#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 11.03.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.03.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Übergang von südlicher Westlage zu einer zyklonalen Westlage. Am Sonntag
Warmfront mit Schnee, später Regen, lokale Glatteisgefahr, am Montag
Warmsektorsturm.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
Aktuell … ist die nordhemispherische Zirkulation von sehr tiefen Geopotenzial
über dem Nordmeer geprägt, während sich ein Hoch retrograd nach Nordkanada
verlagert hat. Zwischen diesen beiden Druckgebilden kommt es zu einem massiven
Vorstoß arktischer Luft bis südlich von Island. Dem hält aber ein
langgestreckter Atlantiktief Tiefdruckkomplex entgegen, der auf seiner
Vorderseite subtropische Luft advehiert. Dieser Komplex wird im weiteren Verlauf
noch von Bedeutung. Rückseitig eines nach Osteuropa abgezogenen Tiefdruckgebiets
ist arktische Luft nach Deutschland eingeflossen (850-hPa-Temperatur ~ -7 °C).
Diese liegt unter dem Einfluss eines Zwischenhochs. So setzt sich weitestgehend
Absinken durch. Letzte Schneeschauer am Erzgebirge lassen nach.
Allerdings zieht im Norden ein Bodentrog herein, der als Konvergenz analysiert
wird. Verbunden ist dieser mit einer Schauerstaffel, wobei auch einzelne
Graupelgewitter eingelagert sein können. Durch den Trog nimmt der Gradient im
Nordosten wieder zu, was zu einzelnen stürmischen Böen an exponierten
Ostseeküstenabschnitten führt. Des Weiteren wurden bereits stürmische Böen in
den Schauern gemessen.
In der Nacht zum Freitag löst sich die starke Bewölkung in der Mitte auf, die an
der Absinkinversion breit gelaufen ist. Dann ist verbreitet mit Frost zu
rechnen. Im Norden kommt die Schauerstaffel noch etwas weiter ins Landesinnere
voran. In ihrem Bereich tritt Glätte durch überfrierende Nässe, Graupel oder
Schneefall auf. Von der Oberlausitz bis nach Oberfranken und in den
ostbayerischen Mittelgebirgen kann es ebenfalls zu Glätte durch überfrierende
Nässe kommen.
Ansonsten zieht von Westen her Aufgleitbewölkung auf, die zu einer Warmfront
gehört. Diese geht von einem Tief westlich von Schottland aus, das mit dem
atlantischen Tiefdruckkomplex verbunden ist.
Im Westen und Südwesten kommt daher in der zweiten Nachthälfte Schneefall auf,
der gegen Sonntagfrüh etwa eine Linie Werdenfelser Land – Ruhregebiet erreicht.
So fallen im Schwarzwald und vom Allgäu bis zum Werdenfelser Land wenige
Zentimeter Neuschnee. Die arktische Kaltluft wird dabei aber rasch ausgeräumt,
sodass der Schnee von Westen her ziemlich schnell in Regen übergeht.
Vorübergehend lokales Glatteis in Muldenlagen ist hierbei nicht ausgeschlossen.
Gelbe Glättewarnungen laufen. Eventuelles Glatteis wird im Nowcasting mit Ocker
abgewarnt.
Sonntag … verstärkt sich an der Südwestflanke des atlantischen
Tiefdruckkomplexes ein Tief vorderseitig des zugehörigen Langwellentroges.
Dadurch steilt die Strömung über Westeuropa weiter auf und die Advektion von
subtropischer Luft nimmt mit weiter stärker werdenden Gradienten an Fahrt auf.
Die Warmfront des sich zu den Shetlandinseln verlagernden Teiltiefs wird dadurch
rasch ostwärts geführt und liegt etwa gegen Sonntagmittag über der Mitte
Deutschlands. Auf ihrer Vorderseite fällt teils Regen, teils Schnee. Im Bergland
können dabei wenige Zentimeter Neuschnee fallen, ehe die Schneefallgrenze im
Tagesverlauf rasch ansteigt.
Rückseitig werden noch einzelne wenig ergiebige Schauer simuliert, ehe die
Bewölkung im Warmsektor im Südwesten teilweise auflockert. Im Warmsektor nimmt
der Gradient deutlich zu, sodass durch die Durchmischung die Temperatur dort bis
14 Grad ansteigt. Windböen oder stürmische Böen beschränken sich zunächst auf
das westliche Bergland.
In der Nacht zum Montag erreicht die Warmfront den Nordosten. Zunächst fällt
noch etwas Schnee, später Regen. Ansonsten ist es im Warmsektor meist stark
bewölkt, aber zunächst überwiegend trocken. Im Süden lockert es etwas auf. In
der zweiten Nachthälfte erreicht den Westen eine weitere Warmfront, die zu dem
Tief westlich von Irland gehört, das sich mittlerweile zum steuernden
Zentraltief des Tiefdruckkomplexes entwickelt hat. Sie kommt etwa bis zur Mitte
voran. Der Gradient legt weiter zu, sodass im Westen im Bergland stürmische Böen
exponiert schwere Sturmböen auftreten.
Montag … liegt Deutschland nach Durchzug der Warmfront in dem weit geöffneten
Warmsektor des mittlerweile nach Großbritannien gezogenen Tiefs. Mit einer
straffen südwestlichen Strömung fließt subtropische Luft mit 850-hPa-tmperaturen
von 11 °C am Alpenrand um 3 °C im Norden ein. Die Nordwesthälfte erwartet ein
klassischer Warmsektorsturm. Die 60 kt auf 850 hPa können durch die stabile
Schichtung nicht ganz nach unten gemischt werden. So treten in tieferen Lagen
„nur“ starke bis stürmische Böen auf. Im Süden ist der Gradient deutlich
schwächer, sodass der Süden zunächst verschont bleibt. Durch die vertikale
Durchmischung wird es für die Jahreszeit ziemlich warm mit Höchstwerten von 12
Grad im Nordosten und bis 22 Grad am Oberrhein.
Im Tagesverlauf zieht eine im thermischen Feld wenig ausgeprägte Kaltfront in
den Westen und Südwesten. Sie führt etwas kältere Atlantikluft heran. Trotz des
thermischen Gradienten ist die Dynamik an der Front relativ groß, da im Vorfeld
einige wenige 100 J/kg CAPE aufgebaut werden. SuperHD simuliert damit ein paar
für die Jahreszeit ungewöhnlich starke Gewitter. Bei einer 0-6-km-Scherung von
bis zu 30 m/s wird eine erhöhte Updraft-Helizität gezeigt. In Verbindung mit den
Gewittern simuliert SuperHD orkanartige Böen im Südwesten, die durch vertikalen
Impulstransport und Eigendynamik durchaus realistisch sein könnten. Die
Hodografen sind in den unteren Bereichen relativ gerade, sodass das
Tornadopotenzial eher gering sein dürfte, insofern kein starkes Ausscheren
stattfindet. ICON-6 simuliert die Gewitter etwas später weiter im Südwesten mit
Orkanböen im Schwarzwald. An der gesamten front besteht erhöhtes
Starkregenpotenzial (um 15 mm in kurzer Zeit). Ein weiterer Gewitterschwerpunkt
liegt in der kälteren Atlantikluft im Nordwesten. Dort sind die Modelle trotz
höherem CAPE mit der Simulation von Gewittern ziemlich verhalten.
In der Nacht zum Dienstag zieht die Kaltfront weiter südostwärts. Die
Gewitteraktivität lässt dabei nach. Allerdings sind dennoch stürmische Böen
möglich, insbesondere im Alpenvorland, wo der Leitplankeneffekt zum Tragen
kommt. Ansonsten entspannt sich die Windsituation vorübergehend etwas.
Die weitere Entwicklung im Westen ist noch unsicher. Allen Modellen gemein ist,
dass der Trog sich weiter verstärkt und auf Frankreich übergreift. Das steuernde
Zentraltief zieht dabei in die Nordsee. ICON-6 lässt das Tief zu einem Sturmtief
entwickeln, das die eigentliche Kaltfront rasch ostwärts steuert und die bereits
in der zweiten Nachthälfte auf den Nordwesten übergreift. IFS und GFS simulieren
das das steuernde Zentraltief rasch nach Südskandinavien zieht und weiter
südlich über der Nordsee in eine schwache Randtiefentwicklung stattfindet, die
die Kaltfront zunächst zurückhält. Allen Varianten gemeinsam ist, dass der
Gradient im Westen wieder merklich zunimmt und mit stürmischen Böen bis in tiefe
Lagen zu rechnen ist. Im GFS und IFS, sowie im SuperHD kommt es dabei im Westen
zu Schauern und eventuell kurzen Gewittern, die durch die Trognähe und damit
verbunden Abkühlung in der Höhe entstehen.
Dienstag … haben alle Simulationen gemeinsam, dass der Trog samt Kaltfront im
Tagesverlauf mehr oder weniger schnell auf Deutschland übergreift und rückseitig
hochreichend kalte Polarluft einfließt (850-hPa-Temperatur ~ -6 °C). Mit der
Kaltfront kommt es also in den Mittelgebirgen und am Alpenrand wieder zu
Schneefällen. Unsicher ist, wie sich das Tief entwickelt. ICON lässt das
Sturmtief westwärts über Skandinavien ziehen, dann aber mit orkanartigen Böen an
der Küste. Im Rest des Landes gibt es aber kaum Windböen. IFS-06z lässt das
Randtief über der Nordsee entwickeln, das im Tagesverlauf über Norddänemark
zieht und Deutschland vor allem rückseitig der Kaltfront den Norden einen
schwachen Trogsturm bringt. GFS-12z lässt das Randtief nicht entwickeln, sondern
als scharfen Trog mit Sturmböen an der Kaltfront über den Norden ziehen.
In der Nacht zum Mittwoch treten dann wahrscheinlich rückseitig der Kaltfront im
Trogbereich in höhenkalter Luft noch Schauer auf, die zu der üblichen
Frost/Glätte Problematik führen.
Modellvergleich und -einschätzung
Bis Montag scheint die Vorhersage weitestgehend als gesichert. Ab
Montagnachmittag gibt es Unterschiede in der Gewittersimulation und bezüglich
des Timings der eintreffenden ersten Kaltfront. Am Dienstag ist die grobe
Wetterentwicklung ebenfalls relativ sicher bis auf die Windvorhersage. Dazu
müssen weitere Läufe abgewartet werden.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold