SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 15.05.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Dienstag im Süden gebietsweise Gewitter, am Alpenrand Dauerregen von Dienstag
auf Mittwoch, vereinzelt Unwettermengen nicht ausgeschlossen. Lokal bis 1000m
hinab Schneefall. Sehr kühl, zur Wochenmitte Nachtfrostgefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … liegen wir unter einem Langwellentrog, der sich von der Ostküste
Grönlands über die Nordsee hinweg bis ins zentrale Mittelmeer und nach Tunesien
und damit nach Nordafrika erstreckt. Er weist dabei mehrere Drehzentren auf, die
u.a. über der Nordsee, Süditalien und Polen zu finden sind. Diese haben
innerhalb des amöbenhaften Langwellentroges jeweils unterschiedliche
Verlagerungsrichtungen. Während sich das Nordseehöhentief in Richtung Deutsche
Bucht verlagert, zieht es das polnische Höhentief zur zentralen Ostsee und das
süditalienische nach Mittalitalien. Zwischen letzteren beiden ist im
Geopotentialfeld ein flacher Rücken zu erkennen, der sich ebenfalls nach Norden
verschiebt und dabei seine Amplitude vergrößert. Letztendlich erreicht dieser
zum Morgen Österreich, Tschechien und den Osten Bayerns, wodurch auf seiner
Rückseite der Alpenraum auf die diffluente Vorderseite des italienischen
Höhentiefs gelangt. Damit setzen auf der Südseite der Ostalpen, u.a. in Kärnten
schon Regenfälle ein, oberhalb von etwa 2000m fällt Schnee. Diese Regenfälle
greifen morgen dann auch auf den Süden Bayerns über – dazu aber später mehr.
Einstweilen dominieren noch die Drehzentren über Polen und der Nordsee das
Geschehen. Das polnische zeigt immerhin ein „klassisches“ Muster mit
vorlaufendem korrespondierendem Bodentief, wobei das Höhentief ausgangs der
Nacht das Bodentief über der zentralen Ostsee einholt, was dessen
Entwicklungspotential zusätzlich limitiert. Immerhin sorgen beide bis in die
Nacht hinein an Oder und Neiße (dort etwas früher nachlassend) für Schauer und
Gewitter. Dem Nordseetrog könnte man mit viel Wohlwollen ein kleinräumiges Tief
über Südnordwegen zuordnen. Dieses ist aber eigentlich nur in einen
langgestreckten Frontenzug eingelagert, der sich vom Nordmeer entlang der
Skanden bis nach Benelux und Nordfrankreich erstreckt. Immerhin ist dieser
Frontenzug im Satellitenbild anhand von kompakter Bewölkung gut auszumachen, und
der Frontenzug mitsamt Bewölkung hat auch schon auf den Nordwesten
übergegriffen. Bis zum Morgen erreichen beide eine Linie, die sich etwa von
Schleswig-Holstein bis an die Saar und in die Pfalz bzw. nach Baden erstreckt
und in deren Bereich auch etwas Niederschlag fällt. Die globalen Modelle wie
ICON, GFS oder IFS simulieren in 12 Stunden im Stau der westlichen Mittelgebirge
und bis nach Hessen hinein in der Spitze um 10 mm Regen. Höher aufgelöste
Modelle wie ICON-D2 oder UK10 bringen es sogar auf 15 bis 20 mm. Ansonsten
bleibt die Nacht weitgehend trocken. Zwar liegt zwischen der beschriebenen
Benelux- bzw. Nordwestdeutschland-Front und dem Polen-Tief eine leidlich feuchte
(PPWs um 20 mm) und labile (Lapse-Rates verbreitet zwischen -0,6 und 0,65
K/100m) Luftmassen und es werden (wurden) auch wenige hundert J/kg CAPE
aufgebaut, aber die schon am Nachmittag recht verbreiteten, aber von der
Intensität auch recht verhaltenen Schauer und Gewitter fallen rasch zusammen und
tragen zum nächtlichen Niederschlagsinput kaum noch etwas bei. Selbst über dem
Nordwesten und damit im Bereich der Front ist es nicht weit her mit Regen, da
dort die durchaus vorhandene PVA durch KLA überkompensiert wird. Von den
frontalen Regenfällen zwischen den westlichen Mittelgebirgen im Norden und der
Pfalz und dem Schwarzwald im Süden abgesehen steht uns also – nach dem
Zusammenfallen der Schauer und Gewitter- eine weitgehend trockene Nacht bevor.
Postfrontal gelangt dabei auch ein Schwall frischer Kaltluft mit T850 <0°C den
Nordwesten. Ansonsten liegen die entsprechenden Werte meist zwischen 2 und 5°C,
was Temperaturminima von 11 bis 4°C nach sich zieht. Auf ein Detail sei noch
hingewiesen: Unterhalb des Nordsee-Höhentiefs steigt auf der Ostflanke eines
Nordostatlantikhochs der Druck. Da gleichzeitig mit einem sinkenden Druck über
der Ostsee zu rechnen ist, verschärft sich der Gradient über dem Norden, was
insbesondere an der Nordsee, aber auch an exponierten Lagen der Ostsee, für
steife Böen Bft 7 sorgen sollte. Im Binnenland dagegen kann sich bei geringem
Druckgradienten und schwachem Wind das ein oder andere Nebelfeld bilden.

Dienstag … folgt der Kaltfront der Nordsee-Trog mit Höhentief und greift auf
den Nordwesten Deutschlands über. Dabei wird der Trog aber zunehmend abgebaut,
zumindest als eigenständige Struktur innerhalb des gesamten Langwellentroges ist
er zum Abend kaum noch zu erkennen. Eher ist er dann schon eine
Geopotentialrinne eines markanten, auch im Temperaturfeld anhand der
Höhenkaltluft deutlich ausgeprägten langwelligen Troganteils über dem Nordmeer.
Die vorgelagerte Kaltfront erreicht zum Mittag etwa eine Linie Oderbruch –
Vogtland – Hochrhein und zieht am Nachmittag weiter nach Südosten, verliert aber
an Wetterwirksamkeit. Präfrontal bleibt über dem Süden und Südosten die leicht
instabile kühle, mäßig warme Luft wirksam, sodass sich erneut einzelne Schauer
und Gewitter entwickeln. Den Zellen stehen aber kaum zweistellige CAPE-Werte zur
Verfügung, auch ist die Schichtung, zumindest wenn man die Lapse-Rates
betrachtet, stabiler als noch am Vortag. Und auch die Scherung ist nur moderat.
Es bilden sich entsprechend Einzel- oder Multizellen, die vor allem Starkregem
bringen können, steife Böen und eventueller kleiner Hagel treten dagegen in den
Hintergrund. Postfrontal strömt trockene und stabil geschichtete Luft nach,
entsprechend bleibt es trocken. Dabei steigt das Geopotential leicht und es baut
sich eine schwache Hochdruckzone über der Landesmitte auf. Großräumiges Absinken
bildet einen breiten Streifen mit recht freundlichem Wetter, einigen Quellwolken
(Absinkinversion bei rund 750 hPa) und sonnigen Abschnitten aus. Dieser dürfte
vom Westen über die Mitte bis in den Nordosten zu finden sein. Einzig innerhalb
bzw. unterhalb des Höhentroges zeichnet sich neben dem Südosten ebenfalls ein
gewisses Schauer- und Gewitterrisiko ab. Aber das Gewitterrisiko ist limitiert.
Denn in etwa 700 hPa lässt sich in den Soundings ein schwacher Deckel erkennen.
Und ebenda liegt in etwa auch die -10-Grad-Isotherme, obendrein zeigen die Temps
oberhalb von -10°C eine deutliche Abtrocknung. Ob diese Gemengelage für
Ladungstrennung reicht, darf angezweifelt werden. Dazu herrscht im Norden
zwischen dem Hoch über dem Nordatlantik und dem Ostseetief ein veritabler
Gradient vor. Entsprechend weht dort mäßiger bis frischer, im Küstenumfeld in
Böen starker, an exponierten Küstenabschnitten auch stürmischer West- bis
Nordwestwind.

Interessant ist aber auch, dass sich im großen Langwellentrog über Mittelitalien
ja noch ein weiteres Drehzentrum befindet, das am Dienstag weitgehend ortsfest
ist. Das korrespondierende Bodentief zieht allerdings in die Adria, und seine
Niederschlagsfelder – Sie erinnern sich an Kärnten – schwappen nunmehr über die
Alpen nach Norden. Dabei ist es nicht nur ein „Hinüberschwappen“ der
Niederschläge, getriggert von WLA und PVA, die im Südosten Bayerns für Regen
sorgt. Die am Nachmittag von Ostbayern zu den Alpen orientierte Kaltfront wird
auch reaktiviert und entsprechend gehen letzte Schauer und Gewitter in skaligen,
länger anhaltenden Regen über. Die Modelle sind sich weitgehend einig, dass sich
am Alpenrand und bis ins Vorland eine ca. 24/30-stündige Dauerregenlage
einstellt. Ob sich diese im markanten Rahmen abspielt (bis 50 l/qm) oder auch
unwetterartige Mengen über 50 l/qm möglich sind? Die Tendenz scheint, zumindest
lokal, zum Unwetter zu gehen. Von den globalen Modellen bleibt aktuell einzig
GFS unter der Unwetterschwelle. Dagegen simulieren ICON, IFS, aber auch z.B.
ICON-DE oder UK10 zumindest punktuell Mengen bis knapp 70 l/qm. Trotzdem bleibt
die Frage, welche Warnstrategie gefahren werden soll. Sollten die Gebiete mit
unwetterartigen Regenmengen allzu kleinräumig sein, könnte eine nach oben
„ausgereizte2 Dauerregenwarnung in Ocker das Mittel der Wahl sein. Auch in den
Ensembles sind übrigens die Hinweise auf Dauerregen -Unwetter mit geringen
Wahrscheinlichkeiten (meist 10 – 30%) zu finden. Ansonsten ist über dem Süden
der Gradient ebenfalls klar ausstaffiert, wenn auch nicht so straff wie im
Norden. Entsprechend kann es auf exponierten Hochlagen mal eine Bft 7 oder 8
geben.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich nichts Grundsätzliches. Die Regenfälle im
Süden und Südosten ziehen sich wenig nach Südosten zurück. In den Alpen sinkt
mit Vorstoßen der maritimen Polarluft und leicht negativen 850-hPa-Temperaturen
die Schneefallgrenze unter 1500 m, teils bis 1000 m. Ansonsten verläuft die
Nacht trocken, etwaige Schauer im Norden klingen ab. Vor allem über der breiten
Mitte, wo der Wind am schwächsten ist und es länger aufklart, muss örtlich mit
Bodenfrost gerechnet werden, sogar Luftfrost ist lokal im Bergland nicht völlig
ausgeschlossen. Nach Norden zu verhindert der Wind (an der Küste in Böen stark
bis stürmisch) und von Nordwesten hereindriftende Wolkenfelder eine stärkere
Abkühlung. Einzelne Nebelfelder sind in der trockenen Luft nicht wahrscheinlich,
aber auch nicht ausgeschlossen.

Mittwoch … steigt über Deutschland das Geopotential, so dass sich die schon in
der Nacht erkennbare Geopotentialbrücke weiter kräftigt. Das nördliche
Trogresiduum nistet sich über Skandinavien ein und sorgt im Norden Deutschland
für leicht zyklonale Verhältnisse. Das korrespondierende Tief zieht zur
nördlichen Ostsee, wo es sich mit dem ehemals über Polen befindlichen Tief
vereint. Anfangs erstreckt sich noch ein Bodentrog über die Ostsee und
Südschweden hinweg bis nach Norddeutschland, dieser, ebenso wie der Höhentrog,
wandern aber allmählich nach Osten aus. Die o.e. Potenzialbrücke stützt
weiterhin den Bodenhochkeil, der sich schon hinter der Kaltfront bemerkbar
gemacht hat und nunmehr von Westeuropa auch nach Deutschland hineinreicht. Die
Regen- und Schneefälle an den Alpen lassen nach, im Laufe des Abends klingen sie
schließlich ab. Ansonsten kommt im Tagesverlauf wieder flache Konvektion in Form
von Quellbewölkung in Gang. Ob es im Norden oder über den Mittelgebirgen
vielleicht einmal für einen Schauer reicht ist sehr fragwürdig, da auch dort die
Inversion auf etwa 850 hPa absinkt. Am meisten Sonne gibt es wieder in einem
Streifen vom Westen bis in den Osten und Nordosten. Aus der Nacht heraus sind
von der Küste bis ins angrenzende Binnenland ausgreifend noch steife, an der See
exponiert auch stürmische Böen unterwegs, im Tagesverlauf lässt der Wind jedoch
mit Anziehen von Höhen- und Bodentrog nach. Das Temperaturniveau in 850 hPa
ändert sich nicht grundlegend, meist liegen die entsprechenden Werte im leicht
positiven Bereich. Im Nordwesten werden kaum mehr 15°C erreicht. Gleiches gilt
für den anfangs regnerischen Süden, wo es teils nur für knapp zweistellige Werte
reicht. Ansonsten liegen die Maxima immerhin zwischen 15 und 18°C.

In der Nacht zum Donnerstag kräftigt sich die Hochdruckzone über Deutschland,
wobei die 1025er-Isobare bis nach Polen ausgreift. Gebietsweise klart es auf. In
der trocken kühlen Luft geht die Temperatur auf 6 bis 0°C zurück. Über der
Nordhälfte gibt es recht häufig Bodenfrost, stellenweise sogar leichten
Luftfrost. Im Süden und ganz im Norden halten sich mehr Wolken, die die
Ausstrahlung/Abkühlung dämpfen. Der Wind spielt keine prominente Rolle, nur im
Südwesten zeichnet sich eine leichte Gradientzunahme zwischen dem Hochkeil und
dem Mittelmeertief ab. Oberhalb der Grundschicht sind im Hochschwarzwald
entsprechend steife bis stürmische Böen aus Nordost, auf dem Feldberg eventuell
Sturmböen möglich.

Donnerstag … befindet sich Deutschland am südlichen Rand der sich weiter
kräftigenden brückenartigen Hochdruckzone, die vom Ostatlantik via Nord- und
Ostsee bis weit nach Russland reicht. Während die Brücke im Bodenniveau
geschlossen ist, kann man das vom Geopotenzial nicht behaupten. Grund ist ein
ausgeprägter, weit nach Norden ausgreifender Trog über Südwesteuropa, der
Verbindungen zu einem weiteren Trog über Skandinavien pflegt und somit die zwei
Monumentalrücken über dem nahen Atlantik und dem nahen Osteuropa voneinander
trennt. Wie auch immer, zwischen der Brücke im Norden und tiefem Luftdruck im
Mittelmeerraum stellt sich eine Ost-Nordostlage
ein, die für einen niederschlagsarmen, aber nicht gänzlich störungsfreien
(kurzwellige Sekundärtröge in der Höhe) Witterungsabschnitt sorgt. Dabei steigt
die Temperatur kontinuierlich an von wenig über 0°C am Donnerstag auf 9 bis 14°C
zu Beginn der nächsten Woche – auf 850 hPa versteht sich.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Basisfelder ähnlich. Abweichungen sind wie so oft in
der Niederschlagssimulation zu erkennen. Bezüglich der Dauerregenlage am
Alpenrand werden die Mengen recht einheitlich prognostiziert, aber die regionale
Verteilung der Schwerpunkte, die bei fast allen Modellen bis in den
Unwetterbereich gehen, ist individuell unterschiedlich. Daher wird auf die
Ausgabe einer Unwetterwarnung verzichtet. Und wie auch schon mein Vorgänger
schrieb: Verspätete Eisheilige lassen grüßen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas