S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.01.2023 um 10.30 UTC

Nach ruhigem Start vor allem am Montag ordentlich Bambule durch Wind und Sturm
bzw. stärkere Schneefälle in den Staulagen des Berglands.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 01.02.2023

Kaum zu glauben, aber wahr – der erste Monat des Jahres 2023 nähert sich mit
großen Schritten dem Ende entgegen. Besonders deutlich wird das in der
Mittelfrist, wo in den Wetterberichten bereits die ersten Februartage
abgehandelt werden. Langweilig war der Januar nicht: sehr mild gestartet mit
häufigen Regenfällen, dann allmähliche Konsolidierung respektive Annäherung an
den Winter, insgesamt wenig Grenzschichtgedöns. Und jetzt, die letzten Tage?
Sagen wir so, der Januar bleibt bis zum Schluss seiner Linie treu, heißt, es
gibt durchaus einiges zu erzählen.

Starten tut das Ganze am kommenden Samstag. Zu Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums präsentiert sich die Großwetterlage noch vergleichsweise
beschaulich, was an einem brückenartig anmutenden Azorenhochkeil liegt. Dieser
schiebt sich vom nahen Atlantik bis nach Mitteleuropa vor, wobei die zonal
exponierte Divergenzachse langsam von Nord nach Süd über Deutschland
hinwegwandert. Gestützt wird der Bodenkeil von einem ebenfalls zonal
ausgerichteten Höhenkeil, der sich ebenfalls in kleinen Schritten südwärts
verlagert. Folgerichtig verläuft der Start in die Rückrunde – die Rede ist
natürlich von der Fußballbundesliga – weitgehend antizyklonal mit nur wenigen
Schnee- oder Regenschauern. Eine Störung, konkret, eine teilokkludierte
Kaltfront eines Tiefs über Nordeuropa, die sich im Tagesverlauf leicht aufmüpfig
von Nordwesten her nähert, wird vom Hoch relativ problemlos weggeblockt. Etwas
Regen oder Schneeregen im äußersten Norden (vor allem in der Nacht zum Sonntag),
zu mehr reicht es nicht. Obwohl, ganz stimmt das nicht, nimmt doch der Südwest-
bis Westwind im Norden allmählich zu, was aber im Wesentlichen der
kontinuierlichen Gradientzunahme geschuldet ist.

Am Sonntag ist es dann allmählich vorbei mit der atmosphärischen Gemütlichkeit,
insbesondere im Norden und etwas zeitversetzt auch in der Mitte. Im Süden sorgt
noch recht lange der Hochkeil für ruhiges und trockenes Wetter mit
Auflockerungen, in den Alpen sogar für richtig viel Sonne. Ansonsten richtet
sich der Blick zusehends gen Norden auf die Nordostflanke des über dem nahen
Atlantik positionierten Azorenhochs. Von der Irminger See her zieht ein kleines
Sturmtief (um 12 UTC 980 hPa) zur Norwegischen See (und später weiter nach
Mittelskandinavien), wo gleichzeitig eine kernige Austrogung in der Höhe
stattfindet. Der Südwestwind nimmt immer weiter zu, erst an der Küste (Böen 8-9
Bft), später auch in der Norddeutschen Tiefebene (7 Bft). Zum Abend hin erreicht
dann das weitgehend durchokkludierte Frontensystem des o.e. Sturmtiefs den
Norden des Landes, um von dort in der Nacht zum Montag ganz geschmeidig in
Richtung Süden durchzumarschieren. Dabei kommt es von Nord nach Süd (nur südlich
der Donau wahrscheinlich noch trocken) zu Niederschlägen, die im Norden als
Regen, ab der Mitte zumindest anfangs als Schnee fallen. Im Bergland schneit es
durchweg, wobei natürlich von Vorteil ist, dass der weitgehend Okklusionsprozess
abgeschlossen ist und somit kaum noch Höhenwarmluft vorhanden ist.
Rückseitig der Front stößt der sich mächtig ins Zeug legende Höhentrog nach, der
seine Amplitude deutlich ausbaut und zudem eine Portion hochreichend kalter
Meeresluft polaren Ursprungs herantransportiert (T850 um -4°C, T500 um -33°C =>
Regen- und Graupelschauer sowie kurze Gewitter im Nordwesten).

Zu Beginn der neuen Woche erreicht die Front rucki-zucki die Alpen und nicht
minder schnell legt sich der Höhentrog über den gesamten Vorhersageraum, wobei
er aber leicht progressiv agiert. Mit anderen Worten, zwischen dem langsam in
Richtung Biskaya steuernden Azorenhoch und dem o.e., nach Südfinnland ziehenden
Sturmtief stellt sich bei uns eine lebhafte und hochreichende nordwestliche
Strömung (unten eher westlich, Stichwort ageostrophische Komponente) ein, die
ganz Deutschland mit labil geschichteter maritimer Polarluft flutet. Dabei
entwickeln sich zahlreiche, teils gewittrige Regen-, Graupel- und Schneeschauer
(Letztere vornehmlich im Bergland). Vor allem an den Alpen, teils aber auch an
den West- und Nordwesträndern der Mittelgebirge stellt sich solider Stau ein, wo
es längere Zeit schneit. Bei guter bis sehr guter Durchmischung dürfte die
Schneefallgrenze bei etwa 400 bis 600 m anzusetzen sein. Darüber könnte es für
rund 10 cm (lokal vielleicht um 15 cm), teils verwehten Neuschnee reichen. Noch
mehr wird für den Alpenrand simuliert, allerdings gilt es hier noch etwas
abzuwarten. So ist doch gerade bei mittelfristigen Niederschlagsprognosen häufig
eine Überzeichnung festzustellen, die in den Folgesimulationen (also mit
zunehmender Annäherung des Ereignisses) nach und nach runterreduziert wird.
Unstrittig ist, dass ein starker bis stürmischer West-Nordwestwind unterwegs ist
(Schwerpunkt Norden und Osten), der im höheren Bergland Sturm- bis Orkanböen (je
nach Höhe und Exposition), an der Küste mindestens Sturmböen erreicht (inkl.
Sturmflutgefahr an der Nordsee).

Am Dienstag zieht sich der Höhentrog aus Deutschland zurück in Richtung
östliches Mitteleuropa. Da aber der Rücken über Westeuropa bzw. dem nahen
Atlantik keine Ambitionen hegt, das entstehende „Vakuum“ auszufüllen, stellt
sich bei uns eine ziemlich glatte nördliche Höhenströmung ein. Diese führt in
der mittleren und oberen Troposphäre deutlich mildere Luft heran, während es
niedertroposphärisch zunächst noch recht kalt bleibt (T850 um 12 UTC -6 bis
-9°C). Die Bodenströmung dreht zurück auf West und büßt dabei deutlich an
Substanz ein. Gleichwohl wird auch der Dienstag in vielen Regionen ein windiger,
aber kein stürmischer Tag mehr. Darüber hinaus geht die Staulage an den Alpen
allmählich zu Ende und auch sonst geht die Schaueraktivität zurück, ohne
allerdings gänzlich zum Erliegen zu kommen.

Kurz noch ein Blick auf den Mittwoch, der im Süden einen schwachen Hochkeil
zeigt, während der Rest des Landes von einem über Südskandinavien ziehenden
Randtief und dessen Ausläufer (wahrscheinlich Warm- und Kaltfront) traktiert
wird. Bei steigenden Temperaturen fällt zeit- und gebietsweise Regen, die
Schneefallgrenze steigt bis in die Kammlagen der Mittelgebirge. Ob sich danach
eine milde und windige zyklonale Westlage durchsetzt, wie der Hauptlauf des IFS
signalisiert, bleibt abzuwarten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Betrachtet man die Basisfelder der jüngsten Läufe von IFS (ECMF), so lässt sich
eine gute bis sehr gute Kongruenz feststellen. Kurzum, die Modellkonsistenz ist
überaus zufriedenstellend. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die
Unterschiede zum Ende des Mittelfristzeitraums etwas zunehmen – völlig normal.
Von daher können die Wetterberichte der vergangenen Tage – abgesehen von einigen
Details – fortgeschrieben werden.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis zum Beginn der neuen Woche simulieren die anderen Globalmodelle (ICON, GFS,
GEM, UK10) die beschriebenen Abläufe sehr ähnlich. Kleinere Unschärfen bewegen
sich meist im Rahmen der üblichen Prognoseunsicherheit und berechtigen
grundsätzlich nicht zu einer Änderung des Wetterberichts. Im weiteren Verlauf
der Woche fällt auf, dass vor allem das deutsche ICON ausschert. Schon die
Austrogung und die Stauniederschläge zu Beginn fallen schwächer aus, aber noch
putziger wird es am Dienstag. Dann nämlich soll ein kleines Sturmtief von der
nördlichen Nordsee via Jütland nach Polen ziehen, was in Teilen Deutschlands
eine veritable Sturmlage bedeuten würde. Allein die Unterstützung der anderen
Modelle fehlt, die es tendenziell mehr mit IFS halten. Mal sehen, was in den
nächsten Simulationen von diesem Tief übrigbleibt.

FAZIT: Nimmt man ICON aus dem Modell-Portfolio heraus, steht die Vorhersage
deterministisch auf einem relativ soliden Sockel. Das heißt auf der anderen
Seite aber nicht, dass die ICON-Variante zwingend falsch sein muss.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

RAUCHFAHNEN:
Bis einschließlich Montag sehen die Rauchfahnen von IFS-EPS eigentlich ganz gut
aus. Die Entwicklung, die der Hauptlauf beschreibt, spiegelt sich in den
Ensembles deutlich wider, größere Ausschläge oder gar abweichende Szenarien sind
nicht erkennbar. Noch nicht ganz sicher scheint die Tiefe des „Potenziallochs“
am kommenden Montag zu sein. Zwar lassen die meisten Ensemblemitglieder einen
deutlichen Rückgang von Pot500 erkennen. Es gibt aber auch ein paar
Einzellösungen, die nur einen geringen Potenzialverlust erkennen lassen,
insbesondere im Süden. Dies entspräche der o.e. ICON-Lösung, die ja mit einem
deutlich geringer amplifizierten Höhentrog aufwartet.
Sei es wie es sei, je weiter wir auf der Zeitachse nach rechts gehen, desto
größer wird die Streuung. Vom Trend her deutet sich eine Erwärmung an, während
beim Potenzial nicht klar ist, wohin die Reise geht (anfangs nach oben, aber
dann?). Begleitet wird das Ganze von einem Grundrauschen beim Niederschlag.

CLUSTER:
T+72…96h (Samstag/Sonntag): Drei Cluster, aber kaum erkennbare Unterschiede.
Alle im Regime „Blockierung“.

T+120…168h (Montag bis Mittwoch): Drei Cluster, vergleichsweise geringe
Unterschiede. Alle drei mit Trogpassage mit nachfolgender nordwestlicher
Höhenströmung, mehrheitlich antizyklonal (CL 1 und 3 mit insgesamt 36 Fällen +
HL/KL). Alle Cluster im Regime „Atlantischer Rücken“).

T+192…240h (ab Freitag): Anstieg auf fünf Cluster mit zunehmender Streuung der
Muster UND der zugeordneten Regime. Mit etwas Fantasie ein gemeinsamer Nenner in
Richtung Wa (West antizyklonal oder nördliche Westlage), aber auch Neuauflage
TrM (Trog Mitteleuropa) vertreten (allerdings nur im Außenseitercluster 5 mit 5
Fällen).

FAZIT: Bis Montag passt die Probabilistik gut zu den deterministischen
Prognosen. Je weiter es in die kommende Woche geht, desto unsicherer wirdŽs.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Hier steht vor allem der nächste Montag im Fokus, an dem es synoptisch aus
zweierlei Gründen sehr interessant wird:

WIND/STURM:
Bereits im Laufe des Sonntags frischt der westliche Wind von Norden her auf, um
in der Nacht zum und am Montag selbst seinen Höhepunkt zu feiern. Los geht’s an
der Küste sowie im höheren Bergland (außer im Süden), wo zunehmend stürmische
Böen oder Sturmböen 8-9 Bft auf den Plan treten. In der Nacht zum Montag sind an
der Nordsee sowie auf einigen exponierten Kämmen und Kuppen schwere Sturmböen 10
Bft, auf dem Brocken die ersten orkanartigen Böen 11 Bft drin.
Tagsüber wird es dann im ganzen Land windig bis stürmisch. Im Norden und in der
Mitte sowie in Teilen der Mitte Böen 8-9 Bft, an der Küste 8 bis 10 Bft, im
Bergland je nach Höhe und Exposition 8 bis 11 Bft, mit geringer
Wahrscheinlichkeit 12 Bft (reiner Orkan).
Am Dienstag lassen Wind und Sturm nach, gleichwohl sind auf den Bergen sowie an
der See weiterhin Böen 8 bis 9 Bft, vereinzelt 10 Bft drin.

SCHNEE/VERWEHUNGEN:
Am Montag stellt sich an den Alpen eine Staulage ein, bei der durchaus 10 bis
20, lokal vielleicht bis an die 30 cm Neuschnee fallen können. Auch an den West-
und Nordwesträndern einiger Mittelgebirge können etwas mehr als 10 cm innert 12
Stunden zusammenkommen. Durch den stürmischen Wind muss vor allem in höheren und
in freien Lagen mit Schneeverwehungen gerechnet werden.
Am Dienstag werden die Schneefälle im Bergland schwächer, mit geringer
Wahrscheinlichkeit reicht es am Alpenrand aber für weitere 10 cm Neuschnee.

GEWITTER:
Mit Übergreifen den Höhentroges sind vereinzelte kurze Graupelgewitter drin, die
aber recht knackig ausfallen können (zum Graupel kommen noch Böen 8 bis 9 Bft
dazu).

Basis für Mittelfristvorhersage
Aufgrund der abweichenden Simulation von ICON basiert die Vorhersage im
Wesentlichen auf IFS-MOS und IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann