SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.02.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Auf Sturmtief ULF zwei stabile Wellen – unbeständiges und teils windiges bis
stürmisches Wochenende.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland inmitten einer sehr flüssigen (mehr im
übertragenden als im wörtlichen Sinne) westlichen Strömung, die ihren
Schwerpunkt im Norden sowie in den Hochlagen des Berglands hat. Haupttrigger ist
ein überaus veritabler Gradient, der sich zwischen einer vom Seegebiet westlich
der Biskaya bis in den Mittelmeerrum reichenden Hochdruckzone (nach Westen hin
namenlos, nach Osten hin FEUKA) und dem Tief ULF-OTTO (stimmt nicht ganz; ULF
ist der deutsche Name von der BWK/FU Berlin, ULF der internationale) aufgebaut
hat. Während das Hoch mit etwas über 1030 hPa keine erwähnenswerten
Besonderheiten aufzuweisen hat, gibt es über den Kollegen ULF einiges zu
berichten. Mit einem Kerndruck von etwas unter 980 hPa schlägt das Tief heute
Abend knapp östlich von Oslo auf. Es korrespondiert mit einem kernigen KW-Trog,
der inzwischen weitgehend über dem Kern liegt (=> quasisenkrechte Achse),
weshalb eine weitere Intensivierung auf dem weiteren Weg nach Osten nicht zu
erwarten ist. Am Samstagmorgen erreicht ULF den Westrand der Rigaer Bucht
respektive des Finnischen Meerbusens, wo er nur wenig an Substanz eingebüßt hat
(Druckminimum nach wie vor unweit von 980 hPa).

Vom Bodenniveau kurz ein Abstecher in die mittlere und obere Troposphäre, wo
eine lebhafte west-nordwestliche Höhenströmung unterwegs ist mit einem
Jetstreak, der mit etwa 120 Kt auf 300 hPa in der Spitze den äußersten Norden
sowie den gesamten Ostseeküstenbereich streift und erst in der zweiten
Nachthälfte Abschwächungstendenzen zeigt. Wenn es in diesen Höhen derart stark
bläst, besteht die Gefahr, dass auch weiter unten windmäßig ordentlich Bambule
ist. Und tatsächlich, auf 850 hPa liegen die Spitzenwerte anfangs bei 70 Kt, auf
925 hPa bei 60 Kt, was sehr imposante Hausnummern sind.

Kurzum, die Wetterlage hat das Potenzial für Schlagzeilen (dazu gehört u.a.
auch, dass die Temperatur heute in Kölle auf satte 17°C angestiegen ist) sowie
lange Warnlageberichte (von Synoptischen Übersichten gar nicht zu sprechen, aber
mal sehen…). Der Vollständigkeit halber seien natürlich auch noch die Fronten
des Tiefs erwähnt, die bei der ganzen Geschichte ebenfalls eine prominente Rolle
einnehmen. Die Warmfront ist durch und hat heute milde bis sehr milde
Atlantikluft herangespült (T850 bis zu 8°C im Mittagsaufstieg von
Essen-Bredeney), in der es nicht nur im Rheinland „warm“ geworden ist. Nun hat
sich inzwischen die nachfolgende Kaltfront von der Nordsee her ins nördliche
Binnenland vorgearbeitet (ausgeprägte Querzirkulation im Radar erkennbar). Dort
bekommt sie in den nächsten Stunden aber substanzielle Schwierigkeiten, ihren
Weg nach Süden bzw. Südosten fortzusetzen. Zum einen macht sich die zunehmend
die strömungsparallele Exposition bemerkbar, zum anderen geht die Kaltfront nach
Nordwesten hin in die Warmfront einer flachen und stabilen Welle (Moin VOLKER),
die im Laufe der Nacht Schottland in Richtung Dogger (westliche Nordsee)
überquert. Die Warmfront schwenkt macht bis zum Morgen langsam nordostwärts, so
dass das Areal postfrontal einfließender subpolarer Meeresluft (T850 bis zu -4°C
im Nordosten) allmählich wieder kleiner wird.

Schön und gut, aber wie wird jetzt das Wetter?

WETTER:
In weiten Teilen des Landes bleibt es stark bewölkt oder bedeckt. Größere Lücken
bzw. Auflockerungen sind am ehesten in der subpolaren Luftmasse im Norden und
Nordosten zu erwarten, wo es auch kaum noch regnet. Regen mit allerdings nur
geringer Intensität fällt vor der Front vornehmlich in den mittleren
Landesteilen, während es nach Süden und Südwesten hin mangels ausreichend Hebung
weitgehend trocken bleibt. In den frühen Morgenstunden setzt im Nordwesten
(aufkommende WLA vor der Warmfront), wobei lokal rund 5 l/m² innert weniger
Stunden zusammenkommen können.

WIND/STURM:
Mit Verlagerung des Tiefs fächert der Gradient von Südwesten her vorübergehend
auf. Entsprechend beginnt sich der Südwest- bis Westwind abzuschwächen. Zuerst
im Süden und Westen und dort vor allem im Tiefland, im Verlauf nordostwärts
fortschreitend. Am längsten dauert der lebhafte Wind im Nordosten sowie im
gesamten Ostseeküstenbereich an, was verschiedene Gründe hat: erstens den
kürzesten Abstand zum Tiefkern, zweitens die Passage eines Bodentrogs über der
Ostsee, drittens die bereits weiter oben erwähnten Höhenwinde. Der Trog hat am
Tage über der nördlichen Nordsee einen mehr als veritablen Trogsturm mit
Windgeschwindigkeiten weit über 120 km/h (also im Orkanbereich) verursacht. Auf
der Bohrplattform Sleipner A wurden gar knapp über 150 km/h gemessen, sehr
wahrscheinlich aber nicht in 10 m Höhe. Zwar verliert der Trog sukzessive an
Kontur, so dass es über der Ostsee nicht ganz so hart zur Sache geht wie über
der Nordsee. Trotzdem, eine nächtliche Schiffstour dürfte keinesfalls der
Vergnügungssteuer unterliegen, insbesondere dann, wenn der Schiffsrumpf nicht
sonderlich groß ist. Hinsichtlich der Höhenwinde ist zu sagen, dass die
Labilität der subpolaren Luftmasse zwar nur bis etwa 800-700 hPa hinaufreicht,
weshalb z.B. auch keine Gewitter zu erwarten sind. Für einen Impulstransport aus
unteren Troposphärenschichten könnte es aber reichen, weshalb bis in die erste
Nachthälfte hinein schwere Sturmböen 10 Bft an der vorpommerschen Küste und
orkanartige Böen 11 Bft zwischen Darß und Rügen im Bereich des Möglichen liegen.
Ansonsten stehen im Nordosten Böen 7-9 Bft auf der Karte, Tendenz nach
Mitternacht langsam abnehmend. Dafür lebt mit Annäherung der Welle der
Südwestwind im Westen bereist wieder auf mit ersten Böen der Stärke 6 bis 7 Bft.
Auf den Bergen bleibt es durchweg stürmisch. Warum einfach, wennŽs auch
kompliziert geht.

TEMPERATUR:
Es bleibt – welch Wunder – frostfrei mit z.T. zweistelligen Tiefstwerten im
Westen und Südwesten.

Samstag … steht bei uns ganz im Zeichen der stabilen Welle VOLKER, die auf der
Südwestflanke des sich über den Baltischen Staaten einnistenden und nur langsam
auffüllenden ULF-OTTO (Kerndruck am Mittag unter 985 hPa) von der Nordsee her
über den Norden und Osten des Vorhersageraums hinwegschlittert. Eine Entwicklung
der Welle kommt nicht in Frage. Zwar findet man in ihrer Nähe einen in der
Höhenströmung eingebetteten KW-Trog, der aber im Tagesverlauf mehr und mehr an
Kontur einbüßt. Außerdem liegt die Bodenwelle etwas zu weit südlich, als dass
eine fruchtbare Zusammenarbeit im Sinne einer Intensivierung dabei
herausspringen könnte. Allerdings brauchtŽs die auch nicht unbedingt, schon so
kommt ordentlich was zusammen. Langweilig wird es garantiert nicht.

Fangen wir dieses Mal mit dem Wind respektive Sturm an, wo es im Nordosten
zunächst mal das letzte Aufbäumen des „alten“ Starkwindfeldes von ULF-OTTO zu
würdigen gilt. Am Morgen und am Vormittag reicht es je nach Lage noch für Böen
7-9 Bft, bevor ab Mittag mit Annäherung der Welle und einhergehender
Gradientaufweichung dieses Kapitel geschlossen wird. Weiter südwestlich schließt
sich ein windschwacher Korridor an, der auf der Nord-Nordostflanke des
Wellenscheitels liegt und zur Mittagszeit von der Deutschen Bucht etwa bis ins
südliche BB reicht. Tja, und noch weiter süd-südwestlich (Demarkationslinie
reicht etwa von Ostfriesland bis zur Lausitz) frischt der leicht auf westliche
Richtungen rechtdrehende Wind im Warmsektor der Welle erneut spürbar auf (der
Übergang von Schwach – zu Starkwind fällt sehr scharf aus). Dabei werden im
Tiefland Böen 7 bis 8 Bft, im Bergland je nach Exposition 8 bis 10 Bft, auf dem
Brocken und dem Fichtelberg 11 bis 12 Bft erwartet. Am Nachmittag und Abend,
wenn sich die Kaltfront von Nordwesten her nähert, können durch den
Leitplankeneffekt vornehmlich im Vorland von Harz und Erzgebirge, später auch im
Alpenvorland einzelne Sturmböen 9 Bft auftreten. Ansonsten ist aber etwa ab den
Mittagsstunden von Südwesten und Westen her eine Windabnahme zu konstatieren,
die sich langsam aber sicher nach Osten ausweitet.

Vom Wind zum Wetter, das im Wesentlichen von den Fronten bzw. der Welle selbst
geprägt ist. Wenn man so will, finden an der Welle bzw. in dem o.e.
windschwachen Korridor leicht frontogenetische Prozesse statt. Die Unterschiede
zwischen der in den Norden und Nordosten einfließenden polaren Meeresluft (T850
um -3°C) und der weiter südlich einfließenden milden bis sehr milden Luftmasse
sind zwar nicht immens, aber doch merklich, was an den apostrophierten
Höchsttemperaturen offensichtlich wird. Reicht es zwischen Nordsee und
Brandenburg trotz einiger Auflockerungen ganz im Norden lediglich für 6 bis 10°C
(okay, kalt geht anders), sind es sonst 9 bis 14°C, ganz im Süden (Alpenvorland,
südlicher Oberrheingraben) mit Unterstützung der zumindest zeitweise zum
Vorschein kommenden Sonne gar bis zu 16 oder 17°C.

Der meiste Regen fällt im Bereich der Zugbahn der Welle, wo akkumuliert über 12
Stunden 5 bis 10, vereinzelt bis 15, über 24 Stunden (bis Sonntagfrüh) 10 bis
20, vereinzelt um 25 l/m² erwartet werden. Im West- und Nordweststau des Harzes
könnte es zumindest nach Lesart der deutschen Modellkette für 40, vielleicht 50
l/m2 innert 24 Stunden reichen, was die Ausgabe einer markanten
Dauerregenwarnung rechtfertigen würde. Unterstützung kommt von COSMO-LEPS und
ICON-EU-EPS, während IFS-EPS und auch die meisten externen Modelle defensiver
aufgestellt sind. Im Erzgebirge sind die Mengen geringer, allerdings kommt dort
ein zumindest nach SNOW4 nicht unerheblicher Teil Schmelzwasser dazu, was die
Möglichkeit einer Tauwetterwarnung zumindest mal im Konjunktiv aufploppen lässt.
Kommt der sich von NW nach SO ausbreitende Regen zunächst weitgehend stratiform
daher, nimmt er im weiteren Verlauf zumindest teilweise konvektiven Charakter an
(etwas Höhenkaltluft mit dem o.e. KW-Trog). ICON-EU sieht sich sogar veranlasst,
ein Gewitter über dem Osten zu plotten, was angesichts einer bestenfalls
indifferenten, bis maximal 650 hPa hinaufreichenden Schichtung etwas oversized
scheint. Allerdings eröffnet die zunehmende konvektive Komponente bei Oberwinden
von bis zu 50 Kt auf 925 hPa die Möglichkeit einzelner Sturmböen 9 Bft in
Verbindung mit etwas kräftigeren Schauern. Nach Abzug der Welle lässt der Regen
im Laufe des Nachmittags von Nordwesten her vorübergehend nach bzw. legt eine
Pause ein.

Die Nacht zum Sonntag verbringen wir unter der leicht flatternden Frontalzone,
die eine flotte west-nordwestliche Höhenströmung induziert. Darin eingelagert
ist eine weitere Welle, die sich bis ins Bodenniveau durchpaust und die auf fast
identischer Spur wie die Vorgängerin von der Nordsee her übergreift. Nach
Alphabet wäre WILLY der nächste Kandidat, allerdings wurde dieser Name schon für
ein Tief deutlich weiter westlich vergeben, das sich bei Island zu einem
Sturmtief entwickeln soll. Morgen werden wir diesbezüglich schlauer sein.
Wichtiger als ihr Name ist sowieso das, was die Welle wettertechnisch auf die
Platte bringt.

Zunächst mal fängt es von der Nordsee und den Niederlanden wieder an zu regnen,
wobei ein PVA-Maximum auf der Vorderseite des besonders in 300 hPa ausgeprägten
KW-Trogs eine tragende Rolle spielt. Der Regen breitet sich südostwärts aus,
wobei in einem Streifen von Niedersachsen nach Sachsen weitere 5 bis 10, lokal
vielleicht um 15 l/m² fallen können. Allerdings nehmen die numerischen
Unschärfen der Niederschlagsprognose allmählich zu. Interessant könnte es auf
der kalten Seite des Wellenscheitels werden, vor allem dann, wenn die Welle
relativ weit südlich durchschwenkt. Hebungsabkühlung im Verbund mit maritimer
Polarluft (T850 je nach Lage bis -5°C oder gar noch kälter) und geringen
Windgeschwindigkeiten könnten – selten war der Konjunktiv so wertvoll wie hier –
könnten einen Übergang in die feste Phase oder zumindest in die Mischphase
bewirken. Allerdings sind derzeit die meisten Modelle auf der flüssigen Schiene,
lediglich GFS entpuppt sich da als Anhänger winterlicher Komponenten.

Nach vorübergehender Abnahme nimmt der westliche Wind von Westen her wieder zu
(nicht im Norden und Nordosten), was im Tiefland insbesondere in windanfälligen
Lagen die eine oder andere 7er-Böe bringt. In den Hochlagen des Berglands bleibt
es stürmisch.

Frost ist nach wie vor keine Option, einzig ganz im Norden und Nordosten könnte
es im Falle noch unsicheren Aufklarens auf Werte um den Gefrierpunkt abkühlen.

Sonntag … wölbt sich über Westeuropa und dem nahen Atlantik ein Höhenrücken
auf, der die Höhenströmung bei uns auf glatt Nordwest aufsteilen lässt. Die
Bodenwelle zieht recht zügig in Richtung Südosten ab und der Luftdruck steigt
vorübergehend. Sichtbar wird das in Form eines Bodenkeils, der sich ausgehend
vom Azorenhoch bis zur Nordsee ausweitet. Der anfängliche Regen verlagert sich
über die Mitte hinweg immer mehr in den Süden und Südosten des Landes, wobei er
an Intensität einbüßt. Ganz im Norden lockert die Wolkendecke auf, an der Ostsee
stehen die Chancen für längere sonnige Abschnitte gar nicht mal so schlecht.
Auch ganz im Süden gibt es Auflockerungen. Der westliche Wind frischt vor allem
in der Mitte und im Süden zeitweise auf mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, in den
höchsten Lagen 9 Bft, vereinzelt 10 Bft. Weiterhin sind im Grunde zwei
Luftmassen am Start: im Norden und Osten polare Meeresluft (T850 um -5°C => Tmax
4 bis 9°C), in den übrigen Gebieten milde Luft bzw. Mischluft (T850 -2 bis +4°C
=> Tmax 9 bis 14°C).

In der Nacht zum Montag ist es mit dem leichten Zwischenhocheinfluss bald schon
wieder vorbei. Von Island her zieht das nächste Tief gen Norwegische See (nach
heutigem Stand WILLY), dessen Warmfront vor allem dem Norden und Nordosten Regen
bringt (kräftige WLA). Derweil ziehen die letzten Regenfälle im Süden in
Richtung Österreich ab. Im Norden kommt es zu einer signifikanten
Gradientverschärfung, die den auf Südwest rückdrehenden Wind an der Nordsee,
weniger an der Ostsee stürmisch auffrischen lässt. Bis weit ins norddeutsche
Binnenland kommt es zu Böen 7 Bft.

Montag … erreicht das Tief die norwegische Küste unweit von Kap Svinöy, wo es
beginnt sich aufzufüllen. Gleichzeitig bildet sich im Bereich Skagerrak – man
möchte sagen klassisch – ein Teiltief, das rasch weiter nach Schweden und
darüber hinaus zieht. Die Konsequenzen in aller Kürze: mit Ausnahme des Südens
und Südwestens auffrischender, teils stürmischer westlicher Wind. Dazu im
Norden, evtl. auch in der Mitte etwas Regen. Im äußersten Norden und Nordosten
möglicherweise Übergang zu schleifender Kaltfront. Im Norden und Nordosten
wieder milder. Mehr Details in den Folgeübersichten.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Lage ähnlich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann