabilisierung durch das Geschehen im Südosten die Wetteraktivität
dämpft und für weitgehend trockene Verhältnisse sorgt.

Bei 850-hPa-Temperaturen zwischen 6 und 10°C werden Tageshöchstwerte zwischen 18
und 24°C erreicht, bei kräftigem Dauerregen im Süden eher weniger.

In der Nacht zum Montag verlagert sich das Residuum weiter ostwärts, wodurch die
stratiformen Regenfälle im Osten aus Deutschland herausgedrückt werden.
Gleichzeitig wird mit Hilfe des Tagesgangs das konvektive Geschehen gestoppt,
lediglich an den Küsten – typisch für den Spätsommer bzw. Frühherbst – können
sich mit diabatischer Unterstützung von der warmen Meeresoberfläche her weitere
Schauer oder kurze Gewitter entwickeln.

Im Süden dauert die Gegenstromlage derweil an und es regnet munter weiter.
Insbesondere direkt am Alpenrand kommen weitere 25 bis 40, im Stau lokal um 50
l/qm innert 12 h dazu.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … gelten im Wesentlichen die Ausführungen aus der heutigen
Frühübersicht. Sowohl in den Basisfeldern als auch bei den abgeleiteten
Parametern zeigt der 12-UTC-Lauf kaum Veränderungen gegenüber den jüngsten
Vorläufen. Erwähnenswert ist lediglich die nicht ganz unerhebliche Aufstockung
der 12- und 24-stündigen RR-Mengen für die Gebiete zwischen Allgäu und
Werdenfelser Land/Karwendel. Wurden im 00-UTC-Lauf streichweise 25 bis 35 l/m²
(12h) bzw. 30 bis 50, lokal um 70 l/m² (24h) angeboten, sind es jetzt 40 bis 55
l/m² (12h) bzw. 50 bis 80, lokal um 90 l/m² (24h). Sollte sich diese noch mit
großer Vorsicht zu behandelnde Prognose in den nachfolgenden Läufen bestätigen,
müsste morgen eine Aufstockung der laufenden Dauerregenwarnung erfolgen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle schätzen die Lage sehr ähnlich ein. Hinsichtlich der Regenmengen im
Süden besteht evtl. noch Handlungsbedarf (siehe oben).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann