S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 17.01.2023 um 10.30 UTC

Entgegen gestriger Simulationen am Wochenende von Osten her wahrscheinlich
Schneefall. Intensität und räumliche Ausdehnung noch unsicher. Mäßig kalt.
Danach zunehmender Hochdruckeinfluss.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 24.01.2023

Wettervorhersage ist und bleibt eine spannende und hochinteressante Materie, wie
die heutige Mittelfristprognose einmal mehr illustriert. Sah es gestern noch so
aus, dass sich ab dem Wochenende eine Hochdruckbrücke über Mitteleuropa
respektive Deutschland etablieren würde, scheint sich das Ganze nun nach hinten
verschieben. So könnten vor allem der kommende Samstag und Sonntag aus heutiger
Sicht weitaus zyklonaler und auch winterlicher ablaufen, aber der Reihe nach.

Starten wir mit dem kommenden Freitag, der auch nicht ganz uninteressant zu
verlaufen scheint. Noch immer liegen wir unter einem vergleichsweise breiten,
sich vom Nordpolarmeer bis hinunter zum westlichen und zentralen Mittelmeer
erstreckenden LW-Trog, der mit hochreichender Kaltluft (T500 um -36°C, T850 um
-7°C) angefüllt ist. Aufgrund seiner mordsmäßigen Amplitude verwundert es nicht,
dass südlich der Alpen Vorbereitungen für einen anstehenden Abtropfprozess
getroffen werden, der dann spätestens am Samstag auch über die Bühne gegen
dürfte. Viel wichtiger als das ist aber die Tatsache, dass auf der Rückseite des
Troges mit nördlicher Strömung ein kurzwelliger Anteil von der Nordsee her auf
NW-Deutschland übergreift. Dabei interagiert die kurze Welle mit einem kleinen
Polartief („polar low“), schon dem zweiten innert weniger Tage (die #1, seines
Zeichens INGO, wird uns schon am Mittwoch beschäftigen, siehe dazu Synoptische
Übersicht Kurzfrist). Der Polarwirbel zieht von der Deutschen Bucht entlang der
Grenze zu den Niederlanden und Belgien südwärts. Dabei wickeln sich konvektive
Niederschlagsbänder um den Tiefkern, die Teilen West- und Nordwestdeutschlands
Schauer in Form von Schnee, Schneeregen und Regen bringen. Etwas Schnee fällt
auch im äußersten Süden und Südosten, was leichten Aufgleitprozessen auf der
Nordflanke einer vom zentralen Mittelmeer bis zum Balkan reichenden
Tiefdruckzone geschuldet ist.

Am Samstag erreicht der Polarwirbel Frankreich, wo er in die ewigen Jagdgründe
zyklonaler Erscheinungen abgleitet und von der Wetterkarte verschwindet. Weiter
nördlich baut sich eine Hochdruckbrücke auf, die von UK her über Südskandinavien
bzw. Finnland verläuft und das Azorenhoch im Südwesten mit einem fetten
Russlandhoch im Osten verbindet. Bei uns dagegen bleibt die Szenerie stark
zyklonal gefärbt, was sowohl für die Höhe (östliche Strömung auf der Nordseite
des Cut-Off-Tiefs) als auch für die bodennahen Luftschichten gilt. Gesteuert von
der östlichen Höhenströmung nähert sich ein kleines Tief, das in Rumänien
gestartet ist und am Tagesende nicht mehr weit von der Ober- und Niederlausitz
weg auf polnischer Seite anlandet. Auf der Westflanke des Tiefs wird ein
stratiformes Niederschlagsgebiet generiert, das in den Abendstunden den
äußersten Osten erreicht und sich bis Sonntagmorgen zügig und relativ weit nach
Westen ausbreitet. Dabei fällt überwiegend Schnee (im Süden und Südosten sinkt
T850 auf bis zu -10°C). Lediglich im Nordosten könnten die gute Durchmischung
sowie der maritime Einfluss durch den auffrischenden nördlichen Wind für
Schneeregen oder Regen, vielleicht aber auch nassen Schnee sorgen. Im Erzgebirge
werden 10 bis 15 l/m² innerhalb von 12 Stunden simuliert, was über 10 cm
Neuschnee bedeuten würde, Verwehungen gratis oben drauf.

Am Sonntag erreicht das Tief Sachsen, von wo aus es langsam weiter
west-nordwestwärts zieht. Die zugehörigen Schneefälle verlagern sich unter
Abschwächung (gilt auch für den Wind) ebenfalls nach Westen bis an die Grenze zu
Benelux. Weiterhin deutet sich an, dass der Niederschlag im Norden nur z.T. als
Schnee fällt, obwohl T850 mit rund -6°C gar nicht so schlecht aufgestellt ist.
Die 12-stündigen Niederschlagsraten liegen meist unter 5 l/m², einzig in einigen
Mittelgebirgen etwas darüber. Sollte es also so kommen wie beschrieben, könnten
weite Landesteile am Ende des Wochenendes unter einer unterschiedlich
dicken/dünnen Schneedecke liegen. Liebe Anhänger von Schnee und Winter, es wäre
zu schön, um wahr zu sein. Bleiben wir optimistisch!

Zu Beginn der neuen Woche verlässt uns das Tief unter Konturverlust in Richtung
südwestliche Nordsee. Damit gehen auch die letzten Niederschläge im Westen
alsbald in die Knie und der Luftdruck steigt kräftig an. Zudem wird das noch
immer über Deutschland befindliche Trogresiduum mehr und mehr abgebaut. Mit
anderen Worten, die Zeichen stehen auf zunehmenden Hochdruckeinfluss, was aber
nicht zwingend Affenhochglanz bedeutet (Stichwort resistente Restbewölkung oder
auch Hochnebel). Auf alle Fälle rutscht die o.e. Brücke deutlich nach Süden und
legt sich genau über den Vorhersageraum (=> Konservierung der Schneedecke und
z.T. Dauerfrost). Eine kleine Schwachstelle bleibt allerdings übrig. Sie
befindet sich im äußersten Süden und Südosten, also nicht allzu weit weg von den
Alpen. Ursache ist ein nur wenig bewegliches Tief über dem Tyrrhenischen Meer,
dessen Aufgleitprozesse über den Alpenhauptkamm bis in den Süden ausgreifen und
am Dienstag dort sogar etwas Schnee bringen sollen.

In der erweiterten Mittelfrist bleibt der Hochdruckeinfluss erhalten, auch wenn
sich die Brücke wieder etwas nach Norden verschiebt. Niedertroposphärisch wird
es wieder deutlich milder (T850 teils über 0°C), wodurch sich eine
Inversionslage mit kalter Grundschicht einstellt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des IFS-Modells von ECMF ist nur mäßig bis wenig berauschend.
Hauptgrund für das negative Urteil ist die Entwicklung am kommenden Wochenende,
die gestern bei uns noch sehr hochdruckbestimmt ablaufen sollte. Zwar wurde an
den Rändern (Nordwesten und Südosten) etwas Niederschlag simuliert, ansonsten
sollte es aber trocken bleiben. Nun scheinen nicht nur IFS, sondern auch andere
Modelle (siehe auch nächstes Kapitel) ein erhöhtes Interesse daran zu haben, uns
im Laufe des kommenden Wochenendes von Osten her ein kleines (Schnee)Tief zu
kredenzen. Entweder direkt und mittemang nach Deutschland rein oder zumindest so
dicht, dass die zugehörigen Niederschläge auf weite Landesteile übergreifen.
Niederschläge? – Größtenteils handelt es sich in der von Osten bzw. Nordosten
einfließenden Kaltluft (niedrigere Temperaturen als gestern noch gerechnet) um
Schnee, lediglich im Norden könnte es „nur“ Regen oder Schneeregen sein.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie Bereits im Kapitel zuvor angedeutet, sind auch die vier anderen Mitglieder
der „Big Five“ (gemeint sind die an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten
Globalmodelle IFS, ICON, GFS, GEM und UK10) am kommenden Wochenende auf Winter
gepolt zu sein. Zwar hat jedes Modell seine eigene Vorstellung hinsichtlich der
Positionierung der bestimmenden Tiefs (GFS tendiert in Richtung IFS, die anderen
Modelle favorisieren eine tangentiale Stellung knapp östlich oder südöstlich von
uns), das Übergreifen der Niederschläge überwiegend als Schnee haben alle auf
der Karte. Und bis auf UK10, das es „nur“ im Süden und in Teilen Ostdeutschlands
schneien lässt, simulieren alle eine Ausdehnung bis in den Westen. Die Frage,
die heute noch nicht belastbar beantwortet werden kann, lautet. Wie viel Schnee
fällt wo und was macht die Phase insbesondere nach Norden hin. Außerdem lehrt
die Erfahrung, dass die Numerik bei von Osten übergreifenden Schneefällen den
Mund manchmal zu voll nimmt, vor allem, wenn das Tief selbst nicht bei uns
aufschlägt. Von daher sollten alle, die dem Treiben am Wochenende voller
Erwartung mit großen Augen und einem Lächeln auf den Lippen entgegensehen, mit
kontrolliertem Optimismus die weitere Entwicklung abwarten. Immerhin, der Trend
stimmt und die IFS-Lösung steht nicht alleine da. Das gilt übrigens auch für den
zu Wochenbeginn zunehmenden Hochdruckeinfluss.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Begutachtung der Ensemblerechnungen nimmt vor dem Hintergrund der bisher
kommunizierten Gedanken natürlich eine ganz besondere Rolle ein. Bei den
IFS-EPS-Rauchfahnen fällt zunächst mal auf, dass der Haupt- und Kontrolllauf am
Sontag und auch noch zu Beginn der neuen Woche deutlich am unteren Rand der
leicht steigenden Temperaturkurven (850 hPa) herumkrebsen. Gleiches gilt bei
geringerem Spread für das Potenzial 500 hPa, das quasi vom heutigen Dienstag bis
in die kommende Woche seicht ansteigt. Das heißt aber nicht, dass sich deswegen
gleich ein Höhenrücken bei uns einstellt. Vielmehr füllt sich der Trog mehr und
mehr auf, bleibt zunächst aber existent. Das Niederschlagsmaximum am Sonntag
liegt eindeutig im Süden und Osten, wobei z.B. Berlin hinter Leipzig
hinterherhinkt. Im weiteren Verlauf der nächsten Woche steigt die Temperatur bei
relativ hohem Potenzial durchweg an bei gleichzeitig abnehmender, aber nicht
gänzlich auf null zurückfahrender Niederschlagssignaldichte.

CLUSTER:
T+72…96h (Freitag/Samstag) wartet mit vier Clustern auf, die sich bei uns aber
kaum unterscheiden. Ab Sonntag (T+120…168h) erhöht sich die Anzahl auf fünf, die
alle dem Klimaregime „Blockierung“ zugeordnet sind. HL und KL sind CL 4
zugeordnet (10 Member), der sich aber gar nicht so sehr von den anderen Clustern
unterscheidet. Allen gemein ist der Potenzialanstieg von Norden her mit Bildung
einer Brücke, deren Position bzw. Divergenzachse noch unterschiedlich gesehen
wird. Südlich der Alpen wabert noch das Cut-Off-Tief herum, das den Süden mal
mehr, mal weniger mit Aufgleiten tangieren kann.

FAZIT: Die Schneefälle am Wochenende sind noch mit einigen Fragezeichen
garniert. Die Wahrscheinlichkeit, dass von Osten her was kommt, ist gegenüber
gestern deutlich nach oben gegangen. Aber, wo genau wie viel Schnee fällt und ob
er es tatsächlich bis tief in den Westen schafft, ist noch unsicher. Wir dürfen
sehr gespannt auf die Folgeläufe sein.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

SCHNEE:
Am Freitag im Westen und Nordwesten einige Schneeschauer, im äußersten Süden
etwas Schneefall. Mengen sehr wahrscheinlich unter 10 cm innert 12 h. Ab der
Nacht zum sowie am Sonntag von Osten her Schneefall, der sich gen Westen
ausbreitet. Intensität und räumliche Ausdehnung (im Norden auch die Phase) noch
unsicher, in den östlichen Mittelgebirgen aber mehr als 10 cm Neuschnee
innerhalb von 12 h möglich. Dort außerdem die Gefahr von Verwehungen.

WIND:
Spielt keine prominente Rolle. Vielleicht in der Nacht zum Sonntag in einigen
Hochlagen vor allem der östlichen Mittelgebirge vorübergehend mal etwas stärker
auffrischend mit einzelnen stürmischen Böen 8 Bft um Nord in Kammlagen.

FROST:
In den Nächten bei Aufklaren und vorhandener Schneedecke stellenweise strenger
Frost unter -10°C (eigentlich keine Meldung wert). Ab Montag evtl. mehr
Dauerfrost (tagsüber) als von MOS angezeigt (wenn vorher Schnee gefallen ist und
die Brücke greift).

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit MOS-ECMF und IFS-EPS und Modellmix. Temperaturen ab Wochenanfang
gegenüber MOS etwas reduziert.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann