#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 19.05.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 19.05.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Am Wochenende wärmer, am Sonntag sogar verbreitet sommerlich (>= 25°C), aber
auch feuchter mit zunehmender Gewitterneigung. Zu Beginn der nächsten Woche
weiterhin warm und vor allem im Westen Schauer und Gewitter.
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … präsentiert sich die Großwetterlage im bodennahen Niveau
vergleichsweise einfach strukturiert: nördlich von uns eine scheinbar
unendliche, zonal exponierte Hochdruckzone, die vom mittleren Nordatlantik bis
nach Nordosteuropa reicht (ein Schwerpunkt namens ULLA im Ostseeraum). Südlich
tiefer Luftdruck mit einem dominierenden Tief (internationaler Name „Nino“) über
dem Golf von Gabes (östlich von Tunesien). Dazwischen wird ein vor allem
tagsüber leicht böig auflebender Ost-Nordostwind induziert, der zunächst noch
relativ trockene Kontinentalluft heranweht. Beim Geopotenzial sieht die Sache
etwas diffiziler aus. Von links nach rechts (oder besser von West nach Ost) wäre
zunächst ein vom mittleren Nordatlantik bis zum Nordmeer reichender Rücken zu
nennen, der wenig Hang zur Veränderung aufweist. Ein weiterer Rücken befindet
sich östlich von uns, der sich etwa von der Großen Syrte im Süden über die
Ukraine und Finnland bis über das Nordkap hinaus nach Norden erstreckt. Auch
diesem Konstrukt ist wenig bis keine Mobilität zu eigen. Getrennt werden die
Beiden von einem recht schmalen, dafür aber sehr langgestreckten Trog, der von
Algerien über die Nordsee bis hoch zur Grönlandsee verläuft. Eingelagert in den
Trog sind diverse kleine Drehzentren, die für uns zunächst aber keine Bedeutung
haben.
Relevanter ist da schon ein kleiner Sekundärtrog, der in der südlichen
Höhenströmung nordwärts „schwimmt“, im Laufe der Nacht die Alpen überquert und
nachfolgend den Vorhersagebereich erreicht. Vorderseitig lässt sich ein kleines
PVA-Maximum ausmachen, das mit der permanent vorhandenen WLA (Rechtdrehung des
Windes mit der Höhe von Ost-Nordost unten auf Süd oben) harmoniert. Das reicht,
um etwas Hebung respektive weitere mehrschichtige Bewölkung zu generieren, die
zu der vor allem im Süden bereits vorhandenen starken Bewölkung noch dazukommt.
Im Laufe der Nacht zum Samstag breitet sich diese Bewölkung langsam weiter
nord-nordwestwärts aus, während sich die Quellbewölkung im Norden
tagesgangbedingt auflöst. Im Süden, später auch in der Mitte reicht es hier und
da für einige Tropfen Regen. Ansonsten präsentiert sich der Himmel gering
bewölkt oder klar bei durchweg positiven Temperaturen.
Samstag … ändert die Bodenhochdruckzone ihre Lage kaum, während Mittelmeertief
„Nino“ in Richtung Straße von Sizilien steuert. Dadurch fällt der Luftdruck auch
bei uns, im Süden etwas stärker als im Norden, was eine leichte
Gradientverschärfung bedingt. Mit Unterstützung des Tagesgangs lebt der östliche
Wind wieder auf, wobei sich Böen der Stärke 7-8 Bft aber überwiegend auf höhere
Lagen beschränken. Lediglich in tieferen Lagen Ostbayerns sowie an exponierten
Küstenabschnitten könnte es auch mal für ein paar steife Böen 7 Bft reichen, was
aber nicht zwingend eine Warnung erfordert.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass der kleine Sekundärtrog samt
mehrschichtiger Bewölkung über die mittleren Landesteile hinweg gen Nord- und
Ostsee zieht. Dabei kann es ähnlich wie in der Nacht zuvor lokal mal ein paar
Spritzer geben. Zu mehr Tamtam taugt die Luftmasse zunächst noch nicht, weil je
weiter im Norden/Nordwesten, desto trockener und stabiler. Labiler wird die Luft
erst hinter dem Trog, was zum Großteil dem Absinken des WLA-Maximums von der
mittleren in die untere Troposphäre geschuldet ist. Beispiel gefällig: Während
T850 in der Mitte und im Süden von 5 bis 10°C am Morgen auf 9 bis 14°C ansteigt,
beträgt die Erwärmungsrate auf 500 hPa nur etwa 1 Grad. Ansteigen tut übrigens
nicht nur die Temperatur, auch beim Wasserdampfgehalt zeigt der Zeiger nach
oben. Die spezifische Grundschichtfeuchte geht hoch auf bis zu 10 g/kg, das PPW
erreicht gebietsweise Werte von etwas über 25 mm. Kein Wunder, dass die Numerik
im Süden und Südosten mal mehr, mal weniger CAPE im Angebot hat, zumal gerade in
Bayern nicht ganz unerhebliche Einstrahlung gewährleistet ist. Vom Alpenrand bis
ins südliche Alpenvorland werden z.T. zwischen 500 und 1000 J/kg MU-CAPE
gerechnet, die eine sehr solide Grundlage für konvektive „Schweinereien“ bilden.
Das Problem an der Sache: Nach Abzug des Sekundärtrogs fehlt es an synoptischen
Antriebsfedern. Im Gegenteil, die süd-südöstliche Höhenströmung bekommt sogar
einen antizyklonalen Anstrich, was konvektionstechnisch eher kontraproduktiv
daherkommt. Zum Glück gibt es ja die Alpen und die Mittelgebirge, stets treue
Strategen, wennŽs um die Auslöse von Überentwicklungen geht. Kurzum, am
Nachmittag und Abend muss an den Alpen sowie in den östlichen Mittelgebirgen
(Erzgebirge, Thüringer Wald) mit einzelnen Gewittern gerechnet werden, die
langsam nordwestwärts ziehen. Aufgrund nur rudimentär vorhandener Scherung
dürfte es sich um wenig organisierte Einzelzellen handeln, die es aber trotzdem
in Liga 3 („markant“) der vierklassigen Warnkaskade schaffen. Neben Starkregen,
der mit minimal 15 l/m² innert einer Stunde grundsätzlich sehr niedrig angesetzt
ist, sind durchaus auch stürmische Böen 8 Bft du schlechtestenfalls Sturmböen 9
Bft denkbar, was der vergleichsweise trockenen Grundschicht (Ansatz zum inversen
V im Temp vorhanden => erhöhte Wahrscheinlichkeit für Fallböen) geschuldet ist.
Großhagel ist hingegen eher nicht zu erwarten.
Thermisch gehtŽs weiter bergauf, nicht nur auf 850 hPa, sondern auch weiter
unten. Die Hauptspanne der Tageshöchsttemperatur reicht von 17 bis 23°C mit den
höchsten Werten im Süden und Südosten. Nur an Küstenabschnitten mit auflandigem
Wind ist bei maximal 15°C Schluss, wohingegen in Ostbayern die Chance besteht,
dass noch ein bis zwei Grad mehr zu erhaschen sind (also 24 oder gar 25°C).
In der Nacht zum Sonntag dürften die Schauer und Gewitter vom Abend mangels
Antrieben alsbald Geschichte sein. Vielleicht rettet sich etwas Konvektion oder
Reste davon aus der östlichen Mitte in den Norden und Nordwesten, die ohnehin
mehr und mehr in den Fokus der Vorhersage rücken. Modellübergreifend – und das
schon seit geraumer Zeit – werden insbesondere für Niedersachsen, aber auch für
angrenzende Gebiete schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter simuliert.
Die Gründe dafür stechen einem nicht sofort ins Auge, Erklärungsversuche.
Zunächst mal verlagert sich die feuchte und labile Luft mit der
niedertroposphärisch südöstlichen Strömung von der Mitte in den Norden. Dabei
kommt es zu einer Feuchteflusskonvergenz, die den vertikalen Wasserdampfgehalt
mitunter auf rund 30 mm PPW ansteigen lässt. Zudem konzentriert sich das Maximum
der (niedertroposphärischen) WLA auf den Norden und Nordwesten, was nicht nur
einen gewissen Hebungsantrieb, sondern eine zusätzliche Labilisierung von unten
zur Folge hat. Und dann ist da noch ein kleines aber feines Höhentief über der
Nordsee, das sich selbständig gemacht hat (Cut-Off innerhalb des o.e.
langgestreckten Troges) und fortan als Kaltlufttropfen (KLT) die Atmosphäre
unsicher machen und Vorhersagemeteorologen an der Nase herumführen möchte. Zwar
bleibt „dat Dingen“ in der Nacht fernab deutscher Hoheits- und Küstengewässer,
gleichwohl ist ihr eine gewisse Ausstrahlung bis in den norddeutschen Raum nicht
abzusprechen. Kurzum, für einige Schauer oder schauerartigen Regen sowie
einzelne abgehobene Gewitter reicht das Setup, wobei lokaler Starkregen nicht
auszuschließen ist.
Ansonsten versiegt die WLA von Südosten her und abgesehen von weiterhin
vorhandenen Cirren (fast alle Modelle simulieren diese penetrant und auch recht
zahlreich) werden die Wolken immer weniger. Hier und da bilden sich ein paar
meist flache Nebelfelder. Mit 14 bis 8°C im Minimum kann die Nacht inzwischen
zumindest in Teilbereichen als einigermaßen mild bezeichnet werden, so dass bei
etwaigen nächtlichen Gartenpartys auf lange Unterhose und Doppeldaunenjacke
verzichtet werden kann – geht doch.
Sonntag … verschiebt sich die Divergenzachse der weiterhin präsenten
Hochdruckzone geringfügig nach Norden. Derweil füllt sich Mittelmeertief „Nino“
unweit von Sizilien etwas auf, wobei es sich in zwei Teile splittet. Das ändert
aber nichts an der Tatsache, dass der Druck weiter fällt und die zyklonale
Auswuchtung der Isobaren bei uns von Süden her weiter zunimmt. Die östliche
Grundströmung bleibt aber erhalten, mit der landesweit warme (T850 10 bis 15°C!,
lange nicht gesehen), potenziell instabile und relativ feuchte Luft
herantransportiert wird. Während also unten die Strömungskonfiguration auf stark
zyklonalem Kurs wandelt, läuft es in der Höhe diametral entgegen. Von Osten her
steigt das Geopotenzial kontinuierlich an, bis am Ende eine abgeschlossene
Antizyklone (300 hPa) mit Zentrum über der Mitte zu Buche steht. Zyklonaler
bleibt es eigentlich nur im Norden und Nordwesten, was am o.e. KLT liegt, der
sich noch etwas verstärkt und weiterhin die Nordsee als sein Zuhause betrachtet
(ob eher weiter westlich oder östlich, ist heute noch nicht abschließend zu
beantworten).
Kommen wir zum daraus resultierenden Wetter, das durchaus das Attribut
„schlagzeilenträchtig“ verdient. Grund ist vor allem die Temperatur, die zum
ersten Mal in diesem Jahr großflächig auf 25°C oder mehr, im Osten und Süden
stellenweise sogar bis zu 28°C steigt. Wow! Richtung Nordwesten und Küsten
reicht es „nur“ für 20 bis 24°C (bei Seewind eher etwas kühler), worüber man
aber auch nicht meckern sollte. Auch in der Kategorie „Sonnenscheindauer“
schneidet der Nordwesten im gesamtdeutschen Vergleich am schlechtesten ab, was
a) an der nächtlichen Rest- und b) an der tagesgangbedingten Neu(Quell)bewölkung
liegt. Die nächtlichen schauerartigen Regenfälle (und Gewitter) laufen in die
klassisch vormittägliche Depression hinein (Abschwächung) oder ziehen ganz in
Richtung Dänemark und Nordsee ab, bevor im Tagesverlauf ein Aufleben erfolgt.
Labilität und Feuchtigkeit sind nach wie vor reichlich vorhanden, so dass trotz
verminderter Einstrahlung ausreichend CAPE generiert werden kann. Mit Hilfe des
KLTs, aber auch konfluenter Windstrukturen (u.a. Küstenkonvergenz) wird die
Auslöse einzelner konvektiver Umlagerungen bewerkstelligt, die maximal im
markanten Gewittersektor landen sollten (SR, Böen 7-8 Bft, kleinkörniger Hagel).
Im großen Rest des Vorhersageraums scheint trotz nach wie vor durchziehender
hoher Wolken häufig die Sonne. Zwar bilden sich im Tagesverlauf einige
Quellungen, die aber eine ziemlich hohe Basis aufweisen, was der Entstehung von
Gewittern wenig zuträglich ist. Darüber hinaus wirkt sich die entstehende
Höhenantizyklone nicht gerade konvektionsförderlich aus. Trotzdem dürften sich
aus dem Bergland heraus (Süden, Osten) ein paar markante Einzelzellen
entwickeln. Abgesehen von wenigen exponierten Hochlagen der östlichen und
südöstlichen Mittelgebirge (7-8 Bft) setzt der östliche Wind keine nennenswerten
Akzente. Im Süden weicht der Gradient sogar soweit auf, dass der Wind meist
schwach unterwegs ist.
In der Nacht zum Montag verlagern sich sowohl das Zentrum der Höhenantizyklone
als auch der KLT langsam nach Westen. Auf seiner diffluenten Rückseite wird über
und an der Nordsee weiterhin Hebung initiiert, die für schauerartige Regenfälle
und Gewitter sorgt. Ob diese im wahrsten Sinne des Wortes mehr ins
(Nordsee)Wasser fallen oder doch größere Festlandsareale erfassen, wird aktuell
noch recht unterschiedlich von den Modellen beantwortet. Das gilt übrigens auch
in Bezug auf die Intensitätsfrage, bei der IFS ganz weit die Nase vorne hat
(Starkregengefahr).
Im größten Teil des Landes verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar und
trocken. Nur im Grenzbereich zur Schweiz könnte schauer- und gewittermäßig etwas
länger was gehen, was aber noch keinesfalls sicher ist.
Montag … ändert sich druck- und luftmassentechnisch herzlich wenig bei uns,
wenn man mal davon absieht, dass allmählich trockenere Luft von Polen her in den
Nordosten einströmt. Die zyklonale Ausbuchtung der Isobaren nimmt über der
Westhälfte die Form eines schmalen, fast schon rinnenförmigen Bodentrogs an, was
stark konfluente Windstrukturen auf den Plan ruft. Das ist insofern von
Bedeutung, als dass dadurch neue Schauer und (unorganisierte) Gewitter ausgelöst
werden können, bei denen Starkregen als Begleitparameter ganz oben auf der Liste
steht. Auch der kleine KLT scheint ein extrem launischer Geselle zu sein. Von
wegen nach Westen abziehen, nein. Der Bursche schlägt einen Haken und orientiert
sich wieder in Richtung Ost-Südost, wobei er aber an Substanz einbüßen soll und
am Ende wahrscheinlich in einen hundsnormalen kleinen Randtrog übergeht.
Trotzdem könnte sein Wirkungsradius noch bis in den Westen und Nordwesten
reichen, indem er dort mithilft, Schauer und Gewitter (ebenfalls mit
Starkregengefahr) zu produzieren.
Je weiter wir uns gen Osten und Südosten orientieren, desto geringer die
Wahrscheinlichkeit konvektiver Umlagerungen. Vielleicht wird hier und da noch
mal was über dem Bergland ausgelöst, meist bleibt es aber trocken. Dazu scheint
die Sonne von einem überwiegend nur locker bewölkten Himmel. Es bleibt warm bis
sehr warm mit Tageshöchstwerten zwischen 24 und 28, vereinzelt vielleicht 29°C.
Einzig am westlichen und nördlichen „Rand“ sowie im höheren Bergland wird es
nicht ganz so warm.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Vorhersage ist für die Modelle aufgrund schwacher Gradienten insbesondere im
Geopotenzialfeld nicht ganz einfach. Die Grundstrukturen passen zwar, gleichwohl
ist die Wirkung, also das, was hinten an Wetter und Niederschlag rauskommt,
leicht unterschiedlich. Das geht schon am morgigen Samstag los, wo z.B. SuperHD
die Gewitter im Süden bis ins südliche BaWü simuliert, was aber von kaum einem
anderen Modell unterstützt wird.
Auch am Sonntag und Montag, wenn der kleine KLT mit ins Geschehen eingreift,
sind noch Fragen offen hinsichtlich Regionalisierung, Timing und Intensität der
konvektiven Prozesse. Nach wie vor ist IFS (freilich noch von 00 UTC) das Modell
mit der schärfsten Klinge, sprich aggressivsten Niederschlagssimulation. Dass
bei den anstehenden Schauern und Gewittern unabhängig von den numerischen
Prognosen punktuell mal die Unwettermarke gerissen werden kann, sollte in den
Hinterköpfen abgespeichert werden.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann