SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.01.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Auf einem ruhigen Sonntag (BEATE) folgt ein fetziger, weil windiger bis
stürmischer Wochenstart (NICOLAS) – Auftakt zu einer hochinteressanten, weil
abwechslungsreichen Woche mit viel Wind und Sturm sowie wiederholten
Niederschlägen, die im Bergland bei Karsten Schwankender Schneefallgrenze häufig
als Schnee fallen.

By the way, Bayern vs. SGE nach 30 min noch 0:0.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC

Aktuell … plätschert das Wetter bei uns mehr oder weniger unmotiviert vor sich
hin. Grenzschichtphänomene können mitunter zwar auch interessante Aspekte ans
Tageslicht fördern, dynamisch oder mobil laufen sie in der Regel aber nicht ab.
Protagonistin auf der aktuellen Wetterkarte ist das umfangreiche Hoch BEATE über
dem Ostatlantik (eigentlich das Azorenhoch), von dem aus sich veritabler Keil
bis weit nach Mitteleuropa und somit auch nach Deutschland erstreckt. Die leicht
diffuse Divergenzachse reicht heute Abend etwa vom Niederrhein bis hinüber zum
Erzgebirge. Im Bereich der Achse gab und gibt es immer noch einen relativ
wolkenarmen Streifen, wo offensichtlich das Absinken stark genug ist, die untere
Troposphäre von oben her ausreichend abzutrocknen. Hauptverantwortlich für das
Absinken ist allerdings der zonal exponierte Höhenrücken, der sich vom Atlantik
ebenfalls nach Osten erstreckt. Seine Divergenzachse hinkt der Bodenachse etwas
hinterher, so dass das Maximum der vorderseitigen NVA (und damit der stärksten
Höhenkonvergenz) genau darüber liegt.

Genug des theoretischen Fabulierens, was bringt uns die kommende Nacht. Boden-
und Höhenkeil sowie der wolkenarme Streifen verlagern sich langsam nach Süden.
Damit nehmen die ohnehin nur marginalen Niederschläge (Schneegriesel oder
gefrierender Nieselregen) in der Mitte und im Süden immer mehr ab. Es stellt
leichter, vielfach auch mäßiger Frost ein, bei längerem Aufklaren sind gerade im
Bergland auch mal zweistellige Werte knapp unter -10°C drin. Außerdem bildet
sich hier und da Nebel.

Etwas anders läuft der Hase im Norden, wo sich eine teilmaskierte Kaltfront
(Rückseite teils wärmer als Vorderseite), von der Nordsee und Dänemark her auf
den Vorhersagerau überzugreifen. Das antizyklonale Umfeld ist alles andere als
frontenfreundlich, weshalb sich ihre Wetterwirksamkeit auch sehr in Grenzen
hält. Die frontale Bewölkung ist tagsüber schon eingetroffen, nun kommt auch
noch etwas Niederschlag dazu. Grob in einem Korridor, der von der Deutschen
Bucht und dem nordwestlichen NDS bis hinüber nach Vorpommern und in den Berliner
Raum reicht, muss mitunter entweder mit etwas Nieselregen oder etwas Schnee
gerechnet werden. Je dichter an der Küste, desto unkritischer das Ganze, weil
die Temperatur (Luft und Beläge) im Plus ist. Schmierig und schwierig wird es
weiter im Binnenland, vor allem nach Osten hin und dort speziell im Grenzbereich
zur vorgelagerten Frostluft. Dort soll nach der Vorstellung insbesondere der
deutschen Modellkette Schnee mit geringer Intensität fallen. Schaut man sich
daraufhin die gemessenen Temps und die Prognosesoundings an, lässt sich eine
markante Inversion um 800 hPa finden. Sie wird durch die schwache Kaltfront, die
ohne jegliche Unterstützung aus der Höhe auskommen muss, nur wenig angehoben.
Die darunterliegende Grundschicht ist zwar feucht-gesättigt, kommt an der
Wolkenobergrenze aber nicht über -6 oder -7°C hinaus. Folglich erscheint es
schwierig, ohne Eiskristalle Schnee zu produzieren. Auf der anderen Seite gibt
es aber wohl schon Nutzermeldungen, die leichten Schneefall melden (vielleicht
spielen die niedrigen Taupunkte um -4°C eine Rolle). Aus konzeptionellen
Überlegungen heraus, die natürlich selten perfekt sind, ist die flüssige
Niederschlagsphase wahrscheinlicher, zumal auch keine Seeder-Effekte von oben zu
erwarten sind (die Trockenschicht oberhalb der Inversion ist zu mächtig). Ob der
Nieselregen dann schlussendlich gefriert, ist auch nicht ganz einfach zu
beantworten. Zwar ist die Temperatur anfangs vielfach im Minus (abendliches
Aufklaren), mit zunehmender Bewölkung und etwas aufbrisenden Südwestwind ist
aber mit einer allmählichen Erwärmung zu rechnen. Kurzum, im Prinzip können alle
drei Phasen auftreten, die eine große Glättenummer sollte es aber nicht reichen
(Monitoring!).

Sonntag … Löst sich die Front in stark frontolytischem Umfeld irgendwo
zwischen Norden und Mitte auf. Höhen- und Bodenkeil konvergieren langsam aber
stetig gen Süden, beherrschen aber über weite Strecken des Tages die Szenerie
insbesondere in der Mitte und im Süden des Landes. Konkret, etwa südlich der
zentralen Mittelgebirge lockert es nach teils schleppender Auflösung von
Nebel/Hochnebel vielerorts auf, gebietsweise scheint sogar ganztägig die Sonne
(vorzugsweise, aber nicht ausschließlich im höheren Bergland). Aufgrund der
niedrigen Startwerte bei gleichzeitig noch niedrigem Sonnenstand und niedrigen
Windgeschwindigkeiten ist die Erwärmungsrate gedeckelt. Mehr als -2 bis +4°C als
Tageshöchsttemperatur springen nicht heraus, im Bergland bleibt eher noch 1-3
Grad kälter.

Nördlich der Mittelgebirge hingegen bleibt es unter permanenter Zufuhr
subpolarer Meeresluft (T850 um -3°C => 2 bis 7°C, nur im Oberharz noch leichter
Frost) weitgehend bedeckt. Hin und wieder fällt noch etwas Niederschlag, meist
als Regen/Nieselregen mit abnehmender Glättegefahr. Darüber hinaus fällt der
Luftdruck kontinuierlich, was der Entwicklung zwischen Island und Norwegen
geschuldet ist. Dort stellt sich das von der Irminger See stammende Doppeltief
NICOLAS auf, das in seinem östlichen Kern mit 980 hPa und einem kompletten
Frontensatz ausgestattet ist. Dieser traktiert uns zunächst noch nicht, dafür
verschärft sich der Gradient auf der Südflanke. Werden am Morgen an der
deutsch-dänischen Grenze noch etwa 1022 hPa gemessen, sind es nach dem TATORT
(morgen aus Saarbrücken) nur noch etwa 1005 hPa. Ab Mittag treten die ersten
7er-Böen an der See auf, Tendenz bis zum Abend zunehmend (7-8 Bft, Brocken 9
Bft).

In der Nacht zum Montag bleibt der westliche Kern von NICOLAS über Island
hängen, während der östliche unter weiterer Intensivierung in Richtung 970 hPa
Landgang macht und über Mittelskandinavien ostwärts zieht. Normalerweise füllen
sich Tiefdruckgebiete bei Übertritt auf Land durch die zunehmende Reibung eher
auf. Hier läuft es deswegen anders, weil das Tief entwicklungsgünstig, nämlich
unter dem linken Ausgang der mäandrierenden Frontalzone liegt. Aus dieser heraus
erwächst übrigens ein Trog, der sich stetig intensiviert respektive über der
Norwegischen See und der Nordsee amplifiziert. Ihm vorgeschaltet ist die
Kaltfront des Tiefs, die im Laufe der Nacht auf den Vorhersageraum übergreift
und bis zum Morgen mit dem zugehörigen Niederschlagsband etwa die nördliche
Mitte erreicht. Dahinter fließt ein Schwall reinster Meeresluft polaren
Ursprungs ein, in der T850 auf -5°C zurückgeht.

Apropos Niederschlag, der startet im Norden als Regen, geht aber mit Erreichen
der Mittelgebirge sowie teilweise auch im Osten in Schnee über. Eine dünne
Schneedecke dürfte sich aber wohl nur im Harz sowie in den Hochlagen der
nördlichen Mittelgebirge bilden. Spitz pass auf heißt es im Vorfeld etwas
abgesetzt der Front, wo die tiefe hochnebelartige Bewölkung leicht gehoben wird
und entsprechend geringfügiger Niederschlag fallen kann. Vor allem im zentralen
und westlichen Mittelgebirgsraum ist lokal gefrierender Nieselregen nicht
ausgeschlossen.

Gänzlich unbeeindruckt vom Geschehen weiter nördlich bleibt zunächst noch der
Süden, der vom Höhenkeil überlaufen und wo der Bodenkeil gegen die Alpen
gedrückt wird. Häufig startet die Nacht gering bewölkt oder klar, bevor später
von der Mitte sukzessive dichtere Wolken aufziehen. Von der Mitte bis in den
Süden gibt es leichten bis mäßigen Frost, wobei in der Mitte aber ein
Temperaturanstieg im Laufe der Nacht erfolgt. Weiter nördlich bleibt es – den
Oberharz ausgenommen – weitgehend frostfrei.

Bliebe noch der Wind, der aus Südwest bis West kommend weiter an Fahrt aufnimmt.
Das Starkwindfeld mit Böen 7 Bft weitet sich von der Küste bis in die mittleren
Landesteile aus. Direkt an der See sowie im küstennahen Binnenland häufen sich
8er-Böen, an der Nordsee kommen 9er-, vereinzelt vielleicht sogar 10-er-Böen
dazu. Böen 9 bis 12 Bft stehen je nach Höhe und Exposition in den Hochlagen des
Berglands auf der Karte, lediglich im Süden geht es etwas moderater zur Sache.

Montag … weitet sich der Höhentrog zügig unter Intensivierung bis zum
östlichen Mitteleuropa aus, was uns auf seine Rückseite unter eine zyklonal
konturierte nordwestliche Höhenströmung bringt. Die höhenkälteste Luft mit -30
bis -35°C auf 500 hPa zieht über den Norden und Osten hinweg, während es in der
Südwesthälfte mit teils über -25°C deutlich wärmer und damit auch stabiler
bleibt. Das Sturmtief NICOLAS zieht es in die Weiten Finnlands, wobei es wacker
seine 970 hPa im Kern konserviert – Respekt. Die Kaltfront erreicht mit Schnee,
in tiefen Lagen teils auch Regen oder Schneeregen rasch die Alpen, wo sich aber
nur für kurze Zeit und auch nicht besonders ergiebig (man, man, das sah in den
Mittelfristprognosen der vergangenen Tage wesentlich verheißungsvoller aus) eine
Staulage einstellt. Postfrontal wird ganz Deutschland von maritimer Polarluft
geflutet, in der T850 auf etwa -5°C sinkt. Dabei kommt es zu Regen-, Schnee- und
Graupelschauern, vereinzelt auch kurzen Graupelgewittern, wobei die
Schauerhäufigkeit im Westen und Südwesten aufgrund der stabileren Schichtung
gegenüber den anderen Gebieten etwas zurückhaltender ausfällt. Oberhalb 400 bis
600 m wird es winterlich. Besonders an den West- und Nordwesträndern kommt es
durch die direkte Anströmung zu häufigen Schneeschauern, die 5 bis 10 cm
Neuschnee zusammenbringen können. Allerdings könnte es durch den starken bis
stürmischen Wind und damit einhergehender möglicher Verwehungen (in den höchsten
Lagen, darunter ist der Schnee zu feucht/nass) an der einen oder anderen Stelle
schwierig werden, eine objektive Neuschneehöhe zu bestimmen.

Der auf West bis Nordwest drehende Wind frischt am stärksten zwischen Küste und
dem zentralen bzw. östlichen Mittelgebirgsraum auf, wo Böen 7 bis 8 Bft
obligatorisch sind, vornehmlich in kräftigen Schauern oder kurzen Gewittern aber
auch glatte Sturmböen 9 Bft drin sind (Oberwinde 925 bis 850 hPa im Norden um 50
Kt). Direkt an der See sind vermehrt Böen 9 bis 10 Bft zu erwarten, wobei die
schweren Sturmböen eher auf der Nordseeseite auftreten, an der Ostsee deswegen
aber nicht ausgeschlossen sind. Gut dabei wie immer auch das Bergland, wo je
nach Höhe und Exposition Böen 9 bis 12 Bft (Orkan vor allem auf dem Brocken und
dem Fichtelberg) auf der Karte stehen. Weiter südlich gibt sich der Wind
tendenziell etwas gemäßigter, aber mitnichten zahm. In tiefen Lagen überwiegen
7er-Böen (vereinzelt auch 8 Bft), weiter oben meist Böen 8 bis 10 Bft, nur
vereinzelt 11 Bft.

Temperaturen gibt es auch noch. Die steigen trotz Polarluft (die aber direkt
über die Nordsee streicht und entsprechend erwärmt ist) aufgrund der
hervorragenden Durchmischung auf 5 bis 9°C nördlich der Mittelgebirge und 1 bis
6°C sonst an. Frost zieht sich in die höheren Lagen der Mittelgebirge zurück.

In der Nacht zum Dienstag beruhigt sich das Geschehen etwas. Der Höhentrog zeiht
endgültig nach Osten raus und ein flacher Rücken findet den Weg zu uns. Er sorgt
für leichten Druckanstieg, der sich in einer antizyklonalen Aufwölbung der
Isobaren bei gleichzeitiger Gradientaufweichung widerspiegelt. Schauer und
Wind/Sturm werden weniger, kommen aber mitnichten zum Erliegen. Meist fallen die
Schauer als Schnee, in tiefen Lagen teils als Regen oder in der Mischphase. Vor
allem an der See sowie im höheren Bergland bleibt es noch eine Weile (in einigen
Hochlagen sogar die ganze Nacht) stürmisch, wenn auch mit abnehmender Tendenz.

Dienstag … wölbt sich der Rücken über ME noch etwas auf, wird dabei aber von
WLA überlaufen. Diese kündigt das nächste okkludierende Frontensystem an, das
sich dann auch nicht lange bitten lässt. Es gehört zu dem kleinen
Sturm-/Orkantief OLEG, das knapp südlich an Island vorbei zum Südrand des
Europäischen Nordmeers zieht. Während im Südosten die letzten Schneeschauer
runterkommen, zieht von Westen her rasch dichte Schichtbewölkung auf. Bereits am
Vormittag setzt von der Nordsee und den Niederlanden her Regen ein, der sich
südostwärts über die Mitte bis in den Süden ausweitet. Noch ist nicht ganz klar,
wie schnell und wo genau sich der Okklusionsprozess vollzieht. Es deutet sich
aber ein vorübergehender Warmlufteinschub an, der T850 auf bis zu 0°C und die
Schneefallgrenze auf 600 bis 800, im Westen und Südwesten vielleicht sogar bis
1000 m (und damit z.T. über Kammniveau) ansteigen lässt. Nach Südosten hin liegt
sie tiefer. Der Südwest- bis Westwind legt vor allem an der Küste und im
Bergland, aber auch im Tiefland Nord- und Mitteldeutschlands zu (7 Bft, Küste
und Hochlagen 8-9 Bft, exponierte Kämme auch noch darüber). Höchstwerte 2 bis
8°C.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Umstellung der Wetterlage ist unstrittig. Beim Niederschlag am Montag wurde
mächtig zurückgerudert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann