S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.03.2023 um 10.30 UTC

Zunächst milder und unbeständig, am Wochenende im Verlauf von Norden erneut
kälter.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 02.04.2023

Beim Blick auf die großräumige Druck- bzw. Geopotenzialverteilung lassen sich
gleich mehrere Dinge festhalten. Die Blockierung über Grönland hat auch ca. 1,5
Monate nach dem Major-SSW mit Unterbrechungen standgehalten. Die Frontalzone
(Polarfront- Jetstream) verläuft zonal gemittelt weiterhin südlicher als
gewöhnlich, gleichzeitig wird dadurch der Subtropical Jetstream gestärkt.
Letzteres ist immer noch der Stratosphärenerwärmung von Mitte Februar
zuzuordnen. Für den atlantisch-europäischen Wetterraum führt dieser Umstand
insgesamt zu einer zeitweiligen Zonalisierung (West oder Südwest zyklonal,
entsprechend Wz bzw. SWz) der Strömung (bei NAO neutral bis leicht negativ), mit
kurzen meridionalen Kaltluftvorstößen, wie jetzt zu Beginn der Woche. Diese
Kaltluftvorstöße sind schlussendlich Ausdruck einer nachhaltig gestörten
troposphärischen Zirkulation, die auch während der vor uns stehenden
(erweiterten) Mittelfrist den Ton angeben wird. Andererseits bleibt
festzuhalten, dass der maßgebliche Indikator für die Ausprägung der Frontalzone
(zonaler Wind in der unteren Stratosphäre: u100 hPa, zonal gemittelt auf 60 Grad
Nord) zwar auf niedrigem Niveau verharrt (ca. 10 m/s), aber zunächst kein
weiteres Einknicken simuliert wird. Korrespondierend dazu haben wir in der
unteren Stratosphäre weiterhin einen leicht negativen NAM/AO-Index, was
natürlich auch die Troposphäre zu spüren bekommt (über die dynamischen
Wechselwirkungen zwischen unterer Stratosphäre und oberer Troposphäre). Diese
Parameter veranschaulichen das lange Nachhallen und Gedächtnis der (unteren)
Stratosphäre, wohingegen sich der Stratosphärische Polarwirbel (SPV) in der
mittleren und oberen Stratosphäre strahlungsbedingt ja nochmals regenerieren
konnte (erste Märzdekade).

Um es gleich vorweg zu nehmen, nach einer deutlichen Milderung Mitte der Woche
stehen die Wettersignale ab dem nächsten Wochenende bzw. zu Beginn der
übernächsten Woche erneut auf Blockierung im nördlichen Ostatlantik (entspräche
z.B. der GWL Hoch Nordmeer zyklonal, HNz). Die Entstehungsgeschichte bis dahin
lässt sich gut am AO-Index ausmachen, der laut NOAA stetig zurückgehen und am
kommenden Wochenende sogar ins leicht Negative abrutschen soll. Ursache dafür
sind stark amplifizierte planetare Wellen, die ausgehend von einem mehr oder
weniger stationären Tiefdruckkomplex südwestlich von Island ab Wochenmitte zu
massiver Schichtdickenadvektion (H500-H1000) im nördlichen Ostatlantik
(Norwegische See/Grönlandsee, >70 Grad Nord) führen werden. Dies würde die
bestehende Blockierung im Bereich Grönland/ Arktisumfeld nur weiter nähren,
wodurch eine ausgeprägte Blockierung im Bereich Nordmeer/bis Grönlandsee zum
Wochenende hin wahrscheinlicher wird.

So, nun gehen wir nochmal zum Beginn der Mittelfrist am Mittwoch zurück. Hier
greift eine Okklusion mit Warmfrontcharakter von Benelux über. Letztere ist in
den angesprochenen stark amplifizierten Höhenrücken eingebettet, der von
Warmluftadvektion überlaufen wird. Das bisher wetterbestimmende Bodenhoch wird
ins östliche Mitteleuropa abgedrängt. Die Milderung macht in einer südlichen bis
südwestlichen Strömung Fortschritte, sodass die 850hPa-Temperatur Donnerstagfrüh
zwischen 3 Grad im Norden und 9 Grad im Süden liegt.

Am Donnerstag zonalisiert die Strömung vorübergehend, da der zuvor beschriebene
Höhenrücken durch einen nachfolgenden Trog, der in die Nordsee zieht (samt
Bodentiefentwicklung mit zugehörigem Frontensystem) zumindest über Mitteleuropa
den Rücken abflacht und progressiver werden lässt. Nichtsdestotrotz bleibt die
entstandene Blockierung über dem Nordmeer erhalten (klassische südlich
verlagerte Westlage). Die 850 hPa-Temperatur geht nach Kaltfrontpassage etwas
zurück (2 bis 4 Grad).

Am Freitag und Samstag verbleibt Deutschland am Rande eines neuen LW-Troges, der
von den Britischen Inseln ebenfalls in Richtung Nordsee zieht, zunächst in einer
recht milden und nassen südwestlichen Strömung, wobei am Samstag von Westen im
Verlauf bereits etwas kühlere Meeresluft einsickert (850hPa-Temperatur ca. -2
bis +2 Grad). Mittlerweile soll sich dann zudem eine klassische
High-over-low-Situation zwischen dem nördlichen Nordmeer (Höhenhoch) und der
Nordsee (Trog) eingestellt haben. Man könnte sogar von einer eingekeilten
Blocking-Situation (s.g. REX-Block) sprechen. Hierbei geht neben der
Gruppengeschwindigkeit auch die Phasengeschwindigkeit der planetaren Welle gegen
Null, womit die troposphärische Blockierung kurzzeitig komplett sein dürfte (und
die Modellunsicherheiten nebenbei deutlich erhöht).

Am Sonntag wird der Trog allerdings durch WLA insgesamt abgeschwächt, verliert
an Kontur und soll später als Randtrog in die erneut weit südlich ausgreifende
Frontalzone integriert werden. Gestützt wird nun der Nordmeerrücken auch durch
einen neuen Höhenrücken, amplifiziert westlich der Britischen Inseln mit
Bodenhochzone etwa westlich der Iberischen HI bis südwestlich von Irland
reichend. Nun kann etwa zeitgleich ein LW-Trog über
Nordosteuropa/Nordostskandinavien südwärts vorankommen. So sinkt die
850-hPa-Temperatur im Norden und Nordosten in der Nacht zum Montag bis auf -10
Grad, im Süden immerhin auch allmählich auf 0 bis -3 Grad.

In der erweiterten Mittelfrist sind sich IFS und GFS relativ einig darin, dass
der LW-Trog über Nordosteuropa zu einem kräftigen Höhentief abtropft, im Bereich
östliche Ostsee/ Baltikum. Über Mitteleuropa soll sich dagegen schwacher
Hochdruckeinfluss etablieren. Nichtsdestotrotz bleibt die eingeflossene
arktische Kaltluft wetterbestimmend, mit anfangs nördlicher Strömung. Die 850
hPa-Temperatur liegt zu Wochenbeginn zwischen -5 Grad im Südwesten und -11 Grad
im Nordosten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle IFS-Lauf erweist sich als relativ konsistent im Vergleich zu den
Vorläufen, zumindest bis zum Wochenende. Zum Sonntag soll sich nach aktuellem
Lauf eine Luftmassengrenze über Norddeutschland etablieren. Diese wird nun
stärker simuliert aufgrund des klarer ausgeprägten Blockings über dem nördlichen
Ostatlantik sowie einem korrespondierenden LW-Trog über
Skandinavien/Nordosteuropa. So erscheint ein weiter nach Süden ausgreifender
Kaltluftvorstoß zu Beginn der neuen Woche dann realistischer und markanter
ausgeprägt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die beschriebene synoptische Entwicklung wird von GFS und IFS bis zu Beginn der
übernächsten Woche recht ähnlich gesehen. ICON weicht zum kommenden Wochenende
von der Lösung ab, im Prinzip mit Beginn des verkeilten REX-Blockings. Hier soll
der Trog über der Nordsee zunächst überleben. So blockierte letzterer den
beschriebenen Kaltluftvorstoß bzw. verzögert ihn zumindest. Ebenso simuliert
ICON eine kräftigere Hochdruckbrücke, ausgehend vom nördlichen Nordmeer bis nach
Skandinavien, wodurch der besagte LW-Trog über Nordosteuropa erst weiter östlich
über Russland amplifizieren könnte.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bei den Clustern (t+120 bis +168 h) existieren insgesamt sechs gruppierte
Clusterlösungen, wobei sich Haupt- und Kontrolllauf an Nummer zwei befinden (12
Ensemble-Member unterstützen die beschriebene Lösung mit dem synoptischen
Pattern NAO negativ, siehe oben). Hier muss festgehalten werden, dass nahezu
alle Ensemble-Member von einer Blockierungslösung ausgehen, die ein Blocking im
nördlichen Nordmeer inkludiert. Nuancen beschreiben u.a. mehr ein
Skandi-Blocking bzw. kombiniert (HNFz), wo sich auch die beschriebene
ICON-Lösung deterministisch wiederfindet. Schön zu sehen ist jeweils die südlich
verschobene Frontalzone, unterschiedlich amplifiziert und phasenversetzt
entsprechend.

Auch im nächsten Zeitschritt (t+192 bis t+240 h) bleibt eine grundsätzliche
Blockierung bestehen, nun divergieren allerdings Haupt- und Kontrolllauf
deutlich. Der Kontrolllauf löst das Pattern als Blocking auf (weiterhin
Nordmeer-Fennoskandien), der Hauptlauf hingegen setzt auf Atlantic Ridge (AR).
Dazwischen finden sich Lösungen mit teilweiser Zonalisierung über Mitteleuropa.
Die vorherrschende GWL soll jedoch Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal (HFNz)
sein.

Bezüglich der Rauchfahnen wird erneut ein willkürlicher Ort im norddeutschen
Flachland für die Betrachtungen herangezogen. Die 850-hPa-Temperatur bleibt bis
zum Wochenende bei enger Bündelung auf hohem Niveau (3 bis 5 Grad), um dann zu
Wochenbeginn mit größerem Spread erneut deutlich abzusinken – Hauptlauf bis
unter -10 Grad, Kontrolllauf bis etwa -5 Grad.

Niederschlagssignale sind v.a. bis zum Wochenende deutlich vorhanden (einzelne
Member bis zu 10 l/m2/24 h), danach allmählich schwächer werdend.

Das Geopotenzial fällt zum Wochenende ab (unter 540 dam), um zu Wochenbeginn bei
großem Spread wieder auf ca. 550 dam anzusteigen.

ZUSAMMENFASSUNG: Die nächste Blockierung steht ab dem Wochenende ins Haus,
wahrscheinlich mit deutlicher Abkühlung. Der Wettercharakter bleibt wechselhaft
bis unbeständig, in der erweiterten Mittelfrist könnte allerdings
Hochdruckeinfluss die Niederschläge dämpfen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Mittwoch voraussichtlich keine markanten Wettergefahren. Am Donnerstag nur im
höheren Bergland stürmische Böen oder Sturmböen wahrscheinlich (Bft 8 bis 9). Im
Tagesverlauf v.a. im Süden einzelne Gewitter.
Am Freitag in der SW-Hälfte sowie im Bergland stürmische Böen (Bft8), bei
Gewittern Gefahr von Sturmböen (Bft9). Ganz im Süden laut IFS-EPS schwache
Signale für markanten Dauerregen (um 30 l/24 h).
Am Samstag wsl. in der Südhälfte sowie im Bergland stürmische Böen (Bft 8)
möglich.

Im Süden am Samstag und Sonntag erneut leichte Signale für markanten Dauerregen
(IFS-EPS). Im Verlauf bei sinkender Schneefallgrenze in den Alpen sowie im
Schwarzwald in Hochlagen markante Neuschneemengen denkbar.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON, GEFS, MOSMIX, NOAA-NAO

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz