S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.01.2023 um 10.30 UTC

Wechselhaft und windig, im Bergland teils winterlich, zum Wochenende wohl
Beruhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 03.02.2023

Derzeit sind die Blicke immer noch gespannt auf die mittlere und obere
Stratosphäre (Referenz 10 hPa) gerichtet, wo aktuell ein so genanntes Minor
Warming (Temperaturerhöhung über dem Nordpol in wenigen Tagen etwa 25 bis 30 K)
im Gange ist. Minor deshalb, weil eine damit einhergehende komplette Windumkehr
des zonal gemittelten zonalen Windes auf 60 Grad Nord und in 10 hpa (Definition
für Major-SSW) erstmal vom Tisch ist. Ein solches war auch aufgrund der
Rahmenbedingungen (wave-1-Forcing, d.h. verstärkte meridionale und vertikale
Wärmeflüsse nur vom Pazifik her, Stichwort Aleuten-Tief) nur gering
wahrscheinlich, da ein Displacement des Stratosphärischen Polarwirbels (SPV)
selten zu veritablen Ostwinden auf 10 hPa/ 60 Grad N führt, es sei denn, die
Störung ist nachhaltig. Letzteres ist im Moment u.A. deshalb nicht gegeben, da
die synoptischen Muster und zirkumpolaren zonalen Wellenzahlen und
Wellenamplituden nur vorübergehend lange stationäre planetare Wellen (mit
Ausbreitung bis in die Stratosphäre) zugelassen haben und auf den pazifischen
Raum beschränkt waren (und dort unter dem Bonus insgesamt abschwächender La
Nina-Bedingungen). Da nun der SPV nicht zusammenbricht und sich im Gegenteil
sogar wieder erholen soll (mittelfristig aber mit größerer Unsicherheit
behaftet), wird der sich nach wieder nach unten durchsetzende Impulsfluss
(abwärts gerichtete planetare Wellen) auch den zonal gemittelten zonalen Wind
auf 60 Grad Nord und in 100 hPa noch etwas befeuern. Dieser lässt sich ohnehin
nicht groß stören durch die kurze stratosphärische Erwärmung, die sich aufgrund
der Beschreibung weiter oben und per Definition aus der oberen Stratosphäre nur
bis ca. 50 hPa in abgeschwächter Form bemerkbar macht.

Resümierend kann man schon mal festhalten, dass eine zonal ausgeprägte Stärkung
des Polarfront-Jet-Streams, einschl. Nordatlantik in den nächsten Tagen zu
erwarten ist.

So, zu beantworten sind im Grunde noch zwei Fragen für die bevorstehende
(erweiterte) Mittelfrist. Bleibt der SPV anfällig für Attacken aus der
Troposphäre? Anzeichen dafür sind laut prognostizierter verstärkter
Temperaturwellen mit anwachsender Amplitude auf 10 hPa/60 Grad N (durch
Wärmeflüsse aus der Troposphäre) im Modus wave-2-Forcing zu Beginn des Februars
durchaus vorhanden, das zugehörige synoptische Muster Grönland- Tief und
Skandi-Hoch könnte nach Wochenmitte/ zum Wochenende hin greifen. Hierzu müsste
allerdings auch der Pazifik-Nordamerika-Index (PNA) wie prognostiziert und
zeitgleich positiv werden (Stärkung des Aleuten-Tiefs). Dann wäre eine solche
Konstellation denkbar und der SPV könnte nochmals geschwächt werden. Wie, wann
genau (Timing und Andauer Synoptik), wie nachhaltig und mit welchem Impact auf
NAO und AO-Index ist derzeit spekulativ. Die zweite Frage lautet, ob das
simulierte Blocking Ostatlantik/ Skandinavien von Bestand sein wird oder ob
vielmehr letzteres der doch eher progressiven planetaren Wellen bei (immer noch)
starkem zonalen Background-Flow zum Opfer fällt. Frage 2 hängt somit auch mit
der Unsicherheit bzgl. Entwicklung des SPV eng zusammen.

Die synoptische Entwicklung von Montag bis Mittwoch entspricht im Wesentlichen
der Beschreibung in der gestrigen synoptischen Übersicht Mittelfrist (26.01.23).

Am Donnerstag wölbt sich als Ergebnis eines ausgeprägten Warm Conveyor Belst
(WCB) vorderseitig einer weiteren intensiven Tiefdruckentwicklung, diesmal
südlich von Grönland ein stark amplifizierter Rücken über dem Ostatlantik auf.
Hier ist Vorsicht geboten, da nun lange planetare Wellen in hohe Breiten
vordringen und potenziell die Gefahr besteht, dass dort quasistationäre
Verhältnisse induziert werden.

Für Mitteleuropa bedeutet letzteres zum Freitag ein Zustrom der Luftmassen
oberhalb der Grenzschicht mehr aus nördlicher Richtung (LW-Trog), bodennah
weiterhin Meereskaltluft aus Nordwest mit noch etwas zurückgehender Temperatur
in 850 hPa (ca. -4 bis -7 Grad von Nord nach Süd). Interessant ist hierbei die
Anströmung der Alpen, wodurch dort die Niederschläge in fester Form intensiviert
werden dürften.

Im weiteren Verlauf fächert der Gradient allmählich auf und von Westen soll sich
zunehmend Hochdruckeinfluss (progressiver Rücken) durchsetzen und der LW-Trog in
Richtung Balkan abgedrängt werden. Hier ist die Progressivität fragwürdig,
aufgrund enormer Wellenamplitude und damit mehr Auswirkung der planetaren
Vorticity, die dem Backgound-Flow (in östlicher Ausbreitungsrichtung) mit
zunehmender westwärtiger Phasengeschwindigkeit entgegenwirkt.

Zumindest könnte dies für das kommende Wochenende insgesamt antizyklonale
Verhältnisse bedeuten, mit den üblichen Grenzschichtphänomenen und zunächst
wenig geänderten Temperaturverhältnissen, ggf. tagsüber etwas kühler, aber wohl
zumindest nachts deutlich frostiger (Mitte/Süden).

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der neue IFS-Lauf ist soweit konsistent zu den Vorläufen. Die GWL Nordwest
zyklonal bleibt bis Wochenmitte bestehen. Hiernach wölbt sich im Warm Conveyor
Belt (WCB) einer intensiven Tiefdruckentwicklung südlich von Grönland ein
veritabler Atlantischer Rücken (AtR) über dem Ostatlantik auf. Folglich dreht
über Mitteleuropa die Höhenströmung mehr auf nördliche Richtung, wobei im
Verlauf durch den eher progressiv simulierten Rücken der Hochdruckeinfluss von
Westen zunehmen soll. Diese Entwicklung wird auch von den Vorläufen angedeutet.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis Wochenmitte und auch darüber hinaus (bis Freitag) herrscht bei den
betrachteten Modellen (IFS, GFS, ICON) gute Übereinstimmung bezüglich Ausbildung
eines amplifizierten ostatlantischen Rückens als Folge der rapiden Zyklogenese
südlich von Grönland. Einzig die Amplifizierung und Progressivität des Rückens
wird recht unterschiedlich bewertet. ICON hält den Rücken bei großer Wellenlänge
am flachsten, wobei Mitteleuropa dann in einer nordwestlichen Höhenströmung
verbliebe. GFS hingegen lässt den LW-Trog recht schnell unter weiterer
Amplifizierung in Richtung Balkan verabschieden, mit nachfolgend West
antizyklonal (Wa).

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die gruppierten Cluster des IFS waren bis zum Redaktionsschluss dieser Übersicht
nur teilweise verfügbar, daher wird hier nur eine kurze Zusammenfassung gegeben.
Die Cluster der erweiterten Mittelfrist des IFS und auch von GEFS zeigen mit
etwa gleicher Memberverteilung sowohl eine erneute Zonalisierung zu Beginn der
übernächsten Woche (siehe Streuung Rauchfahnen weiter unten) als auch eine
längere antizyklonale Phase (Skandi-Blocking, weiterhin auch Ansätze des
Grönland-Skandi-Patterns). Vertreten sind vereinzelt auch Blockierungslösungen
für Mitteleuropa.

Bei den Rauchfahnen wird eine beliebige Flachlandstation in Norddeutschland,
zentral gelegen betrachtet. Interessant ist hierbei, dass die 850 hPa-Temperatur
bis Freitag bei relativ überschaubarem Spread um die -5 Grad liegt, zum
Wochenende bleiben Haupt- und Kontrolllauf in etwa auf diesem Niveau, die
meisten Member streuen allerdings deutlich nach oben (West zyklonal, Wz?). Beim
Niederschlag gibt es bis zum kommenden Wochenende täglich belastbare Signale, am
Wochenende ist bei Haupt- und Kontrolllauf kaum noch Niederschlag drin,
allerdings mit ähnlicher Streuung der Member hin (wie bei der 850
hPa-Temperatur) zu mehr Niederschlag. Das Geopotenzial auf 500 hPa sinkt zu
Wochenbeginn einheitlich ab, um dann zum Freitag wieder deutlich (Haupt- und
Kontrolllauf) anzusteigen. Allerdings besteht dann auch ein ordentlicher Spread
nicht weniger Member nach unten.

Die Aussagen aus den Rauchfahnen widersprechen den obigen Aussagen nicht, lassen
aber auch die angesprochenen Fragen offen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Bis zur Wochenmitte (v.a. Montag und Mittwoch) bis ins Flachland zeitweise
stürmisch, in Hochlagen orkanartige Böen. Kurze Gewitter mit Sturmböen sind mit
den Trogpassagen am Montag und Mittwoch v.a. im Norden und Nordwesten möglich.
Warnwürdige Niederschläge sind in der Nacht zum Dienstag, Mittwoch und
Donnerstag im Süden/Südosten denkbar, wohl meist in fester Form (ICON-EU-EPS,
IFS-EPS). Somit werden auch Wahrscheinlichkeiten für markanten Neuschnee in
Richtung Alpenrand angezeigt. Zum Freitag sind am Alpenrand auch Neuschneemengen
im Unwetterbereich möglich (IFS-EPS).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA-NAO, StratObserve

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz