SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 07.03.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Über der Mitte wiederholte Schneefälle bis in tiefe Lagen. Im Süden örtlich
Dauerregen sowie teils kräftige Gewitter, dazu stark böiger Wind. Im Schwarzwald
und den Alpen Orkanböen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC

Aktuell … ist ein optisch ansprechendes Sturmtief mit einem Kerndruck nahe 975
hPa ostwärts nach Südschweden abgezogen und wird sich bis morgen Früh den
Falltendenzen entsprechend langsam nordostwärts Richtung nördliche Ostsee
eindrehen. Damit entfernt sich auch dessen Sturmfeld peu a peu von der hiesigen
Ostseeküste, womit die Sturmböen langsam abebben. An exponierten Standorten wie
dem Leuchtturm Kiel, Fehmarn, Darßer Ort sowie Arkona waren Spitzenböen um 100
km/h keine Seltenheit. Am berühmten Kreidefelsen wurden 13 UTC satte 108 km/h
(Bft 11) registriert.

Hinter der Kaltfront, die inzwischen die Landesmitte erreicht hat, hat sich im
Bereich des Höhentroges wechselhaftes, „april-likes“ Schauerwetter eingestellt.
Ein Schwall doch recht massiver Höhenkaltluft mit verbreitet unter -30 Grad in
500 hPa über der Nordhälfte und sogar unter -40 Grad über Schleswig-Holstein
schwappt dabei in den kommenden Stunden ausgehend vom Drehzentrum über
Skandinavien ostwärts. Tagesgangbedingt wird die Konvektionsaktivität allmählich
nachlassen, durch diabatische Prozesse über dem vergleichsweise warmen
Nordseewasser (Tw 5-8 Grad, T850 knapp -10 Grad) aber von der Deutschen Bucht
her landeinwärts immer wieder neu genährt werden. Vereinzelt sind weiterhin
kurze Gewitter mit Schnee oder Graupel möglich. Zum Morgen kann sich
landeinwärts gebietsweise Nebel oder Hochnebel bilden, gerade westlich der
Weser.

Über der Landesmitte ist die Front in der strammen westlichen Strömung ins
Schleifen geraten. Durch die Lage des Jets mit mehreren kleinen Jetstreaks
ziemlich genau senkrecht über der Front wird diese über die Nacht hinweg auch
durch flache Wellenbildungen am Boden aktiv gehalten und es kommt in einem
breiten Streifen zwischen der Eifel und der Lausitz zu länger anhaltenden
Niederschlägen. Die thermischen Gegensätze sind dabei zunächst noch relativ
moderat mit einer Meereskaltluft arktischen Ursprungs auf der Nordflanke (Theta
850 um 10 Grad) und einer leicht gealterten Subpolarluft (Theta knapp 20 Grad)
im Süden. Überspitzt gesagt in 2m nördlich +4 Grad, südlich davon +7 Grad, im
Frontbereich selber um 0 Grad. Die Taupunkte liegen selbst auf der Nordseite nur
um oder knapp unter 0 Grad, weshalb für Schneefälle die durchgängige
Niederschlagsabkühlung herhalten muss. Aufgrund der ausreichend kalten 850er
Temperaturen muss dabei jedoch nicht mal Isothermie erreicht werden, sondern es
reichen feucht-adiabatische Temperaturverläufe für die feste Phase aus. Daher
gehen die Niederschläge bereits aktuell schon bei leichten Intensitäten auch
immer mehr in Schnee über – was sich eingangs der Nacht fortsetzen dürfte. Bis
zum Morgen sollte nur noch um südlichen Saum des Niederschlagsbandes die
(durchgängig) flüssige Phase zu finden sein – zumal auch der Gradient an der
Südflanke etwas aufweicht und der anfangs noch lebhafte Südwestwind immer mehr
nachlässt.

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie schnell und wie viel Schnee denn
letztlich in diesem Streifen auch wirklich liegen bleibt. Hält anfangs noch der
Bodenwärmestrom etwas dagegen, so wird dieser in den nächsten Stunden bei
andauernden Schneefällen und fehlender Einstrahlung zunehmend eliminiert. ICON
D2 unterschätzt dabei aktuell schon die Schneephase und SWIS ist bei
vergleichbaren Lagen aufgrund der Erfahrung der vergangenen Nächte bei der
Prognose der Belagstemperaturen auch tendenziell etwas zu hoch. Daher muss man
in der Summe schon davon ausgehen, dass es von den westlichen Mittelgebirgen
über Mittelhessen bis nach Südniedersachsen, Thüringen, dem südlichen
Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie ganz Sachsen bis zum Morgen weiß werden
dürfte. Dabei fallen meist 1 bis 5, im Bergland, sowie in Teilen Thüringens und
Sachsen auch um 10 cm. In Staulagen von Rhön und Thüringer Wald kann es
vereinzelt auch bis 20 cm Neuschnee geben. Zugegeben etwas aus der
Lokalperspektive betrachtet ein gesondertes Wort zum Rhein-Main-Gebiet. Dieses
liegt (wie so oft) im Grenzbereich zur milden Luft im Süden. Daher wäre ein
Klassiker, dass morgen Früh Bad Homburg und Oberursel schneebedeckt sind (der
Taunus sowieso) und die Gebiete südlich des Mains leer ausgehen.

In den Frühstunden nähert sich ein weiteres Teiltief vom Englischen Kanal an,
das sich vom steuernden Tief über dem nahen Ostatlantik abspaltet. So greift im
Vorfeld bereits in der zweiten Nachthälfte auf den Westen kräftige
Warmluftadvektion über und das zonal orientierte Niederschlagsband über der
Mitte wird zum Morgen von einem meridionalen orientierten Aufzug im Westen und
Südwesten abgelöst. Mit den sich erhöhenden Raten wird dadurch auch die
Schneefallgrenze ein Stück weiter nach Süden gedrückt, so dass es vorübergehend
auch bis Saarland und dem Oberrheingraben schneien kann.

Sonst verläuft die Nacht im Süden teils aufgelockert und ruhig. Bei längerem
Aufklaren gibt es auch im Süden leichten Frost, sonst vornehmlich im Bergland.
Im Niederschlag verharren die Temperaturen um den Gefrierpunkt, im Norden bei
Aufklaren absinken auf -5 Grad.

Mittwoch … setzt sich die komplexe Wetterlage fort. In der weiterhin strammen
westlichen Strömung zwischen einem umfangreichen, mehrkernigem Höhentief über
Skandinavien und hohem Geopotential südlich der Iberischen Halbinsel wird ein
flacher Randtrog über Deutschland hinweg ostwärts gesteuert. Am Boden ist daran
das bereits erwähnt Teiltief gekoppelt, das eingebettet in eine flache
Rinnenstruktur zum Abend das Böhmische Becken erreicht. Unterdessen steht über
Wales das nächste Teiltief (Nummer wieviel eigentlich?) parat.

An seiner Südflanke hat ersteres einen Schwall subtropischer Meeresluft im
Schlepptau (T850 um 5 Grad). Diese gleitet nun auf die im Norden lagernde
Kaltluft auf und verschärft damit in Summe die Luftmassengrenze über der Mitte
Deutschlands. Im Bereich des Wellenkopfes greifen die Niederschläge bis zum
Abend nordwärts bis etwa zum Wendland, der Altmark, Prignitz und Uckermark aus.
Aufgrund der Tageserwärmung und der Milderung aus Süden verschiebt sich die
Schneefallgrenze wieder nordwärts – in etwa bis auf Höhe der zentralen
Mittelgebirge. Sie steigt im Tagesverlauf im Süden rasch auf über 1000 Meter an.
Selbst in Eifel und Taunus fällt am Nachmittag bis in die Hochlagen Regen. In
tiefen Lagen wird der Schnee im Tagesverlauf aufgrund der Jahreszeit und
reichlich diffuser Globalstrahlung langsam antauen bei Höchstwerten knapp über
dem Gefrierpunkt. Aufgrund aller Faktoren hält sich die Schneeakkumulation
tagsüber in Grenzen. Im Bergland fallen oberhalb etwa 400 Meter nochmal 5 bis
10, im Flachland effektiv meist nur wenige Zentimeter – diese aber durchaus in
nur kurzer Zeit.

Im Küstenumfeld kann es im Randbereich zur höhenkalten Luft immer noch einzelne
Schauer geben. Dazwischen scheint aber auch längere Zeit die Sonne und
vielerorts bleibt es auch trocken.

Im Süden fällt nach anfänglichen teils nassen Flocken, die sich runtermischen
WLA bedingt zeit- und gebietsweise Regen, der am Nachmittag bei guter
Durchmischung in Schauerform übergeht. Mithin wird nämlich in den Südwesten eine
EML geführt mit leidlich labilen Lapse Rates, PPW’s bis an die 20 mm und auch
etwas ML Cape. Gerade aber aufgrund der hochreichenden Scherung (DLS teils um 30
m/s und LLS um 20 m/s), die nicht nur durch Geschwindigkeits-, sondern auch zu
einem nicht unerheblichen Anteil aus Richtungsscherung resultieren und der Nähe
zum linken Jetausgang sind auch einzelne Gewitter zu erwarten – spätestens in
der Folgenacht. Im worst case ist dabei neben Sturmböen lokal auch Starkregen um
15 l/qm binnen einer Stunde und kleinkörniger Hagel verbunden.

Entsprechend schlagen die Oberwinde von teils 50 bis 60 Knoten in 850 hPa auch
auf das Warnmanagement hinsichtlich der Böen durch. Mit Ausnahme von
Niederbayern (wo die Welle zu schwach und vom Tagesgang erst zu spät greift)
muss in Süddeutschland verbreitet mit Windböen; in Schauernähe, dem Alpenvorland
sowie in mittleren Bergland mit Sturmböen gerechnet werden. Auf höheren Gipfeln
des Schwarzwaldes und der Alpen treten Orkanböen aus Südwest bis West auf.

In der Nacht zum Donnerstag lassen die Niederschläge im Osten nach Abzug der
Welle vorübergehend nach, bevor sich von Westen das nächste Teiltief mit
erneuten Niederschlägen nähert. Von den grundsätzlichen Mustern nahezu eine
Doublette der vergangenen Nacht. Einzige Änderung ist die wegfallende WLA, die
allerdings durch einen scharfen Kurzwellentrog in 300 hPa samt IPV Maximum
kompensiert wird.

Der Zustrom milder Meeresluft subtropischen Ursprungs in den Süden hält an und
die Luftsäule wird weiter gestreckt. Daher wird es wohl die (soweit sich der
Autor erinnert) erste Nacht des Jahres, wo die Gewitter mit Ende der solaren
Einstrahlung keinesfalls passé sind. Die Deutsche Modellkette simuliert eine
ausgeprägte Gewitterlinie, die strömungsparallel über dem Schweizer Mittelland
verläuft und lokal für Starkregen sorgt. Das kann durchaus auch für Regionen
hierzulande zum Thema werden, die Randbedingungen sind nahezu identisch.

Zusammen mit den frontal geprägten Regenfällen kommen in der Summe binnen 24
Stunden vor allem in den Weststaulagen der süddeutschen Mittelgebirge Mengen
zustande, die in der Nähe der Warnschwelle bei rund 30 l/qm liegen. Die Signale
der Deterministik sind sowohl in der globalen als auch in der lokalen Auflösung
konsistent simuliert und auch die Probabilistik springt mit markanten
Wahrscheinlichkeiten von meist 30-50% (COSMO-LEPS, ICON-EPS etwas weniger) an.
Dementsprechend wird in Kürze eine entsprechende Warnung scharfgeschaltet.

Die Grenze zwischen Schnee/Regen pendelt sich in etwa wieder auf einer Linie
Sauerland-Thüringer Wald-Vogtland ein. Bei schwachen Nordostwinden auf der
Nordflanke gibt es nach kurzem Tauwetter auch in tiefen Lagen wieder eine
Neuschneeauflage von einigen Zentimetern. Auch für das Ruhrgebiet könnte es
diesmal „ernst“ werden. Aufgrund des nassen Schnees kann auch Schneebruch in
höheren Lagen von Rothaargebirge, Rhön, Thüringer Wald und Erzgebirge ein Thema
werden – wo weitere 10, in Staulagen auch bis 20 cm hinzukommen können.

In Küstennähe klingen die Schauer weitestgehend ab und es klart zeitweise auf.
Dort gehen die Temperaturen bis auf -7 Grad zurück, in der Mitte nach wie vor
Werte um den Gefrierpunkt, im Süden macht sich die mildere Luft mit Tiefstwerten
von +7 bis +4 Grad bemerkbar.

Wind- und Sturmböen halten auf der warmen Seite im Süden unvermindert an, im
höheren Bergland herrscht schwerer Sturm bis Orkan.

Donnerstag … schwenkt der o.e. Kurzwellentrog aus der Nacht im Laufe des
Vormittags ostwärts ab und im Vorfeld des sich nähernden Sturmtiefs bei Irland
kann sich über Westeuropa vorübergehend ein flacher Rücken aufwölben. Auf dessen
Vorderseite sorgt NVA für leichtes Absinken und so wird die Luftmassengrenze,
deren Lage sich kaum verändert für ein paar Stunden mal etwas inaktiver.

So lassen die Schneefälle zwischen Harz und Neiße im Laufe des Vormittags weiter
nach und gehen bis zum Mittag teilweise in leichten Regen über. Nennenswerte
Neuschneemengen sind dann nicht mehr zu erwarten. Es bleibt aber über der Mitte
größtenteils stark bewölkt.

Auch die sich weiter südwärts anschließenden schauerartigen Regenfällen lassen
vorübergehend nach. Bei abnehmender Scherung und leichtem Druckanstieg werden
auch Gewitter unwahrscheinlicher. Bei guter Durchmischung und weiterhin steifen
bis stürmischen Böen (in Gipfellagen anfangs noch Orkanböen) entfaltet die
Luftmasse so langsam ihr Potential mit Höchstwerten von 10 bis 16 Grad.

Die küstennahen Gebiete bleiben weiterhin latent im Randbereich der
Höhenkaltluft, nennenswerte Schauertätigkeit ist aber eher über Jütland und
Seeland zu verorten. So bleibt es bei einem freundlichen Mix aus Sonne und
Wolken meist trocken bei unveränderten 3 bis 7 Grad maximal.

Zum Abend setzen im Westen neue Niederschläge mit Übergreifen der Ausläufer
Irlandtiefs mit neuer WLA ein – noch weitgehend als Regen.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der flache Rücken über uns hinweg und wir
gelangen relativ rasch auf die Vorderseite eines neuen, scharf konturierten
Troges kurzer Wellenlänge, der in etwa Freitagmorgen entlang des Rheins südwärts
bis nach Tunesien reicht. Auf dessen Rückseite findet ein massiver
Warmluftvorstoß statt, weshalb dieser von Westen zugeschüttet wird. Im Nordteil
erfährt er allerdings ein positives „Momentum“, wenn er mit einem weiteren KWT
interagiert, der vom Seegebiet südlich von Island südostwärts schwenkt. Dadurch
ergibt sich über der Nordsee ein diffluenter Bereich, in dem das Tief
gewissermaßen neu aufgeht.

Dadurch greifen neue Niederschläge ostwärts aus, wobei sich bei der Rückdrehung
des Windes, was maßgebend für die Phase bzw. eventuell auch für gefrierenden
Regen sein dürfte noch größere Unsicherheiten ergeben. So macht IFS selbst über
dem Münsterland noch schwache Nordostwinde, während ICON dort südliche Winde
simuliert und auch über Niedersachsen über Ostsüdost nicht hinausgeht.

Was aber wahrscheinlich ist, dass der Warmluftvorstoß durch die nördlichere
Position des ansetzenden Tiefs auch über Deutschland weiter nordwärts ausgreift
und damit die bis dato arg betroffene Mitte größtenteils auf die milde Seite
rutscht. Spätestens Richtung Elbe stellt sich aber die Schnee-/Glätteproblematik
erneut bei Temperaturen um oder knapp unter dem Gefrierpunkt. In weiten
Landesteilen bleibt es inzwischen aber schon frostfrei. In höheren Berglagen
kommt es zu einzelnen Windböen Bft 7 aus Südwest.

Freitag … sei an dieser Stelle auf die Synoptische Übersicht Mittelfrist vom
geschätzten Kollegen Bernd Zeuschner verwiesen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Differenzen bezüglich der Niederschlagsphase wurden – falls signifikant –
größtenteils schon im Text erwähnt. Auffällig ist bei der Böenparametrisierung,
dass die Deutsche Modellkette für den Süden wohl ca. 1 Bft zu passiv agiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen