SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.08.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Unbeständiges, nasses und windiges Wetter. Mittwochnachmittag/-abend im Westen
und Nordwesten kräftige Gewitter, in der Mitte und im Süden regional Dauerregen.
Am Donnerstag Sturmlage.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Aktuell … macht der August da weiter, wo der Juli aufgehört hat. Es bleibt
durchweg unbeständig, bisweilen auch sehr nass und zeitweise windig bis
stürmisch. Ob man das jetzt als Facette eines „typisch mitteleuropäischen
Sommers“ oder eher als „frühherbstlich“ bezeichnet, soll jedem selbst überlassen
sein. Im intern gerne mal zur Klassifizierung der Großwetterlagen begutachteten
„IFS-Forecasttree“ dominiert bis zum Ende der ersten Augustdekade ganz klar „Wz“
(West zyklonal), vorübergehend unterbrochen von „TrW“ und „TrM“ (Trog
West-/Mitteleuropa), was auf eine zeitweise etwas stärker mäandrierende
Frontalzone hindeutet.

Essentiell für eine Westlage ist tiefes Geopotenzial über weiten Bereichen des
Nordatlantiks und Nordeuropas. Dieses finden wir (u. a.) in Form eines
Höhentiefs, das mit seinem Drehzentrum in 500 hPa quasi stationär über dem
Oslofjord liegt. Das korrespondierende, leicht nach Südsüdost verschobene
Bodentief „Wenzeslaus“ zieht von Dänemark über Südschweden zur mittleren Ostsee.
Die Kaltfront hat Deutschland bereits südostwärts überquert, postfrontal wird
niedertroposphärisch eine mäßig warme Meeresluft subpolaren Ursprungs
herangeführt (7 bis 10 °C auf 850 hPa). Ein vom Höhentief nach Süden
gerichteter, kurzwelliger Trog zieht über Deutschland ostwärts hinweg und sorgte
mit höhenkalter Luft (-15 bis -18 °C auf 500 hPa) für Labilisierung. Als
Resultat stelle sich verbreitet rege Schauer- und Gewittertätigkeit ein, mit
Schwerpunkt in der feuchtesten Luft im Norden. Bei im Trogbereich abnehmender,
schwacher Scherung und moderater Labilität handelte es sich um pulsierende
Einzelzellen, begleitet von steifen bis stürmischen Böen. Komplettiert wurde der
wechselhafte Wettercharakter durch einen auch aus dem Gradienten heraus vielfach
lebhaften Westwind mit starken bis steifen Böen, auf den Bergen Sturmböen und
Temperaturen um oder knapp unter 20 °C. Da konnte man glatt vergessen, dass wir
uns inmitten der Hundstage befinden.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Trog nach Polen und Tschechien ab. Ihm folgt
ein flacher Rücken, der sich vorderseitig des nächsten, auf die Britischen
Inseln übergreifenden Höhentiefs aufwölbt. Dieses geht mit einer markanten
Zyklogenese einher, wie man sie Anfang August auch nicht alle Tage sieht. Das
resultierende Sturmtief „Xan“ erreicht mit seinem Kern ausgangs der Nacht in
etwa die Irische See. Es gelangt zwar bereits senkrecht unter der Drehzentrum
seines mitteltroposphärischen Kompagnons und hat seinen Entwicklungshöhepunkt
erreicht. In Anbetracht eines Kerndrucks von nahe 980 hPa scheint das aber auch
gut so zu sein.

Absinken und nachfolgend aufkommende, den Rücken überlaufende WLA sorgt für
rasche Stabilisierung, Zwischenhocheinfluss und damit abklingende Schauer und
Gewitter. Lediglich im Küstenumfeld bleibt durch diabatische Prozesse über dem
warmen Wasser eine gewisse Schauerneigung bestehen. Im Südosten und Osten
verläuft die Nacht teils gering bewölkt, ansonsten kommt von Westen aber bereits
zügig WLA-Bewölkung auf, ausgangs der Nacht nähert sich zudem die Warmfront von
„Xan“, sodass entlang und westlich des Rheins Regen einsetzt. An der Ostsee
sorgt ein ostwärts schwenkender Bodentrog noch für die ein oder andere Windböe,
ansonsten lässt der auf Süd drehende Wind vorübergehend nach, nur in den Kamm-
und Gipfellagen der Mittelgebirge bleibt es mitunter windig bis stürmisch. Unter
den Wolken im Westen bleibt es bei Tiefstwerten von knapp über 15 Grad relativ
mild, ansonsten kühlt es auf 13 bis 9 Grad ab.

Mittwoch … ist es dann auch schon wieder vorbei mit dem Zwischenhocheinfluss.
Der Rücken wird unter Verlust seiner Kontur zügig nach Osten durchgereicht. Das
Höhentief über den Britischen Inseln müht sich zur westlichen Nordsee, wobei die
primäre, stark positiv geneigte Trogachse zum Ärmelkanal schwenkt und damit
deutlich westlich des Vorhersagegebietes verbleibt. Das macht aber nix, denn wir
gelangen auf dessen Vorderseite in eine diffluente, zyklonal konturierte
Südwestströmung. Zudem stößt ein markanter Jet-Streak mit 130 Knoten auf 300 hPa
von Westeuropa bis in den Westen und die Mitte Deutschland vor. Der Dynamik
folgend ist mit teils stärkerer Hebung zu rechnen. Das sich zunehmend oval
konturierende und eventuell auch mit mehreren Kernen ausgestattete Tief „Xan“
verlagert sich nach Südengland bzw. zur Doggerbank. Das nun teilokkludierte
Frontensystem erfasst Deutschland, wobei der Okklusionsteil recht zügig über die
Nordhälfte nordostwärts gesteuert wird und erst abends über dem Küstenumfeld
etwas eingebremst wird. In der Mitte und im Süden folgt der Warmfront rasch die
Kaltfront, die irgendwo über dem Süden oder der südlichen Mitte ins Schleifen
gerät. Dahingehend bestehen leider noch größere Unsicherheiten. Das ist insofern
problematisch, als dass sich in der Schleifzone länger anhaltende Regenfälle
einstellen, die bevorzugt in Weststaulagen der Mittelgebirge Dauerregenmengen
(>30 mm in gut 12 h) bringen können. ICON beharrt auf eine recht südliche
Schleifzone (Schwarzwald-Oberpfalz), während die meisten anderen Modelle eine
nördliche Variante fahren (Saar/Hunsrück-Oberfranken/Fichtelgebirge). GFS hat
zudem auch abseits der Staulagen strichweise warnwürdige Mengen im Programm. Die
Probabilistik (LEPS/EPS) favorisiert ebenfalls eher die Staulagen der westlichen
und zentralen Mittelgebirge, nur ICON-EU-EPS hat darüber hinaus den Schwarzwald
im Fokus.

Ansonsten dürften die frontalen Niederschläge kaum warnwürdig werden. Die
DWD-Wetterinterpretation von ICON-D2 suggeriert zwar sowohl an der Okklusion als
auch an der Kaltfront eingelagerte Gewitter, das scheint aber arg übertrieben.
In den Prognosesoundings zeigt sich nur eine recht flache, stark abgehobene
Labilitätsfläche (oberhalb von 700 hPa), auch MU-CAPE bleibt unauffällig, sodass
es wohl „nur“ bei schauerartigen Verstärkungen bleibt. Präfrontal labilisiert
die Luftmasse im Alpenvorland etwas hochreichender, u. a. bedingt durch eine
schwache Föhnkomponente, die Labilität ist aber stark gedeckelt, eine Auslöse
„aus den Alpen heraus“ oder an der Kaltfront ist recht unwahrscheinlich.

Ganz anders sieht das postfrontal im Westen und Nordwesten aus. Die
einfließende, stark erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs wird durch einen
von Benelux hereinschwenkenden kurzwelligen Trog und etwas höhenkältere Luft am
Nachmittag und Abend hochreichend und ohne störenden „Deckel“ labilisiert.
Folglich kommen Schauer und Gewitter auf. Die hochauflösenden Modelle rechnen
moderate ML-CAPE-Werte von rund 500 J/kg. Ganz und gar nicht moderat, sondern
wahrlich üppig fallen die überlappenden Scherungswerte von 25 bis 35 m/s
(hochreichend) und 10 bis 15 m/s (niedertroposphärisch) aus. Das meiste davon
ist Geschwindigkeitsscherung, allerdings deuten die Modelle (übrigens nicht nur
die hochauflösenden!) recht konsistent einen schwachen Bodentrog an, in dessen
Vorfeld die bodennahe Strömung leicht rückdreht. Die dadurch gewährleistete
Richtungsscherung manifestiert sich in leicht gekurvte Hodographen in den
unteren 3 km und entsprechend ansteigende Helizität von rund 200, mit
orographischer Modifikation teils auch über 300 m2/s2. Die Position im linken
Ausgang des o. e. Jet-Streaks mit starker Höhendivergenz komplettiert die lange
Palette an günstigen Konvektionszutaten. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben es
mit einer klassischen Low-CAPE-High-SHEAR-Lage zu tun, die gerne mal
organisierte, wenn auch oft eher flache Konvektion in Form von Superzellen
und/oder kleineren Bogenechos bereithält, die neben Starkregen vor allem heftige
Gewitterböen (Bft 10+) und Hagel bringen können. Bei niedrigen
Wolkenuntergrenzen wären sogar einzelne Tornados möglich. Während die generelle
Initiierung der Konvektion außer Frage steht, ist unsicher, ob es tatsächlich zu
diskreten Zellen kommt oder ob alles zügig verclustert, was das
Gefahrenpotenzial im Hinblick auf Böen/Hagel und Tornados mindert. Zumindest
ICON-D2 zeigt das Potenzial auf und rechnet konsistent die ein oder andere
kurzlebige Superzelle mit starken Aufwindhelizitäten, die von NRW nach
Südniedersachsen ziehen soll. Super-HD dagegen beharrt auf schnelle
Verclusterung. Prognostisch und warntechnisch sind diese
„Low-Probability-High-Risk“-Lagen schwer in den Griff zu bekommen. Eine
Vorabinfo wird es eher nicht geben (zu kleinräumig sind die unwetterartigen
Erscheinungen), sodass die entsprechenden Hinweise in den Warnlageberichten (v.
a. für NRW/Niedersachsen) als „Vorwarnung“ herhalten können.

Abseits der Konvektion ist der Wind auch wieder ein Thema. Mit Annäherung des
Tiefkerns zieht der Gradient wieder deutlich an. Während sich die
Windentwicklung im stabilen Warmsektor und präfrontal auf der Bergland
beschränkt (dort je nach Höhenlage Böen 9 bis 11 Bft), ist postfrontal im Westen
und in Teilen der Mitte bis ins Tiefland mit steifen, in anfälligen Lagen sogar
mit stürmischen Böen 7-8 Bft aus Südwest zu rechnen. Spätabends könnte es – u.
a. bedingt durch einen starken horizontalen Temperaturgradienten – im Südwesten
und Süden zu einer Druckwelle kommen (v. a. Hochrhein->Oberschwaben). Das ist
aber unsicher und steht und fällt mit der Frage, ob es im Warmsektor ganz im
Süden nochmal „aufgeht“ und die für den Gradienten notwendige Erwärmung
tatsächlich stattfindet.

Bei T850 von vorübergehend knapp 15 °C wären 26-27 °C dort gut möglich,
ansonsten tut sich wenig bei den Temperaturen im Vergleich zum Vortag.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die primäre Trogachse des zur Deutschen
Bucht ziehenden Höhentiefs nach Nordwestdeutschland, hängt aber aufgrund ihrer
positiven Neigung aber bis zur Biskaya zurück. Damit wird die ovale Kontur des
mit knapp unter 990 hPa immer noch respektablen und nach Nordfriesland ziehenden
Tiefs XAN gestützt.
Die teils starken Gewitter vom Abend ziehen sich in den Nordosten zurück,
verclustern und schwächen sich ab. Starkregen bleibt aber ein Thema, anfangs
auch Sturmböen und Hagel. Im Trogbereich folgen weitere schauerartige und teils
gewittrige Regenfälle, die weite Teile der Nordwesthälfte erfassen.
Die Kaltfront schwenkt weiterhin schleifend und entsprechend zögerlich über den
Süden südostwärts und verlässt uns erst zum Morgen nach Österreich und
Tschechien. Weiterhin besteht ein gewisses Potenzial für gebietsweisen Stark-
oder Dauerregen (>25 mm in 6-12 h).
In Streifen zwischen den konvektiven und frontalen Niederschlägen vom Südwesten
über die Mitte bis in den Osten bleibt es länger trocken und aufgelockert
bewölkt.
Der Gradient bleibt an der Südflanke von „Xan“ erhalten, in der Südwesthälfte
verschärft er sich im Nachtverlauf mit Annäherung eines markanten Bodentroges
über Frankreich sogar nochmal. Somit treten vom Südwesten und Westen über die
Mitte bis zu den östlichen Mittelgebirgen auch in der Nacht verbreitet steife
Böen auf, in höheren Lagen stürmische Böen, in Kamm- und Gipfellagen schwere
Sturmböen und orkanartige Böen, exponiert (Feldberg/Brocken) sogar Orkanböen.
Der Wind dämpft die Abkühlung in der subpolaren Luftmasse (T850 auf 10 bis 7 °C
absinkend), sodass die Tiefstwerte meist zwischen 17 und 11 °C liegen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Donnerstag … hat sich nichts Substanzielles gegenüber dem in er Frühübersicht
skizzierten Szenario getan. Im Fokus steht ganz klar der Wind. Mit Passage des
erwähnten, markanten Bodentroges steht eine sommerliche Sturmlage ins Haus. Mit
Ausnahme des äußersten Nordens und Südostens ist verbreitet mit steifen und
häufiger auch stürmischen Böen zu rechnen. Im oberen Bergland wird es ein
generell sehr stürmischer Tag, in Gipfellagen sind Orkanböen möglich.
In der Nordwesthälfte gesellen sich im Trogbereich konvektive Umlagerungen in
Form von Schauern und kurzen Gewittern dazu (markant wegen Sturmböen). Hinter
der abziehenden Kaltfront sind auch im Südosten noch einzelne Schauer und
Gewitter möglich. Dazwischen (also vom Südwesten über Franken bis zur Neiße)
bleibt es meist trocken und teils aufgeheitert.
In der gut durchmischten Subpolarluft ist es tagsüber mäßig warm.
In der Nacht zum Freitag endet die Sturmlage.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Groben sehen die Modellsimulationen sehr ähnlich aus. Im Detail ergeben sich
aber vor allem im Hinblick auf die Niederschläge (sowohl frontal als auch
konvektiv) prognose- und warnrelevante Unterschiede, die im Wesentlichen im Text
angesprochen wurden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser