#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 30.06.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 30.06.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
In der Südosthälfte anfangs (Stark)Regenfälle und Gewitter mit lokaler
Unwettergefahr. Am Samstag Wetterberuhigung, am Sonntag dann im Norden windig,
an der See stürmisch.
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … zeigt sich über Nordwesteuropa ein Langwellentrog, dessen positiv
geneigte Achse von Island über die Nordsee hinweg nach Norddeutschland und
Nordwestpolen weist. Die südlichste bzw. südöstlichste Spitze ist dabei schon
abgetropft und befindet sich derzeit über dem Golf von Genua. Damit liegt
Deutschland aber insgesamt im Bereich des Langwellentroges und damit sowohl
unter tiefem Geopotential als auch unter einer zyklonalen Höhenströmung, bei der
aber keine klare Trogachse auszumachen ist. Für das Bodendruckfeld lässt sich
grob eine Trennung zwischen Nord- und Südeuropa vornehmen. Über Nordeuropa
herrscht tiefer Druck vor, wobei sich vom Nordostatlantik bis nach Russland
hinein mehrere Tiefs aneinanderreihen. Dabei handelt es sich von West nach Ost
um die Tiefs OTTO, NIKOLAUS und MARCELLINUS. Der Vollständigkeit halber sei
erwähnt, dass über dem Süden Europas tendenziell hoher Luftdruck zu finden ist.
Interessant für uns ist speziell das Frontensystem von NIKOLAUS, da seine
Kaltfront aktuell dabei ist, über der Südosthälfte Deutschlands weiter nach
Südosten zu wandern und zum Morgen die Alpen zu erreichen bzw. nach Osten
auszuwandern. Zum Zeitpunkt der Ausgabe dieses Berichtes sollte die Front etwas
auf einer Linie Erzgebirge – Bodensee anzusiedeln sein, und sie trennt recht
trockene, stabil geschichtete Luft auf der postfrontalen Nordwestflanke (T850 6
bis 8°C) von feuchter und labil geschichteter Luft auf der präfrontalen
Südostflanke (T850 9 bis 13°C). In der stabil geschichteten Luftmasse beginnt
die Nacht bei (kurzem) Zwischenhocheinfluss mit wechselnder oder geringer
Bewölkung. Dabei ist es trocken, bevor in der zweiten Nachthälfte von Nordwesten
neue Wolken und nachfolgend Regen aufziehen, wobei der Regen bis in die
Frühstunden etwa bis zu einer Linie Lübecker Bucht – Niederrhein ausgreifen
kann. Bewölkung und Regen werden dabei von Tief OTTO, genauer gesagt von dessen
Warmfront getriggert, die sich auch durch kräftige WLA auszeichnet. Ansonsten
sind die Hebungsimpulse überschaubar. Weder weist der Trog eine deutlich
diffluente Strömung auf, noch wird von den Modellen nennenswerte
Vorticityadvektion gerechnet. Trotzdem sollte es für ein bis drei. Lokal auch
für bis zu 5 l/qm an Regen über die Nacht hinweg reichen. Dass OTTO ausgangs der
Nacht das Seegebiet nördlich von Schottland erreicht und dabei deutliche
Tendenzen aufweist, auch auf die Nordsee auszugreifen, erkennt man auch am sich
verschärfenden Druckgradienten, was auch mit einer Winddrehung auf Süd bis
Südwest verbunden ist. Bei dieser Windrichtung sind vor allen die auflandigen
Küstengebiete der schleswig-holsteinischen Nordseeküste anfällig, entsprechend
ist dort in der zweiten Nachthälfte eine Warnung vor steifen Böen Bft 7 fällig,
punktuell und exponiert garniert mit dem Sahnehäubchen einzelner Böen Bft 8. Da
bleibt aber noch der Blick auf den Südosten. Dort sind bis in die Nacht hinein
Schauer und Gewitter aktiv, die erst in der zweiten Nachthälfte endgültig
zusammenfallen. Denn selbst am Abend liefern die Modelle dort noch PPWs von über
35 mm und CAPE-Werte von lokal über 500 J/kg. Entsprechend sollte man sich nicht
wundern, wenn es auch in die Nacht hinein hier und da mal stärker regnet (um 20
l/m² innerhalb 1 h, lokal auch mehr). Erst die Passage der Kaltfront selbst
setzt den Schauern und Gewittern dann ein Ende. Bei den Tiefstwerten liegen wir
zwischen 15 und 8°C. Die 15 stehen im äußersten Südosten und äußersten
Nordwesten auf der Karte, also dort, wo die warme Luft sich am längten hält und
die aufziehende Warmfrontbewölkung die Ausstrahlung frühzeitig unterbindet. Die
8°C dagegen sind das Maß der Dinge in ungünstigen Mittelgebirgslagen bei
längerem Aufklaren.
Samstag … trogt die westliche Höhenströmung über Deutschland wieder ganz
leicht aus bzw. nimmt eine etwas zyklonalere Kontur an, wodurch sich auch wieder
deutlicher eine Trogachse ausmachen lässt und vorderseitig der Achse die
Höhenströmung deutlichere diffluente Strukturen aufweist. Der Warmsektor von
Tief OTTO wird mit Verlagerung in den Osten und zunehmender Tageslänge immer
schmaler, um bis zum Datumswechsel gänzlich zu verschwinden. Derweil vertieft
sich OTTO auf unter 990 hPa und steuert dabei den Südrand der Norwegischen See
an. Dies hält den Wind über der Deutschen Bucht auf einem lebhaften Niveau,
wobei die Modelle diesbezüglich durchaus unterschiedliche Vorstellungen haben.
Während ICON-EU oder UK10 nach einer vorübergehenden Abschwächung des Windes ab
dem Nachmittag/Abend (mit Drehung auf West) ein erneutes Auffrischen mit Böen
Bft 7 progagieren, belassen es IFS oder auch ICON-D2 in der zweiten Tagehälfte
zumeist bei einem frischen, aber wohl nicht warnwürdigen Wind an der Nordsee. Im
Binnenland sind Windwarnungen mit Ausnahme der exponierten Gipfel (u.a. Brocken)
ohnehin kein Thema. Ansonsten darf morgen, zumindest anfangs, getrost von einer
Zweiteilung des Wetters in Deutschland gesprochen werden. In der Nordwesthälfte
breiten sich Bewölkung und Regen langsam südostwärts aus, zum Abend bekommen
auch Brandenburg, Westsachsen, Franken und der Hochrhein ein paar Tropfen ab.
Über den Tag kommen meist weniger als 5 l/qm zusammen. Lediglich in den
westlichen Mittelgebirgen sowie im Harz könnten ein paar Millimeter mehr sein.
Und auch im äußersten Norden könnte es etwas mehr werden, je nach dem wo genau
der Okklusionspunkt verläuft. Etwa ab Mittag hört es im Nordwesten auf zu
regnen, nachfolgende Schauer treten nur limitiert oder gar nicht auf. Nach
Südosten hin startet der Tag vielerorts mit geringer Bewölkung und Sonnenschein,
wenn man die nächtliche Restbewölkung an den Alpen sowie in Teilen Oberbayerns
vernachlässigt. Im Tagesverlauf nimmt zwar die Bewölkung von Nordwesten her
sukzessive zu, von den Alpen bis hoch zur Lausitz bleibt es aber bis zum Abend
weitgehend trocken. Die Temperatur erreicht in der nicht wirklich kühlen
subpolaren Meeresluft Höchstwerte von 20 bis 25, im Osten vielleicht sogar bis
26°C. Einzig an der Nordsee sowie teilweise auch in Schleswig-Holstein reicht es
nur für 18 oder 19°C.
In der Nacht zum Sonntag schwenkt die teilokkludierte Kaltfront nebst Regen
südostwärts. Allzu viel fällt nicht, die 12-stündigen Mengen bleiben meist unter
der 5 l/qm-Schwelle (etwas mehr gibt’s vielleicht im Weststau des Allgäus,
weniger, genau genommen sogar nix, in weiten Teilen des Nordens, zumindest wenn
man den deutschen Modellvertretern ICON-EU und ICON-D2 glaubt). Derweil erreicht
OTTO die norwegische Westküste, wobei es sich bei genauem Hinsehen gar nicht um
das Original, sondern um Nachwuchs in Form eines Teiltiefs handelt. Auf alle
Fälle nimmt das Tief eine dipolartige Konfiguration an und erzeugt auf seiner
Südflanke einen zunehmenden Gradienten, der den Südwest- bis Westwind entlang
der gesamten Küste anziehen lässt mit Böen 7 Bft, an der Nordsee vor allem auf
der schleswig-holsteinischen Seite teils 8 Bft. Die Temperatur sinkt auf 16 bis
10°C.
Sonntag … wirdŽs leicht frühherbstlich in Norddeutschland, obwohl wir erst den
- Juli schreiben. Nach wie vor ist es OTTO, der für die Geschicke
verantwortlich zeichnet, wobei der östliche, über Südskandinavien befindliche
Kern auf Kosten des westlichen Drehzentrums (also des Originals) die
Regentschaft übernimmt. Ein Kerndruck von etwas unter 990 hPa reicht aus, um
gemeinsam mit einem nach Südwesteuropa gerichteten Azorenhochkeil (bis 1015 hPa)
einen satten Druckgradienten zu erzeugen, welcher uns einen vergleichsweise
windigen Sonntag beschert. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig im Norden, wo
bis weit ins Binnenland rein eine im wahrsten Sinne des Wortes steife Brise um
West weht (Böen 7 Bft). Die Küste kommt gar in den Genuss eines kleinen
Sommersturms mit Böen 8 Bft, exponiert 9 Bft. Dazu entwickeln sich in der sich
ausbreitenden subpolaren Luftmasse (T500 knapp über -20°C im äußersten Norden)
einige Schauer, insbesondere in Küstennähe. Thermisch läuft es im Norden je nach
Lage auf 18 bis 23°C hinaus. Weiter zur Mitte hin und im Süden beschränkt sich
nennenswerter Wind vornehmlich auf höhere Lagen, wo es für Böen 7 Bft, in
exponierten Kamm- und Gipfellagen 8 bis 9 Bft reicht. Im Süden gilt es zunächst
die frontale Restbewölkung aus der Nacht zu verabschieden, aus der anfangs sogar
noch ein paar Tropfen fallen können. Später lockert die Wolkendecke auf und es
stellt sich allgemein ein wechselnd wolkiger Wettercharakter mit einer geringen
Schauerneigung ein. Dabei erwärmt sich die Luft auf 22 bis 26°C.
In der Nacht ändert sich an der Großwetterlage nicht Großartiges. Zwar lässt der
Wind im norddeutschen Binnenland nach, an der See bleibt es aber windig bis
stürmisch mit einigen Schauern. Der große Rest des Landes bekommt
unterschiedliche Bewölkungsverhältnisse und weitgehend trockene Bedingungen bei
15 bis 8°C präsentiert.
Montag … liegt Deutschland weiter an der Südflanke des hochreichenden Tiefs
OTTO über Skandinavien in einer kräftigen westlichen Strömung. Darin
eingebettete kurzwellige Störungen sorgen vor allem im Norden für leichte
Schauer, die lediglich an der Küste lokal auch etwas kräftiger ausfallen können.
Im Alpenraum können vor allem am Nachmittag einzelne Gewitter entstehen. Der
Rest des Landes wird leicht antizyklonal beeinflusst und vor allem nach Osten zu
ist die Sonne am häufigsten zu sehen. Markant ist die Windentwicklung, vor allem
an den Küsten und in Gipfellagen der Gebirge gibt es stürmische Böen (Bft 8) aus
West bis Südwest. Aber auch im Flachland können starke und teilweise auch steife
Windböen auftreten. Bei Temperaturen in 850 hPa von 5°C im Norden bis etwa 13°C
im Süden ist es meist mäßig warm oder warm. Ein Sommertag gibt es allenfalls im
Osten und am Oberrhein.
Modellvergleich und -einschätzung
Die großräumige Entwicklung ist unstrittig, auch wenn es kleinere Differenzen
z.B. hinsichtlich der genauen Positionierung des doppelten OTTOs am Sonntag oder
auch des Windes am Samstag und Sonntag gibt.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas