SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.01.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Bis Mittwoch ruhiges Hochdruckwetter mit Fokus auf Grenzschichtproblematik. In
der Nacht zum und am Donnerstag mit Kaltfrontpassage leichte Niederschläge –
teils Schnee, teils Glatteisregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … erstreckt sich – ausgehend von einer umfangreichen Höhenantizyklone
mit Schwerpunkt über dem nahen Ostatlantik – ein zonal orientierter Höhenkeil
über die Britischen Inseln und die Nordsee hinweg bis nach Südskandinavien. Im
Laufe der Nacht weitet er sich noch etwas nach Osten aus, während dessen
Divergenzachse aber nahezu quasistationär knapp nördlich des Vorhersagegebietes
verläuft. Somit dominieren über Deutschland weiterhin Absinken und ruhiges,
winterlich geprägtes Hochdruckwetter, wobei typischerweise für solche Lagen
prognose- und warntechnisch die Grenzschichtproblematik im Fokus steht.
Die zugehörige Hochdruckzone im Bodenfeld erstreckt sich vom Westen Russlands
über Mitteleuropa bis zum Süden der Britischen Inseln, wobei deren
Divergenzachse im Laufe der Nacht zögernd auf den äußersten Norden Deutschlands
übergreift. Sie verstärkt sich noch ein wenig, die 1040 hPa-Kernisobare wird
sich somit Dienstagfrüh über weite Teile Norddeutschlands erstrecken, wobei die
vorliegenden Modelle für heute tagsüber etwas zu niedrige Druckwerte simuliert
haben.
Der Hochdruckzone steht ein umfangreicher und inzwischen mit mehreren
Drehzentren ausgestatteter Tiefdruckkomplex über dem westlichen Mittelmeerraum
gegenüber. An dessen Nordflanke hat sich – nicht zuletzt auch orographisch
getriggert – über Süddeutschland ein veritabler Druckgradient aufgebaut. Vor
allem in den Kamm- und Gipfellagen der süddeutschen Mittelgebirge sowie im
Südwesten weht lebhafter Wind aus Ost bis Nordost. Von Südbaden über
Oberschwaben bis ins Oberallgäu gibt es selbst in tiefen Lagen starke bis steife
Böen (Bft 6 bis 7), in den Hochlagen sind auch stürmische Böen (Bft 8) dabei, in
den Gipfellagen des Schwarzwaldes Sturm-, auf dem Feldberg schwere Sturmböen
(Bft 9 bis 10). Dazu gesellen sich in freien Lagen Schneeverwehungen, vor allem
dort, wo sich der relativ frisch gefallene Schnee noch nicht gesetzt hat.
Unterstützend insbesondere für die Gipfellagen wirken dazu lokale Low Level Jets
knapp unterhalb der markanten Absinkinversion, die im Laufe der Nacht auch in
Süddeutschland allmählich auf unter 850 hPa sinkt, im Norden und in der Mitte
liegt sie bei etwa 900 hPa.
Im Laufe der Nacht zieht sich das Mittelmeertief allmählich etwas nach Süden
zurück und füllt sich etwas auf. Somit fächert der Gradient über Süddeutschland
auf und zumindest in den Niederungen flaut der Wind nach und nach ab. In den
Hochlagen dauert das Ganze aufgrund der Low Level Jets allerdings etwas länger
und es kann noch bis in den Dienstagvormittag hinein stürmische Böen, auf dem
Feldberg Sturmböen geben.
Im Rest des Landes verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig. Mit dem Ost- bis
Nordostwind staut sich die advehierte bodennah recht feuchte und kalte Luftmasse
vor allem im Luv vom Harz, Thüringer Wald und Erzgebirge, so dass es dort bei
teils sehr schlechten Sichten häufiger mal leichten Schneegriesel bzw.
Sprühregen gibt, wobei Glättegefahr besteht. Auch im Rest des Landes bleibt es,
abgesehen von einzelnen größeren Lücken (aktuell vor allem in Franken und im
Rhein-Main-Gebiet), die im Laufe der Nacht eher wieder kleiner werden, meist
bedeckt. Deshalb gibt es zwar verbreitet leichten Frost, aber halt nicht
überall. Vor allem in einigen Niederungen West- und Südwestdeutschlands sowie
örtlich an der Küste verläuft die Nacht frostfrei. Hier und da kann etwas
Schneegriesel oder (gefrierender) Nieselregen aus der Wolkendecke fallen.

Dienstag … kommen sowohl Höhenkeil als auch die Hochdruckzone am Boden etwas
nach Süden voran, wobei deren Divergenzachse zu Tagesende in etwa über der
Norddeutschen Tiefebene verläuft. Somit dreht der Wind an den Küsten und in
Schleswig-Holstein im Tagesverlauf allmählich über Nord auf westliche Richtungen
und bleibt schwach, was für eventuelle Auflösungstendenzen der hochnebelartigen
Bewölkung nicht grade förderlich ist.
Somit bleibt es in weiten Teilen des Landes überwiegend stark bewölkt bis
bedeckt. Die Chancen auf größere Lücken sind wohl im Bereich der Divergenzachse
des Hochs (stärkstes Absinken), also über der Norddeutschen Tiefebene, sowie
knapp südlich davon, nämlich in etwa von NRW bzw. dem südwestlichen
Niedersachsen bis ins Rhein-Main-Gebiet, am größten, vielleicht auch im Lee, der
ostbayerischen Mittelgebirge. Im Luv der zentralen und östlichen Mittelgebirge
bleibt es dagegen teils neblig trüb und es kann hier und da auch etwas nieseln
oder Schneegriesel geben, aufgrund des tendenziell schwächer werdenden Windes
aber wohl noch weniger als am Vortag. Auch im Schwarzwald sollte der Wind
spätestens ab den Mittagsstunden nicht mehr warnrelevant sein.
Die Temperatur vollzieht keine großen Sprünge. In den Mittelgebirgen knapp
unterhalb der Inversion tut sie sich sehr schwer, den Gefrierpunkt zu
überschreiten, ansonsten werden etwa 1 bis 4 Grad erreicht, bei etwas Sonne bis
zu 6 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich ein Höhentrog aus dem
grönländisch-isländischen Raum Richtung Norwegische See und kann sich dabei
aufgrund kräftiger rückseitige KLA intensivieren. Dadurch wird unser Höhenkeil
von Norden her in die Zange genommen, etwas nach Süden abgedrängt und greift auf
Norddeutschland über. Die Hochdruckzone im Bodenfeld schwächt sich etwas ab und
deren Divergenzachse befindet sich Mittwochfrüh ziemlich genau über der Mitte
des Landes, so dass sich generell schwachgradientige Druckverhältnisse
einstellen. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung dichter
Bodennebelfelder innerhalb der nach wie vor feuchten Grundschicht vor allem
dort, wo der Tag aufgelockert bis gering bewölkt verlief, nämlich in Teilen
Westdeutschlands und im Bereich der Norddeutschen Tiefebene. Ansonsten ändert
sich aber nur wenig, vielerorts hält sich die Hochnebeldecke, aus der aber nur
stellenweise etwas Schneegriesel bzw. (gefrierender) Nieselregen fällt. Bei
länger aufgelockerter Bewölkung kann es bis auf nahe -5 Grad abkühlen, in
einigen Alpen- und Mittelgebirgstälern auch darunter. Unter dichten Wolken
liegen die Tiefstwerte meist zwischen +2 und -3 Grad.

Mittwoch … kommt im Tagesverlauf endlich mal wieder Bewegung ins
Wettergeschehen hierzulande, zunächst allerdings nur im äußersten Nordwesten.
Ursache ist der bereits weiter oben erwähnte zunehmend markante Höhentrog, der
unter Amplifizierung im Tagesverlauf auf die Nordsee übergreift. Der
vorgelagerte Höhenkeil wird nun etwas rascher nach Süden abgedrängt und
abgebaut, zu Tagesende befindet er sich in etwa über den mittleren Landesteilen,
so dass die Höhenströmung über dem äußersten Norden des Landes allmählich auf
Südwest dreht und zunehmend diffluent konturiert ist.
Die Hochdruckzone im Bodenfeld wird ebenfalls rasch abgebaut, aber nur wenig
nach Süden abgedrängt und bleibt somit für weite Teile des Landes
wetterbestimmend. Nachmittags und abends weht somit nur noch im äußersten Süden
schwacher Ostwind, in der Mitte bleibt es schwachwindig, im Nordwesten und
Norden frischt dagegen der Wind im Vorfeld der dann auf die mittlere Nordsee
übergreifenden Kaltfront eines Tiefs über der Barentssee am Nachmittag und Abend
aus Südwest auf. Zum Abend hin könnte es auf Helgoland und Sylt steife Böen
geben.
Wettertechnisch ändert sich in weiten Teilen des Landes gegenüber dem Vortag nur
wenig. Vielerorts hält sich dichte Bewölkung bzw. Hochnebel und es bleibt
weitgehend trocken. Erneut bekommt der Hochnebel aber gebietsweise wieder
größere Lücken und die Sonne kommt durch, am ehesten wohl im Westen und in der
Mitte. Im Nordwesten zieht dagegen über dem eventuell noch vorhandenen
Nebel/Hochnebel im Tagesverlauf frontales Gewölk auf und eventuell fällt an der
Nordsee (ostfriesische Inseln, Helgoland, Nordfriesland) am Abend auch schon
etwas Regen.
An den Höchstwerten ändert sich gegenüber dem Vortag nur wenig.

In der Nacht zum Donnerstag kommt der Höhentrog zunächst noch bis zur östlichen
Nordsee, Benelux und Nordwestfrankreich voran, an dessen Südspitze wird aber
ausgangs der Nacht über Frankreich ein Abtropfprozess eingeleitet. Zudem drängt
vom Nordostatlantik ein mächtiger Höhenrücken nach, so dass der Trog nicht nur
eingebremst wird, sondern auch deutlich an Kontur verliert. Morgens erreicht
dessen Achse Schleswig-Holstein und das nordwestliche Niedersachsen.
Die vorgeschaltete Kaltfront greift im Laufe der Nacht auf Nordwestdeutschland
über, wobei die frontalen Niederschläge bis Donnerstagfrüh in etwa eine Linie
Hunsrück-Westerwald-Weserbergland-Westmecklenburg erreichen. Sie fallen zunächst
als Regen, wobei je nach vorheriger Auskühlung auch die gefrierende Phase
denkbar ist, vor allem am Nordrand der Mittelgebirge. Später gehen sie aber mit
der Niederschlagsabkühlung bzw. Advektion niedertroposphärisch etwas kühlerer
Luftmassen (T850 hPa sinkt von 0 auf etwa -2 bis -4 Grad, so dass eventuelle
„warme Nasen“ vielleicht eliminiert werden) zumindest teilweise in Schnee über.
Wann wo welche Phase fällt, ist aber noch unklar, da auch Übergreifen und
Vorankommen der Niederschläge nach wie vor mit gewissen Modelldifferenzen
simuliert werden. Dennoch ist gebietsweise zumindest markantes Glatteis nicht
von der Hand zu weisen und Unwetter nicht ausgeschlossen. Die Folgeläufe werden
sicherlich mehr Aufschluss darüber geben.
Der Wind frischt mit Frontpassage vorübergehend etwas auf und dreht postfrontal
von Südwest auf Nord, wobei es für warnrelevante Böen, wenn überhaupt, nur über
der Nordsee reicht.
Im Rest des Landes ändert sich gegenüber den Vornächten dagegen nur wenig. Es
bleibt vielerorts trüb und bedeckt durch Nebel/Hochnebel, mancherorts aber auch
aufgelockert bewölkt. Im Nordwesten verläuft die Nacht frostfrei, ansonsten
liegen die Minima – je nach Bewölkung – zwischen +1 und -5 Grad, in einigen
Mittelgebirgs- und Alpentälern kann es bei aufgelockerter Bewölkung über Schnee
auch deutlich kälter werden.

Donnerstag … tropft die Südspitze des Troges endgültig ab, das daraus
resultierende Cut-Off-Tief wird in das Zirkulationssystem des nach wie vor
quasistationären Höhentiefs über dem westlichen Mittelmeerraum eingebunden. Das
Trogresiduum kommt im Tagesverlauf über Nordwestdeutschland nur sehr zögernd
ostsüdostwärts voran, ähnliches gilt für die vorgeschaltete (maskierte)
Kaltfront, die abends in etwa Nordbaden, den Main und die Lausitz erreicht. Mit
Annäherung des Höhenrückens gerät sie von Nordwesten her rasch unter
Druckanstieg und verliert zunehmend an Wetterwirksamkeit. Vor allem vormittags
fällt in der Mitte noch gebietsweise gefrierender Regen, danach sollte sich die
Lage aber entspannen, da die Niederschläge einerseits teilweise in Schnee
übergehen, andererseits aber postfrontal mit einem durchaus vorhandenen
Gradienten mildere Nordseeluft advehiert wird.
Im Nordwesten bleibt es bereits meist trocken und die Wolken lockern zeitweise
auf, im Südosten wird dagegen präfrontal die Hochnebeldecke etwas angehoben, so
dass es hier und da etwas Schneegriesel oder (teils gefrierenden) Nieselregen
geben kann.
Der Wind weht vor allem an den Küsten zeitweise lebhaft aus nördlichen
Richtungen, ist aber wohl nicht oder höchstens an exponierten Abschnitten der
vorpommerschen Küste warnrelevant. Die Temperaturen steigen im Nordwesten auf
Werte zwischen 4 und 7 Grad, sonst auf 0 bis 4 Grad, in einigen Regionen
Süddeutschlands kann es auch leichten Dauerfrost geben.

Modellvergleich und -einschätzung

Bis Mittwoch simulieren die Modelle sehr einheitlich. Das Übergreifen der
Kaltfront ab der Nacht zum Donnerstag ist ebenfalls unstrittig. Allerdings gibt
es noch kleinere Differenzen bzgl. des Timings und der Intensität bzw. die Phase
der auftretenden Niederschläge. Diese Problematik wurde im Text bereits
angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff