SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 15.02.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Bröckelnder Hochdruckeinfluss mit Grenzschichtphänomenen. Bis zum Freitag
Übergang in eine Sturmlage, an der See teils mit orkanartigen Böen. Dann auch im
Südosten spürbar milder.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … beginnt der umfangreiche Rücken über Mitteleuropa allmählich zu
schwächeln. So hat sich seine Achse inzwischen ostwärts verabschiedet und ein
erster flacher Randtrog steuert von der Nordsee, Benelux und Nordfrankreich auf
den Nordwesten zu. Er korrespondiert am Boden mit einer schmalen, schwachen
Kaltfront, die in den Frühstunden das Nordseeumfeld mit etwas Regen erreicht.
Dass die Luftsäule bereits weit im Vorfeld des Troges durch schwache IPV Maxima
gestreckt wird, erkennt man bereits durch aufziehende kompakte Cs-Felder von
Westen.

Nichtsdestotrotz bleibt im Großen und Ganzen kommende Nacht noch die
Grenzschichtproblematik im Fokus. Die kräftige Inversion mit +7, teilweise +8
Grad in 900 hPa wird erst mit Frontannäherung von Nordwesten langsam abgebaut.
Auch der von Südost auf Südwest drehende Wind bleibt noch recht schwach, so dass
sich vorhandene Nebel- und Hochnebelfelder über dem Nordosten sowie über
Rheinland-Pfalz, Hessen bis nach Niederbayern zäh halten und teilweise auch
wieder verdichten und etwas ausbreiten. Im Nordosten werden sie zumindest bis
zum Morgen allmählich nach Vorpommern und zur Uckermark abgedrängt (stärkste
Windzunahme und kaum Relief).

Neben laufenden Frost- und Nebelwarnungen bleibt vereinzelte Glätte durch Reif
in Randgebieten des Nebels oder durch Nebelnässen im Nowcasting zu monitoren.
Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Nächte sowie der stark gealterten
Luftmasse bleiben derartige Erscheinungen aber die Ausnahme bzw. „nur“ Wiesen
und Autoscheiben vorbehalten. Im Norden und Nordwesten bleibt es unter
Bewölkungszunahme und leichter Windauffrischung weitgehend frostfrei. Sonst
tritt verbreitet leichter Frost zwischen 0 und -5 Grad auf, in Tälern der Alpen
und des Bayerischen Waldes auch darunter.

Donnerstag … überquert der Höhentrog das Vorhersagegebiet allmählich ostwärts,
während vom Seegebiet bei den Azoren her sich ein kräftiger Höhenrücken Richtung
Biskaya ausweitet. Damit dreht die allmählich an Fahrt aufnehmende Höhenströmung
über Mitteleuropa auf Nordwest, wobei an der Nordflanke des Rückens kräftige WLA
über Westeuropa einsetzt, die bis zum Abend zunehmend auch den Nordwesten
Deutschlands beeinflusst.

Die weiter an Substanz verlierende Kaltfront über Norddeutschland kommt noch
etwa bis zur Eifel, dem Harz und dem Berliner Raum südostwärts voran, wobei kaum
nennenswerte Mengen fallen (meist unter 3 l/m² binnen 12 Stunden). Postfrontal
lockern die Wolken vom Emsland bis nach Nordfriesland am Mittag und Nachmittag
vorübergehend etwas auf, bevor sie zum Abend mit der aufkommenden WLA wieder
dichter werden.

Diese kündigt ein weiteres Frontensystem eines flachen Tiefs an, das sich
bereits in der Nacht unter dem linken Ausgang des Richtung Nord-GB
vorstoßenden Jets entwickelt hat. Unter Konturverlust (durch rückseitig erneut
einsetzende WLA) überquert es im Tagesverlauf Irland und Nordengland und greift
abends bei fortschreitendem Okklusionsprozess auf die Nordsee über. So setzt zum
Abend im Nordwesten erneut leichter Regen ein.

Derweil wird die Hochdruckbrücke über Süddeutschland weiter abgebaut, wenngleich
sich im Süden ein relatives Maximum von knapp 1030 hPa halten kann. So startet
der Tag vielerorts erneut neblig-trüb, bevor die Gegenstrahlung mit hohen und
mittelhohen Wolkenfeldern sowie einer leichten Gradientverschärfung die
Nebelauflösung im Vergleich zu den Vortagen mehr begünstigt. Am längsten halten
sie sich wohl an der unteren Donau. So wird es von der Lausitz bis zum Breisgau
doch verbreitet ein recht sonniger Tag, ab mittleren Lagen teils ungestört.

Mit der Kaltfront sickert erwärmte maritime Subpolarluft nach Norddeutschland
und auch im Süden geht die 850 hPa-Temperatur etwas zurück (abends zwischen -1
Grad im Norden und +3 Grad im Süden). Insgesamt bleibt es aber mild mit
Höchstwerten zwischen 7 und 12 Grad, mit Sonne im Südwesten, im südlichen
Alpenvorland und am Nordrand des Erzgebirges bis 14 Grad. Bei Dauernebel an der
unteren Donau bleibt es dagegen deutlich kühler, teils um oder nur wenig über
dem Gefrierpunkt.

In der Nacht zum Freitag wird der o.e. Rücken über dem nahen Nordatlantik im
Nordteil von einem markanten, sich amplifizierenden Kurzwellentrog überlaufen,
der bis Freitagfrüh Schottland erreicht. Daran gekoppelt
ist eine kräftige Wellentiefentwicklung im Bodenfeld, die zum gleichen Zeitpunkt
als ausgewachsenes Sturmtief mit einem Kerndruck unter 980 hPa knapp westlich
der Shetlands aufschlägt. Stromab bleibt die nordwestliche Höhenströmung über
Mitteleuropa noch antizyklonal konturiert und die WLA hält an. Somit wird in
Summe dem über der Nordsee lagerndem flachen Tief frühzeitig die Energie
entzogen und übrig bleibt lediglich ein flacher Bodentrog samt eingelagerter
teilokkludierter Kaltfront.

Mit der kräftigen WLA werden aber die Wolken auch über Süddeutschland trotz nach
wie vor vorhandener Hochdruckbrücke rasch dichter und es breiten sich recht
flächig leichte Regenfälle aus, lediglich im Lee einiger Mittelgebirge sowie im
Südwesten und südlich der Donau bleibt es wohl in der trockenen Grundschicht
noch weitgehend trocken.

Allerdings besteht im ostbayerischen Mittelgebirgsraum örtlich ein kleines
Risiko für gefrierenden Regen, da es dort vor Eintreffen der Bewölkung noch
leichten Frost geben kann. Mit Frost ist auch an den Alpen sowie im angrenzenden
Vorland zu rechnen. Sonst verläuft die Nacht mit 8 bis 4 Grad teils deutlich im
frostfreien Bereich.

Allerdings rückt der Wind nun allmählich in den Fokus der Warntätigkeit. Mit
weiterer Gradientverschärfung lebt er aus Südwest auf, in den Kamm- und
Gipfellagen einiger Mittelgebirge (in erster Linie in den mittleren
Landesteilen) gibt es steife bis stürmische Böen, auf dem Brocken zunehmend
Sturmböen. Eventuell reicht es im Lee von Hohem Venn und Eifel auch in den
Niederungen für einzelne steife Böen, mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Morgen
auf den Nordseeinseln (COSMO-D2 EPS 40-60%).

Freitag … stößt der markante Kurzwellentrog bei gleichzeitiger Ausweitung nach
Süden infolge kräftiger KLA an dessen Südwestflanke zum Oslofjord vor. Im
Verbund mit dem noch immer kräftigen Höhenrücken über der Biskaya wird die
nordwestliche Höhenströmung nicht nur deutlich zyklonaler, sondern nimmt auch
deutlich an Schärfe zu. Zum Abend stößt sogar der Jetstreak mit über 100 Knoten
in 300 hPa in die Deutsche Bucht vor. Die dadurch bedingte dynamische Hebung im
rechten Ausgang befindet sich meist aber knapp nördlich des Vorhersagegebietes
bzw. betrifft gerade so die Küstenregionen.

Die weit vorauseilende Warmfront greift in den Frühstunden auf den Nordwesten
über, entfernt sich dann auf dem Weg nach Südosten zunehmend vom Höhentrog und
schwächt sich unter antizyklonalem Einfluss weiter ab. Stellenweise leichte
Regenfälle erreichen am Nachmittag aber auch den Süden des Landes, wo sie
teilweise fast nahtlos die geringen (der vorlaufenden WLA geschuldeten)
Regenfälle ablösen. Glätte ist alsbald auch in den entlegensten Tälern des
Bayerwaldes kein Thema mehr. Im Gegenteil: Im Warmsektor fließt ein Schwall
milder Atlantikluft mit T850 zwischen +4 und +8 Grad ein, die zudem gut
durchmischt ist. Daher wird es trotz eist kompakter Bewölkung mit 9 bis 15 Grad
bei knapp zweistelligen Taupunkten spürbar milder, obwohl sich bei den
Höchstwerten an sich kaum was ändert. Lediglich im Donauraum und im Luv der
ostbayerischen Mittelgebirge klappt es nicht so gut mit der Durchmischung, dort
werden örtlich kaum 5 Grad erreicht.

Im Warmsektor zieht dann allmählich auch der Wind weiter an. Das Maximum wird am
Randbereich des Tiefs an den Küsten und mit Passage der Kaltfront erreicht, die
ab den Mittagsstunden von Nordfriesland südostwärts übergreift und bis zum Abend
in etwa die Mittelgebirgsschwelle erreicht. Rein aus dem Gradienten heraus sind
in einem breiten Streifen über der Mitte verbreitet, im Süden hingegen nur in
anfälligen Lagen steife Böen (Bft 7) aus Südwest bis West zu erwarten, was auch
recht einstimmig simuliert wird. Über der Norddeutschen Tiefebene sind es meist
stürmische Böen und Sturmböen (Bft 8 bis 9), direkt an der See auch schwere
Sturmböen (Bft 10). Im Bergland herrscht generell Sturm, auf exponierten Gipfeln
auch mit orkanartigen Böen oder Orkanböen.

Mit Passage der Kaltfront sind dann aber auch bis in tiefe Lagen vorübergehend
schwere Sturmböen, an der See orkanartige Böen oder Orkanböen nicht
ausgeschlossen, da der Oberwind in 850 hPa über der Mitte 50 Knoten, an der See
teilweise bis zu 70 Knoten erreicht. Nun ist die Labilität im Frontbereich zwar
limitiert (fehlende Höhenkaltluft, Kaltluft reicht nur bis etwa 700 hPa und
fließt somit recht flach ein), dennoch reicht es für ein paar wenige Tranchen ML
CAPE in einem hochreichend gescherten Umfeld (DLS im Norden teils über 30 m/s,
LLS über 20 m/s). Die dadurch zu erwartende linienhafte Ausprägung der Kaltfront
kann böentechnisch damit für die ein oder andere „böse Überraschung“ sorgen. -10
Grad werden dabei nicht unterschritten, weshalb es wohl nicht für Gewitter
reichen sollte.
Binnen 12 Stunden kommen im Norden Summen zwischen 5 und 10 l/m² zusammen, in
der Südhälfte kaum nennenswerte Mengen.

Bezüglich der genauen Position und Intensität herrscht inzwischen ein ganz guter
Konsens in der Modellwelt mit etwas unter 980 hPa. Lediglich das UK10 zeigt den
Tiefkern deutlich weiter nördlich im Raum Trondheim, was aber kaum
Auswirkungen/Änderungen auf unser Wettergeschehen hätte, da das Sturmfeld recht
großräumig angelegt ist. Lediglich das Übergreifen der Kaltfront wäre deutlich
verzögert. Dennoch führen Nuancen in der Schärfe des Troges noch zu gewissen
Unsicherheiten. Gegenüber dem 0z Lauf von heute Morgen nehmen die
Unwettersignale (Bft 11 in Nordfriesland und später auch auf Fehmarn, Darß und
Rügen) im 06z Lauf des ICON-EU deutlich zu, was im 12z Lauf bestätigt wird. Laut
ICON-EU EPS liegen die Wahrscheinlichkeiten für Böen > Bft 11 an exponierten
Küstenabschnitten immerhin bei knapp 50%, im IFS-EPS dagegen nur bei rund 20%.
Fazit: Bft 10 ziemlich sicher, Bft 11 muss noch abgewartet werden.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der Trog weiter ostwärts zum Baltikum
respektive Weißrussland womit die nordwestliche Strömung über Deutschland wieder
komplett durchglättet. Das korrespondierende Sturmtief hat immer noch einen
geringen Neigungswinkel zum Höhentief und erreicht in den Frühstunden
Südfinnland. Die dazugehörige Kaltfront schwenkt über die Mitte Deutschlands
hinweg südwärts, gelangt im Bereich der Donau ins Schleifen, da sie bereits nach
Westen zu wieder in einer Warmfront eines neuen Tiefs westlich der Hebriden
rückläufig wird.

Wo genau dieser Schleifbereich ist, ist noch ziemlich unsicher. So tendieren die
externen Modelle in der Mehrzahl zu einer nördlicheren Variante über den
zentralen Mittelgebirgen, wo an der Nordflanke durchaus auch Schnee in den
Kammlagen zum Thema werden könnte.

Zwei Windmaxima halten sich hartnäckig. Zum einen das Sturmfeld im Bereich des
Troges, das an der Ostsee verbreitet schwere Sturmböen, teils auch orkanartige
Böen aus West bringt. Im angrenzenden Binnenland sind es meist Sturmböen, bevor
der Wind von Westen allmählich nachlässt. Aber auch unmittelbar im präfrontalen
Bereich halten sich noch längere Zeit steife Böen, exponiert anfangs auch
stürmische Böen. Insgesamt ist bis Samstagfrüh der Höhepunkt des Sturms aber
überall überschritten.

Mit Tiefstwerten von 8 bis 4 Grad bleibt es mild.

Samstag … verbleiben wir zwischen dem Höhentief über Südfinnland und dem
Rücken über der inneren Biskaya und Südfrankreich in einer strammen
nordwestlichen Strömung. In dieser sind immer wieder flache Kurzwellentröge
eingelagert, die die Wetteraktivität im Bereich der schleifenden Frontalzone
aufrechterhält.

Wo genau diese liegt und wie aktiv sie wirklich ist, ist noch mit reichlich
Unsicherheit verbunden. Es verdichten sich in den jüngsten Läufen allerdings die
Anzeichen, das just ein flacher Randtrog dafür sorgt, dass sich von dem Tief bei
Schottland nochmal eine Warmfrontwelle ablöst und über Deutschland von Nordwest
nach Südost hinwegzieht. Das könnte insbesondere für die Staulagen der
westlichen und zentralen Mittelgebirge zur Folge haben, dass die anhaltenden
Regenfälle teilweise bis in die Nähe der Warnschwellen von knapp 30 l/m² binnen
24 Stunden ausarten. Ernstzunehmende Hinweise dafür gibt es aber weder von der
Deterministik noch von der Probabilistik aktuell (noch) nicht.

Fernab dieses Streifens zeigt sich vor allem in Küstennähe und ganz im Süden
zeitweise die Sonne. Mangels Labilität ist auch postfrontal keine oder kaum
nennenswerte konvektive Aktivität zu erwarten.

Der Wind bleibt vor allem am Randbereich des abziehenden Troges im Nordosten
sowie präfrontal im Süden lebhaft mit Böen der Stärke 7 bis 8, exponiert auch
mal ne 9 Bft. Je nach Ausprägung einer Welle könnte die Böigkeit im Süden sogar
etwas stärker ausfallen als noch am Vortag – auch unterstützt durch den
Leitplankeneffekt.

Die LMG macht ihrem Namen alle Ehre: Während mit Aufheiterungen im Süden und
Südwesten 12 bis 16 Grad erreicht werden, sind in der gut durchmischten aber
dafür Meereskaltluft polaren Ursprungs im Norden (T850 bis -5 Grad) kaum noch
zweistellige Plusgrade drin.

Modellvergleich und -einschätzung

Wurden insbesondere bezüglich der Sturmentwicklung am Freitag im Text erwähnt.
Ab Samstag ist auch die Lage der LMG noch recht unsicher.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen