SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.05.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Good bye „Alte Dame“, auf Wiedersehen in Liga 2. Und beim Wetter? Am Sonntag
verbreitet sommerlich warm (>= 25°C) mit einigen Gewittern. Am Montag deutlich
mehr konvektive Bambule und auch am Dienstag keine Langeweile (aber wieder
kühler).

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland nach wie vor am Südrand einer schier
unendlich langen, zonal exponierten Hochdruckzoen, die vom mittleren
Nordatlantik bei weit nach Sibirien hinein reicht. Dem gegenüber steht tiefer
Luftdruck über Südeuropa unter Federführung des Tiefs „Nino“ (internationale
Namensgebung) unweit von Sizilien. Dazwischen wird eine ost-nordöstliche
Grundströmung erzeugt, die bisher recht trockene Luft advehiert hat. Inzwischen
haben sich die Merkmale der einfließenden Luftmasse aber geändert, was mit drei
einfachen Adjektiven skizziert werden kann: wärmer, feuchter, labiler. Vor allem
im Süden ist T850 mächtig nach oben gegangen mit 10 bis 14°C, was mit Hilfe von
reichlich Einstrahlung Tagestemperaturen bis zu 25°C zur Folge hatte.

Während die Bodendruckverteilung relativ einfach gestrickt ist, sieht das beim
Geopotenzial etwas anders aus. Um es nicht zu umfangreich und kompliziert zu
machen, konzentrieren wir uns auf die für uns relevanten Strukturen. Da wäre
knapp östlich von uns ein Höhenrücken, der sich in den nächsten Stunden etwas
nach Westen ausweitet und dadurch der südlichen Höhenströmung bei uns einen
antizyklonalen Anstrich verleiht. Auf der anderen Seite knapp westlich von uns
befindet sich ein komplex aufgebauter, mit mehreren Drehzentren gespickter Trog,
in dem es in der Nacht über der westlichen Nordsee – also mitten über der
Bodenhochdruckzone – zu einem Cut-Off kommt. Das resultierende Tief, von dem
noch die Rede sein wird, geht somit als Kaltlufttropfen (KLT) durch.

Kommen wir zum Wetter. Einzelne Schauer (Gewitter sind bisher hinter den
Erwartungen zurückgeblieben), die sich am Alpenrand gebildet haben, fallen recht
rasch dem Tagesgang zum Opfer. Dafür schleppen sich die konvektiven Exemplare,
die sich über der östlichen Mitte entwickelt haben, mehr schlecht als recht in
Richtung Nordwesten. Kurz bevor der Sonntag anbricht erhalten die Reste zwischen
dem westlichen Niedersachsen und SH sowie in unmittelbarer Umgebung eine
Frischzellenkur oder es bilden sich gänzlich neue Zellen. Auslöser ist eine
Mischung aus kräftiger WLA, die in der unteren Troposphäre stärker ausfällt als
weiter oben (=> Labilisierung) und dem o.e. KLT, der mit einem schwer
erkennbaren Sekundärtrog seine Finger im Spiel hat. Viele (abgehobene) Gewitter
wirdŽs nicht geben, gleichwohl kann es lokal Starkregen zwischen 15 und 25 l/m²
sowie Böen 7-8 Bft geben.

Im großen Rest des Landes präsentiert sich die Nacht häufig gering bewölkt oder
klar mit einigen flachen Nebelfeldern und Tiefsttemperaturen meist zwischen 15
und 9°C. So mild warŽs nachts schon lange nicht mehr.

Sonntag … verschiebt sich die Divergenzachse der weiterhin präsenten
Hochdruckzone geringfügig nach Norden. Derweil füllt sich Mittelmeertief „Nino“
unweit von Sizilien etwas auf, wobei es sich in zwei Teile splittet. Das ändert
aber nichts an der Tatsache, dass der Druck bei uns weiter fällt und die
zyklonale Auswuchtung der Isobaren von Süden her weiter zunimmt. Das geht sogar
so weit, dass die findigen Kollegen von der BWK/FU Berlin ein kleines flaches
Tief namens DAVID bei uns eingeführt haben. Die große Rotation wird dadurch aber
nicht ausgelöst, vielmehr dauert die östliche Grundströmung an, mit der
landesweit warme (T850 10 bis 15°C), potenziell instabile und relativ feuchte
Luft herantransportiert wird. Während also im unteren Niveau die
Strömungskonfiguration auf stark zyklonalem Kurs wandelt, läuft es in der Höhe
diametral entgegen. Von Osten her steigt das Geopotenzial weiter an, bis am Ende
eine abgeschlossene Antizyklone (300 hPa) mit Zentrum über der Mitte zu Buche
steht. Etwas zyklonaler bleibt es eigentlich nur im Norden und Nordwesten, was
am o.e. KLT liegt. Der verstärkt sich geringfügig und verbleibt quasistationär
über der westlichen Nordsee unweit der englischen Ostküste liegen.

Kommen wir zum Sonntagswetter, das ohne Wenn und Aber aufhorchen lässt. Grund
ist vor allem die Temperatur, die zum ersten Mal in diesem Jahr großflächig auf
25°C oder mehr, im Osten und Süden stellenweise sogar bis zu 28, vielleicht 29°C
steigt. Für einige von uns wahrscheinlich eine echter Hitzeschock, sind wir doch

  • sofern nicht im Urlaub erlebt – solche Temperaturen gar nicht mehr gewohnt.
    Richtung Nordwesten und Küsten reicht es zwar „nur“ für 20 bis 24°C (bei Seewind
    eher etwas kühler), worüber man aber auch nicht meckern kann. Ursache für die
    etwas niedrigeren Temperaturen ist die limitierte Sonnenscheindauer, was a) an
    der nächtlichen Rest- und b) an der tagesgangbedingten Neu(Quell)bewölkung
    liegt. Die nächtlichen schauerartigen Regenfälle (und Gewitter) laufen in die
    klassisch vormittägliche Depression hinein (Abschwächung) oder ziehen ganz in
    Richtung Dänemark und Nordsee ab, bevor im Tagesverlauf ein Aufleben erfolgt.
    Labilität und Feuchtigkeit sind nach wie vor reichlich vorhanden, so dass trotz
    verminderter Einstrahlung ausreichend CAPE (gebietsweise 500 bis 1000 J/kg)
    generiert werden kann. Mit Hilfe des KLTs, weiterhin vorhandener WLA sowie
    konfluenter Windstrukturen (u.a. Küstenkonvergenz) wird die Auslöse einzelner
    konvektiver Umlagerungen bewerkstelligt, die maximal im markanten Gewittersektor
    landen sollten (SR, Böen 7-8 Bft, kleinkörniger Hagel). Es sei an dieser Stelle
    erwähnt, dass IFS und GFS die Konvektion am aggressivsten simulieren. Andere
    Modelle agieren deutlich zurückhaltender, was möglichweise an fehlenden oder nur
    schwach ausgeprägten Auslösemechanismen sowie an der Deckelung der Luftmasse
    durch den „kalten Fuß“ (siehe Prognosetemps) liegt.

Im großen Rest des Vorhersageraums scheint trotz durchziehender hoher, teils
auch mittelhoher Wolken häufig die Sonne. Zwar bilden sich im Tagesverlauf
einige Quellungen, die aber eine ziemlich hohe Basis aufweisen, was der
Entstehung von Gewittern wenig zuträglich ist. Darüber hinaus wirkt sich die
entstehende Höhenantizyklone alles andere als konvektionsförderlich aus.
Trotzdem dürften sich aus dem Bergland heraus (Südwesten, Osten, Alpen) ein paar
markante Einzelzellen entwickeln. Abgesehen von wenigen exponierten Hochlagen
der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge (7-8 Bft) setzt der östliche Wind
keine nennenswerten Akzente. Im Süden weicht der Gradient sogar soweit auf, dass
der Wind meist schwach unterwegs ist.

In der Nacht zum Montag verlagert sich das Zentrum der Höhenantizyklone (300
hPa) langsam gen Ostfrankreich, während der KLT offensichtlich nicht so recht
weiß, was er machen soll. Klare Verlagerungstendenzen sind zumindest bei ICON
nicht erkennbar, während IFS und GFS eine leichte Progression nach Osten
andeuten. Das erklärt, warum genau diese beiden Modelle die ganze Nacht über
schauerartige Regenfälle und Gewitter im Norden und Nordwesten am Laufen halten.
ICON und UK10 sowie SuperHD setzen diese weiter westlich respektive über der
Nordsee an, so dass deutsches Territorium nur angekratzt würde. Wenn Gewitter
auftreten, dann besteht weiterhin Starkregengefahr.

Im größten Teil des Landes verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar und
trocken. Nur im Grenzbereich zur Schweiz könnten einzelne Schauer oder Gewitter
auftreten, von denen IFS allerdings nichts wissen will. Mit 16 bis 9°C bleibt
die Nacht jedenfalls relativ mild.
Montag … passieren zwei wesentliche Dinge, die für die Wetterentwicklung zu
Wochenbeginn von entscheidender Bedeutung sind. Zum einen bewegt sich der KLT –
angeschoben von einem sich aus der Frontalzone herausbildenden Trog – gen Osten,
wobei er sich in einen gewöhnlichen KW-Trog umwandelt. Auf seiner diffluenten
Vorderseite kommt es zu PVA, die im Tagesverlauf im Nordwesten einen dynamischen
Hebungsimpuls liefert. Zum anderen wird das Bodendruckfeld in der Westhälfte
derart zyklonal eingedellt, dass sich ein schlanker, fast rinnenartiger Trog
konfiguriert, in dem sich eine deutliche Windkonvergenz (Ost-Südost vs. West bis
Nord) etabliert. Und weil die nach wie vor potenziell instabile Luftmasse noch
feuchter wird (PPW teils über 30 mm) und entsprechend mehr CAPE zur Verfügung
steht (gebietsweise werden über 1500 J/kg angeboten), entwickeln sich in der
Westhälfte schon ab dem Vormittag teils kräftige Gewitter. Im Nordwesten, wo
etwas niedertroposphärische (Richtungs)Scherung vorhanden ist, können die Zellen
einigermaßen organisiert auftreten, was sich auf ihre Lebensdauer auswirkt.
Unwettergefahr besteht vor allem durch Starkregen. Außerdem ist das HKN
insbesondere über der Nordsee, bedingt aber auch im küstennahen Binnenland
deutlich unter 1000 m herabgesetzt, was bei gleichzeitig bodennaher
Richtungsscherung die Rüsselgefahr erhöht.

Weiter im Westen und Südwesten ist es mit der Scherung nicht gut bestellt, es
gibt abgesehen von orografisch induzierten Effekten keine. Das macht die mit
Hilfe des Berglands entstehenden Gewitter aber keinesfalls ungefährlich. Die
Einzel- oder Multizellen verlagern sich kaum und können somit zu regelrechten
Wasserbomben mit kräftigem Starkregen bis in den Unwetterbereich mutieren. Auch
größere Hagelansammlungen, die räumlich eng begrenzt weiße „Winterlandschaften“
produzieren, müssen einkalkuliert werden.

Je mehr wir uns in die Osthälfte orientieren, desto geringer die
Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen. Dafür scheint häufig die Sonne.
In den Nordosten sowie in Teile Bayerns abseits der Alpen strömt wieder
trockenere Luft ein, mit der schauer- und gewittertechnisch wenig bis nichts
anzufangen ist. Somit beschränkt sich die Auslöse einiger weniger
Überentwicklungen auf das Bergland, vom Zittauer Gebirge bis hinüber zum
Thüringer Wald, den ostbayerischen Mittelgebirgen sowie den Alpen.
Temperaturmäßig ändert sich wenig gegenüber Sonntag, tendenziell wird es in
vielen Regionen aber schwüler.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich die Rinne langsam ostwärts. Im
Nordwesten hängt sie aber zurück, weil sich dort ein flaches Tief ausbildet. In
der Höhe rückt der ehemalige KLT als KW-Trog weiter nach Osten vor, verliert
aber zunehmend an Kontur. Derweil kommt es rückwärtig aber zu einer neuerlichen
Abtropfung über der westlichen Nordsee (aus dem o.e. anschiebenden Trog heraus),
die bei uns aber noch keine Auswirkungen zeigt.

Fakt ist, dass sich die schauerartigen Regenfälle und Gewitter im Laufe der
Nacht ostwärts verlagern. Teilweise gehen die Gewitter in ungewittrigen
Starkregen über, wobei die Unwettergefahr mit zunehmender Nachtlänge sinkt.
Aktionszentren und regionale Verteilung der Niederschläge und Gewitter werden
derzeit noch sehr unterschiedlich simuliert. Es spricht aber einiges dafür, dass
der Nordosten und Teile des Ostens noch verschont bleiben. Außerdem lässt das
Ganze im Westen mehr und mehr nach.

Dienstag … werden die Prognosen immer unschärfer, weshalb hier nur eine kurze
Kladde erfolgt. Unklar ist, wo genau das Cut-Off-Tief als auch das flache Tief
über der Nordsee hinziehen. Es zeichnet sich aber ab, dass sich die Zone mit
schauerartigen Regenfällen und Gewittern mehr und mehr in den Osten und Süden
zurückzieht, wo es z.T. aber ordentlich zur Sache gehen kann. Gewitter bis in
den Unwetterbereich sind ebenso möglich wie mehrstündiger Starkregen. Mit
Winddrehung auf West bis Nordwest strömt nach Westen und Nordwesten hin aber
zunehmend trockenere, stabile und kühlere Luft ein, in der die Temperatur z.T.
nicht mehr die 20°C-Marke überschreitet. Unsicher ist auch noch die
Windentwicklung hinter der sich nach Osten verlagernden Rinne.

Modellvergleich und -einschätzung

Teilweise wurden Modellunterschiede im Text bereits angerissen. Nach hinten raus
nehmen die Unterschiede allgemein zu.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann