SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E ‹ B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 29.07.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Fortdauer der zyklonalen Westlage mit Regenf‰llen und Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … dauert die zyklonale Westlage (Wz) in vollen Z¸gen an, wobei es eine
sehr rege Tagesbilanz konvektiver Aktivit‰ten zu bilanzieren gilt. Feuchte und
potenziell instabile Atlantikluft gepaart mit einer diffluenten, mit
kurzwelligen Troganteilen gespickte westliche Hˆhenstrˆmung waren und sind die
Garanten f¸r einen alles andere als langweiligen Wetterablauf mit zahlreichen
Schauern und Gewittern, die von wenigen Ausnahmen abgesehen markant oder sogar
einfach („gelb“) abgewarnt werden konnten.

In den n‰chsten Stunden, sprich in der Nacht zum Sonntag beruhigt sich das
Geschehen nur teilweise, was wie eigentlich immer beim Wetter seine Gr¸nde hat.
Schauen wir uns zun‰chst mal die Groflwetterlage an, die gepr‰gt ist von einem
hochreichenden Tief namens VENTUR, das aktuell mit einem Kerndruck von etwas
unter 995 hPa dicht bei Schottland thront. Aufgrund seiner quasisenkrechten
Achsstellung hat der gute VENTUR seinen Karrierehˆhepunkt bereits ¸berschritten
und mimt eher die Rolle eines zentralsteuernden Tiefs, die in der Regel
vergleichsweise unsportlich sind. Und so verwundert es nicht, dass VENTUR bis
zum Fr¸hst¸ck nur wenig ostw‰rts vorankommt, wobei es sehr wahrscheinlich den
Verlust der 995-hPa-Kernisibare zu beklagen gilt. Fakt ist, dass die zugehˆrige
Kaltfront – aufgrund nur schwach ausgepr‰gter Baroklinit‰t alles andere als ein
Musterexemplar, fragt mal nach beim Nachmittagsanalysator – von Nordwesten her
in den Vorhersageraum eindringt und unter Verwellung bis etwa in die mittleren
Landesteile vorankommt. R¸ckseitig gelangt ein Schwall etwas trockenerer und
stabilerer Subpolarluft grob in die Nordh‰lfte (R¸ckgang T850 auf 10 bis 7∞C),
in der konvektive Umlagerungen in den n‰chsten Stunden von West nach Ost
weitgehend zum Erliegen kommen. Einzig Richtung Nordsee, wo sich ein aus dem
Zentraltief herauslaufender Randtrog n‰hert und etwas Hˆhenkaltluft einspeist (+
diabatische Prozesse durch die relativ warme Meeresoberfl‰che), ist mit einigen
Schauern zu rechnen.

W‰hrend die Nordh‰lfte also weitgehend in den Passivmodus schaltet, bleibt das
Wetter weiter s¸dlich nachtaktiv. Zum einen findet pr‰frontal noch kein
Luftmassenaustausch statt, zum anderen schwenkt mit der west-s¸dwestlichen
Hˆhenstrˆmung ein weiterer Sekund‰rtrog durch, der vorderseitig ein PVA-Maximum
aufweist und somit einen synoptisch-skaligen Hebungsimpuls liefert. Kurzum, es
kommt zu weiteren, von West nach Ost ziehenden Schauern und Gewittern, bei denen
vor allem der Starkregen zu beachten ist (bei Mehrfachtreffern durchaus auch
mehrst¸ndig, was aber schwer zu warnen ist). Die Unwettergefahr ist gering, wie
man ¸berhaupt sagen muss, dass ICON-D2-EPS mit seinen Starkregensignalen in den
j¸ngsten L‰ufen etwas zur¸ckgerudert ist. Schlussendlich gilt – sorry liebe
Nachtdienste – das Gebot des Nowcastings.

Ansonsten bleibt nur noch zu konstatieren, dass die Bewˆlkung hier und da mal
auflockert, dass die Temperatur auf 18 bis 11∞C zur¸ckgeht und dass der S¸dwest-
bis Westwind in einigen exponierten Hochlagen flott unterwegs ist mit Bˆen 8
Bft, auf dem Schwarzw‰lder Feldberg sogar 9 Bft.

Sonntag … spaltet sich VENTUR in zwei Kerne auf, von denen der eine ¸ber dem
Seegebiet Forties, der andere ¸ber S¸dnorwegen zu liegen kommt. Auf der
S¸dflanke des Doppeltiefs wird ein leidlicher Gradient aufgebaut, zu dem auch
der sich nach S¸ddeutschland ausweitende Azorenhochkeil sein Scherflein
beitr‰gt. 10 bis 11 hPa Unterschied am Mittag zwischen Flensburg und Garmisch
reichen aus, um den westlichen Wind insbesondere im Norden und Westen sowie im
Bergland nebst Leelagen sp¸rbar in Fahrt zu bringen. Dort stehen Bˆen 7 Bft, an
der Nordsee sowie im hˆheren Bergland 8 Bft, auf dem Brocken sp‰ter vielleicht 9
Bft auf der Karte, was die eine oder andere Wind- respektive Sturmwarnung
erforderlich macht.

Dar¸ber hinaus ¸berquert der o.e. Sekund‰rtrog den Nordwesten und Norden
ost-nordostw‰rts, was dort eine Labilisierung der subpolaren Luftmasse zur Folge
hat. T500 um -20∞C, T850 um +7∞C, dazu PPWs von 20 bis 25 mm reichen, um trotz
verminderter Einstrahlung etwas CAPE zu generieren, das mit Hilfe des Tagesgangs
in diverse Schauer und einzelne Kaltluftgewitter umgewandelt wird. Zus‰tzlich
wird im Tagesverlauf sogar noch etwas dynamische Unterst¸tzung geboten, indem
sich n‰mlich ein Jetstreak bis in den Nordwesten vorarbeitet, an dessen linken
Ausgang Hˆhendivergenz erzeugt wird. Trotz solider Scherungsbedingungen (LLS
teils um 10 m/s, DLS teils ¸ber 20 m/s) d¸rften die Gewitter aber nicht zu sehr
ausarten, daf¸r fehlt einfach die Energie. Hauptbegleitparameter sind Bˆen 7-8
Bft, bei halbwegs guter Organisation vielleicht mal 9 Bft sowie Graupel bzw.
kleinkˆrniger Hagel. Starkregen von 15 l/m≤ innert kurzer Zeit ist fast immer
eine Option, allerdings spricht die Mobilit‰t der Einzel- bis Multizellen eher
dagegen.

Vom Norden in den S¸den, wo die Kaltfront so dahinsiecht und gegen den
Druckanstieg ank‰mpft. Mˆglicherweise schl‰gt sie auf ihrem Weg in Richtung
Alpen noch mal eine kleine Welle, bevor sie der Sonntagsanalysator irgendwann
aus der Show sprich von der Wetterkarte nimmt. Kaltfront hin oder her, Tatsache
ist, dass die Luftmassen im S¸den und S¸dosten im Tagesverlauf nicht nur immer
trockener, sondern auch stabiler wird. Die Frage ist nun, wie viel CAPE kann am
Anfang (also in der pr‰frontalen Luftmasse) noch aufgebaut werden, um notwenige
Voraussetzungen f¸r konvektive Umlagerungen zu schaffen. Tats‰chlich wird etwas
Einstrahlung simuliert, so dass es vielleicht f¸r einige hundert Joule pro
Kilogramm reicht. Das kˆnnte gen¸gen, um bei allerdings ung¸nstigeren
Scherungsbedingungen als im Norden ein paar Einzel- oder Multizellen ins Leben
zu rufen, die von Bˆen 7-8 Bft, kleinkˆrnigem Hagel und Starkregen begleitet
sein kˆnnen. Die Unwettergefahr ist gering und im Laufe des Nachmittags setzt
von Westen her eine Stabilisierung und somit ein Abebben der Schauer- und
Gewitteraktivit‰t ein.

Es soll nat¸rlich nicht unerw‰hnt bleiben, dass sich zwischen den Aktivzonen im
Norden/Nordwesten und S¸den/S¸dosten ein mehr oder weniger breiter, vom
S¸dwesten bis in den Osten reichender Korridor auftut, in dem trotz zyklonal
konturierter Hˆhenstrˆmung kompensatorisches Absinken wirksam ist. Schauer
bilden hier die Ausnahme, vielerorts bleibt es bei einer Mischung aus Wolken und
heiteren Abschnitten sogar ganzt‰gig trocken.

Thermisch reicht es auf den Nordseeinseln z.T. nur f¸r 19∞C, sonst verbreitet
f¸r 20 bis 25∞C, in der ˆstlichen Mitte (z.B. im Spreewald) lokal 26∞C.

In der Nacht zum Montag verlassen uns die beiden VENTURs in die ewigen
Jagdgr¸nde atlantischer Tiefdruckgebiete. Wer aber glaubt, dass nun endlich mal
wieder die „Damen“ zum Zuge kommen und sich ein wirksames Hoch auf der
Wetterkarte blicken l‰sst, muss an dieser Stelle entt‰uscht werden. Der n‰chste
maskuline Kandidat steht west-nordwestlich von Irland bereits ante portas.
Dieses Tief f‰llt nicht nur aufgrund seines doch eher seltenen Namens auf –
herzlich willkommen WENZESLAUS -, es besticht zudem durch seine physische
Konstitution. So handelt es sich bei WENZESLAUS um ein stark elliptisch
geformtes Tief mit Hang zu einer rinnenartigen Konfiguration, in dem sich
mehrere Teiltiefkerne bilden kˆnnten (im Hinblick auf Montag und Dienstag).
Wichtiger als der Corpus von Mr. W ist zun‰chst aber seine Warmfront, die mit
Hang zur Wellenbildung weit nach Osten ausgreift und mit Hilfe von WLA skalige
Regenf‰lle generiert. Diese lˆsen nahtlos die Schauer und Gewitter im Norden ab,
auch wenn sie zun‰chst im Westen aufschlagen, bevor sie sich rasch nach Osten
und Norden ausweiten. Summa summarum kommen im Westen und Nordwesten (vor allem
Westfalen, Weser-Ems-Gebiet) gebetsweise ganz erkleckliche Mengen zusammen
(15-25 l/m≤ innert weniger Stunden), so dass im Falle potenzieller konvektiver
Verst‰rkungen sogar eine Starkregenwarnung in den Bereich des Mˆglichen r¸ckt.

Je weiter wir in den S¸den des Landes schauen, desto ruhiger und trockener das
Wetter. Noch h‰lt der Azorenhochkeil und aus der relativ glatten westlichen
Hˆhenstrˆmung sind keine Impulse zu erwarten.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … verbleiben wir unter einer leiht diffluenten westlichen
Hˆhenstrˆmung. Dabei greift der wellende Frontenzug von Tief WENZESLAUS auf die
Nordh‰lfte ¸ber. Noch immer steht nicht fest, f¸r welche Konfiguration sich
WENZESLAUS entscheidet: Wellentief, richtiges Tief, Rinne mit mehreren Kernen –
alles noch drin. Der 12-UTC-Lauf von ICON best‰tigt den 06-UTC-Lauf, wonach ein
sich auf nahe 995 hPa vertiefender Hauptkern ¸ber den Norden UKs hinweg in
Richtung Nordsee verlagert. Best‰tigt wird im Wesentlichen auch die
Niederschlagsprognose mit in der Nordh‰lfte verbreitet auftretenden, ¸berwiegend
ungewittrigen Regenf‰llen, deren Maximum von Ostfriesland ¸ber das Weser- und
Elbm¸ndungsgebiet sowie den Hamburger Raum hinweg bis nach Mecklenburg reicht.
Dort sind bis zu 25 l/m≤, teils sogar um 30 l/m≤ innerhalb weniger Stunden
mˆglich, was das Damoklesschwert einer Starkregenwarnung aufrecht h‰lt.

Dar¸ber hinaus gelten im Wesentlichen die Ausf¸hrungen der heutigen
Fr¸h¸bersicht.

Modellvergleich und -einsch‰tzung

Im Groflen und Ganzen simulieren die Modelle die Entwicklung ‰hnlich. Dass dabei
gerade in puncto Konvektion und Niederschlag Unsch‰rfen auftreten, ist normal.
Der Regenschwerpunkt am Montag im ‰uflersten Nordwesten wird erfreulicherweise
modell¸bergreifend angeboten, obwohl die Konfiguration des auslˆsenden Tiefs
noch immer nicht feststeht. Fragezeichen gibt es auch noch in Bezug auf
mˆgliche, in den skaligen Regen eingelagerte Gewitter (ja/nein).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann