S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.03.2023 um 10.30 UTC

Umstellung der Wetterlage – kommende Woche unbeständig, teils nasskalt, mitunter
windig und im Bergland winterlich.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 09.03.2023

Eines gleich mal vorweg. Das Wetter ändert sich, der seit Tagen andauernde
Hochdruckeinfluss schwindet. Stattdessen bekommen wir Besuch von maritimer
Polarluft, die uns nächste Woche eine tiefdruckbestimmte, teils nasskalte,
mitunter windige Wetterlage mit zeitweiligen Niederschlägen beschert. Als
Winterfan ist man geneigt hinzuzufügen, schade, die Wetterlage kommt 1-2 Monate
zu spät. So weit, so gut. Deutlich schwieriger wird die Prognose, wenn es um die
Details geht. Das geht los mit der zeit-räumlichen Verteilung der Tröge und
Tiefs (inkl. der zugehörigen Randtröge/-tiefs) und endet mit der Frage nach der
Niederschlagsphase. Hier schlägt der Hase von Modelllauf zu Modelllauf einige
fiese Haken, was für einen mittelfristigen Vorhersagehorizont nicht ungewöhnlich
ist, die Prognose aber erheblich erschwert. Vor diesem Hintergrund sind dann
auch die folgenden Zeilen zu verstehen, die lediglich das auf Basis des heutigen
00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) simulierte Szenario wiedergeben.

Starten wir am kommenden Sonntag, dem Beginn der Mittelfrist, den wir in bzw.
unter einer hochreichenden nordwestlichen Strömung verbringen. Das bis dato
wetterbestimmende Hoch HAZAL hat sich mit seinem Schwerpunkt inzwischen nach
Grönland zurückgezogen, von wo aus sich aber noch immer eine brückenähnliche
Zone bis hinunter nach Frankreich erstreckt. Diese wird gestützt von einem
schmalen, ebenfalls sehr lang gezogenen Rücken, der sich über dem nahen Atlantik
befindet. Als Gegenstück fungiert ein opulenter Langwellentrog, der von Nord-
bzw. Nordosteuropa bis hinunter zum zentralen Mittelmeer reicht. Eingelagert ist
ein Bodentief über Westrussland, das sich langsam gen Osten verabschiedet.
Zwischen dem Tief und der Hochdruckzone gelangt nun auf zunächst noch recht
antizyklonaler Spur maritime Polarluft nach Deutschland, in der T850 bis zum
Abend auf Werte um -4°C am Alpenrand und bis zu -11°C in Vorpommern zurückgeht.
Mit Ausnahme Süddeutschlands fällt mitunter schauerartiger Niederschlag leichter
Intensität, teils als Schnee, teils als Regen.

Zu Beginn der neuen Woche weitet sich der Höhentrog von Nordosten her bis nach
Mitteleuropa aus, was uns nun auch in höheren Luftschichten Kaltluft beschert.
So geht T500 auf etwa -29 bis -33°C zurück, während sich auf 850 hPa gar nicht
mal so viel tut gegenüber dem Vortag. Mit anderen Worten, die Luftmasse wird
labiler, was mit Unterstützung des Tagesgangs in den einen oder anderen Schnee-,
Regen- oder Graupelschauer mündet. Die Schneefallgrenze ist nicht ganz einfach
zu taxieren. Die Luftmasse gibt es aber her, dass bei entsprechender Intensität
des Schauers die feste Phase bis ganz nach unten möglich ist.
Nicht unterschlagen werden soll an dieser Stelle ein scharf geschnittener, sich
intensivierender Randtrog, der vom Europäischen Nordmeer in Richtung Nordsee und
UK/Irland schwenkt. Auf seiner Vorderseite induziert er ein Tief, das am
Dienstag 00 UTC mit etwas unter 995 hPa die nördliche Nordsee erreicht.

Im Laufe des Dienstags zieht das Tief unter weiterer Intensivierung über die
westliche Nordsee hinweg in Richtung Niederlande, nicht ohne über der Deutschen
Bucht ein Teil- respektive Randtief zu produzieren. Auch der Randtrog verschärft
sich noch etwas, schwenkt dabei über die Nordsee und erreicht zum Tagesende den
Norden und Westen des Vorhersageraums. Vor dem Tief respektive Trog dreht die
Strömung zurück, wodurch tagsüber vorübergehend etwas mildere Meeresluft
advehiert wird. Schon in der Nacht zum Mittwoch, wenn das Teiltief zum Haupttief
mutiert und via Jütland zur Ostsee zieht, wird rückseitig ein neuerlicher
Schwall maritimer Polarluft angezapft, die aber nicht so kalt ist wie die
Luftmasse am Sonntag/Montag. Fakt ist, dass sich skalige Niederschläge von West
nach Ost bzw. später auch in den Süden ausbreiten, die anfangs (je nach genauem
Timing) bis ganz runter als Schnee fallen können. Tagsüber steigt die
Schneefallgrenze an, bevor sie in der Nacht zum Mittwoch wieder sinkt (Details
wie eingangs erwähnt unsicher). Darüber hinaus frischt der westliche Wind
spürbar und teils stürmisch auf.

Am Mittwoch ziehen Trog und Tief langsam nach Osten ab. Von Frankreich her
nähert sich ein kleines Zwischenhoch, vom dem wahrscheinlich aber nur der Süden
und Südwesten profitieren. In den übrigen Regionen regnet oder schneit bzw.
windet es noch, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Fast noch interessanter ist
allerdings das, was sich über dem nahen Atlantik tut. Dort schlägt von Westen
her ein recht schmal konfiguriertes Tiefdruckgebiet auf, der eine extrem
barokline, nach Südosten exponierte Luftmassengrenze zu eigen ist. Auf gerade
mal 100 km kommt ein Temperaturgradient von bis zu 8 Grad (850 hPa), was enorm
ist. Die Luftmassengrenze erreicht am Donnerstag als Warmfront den Süden und
Südwesten, wo T850 von rund -5°C am Mittwochabend auf +2 oder +3°C am
Donnerstagabend steigen soll. Vor der Front kommt es zu stratiformen
Niederschlägen, die von Schnee in Regen übergehen (gefrierender Regen mit
Glatteis ist lokal auch nicht ausgeschlossen). Ein verwegenes Szenario, dessen
Eintreffen selbstverständlich noch in den Sternen steht.

Diese Aussage gilt auch für die erweiterte Mittelfrist nach Donnerstag, die in
der aktuellen Modellversion nur ein kurzes Gastspiel der Warmluft vorsieht.
Außerdem soll das Geschehen tiefdruckbeeinflusst bleiben. Schaun mer mal…

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des IFS-Modells vom ECMF ist gut und mittelmäßig bis schlecht in
eins. Alles klar? Nun, das „gut“ bezieht sich u.a. auf die Tatsache, dass im
Laufe des Wochenendes eine Änderung der Großwetterlage eingeleitet wird. IFS
(gilt auch für andere Modelle) bleibt seiner Linie treu, dass wir kommende Woche
einen tiefdruckbestimmten, teils nasskalten und zeitweise windigen
Witterungsabschnitt mit Niederschlägen (teils Regen, teils Schnee) erwarten
können.
Mäßig bis schlecht ist die Konsistenz deswegen, weil Phasen, Timing und Lage der
bestimmenden Tröge und Tiefdruckgebiete von Lauf zu Lauf wechseln (siehe auch
die einleitenden Worte im Kapitel zuvor), was belastbare Detailprognosen nur
schwerlich bis gar nicht zulässt. Das gilt vor allem, je weiter wir uns auf dem
Zeitstrahl nach vorne bewegen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits angedeutet, sind auch die anderen Globalmodelle von ICON über GFS
und GEM bis zu UK10 der Meinung, dass wir mal wieder eine andere Wetterlage
brauchen. Es besteht also Konsens, dass es nächste Woche in Richtung unbeständig
geht. Dass dabei jedes Modell seine eigene Vorstellung von den genauen Abläufen
entwickelt, verwundert nicht wirklich. Und dass es mit der Konsistenz nicht
wesentlich anders bestellt ist als bei IFS, macht es an dieser Stelle wenig
Sinn, sämtliche Unterschiede aufzulisten. Nur so viel, das Tief am
Dienstag/Mittwoch haben alle auf der Spule. Intensität, Zugbahn und Timing
divergieren aber derart, dass wahrscheinlich noch viel Wasser den Main
hinunterfließen muss, bis es zu einer tauglichen Annäherung kommt.
Erwähnenswert ist auch noch, dass die o.e. scharfe Luftmassengrenze auch in den
anderen Modellen auftaucht. IFS prescht aber am forschesten damit vor.

FAZIT: Wie häufig an dieser Stelle lautet die Losung auf Basis der
deterministischen Vorhersagen „der Generalkurs passt, die Details noch nicht“.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Dass diese Aussage auch auf die Probabilistik projiziert werden kann, ist keine
große Überraschung. Werfen wir einen Blick auf die IFS-EPS-Rauchfahnen
verschiedener deutscher Städte, fällt zunächst mal der von allen Ensembles
gezeigte markante Rückgang von T850 und Pot500 im Laufe des Wochenendes auf.
Danach verharren beide Parameter auf relativ niedrigem Niveau, wobei die
Streuung bei T850 etwa größer ist als bei Pot500 (wo übrigens am
Dienstag/Mittwoch das Minimum erreicht wird). Heißt im Klartext, kalt bzw.
nasskalt ja, aber unscharf in der absoluten Temperatur sowie deren Verlauf.
Beispielsweise wird der o.e. Mildeinschub am Dienstag vom Haupt- und
Kontrolllauf am offensivsten gerechnet. Die meisten Ensemblemitglieder bleiben
etwas kälter. Zum Ende hin (2. Wochenhälfte) nimmt der Spagat zwischen kalten
und milden Lösungen deutlich zu. Dabei gelten zwei Aussagen: Die Mehrheit bleibt
eher kalt und je weiter im Norden/Nordosten, desto unwahrscheinlicher die
(vorübergehende?) Milderung. Niederschlagssignale werden ab Sonntag landesweit
tagtäglich angeboten, wobei die Intensitäten ab Montag/Dienstag zunehmen.

Von den Fahnen zu den Schubladen, den Clustern. T+72…96h (Sonntag/Montag) wartet
mit einem einzigen Cluster auf (Atlantischer Rücken), muss also nicht näher
kommentiert werden. Von Dienstag bis Donnerstag (T+120…168h) erhöht sich die
Anzahl der Cluster auf zwei (26 Fälle, 25 + HL/KL). Der augenscheinliche
Hauptunterschied liegt darin, dass CL2 einen etwas weniger amplifizierten Trog
über Mitteleuropa zeigt als in CL2. Zudem ist das o.e. Tief in CL1 schwächer
ausgeprägt und zieht weiter südlich. Ab Freitag (T+192…240h) steht – Achtung,
staunen – erneut nur noch ein einziger Cluster auf der Karte. Dabei wird eine
Westlage favorisiert, was auch der Wechsel in das Klimaregime „NAO positiv“
anzeigt.

FAZIT: Siehe oben.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Zwar ändert sich die Wetterlage im Laufe des Wochenendes, signifikante
Wettererscheinungen sucht man anfangs aber vergebens. Einzig an der Küste
könnten am Sonntag noch ein paar stürmische Böen 8 Bft aus Nordwesten vom
Samstag übrig sein, die sich im Tagesverlauf aber erledigen werden.

Nach einem sehr wahrscheinlich ruhigen Montag wird es ab Dienstag interessant,
wenn unser schon vielfach beschworenes Tief wie auch immer auf den Plan tritt.
Bei aller Unsicherheit, die noch gegeben ist, ist es nicht ganz ausgeschlossen,
dass in den westlichen Mittelgebirgen und im Harz mal mehr als 10 cm Schnee
innert 12 h runterkommen. Außerdem frischt der westliche Wind merklich auf,
wobei aus heutiger Sicht insbesondere an der Nordsee sowie im Bergland je nach
Exposition Böen 8 bis 10 Bft auftreten können. Auch im Tiefland sind
gebietsweise Böen 8 Bft möglich. Allerdings bedarf es sicherlich noch einiger
Modellläufe, bis mehr Klarheit herrscht und der Wechsel vom Konjunktiv in den
Indikativ erfolgt.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS, dazu einige Allgemeinplätze.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann