#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Mittwoch, den 05.07.2023 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 05.07.2023 um 10.30 UTC
Vorübergehend heiß mit starker Wärmebelastung. Zudem von Westen her zunehmende
Gewitterwahrscheinlichkeit.
Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 12.07.2023
Eines ist mal gewiss und soll an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden.
Die Mittelfrist tritt heute gegenüber der Kurzfrist ganz klar in den
Hintergrund, läuft sozusagen unter dem Radar, was sie nicht minder interessant
macht. Der Blick der Experten sowie des meteorologisch interessierten
Fachpublikums richtet sich spätestens ab dem Mittag in Richtung
Nordwestdeutschland respektive Nordsee, wo heute ein echter „Linkmichel“
unterwegs ist – die Rede ist von POLY -, der einen für diese Jahreszeit
bemerkenswerten, in dieser Stärke durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnenden
Sommersturm mit winterlichem Format entfacht. Mehr Details sowie die gesamte
Synoptik zu diesem kleinen Sturmtief findet ihr in der „Synoptischen Übersicht
Kurzfrist“ des geschätzten Kollegen Winninghoff von heute Morgen.
Wir hier steigen ein am kommenden Samstag, der den Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums markiert. Die Nachrichten, die da vermittelt werden, dürften
gemischte Gefühle in der Anhängerschaft dieses Bulletins auslösen. Kurz gesagt,
es wird heiß, verdammt heiß. Ausgelöst wird das Ganze durch das Zusammenspiel
eines umfangreichen und hochreichenden Tiefs über dem nahen Atlantik
(Drehzentrum west-nordwestlich der Grünen Insel) mit einem meridional
verlaufenden Hoch über Mitteleuropa, das bis hoch zum Nordmeer reicht und von
einem überlagerten Rücken gestützt wird. Zwischen dem Tief und dem Hoch, das
seine Längsachse allmählich zum östlichen Mitteleuropa verlagert, wird mit
südlicher Strömung Heißluft nordafrikanischen Ursprungs nordwärts verfrachtet,
in der T850 bis Tagesende verbreitet auf 15 bis 18°C steigt. Einzig im Nordosten
hält sich anfangs noch etwas weniger heiße Luft, die dann am Sonntag aber mehr
und mehr getilgt wird. Am Abend reicht dann die Spanne von rund 13°C in
Vorpommern bis zu 22°C am Alpenrand bzw. an der Grenze zur Schweiz. Und da das
gesamte Setup noch stark antizyklonal geprägt ist, scheint überwiegend die
Sonne, die die Luftmasse energetisch bestens versorgt. Am Sonntag dürfte die
35°C-Marke gekappt und teilweise sogar überschritten werden, die Wärmebelastung.
Konvektive Elemente halten sich erst mal in Grenzen: am Samstag einzelne
Hitzegewitter über den west- und südwestdeutschen Mittelgebirgen, am Sonntag
dann schon etwas mehr Konvektion (und wahrscheinlich auch intensiver) grob in
der Westhälfte. Ob die Gewitter aus dem eigenen Saft entstehen oder von unseren
westlichen Nachbarn zumindest teilweise importiert werden (z.B. aus den Resten
eines MCS), ist derzeit noch offen.
Zu Beginn der neuen Woche rückt das Drehzentrum des Tiefs dichter an Irland
heran, wie man ohnehin konstatieren muss, dass das gesamte Strömungsmuster
leicht ostwärts tendiert. Bei uns verlagert sich dabei die Hauptachse des
Höhenrückens nach Osten, was Deutschland unter eine leicht diffluente
südwestliche Höhenströmung bringt. Diese ist trotz ihrer anfänglich noch leicht
antizyklonalen Krümmung anfällig für kurze Wellen bzw. Sekundärtröge, die für
etwas mehr Musik in der Atmosphäre sorgen könnten. Darüber hinaus deutet sich in
flauem Druckfeld von Nordwesten her die Teil-Passage einer sehr wahrscheinlich
schleifenden Kaltfront an (T850 am Abend zwischen rund 10°C an der Nordsee bis
zu 20°C im äußersten Süden), die zusätzlich einen Hebungsbeitrag leistet. Die
vorhandene Luftmasse jedenfalls ist ausreichend feucht und instabil, um saftige
konvektive Umlagerungen bis in den Unwetterbereich zu gewährleisten. Die Frage
ist halt, wie das Ganze im zeit-räumlichen Verlauf ablaufen soll.
Bis Mittwoch verbleibt der Vorhersageraum unter einer südwestlichen
Höhenströmung, die zunehmend zyklonal konturiert ist und damit alle
Voraussetzungen für die Bereitstellung synoptisch-skaliger Hebungsimpulse
erfüllt. Die Luftmasse passt auch, weil sie trotz tendenziell zurückgehender
Temperatur (im Süden und Südosten hält sich die sehr warme bis heiße Luft
allerdings äußerst zäh, wie T850 von 15 bis 19°C am Mittwochabend eindrucksvoll
belegen) nach wie vor potenziell instabil und feucht genug ist, um den richtigen
Treibstoff für kräftige Überentwicklungen zu liefern. Dass es dabei aus heutiger
Sicht noch an den Details mangelt, versteht sich von selbst.
Kurz noch ein Blick in die erweiterte Mittelfrist, die das hochreichende Tief
zur nördlichen Nordsee ziehen lässt und von Westen her die Annäherung des
zugehörigen Troges zeigt. Die Folge wäre wechselhaftes Wetter bei gleichzeitig
zurückgehenden Temperaturen und einem endgültigen Ausräumen der Hitze in
Süddeutschland.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann summa summarum als solide bis gut bezeichnet
werden. So wird das Grundmuster von Lauf zu Lauf immer wieder aufgenommen,
schwer verdauliche, in die Irre führende Sprünge werden vermieden. Das
Hitzeintermezzo am Wochenende in weiten Landesteilen ist unstrittig (am Sonntag
heißer als am Samstag), zumindest in der Südosthälfte zieht sich das Ganze sogar
noch bis in den Wochenanfang. Eine Konsistenzbewertung „sehr gut“ scheitert
insbesondere an der noch immer offenen Frage, wann wo genau und vor allem in
welcher Form die Hitzeperiode in der nächsten Woche wieder beendet wird und wie
es danach weitergeht. Diesbezüglich offenbaren nicht nur IFS, sondern auch
andere Globalmodelle noch immer Unsicherheiten (u.a. Timing genaue Vita einer
potenziellen Kaltfront, regionale Verteilung und Intensität wahrscheinlicher
Gewitter).
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Im Großen und Ganzen versprühen die anderen etablierten Globalmodelle keine
großartig anderen Ideen als IFS, zumindest was die Basisfelder und das
Grundmuster angeht. Dass dabei trotzdem die eigenen Launen ausgelebt werden,
soll an wenigen Beispielen demonstriert werden. So schert das amerikanische GFS
am Sonntag insofern etwas aus, als dass es den Höhenrücken zügig zu unseren
östlichen Nachbarn abschiebt und damit auch die Gewitter weit nach Osten
ausgreifen lässt – Alleinstellungsmerkmal. Zu Wochenbeginn ist es dann UK10, das
die Hitze im Süden zügig ausräumt, was aber ebenfalls noch nicht ausgemacht ist.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen diverser deutscher Städte passen sehr gut ins
Gesamtbild, das vom Hauptlauf sowie den anderen Globalmodellen gezeichnet wird.
Sie zeigen bis Sonntag, teils auch noch bis Montag steil nach oben verlaufende
Kurven (Temperatur und Potenzial), die sich danach bei zunehmender Streuung und
täglich wiederkehrenden Niederschlagsrauschen gleich wieder in den Abstieg
begeben. Dabei fällt auf, dass der Abstieg im Norden und Westen schneller
erfolgt als in den übrigen Gebieten (passt auch zum Hauptlauf). Außerdem liegt
der Hauptlauf bei der Temperatur im oberen Bereich der Kurvenschar, heißt, die
Ensembles sehen mehrheitlich ein schnelleres Ausräumen der heißen Luft im Süden
und Südosten.
Dass die Clusterung im ersten Zeitabschnitt T+72…96h (Samstag/Sonntag) gleich
mal mit sechs Clustern aufwartet, ist im Prinzip nichts Neues. Die Unterschiede
für unseren Raum sind aber kaum sichtbar. Demnach liegen wir ganz klar unter dem
o.e. Höhenrücken, der sich nur in seiner geometrischen Konfiguration leicht
unterscheidet.
Von Montag bis Mittwoch reduziert sich die Anzahl der Cluster auf zwei, beide
NAO negativ. Der Unterschied für den Vorhersageraum liegt darin, dass der Rücken
in CL 1 (26 Fälle) etwas schneller nach Südosten abgedrängt wird als in CL 2 (25
Fälle + HL). Heißt, die Frage, ob die Hitze im Süden und Osten schneller oder
langsamer ausgeräumt wird, wird probabilistisch unentschieden beantwortet. Nun
ja, schauen mer mal…
Ab Donnerstag (T+192…240h) erhöht sich die Zahl der Cluster auf drei. Sie alle
zeigen eine mehr oder wenige ausgeprägte zyklonale West-Südwestlage, die nach
hinten raus in NAO positiv mündet.
FAZIT: Die Hitze am Wochenende steht, die von Westen zunehmende
Gewitterwahrscheinlichkeit ebenfalls. Unsicher ist noch der genaue Verlauf, vor
allem in der neuen Woche.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Zwei Dinge stehen in dieser Rubrik auf der Agenda: GEWITTER und
WÄRME-/HITZEBELASTUNG.
GEWITTER:
Bei diesem Parameter deutet sich ein geschmeidiger Einstieg am Samstag an, bei
dem es mangels synoptischer Unterstützung zunächst wohl nur für einige
thermische Überentwicklungen über den westlichen und südwestlichen
Mittelgebirgen reicht. Das könnte sich schon am Sonntag ändern, wenn der Rücken
langsam nach Osten wandert und die Westhälfte auf die Trogvorderseite gelangt.
Die Luftmasse jedenfalls ist ausreichend instabil geschichtet und auch feucht
genug. Auch die CAPE-shear-Bedingungen verbessern sich stetig. Kurzum, die
Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt im Westen allgemein zu und damit auch due
Gefahr schwerer Gewitter (Unwetter), wie immer sie letztendlich organisiert sein
und ausfallen mögen.
In der neuen Woche deutet sich eine Ausweitung der Gewitterbereitschaft auf
weite Landesteile aus. Gut möglich, dass der der Nordwesten schon bald davon
ausgenommen ist respektive zumindest nicht mehr für schwere Geschütze in Frage
kommt. Ansonsten hapert es derzeit noch mit den Details.
WÄRME/HITZE:
Die Wärmebelastung nimmt am Wochenende von Südwesten her zu, am Sonntag ist
verbreitet damit zu rechnen. Im osten und Süden „rettet“ sich die Hitze
wahrscheinlich auch noch bis in den Wochenanfang.
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann