#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Donnerstag den 19.01.2023 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 19.01.2023 um 10.30 UTC
Am Wochenende NEz (Nordost zyklonal) mit Schneefällen von Ost nach West. Danach
Übergang zu BM (Brücke Mitteleuropa). Ab Wochenmitte von Nordwesten her wieder
zyklonaler, insgesamt aber noch größere Unsicherheiten.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 26.01.2023
Der Beginn der Mittelfrist am kommenden Sonntag startet – etwas martialisch
ausgedrückt – mit einem echten winterlichen Paukenschlag. Freilich könnte man
auch weit nüchterner formulieren, etwa „es ist Winter und es schneit, na und“.
Egal, welche Ausdrucksweise man bevorzugt, viel wichtiger ist doch, was am
Sonntag tatsächlich abgeht. Und da muss schlichtweg konstatiert werden, dass es
gerade in den Wintern der Neuzeit keine Selbstverständlichkeit ist, dass es so
flächendeckend schneit wie an diesem Tag.
Womit wie bei der Wetterlage wären, die geprägt ist vom südlich der Alpen
abgetropften Höhentrog, unter dem wir schon die ganze Woche verbracht haben und
auch noch verbringen. Ausgehend vom Drehzentrum über den Tyrrhenischen Meer
erstreckt sich am Sonntag noch immer ein weitläufiger Trog in nördliche und
nordöstliche Richtung. In diesem Trog formiert sich nun ein relativ scharf
geschnittener Randtrog, der sich von Osten her dem Vorhersageraum nähert. Unter
seiner Westflanke befindet sich ein kleines Bodentief, das am Morgen unweit des
Dreiländerecks PL/CZE/D liegt und im Tagesverlauf nur sehr, sehr schleppend bis
in die Mitte Deutschlands vorankommt. Dass sich das Bodentief so schwertut, bei
uns einen Fuß in die Tür zu bekommen, liegt an der Hochdruckbrücke, die das
Azorenhoch mit einem Russlandhoch verbindet und dabei u.a. auch über die
Nordwesthälfte unseres Landes verläuft. Auf alle Fälle lässt sich in den
Vertikalsondierungen eine schöne Rechtdrehung des Windes mit der Höhe erkennen
(von Nordwest auf Nordost), die ein notweniger Indikator für WLA darstellt. Dazu
gesellt sich noch trogvorderseitige PVA, so dass die Voraussetzungen für
flächige synoptisch-skalige Hebung kaum besser sein könnten. Kurzum, bereits im
Laufe des Samstags setzen von Osten her stratiforme Schneefälle ein, die sich in
der etwa bis zu einer Linie Ostniedersachsen-Osthessen-Schwarzwald ausbreiten
und im Osten sowie in der östlichen Mitte deutlich verstärken sollen (10 cm oder
auch mehr im Erzgebirge oder im Thüringer Wald sind nach heutigem Stand locker
drin). T850 liegt am Morgen mit Ausnahme des etwas wärmeren (aber auch
niederschlagsfreien) Nordwestens zwischen -6 und -10°C, so dass davon
ausgegangen werden kann, dass der Schnee auch bis ganz nach unten und nicht nur
im Bergland fällt. Lediglich im Nordosten, wo der auffrischende nördliche Wind
für einen gewissen Wärmeeinschub von der Ostsee her sorgt, kann es auch regnen
oder schneeregnen respektive ziemlich nasser Schnee fallen.
Im Laufe des Sontags kommt die ganze Schose noch etwas weiter nach Westen voran,
wobei sich die Niederschläge aber kontinuierlich abschwächen. Der äußerste
Westen und Nordwesten, grob von der Kölner Bucht bis zur Deutschen Bucht, bleibt
von den Schneefällen wahrscheinlich ausgespart und auch im Osten und Südosten
kommen nicht mehr allzu viele Flocken runter. Das könnte sich in der Nacht zum
Montag noch mal ändern, wenn von Polen her ein kleiner „Nachzüglerrandtrog“
übergreift und dabei etwas Hebung generiert (noch unsicher).
Zu Beginn der neuen Woche steigt der Luftdruck merklich an und auch das
Geopotenzial meldet erste zaghafte Zugewinne. Das kleine Tief wird somit von der
o.e. Hochdruckbrücke geschluckt, die sich von Nordwesten her zunehmend über den
gesamten Vorhersageraum legt. Am Ende des Tages verläuft die Divergenzachse
westsüdwest-ostnordost-orientiert mitten über Deutschland. Abgesehen von den
Resten der o.e. nächtlichen Schauer sowie anfänglich leichtem Geflöckel im
Westen und Südwesten, stehen keine Niederschläge mehr auf der Agenda.
Vornehmlich durch Absinken steigt T850 merklich an (=> Inversion). Am Ende des
Tages liegen die Werte verbreitet nur noch bei 0°C, lediglich ganz im Süden
bleibt es noch etwas kälter.
Der Dienstag steht klar im Zeichen der Brücke, deren Divergenzachse sich kaum
noch verschiebt und durch einen von Nordwesten hereinschwenkenden Höhenkeil
zunehmend gestützt wird. Die Ränder – sprich der äußerste Nordwesten und
Südosten – zeigen sich allerdings leicht störanfällig. Ob sich das nur in mehr
oder weniger dichten Wolkenfeldern äußert oder sogar etwas Niederschlag fällt,
steht noch nicht fest. Auch innerhalb der Brücke ist nicht nur Affenhochglanz
angesagt. Teils hält sich noch zähe, tiefe Restbewölkung der Vortage, teils
könnte Hochnebel in die antizyklonale Suppe spucken.
Ab Mittwoch wird die Vorhersage zusehends unsicherer (siehe auch nächstes
Kapitel). Es kommt die Frage auf, wie resistent und widerstandsfähig die
Hochdruckbrücke und der darüberliegende Höhenkeil gegen zyklonale Störversuche
aus Nordwesten sind. Der aktuelle 00-UTC-Lauf versucht es gleich mit zwei
Okklusionen eines skandinavischen Tiefdrucksystems, die sich zumindest bis in
den Norden und Westen des Landes vorarbeiten sollen. Der nachfolgende Höhentrog
soll dann allerdings westlich von uns abtropfen, was als Indiz für eine gewisse
Blockhärte der Antizyklone zu werten ist. Trotzdem, IFS simuliert Niederschlag,
der als Regen, gefrierender Regen mit Glatteis und Schnee fallen kann.
In der erweiterten Mittelfrist ab Freitag soll uns ein neuer Hochkeil von Norden
her beehren, der aber rasch nach Süden durchgewunken wird. Danach, also im Laufe
des Wochenendes, deutet sich dann mit einer gesunden Portion Fantasie sogar die
Neuauflage einer zyklonalen Westlage an. Warten wirŽs ab…
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Im Großen und Ganzen lässt sich dem IFS vom ECMF ein gutes Konsistenzzeugnis
ausstellen. Erst zum Ende hin, also ab Mitte nächster Woche, nimmt die
Unsicherheit zu. Ursache sind die Tiefdruckstörungen, die von Westen und
Nordwesten kommend die zuvor bei uns aufgebaute Hochdruckbrücke wieder einreißen
wollen. Timing und auch Intensität der Störungen variieren von Modelllauf zu
Modelllauf, was sich natürlich auf die Prognosebelastbarkeit niederschlägt.
Noch ein Wort zum Sonntag (nicht zu verwechseln mit der legendären
Samstagabendsendung in der ARD): Die Chancen, dass die von Osten aufkommenden
Schneefälle recht weit nach Westen ausgreifen, sind wieder etwas gestiegen.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Ähnliche Aussagen wie bei der Konsistenzbetrachtung lassen sich auch auf den
Modellvergleich übertragen. So sehen die Basisfelder sehr ähnlich aus und auch
der oben beschriebene Ablauf lässt sich überall wiederfinden (erst Schneefälle
von Osten, dann Brücke mit Randprozessen, zum Ende hin von Nordwesten
zyklonaler). Hinsichtlich der Schneefälle am Sonntag (und der Nacht davor) fällt
auf, dass UK10 von allen Globalmodellen der Vertreter ist, der die räumliche
Ausdehnung nach Westen am defensivsten rechnet. Dass am Ende jedes Modell etwas
andere Vorstellungen davon hat, wie der Hochdruckbrücke beizukommen ist, ist
normal.
FAZIT: Auf deterministischer Basis ist die Vorhersage bis Dienstag recht gut
belastbar. Danach wird es immer unsicherer.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
RAUCHFAHNEN:
Bis einschließlich Dienstag zeigen die IFS-EPS-Rauchfahnen einen relativ
gutmütigen Verlauf. Sprich, die Kurvenschar ist einigermaßen eng gebündelt, der
Spread hält sich in Grenzen. Etwas unsicher ist allerdings noch, wie kalt es auf
850 hPa am Wochenende wirklich wird und wie stark die nachfolgende (unstrittige)
Erwärmung ausfällt. Im weiteren Verlauf beginnen die Kurvenscharen deutlicher zu
divergieren, was Aussagen auf die genaue Temperatur- und Potenzialentwicklung
schwierig machen. Auffallend ist auf alle Fälle die nach der kurzen Pause zu
Wochenbeginn wieder aufflammende Niederschlagstätigkeit, die in allen Regionen
erkennbar ist.
CLUSTER:
T+72…96h (Sonntag/Montag) liegen drei Cluster vor, die sich nur in Nuancen
unterscheiden. Bei uns betrifft das die Progression des kleinen, von Osten
übergreifenden (Schnee)Tiefs, die geringfügig variiert. Für den Wetterbericht
verwertbare Information lassen sich daraus kaum ableiten bis auf die Aussage,
dass die räumliche Ausdehnung der Schneefälle noch immer kleine Unschärfen
aufweist.
Von Dienstag bis Donnerstag (T+120…168h) erhöht sich die Anzahl der Cluster auf
vier. Alle sind dem Regime „Blockierung“ zugeordnet. Nur CL 1, in dem sich auch
der Haupt- und Kontrolllauf befinden, zeigt am Ende das Muster „Atlantischer
Rücken“. Trotzdem, gerade anhand der Bodendruckfelder kann man sehr gut
erkennen, wie die Hochdruckbrücke zum Ende hin von Nordwesten mal mehr, mal
weniger malträtiert wird.
Ab Freitag (T+192…240h) reduziert sich die Clusterzahl wieder auf drei. Alle
deuten von Nordwesten her einen neuen Rücken bzw. eine neue Hochdruckzone. In CL
3 (16 Fälle) ist diese am dickfälligsten (bleibt also vor Ort), in CL 2 (17
Fälle) am progressivsten auf ihrem Weg nach Süden und in CL 1 (18 Fälle + HL/KL)
läuft es auf einen Mittelweg hinaus (vor allem im Norden wieder zyklonaler).
FAZIT: Bis Dienstag passt es einigermaßen, danach wird es unsicher. Wussten wie
schon.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Der meiste Schnee des Wochenendes fällt bereits in der Nacht zum Sonntag und
gehört damit per definitionem noch in die Kurzfrist. Es soll an dieser Stelle
aber nicht unerwähnt bleiben, dass vor allem die östlichen Mittelgebirge dabei
eine ordentliche Packung abbekommen dürften mit mehr als 10, vielleicht sogar 20
cm abbekommen, Verwehungen inklusive (die natürlich noch höhere Schneemengen
suggerieren können). Im Laufe des Tages nimmt die Intensität ab und danach
stellt sich erst mal Hochdruckeinfluss ein. Gebietsweise Dauerfrost (MOS
wahrscheinlich zu warm), nachts auch mal strenger Frost – nun gut, wir haben
Winter, Hochwinter.
Ob dann am Mittwoch so Schweinereien wie gefrierender Regen mit Glatteis in
Teilen des Landes Mensch und Meteorologen traktieren, muss noch abgewartet
werden.
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix und IFS-Mix (ab Montag jeweils mit etwas reduzierter Temperatur), dazu
IFS-EPS und Modellmix ergibt am Ende ein solides Wintermix.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann