#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Sonntag, den 15.01.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 151800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.01.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Abflauender Trogsturm (FREDERIC) im Norden. Am Montag ein neues Tief (GERO),
ausnahmsweise mal von Benelux her => Schnee und Regen im Westen, im Bergland
winterlich. Dazu auffrischender Wind. In den Folgetagen Troglage mit „normalen“
Temperaturen.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
Aktuell … ist die Wind- respektive Sturmlage dabei, sich von Nordwesten her
ganz langsam zu entspannen. Der Bodentrog des über dem Skagerrak liegenden
Sturmtiefs FREDERIC hat die Ostsee erreicht und schwenkt in den nächsten Stunden
in Richtung Baltikum. Von der Nordsee und den Niederlanden hat Druckanstieg
eingesetzt, der sich südostwärts ausgeweitet hat und nun für eine zunehmende
Auffächerung des Gradienten sorgt. Damit verschiebt sich das Maximum des
Starkwind- bzw. Sturmfelds mehr und mehr in den Nordosten, wo es noch bis in die
- Nachthälfte zu Böen 7 Bft, an der Küste 8 bis 9 Bft, anfangs vereinzelt 10
Bft (Bereich Darß-Nordrügen) aus Südwesten kommt. Ansonsten lässt sich eine
deutliche Windabnahme konstatieren, sogar auf den Bergen, weil die Höhenwinde
stark an Power einbüßen. Trotzdem reicht es in exponierten Hochlagen bis weit in
die Nacht hinein noch für Böen 8 bis 9 Bft, Brocken 10 Bft.
Apropos Hochlagen, in der Höhe zieht ein erster flacher Höhentrog – heute für
die teils kräftige Konvektion im Norden verantwortlich – rasch nach Osten weg.
Das nächste Exemplar lässt sich aber nicht lange bitten, es erreicht noch vor
Mitternacht von Benelux her die westlichen Landesteile. Während also die Schauer
im Norden immer weiter zurückgeschraubt werden (anfangs z.T. aber noch sehr
giftig und vereinzelt auch elektrisch daherkommen), setzen im Westen neue
Schauer ein, die sich bis in die Mitte ausweiten. In der frisch eingeflossenen
Polarluft (T850 bei -4°C) liegt die Schneefallgrenze bei 300 bis 500 m. Darüber
fällt hier und etwas Neuschnee, mit etwas Glück punktuell um 5 cm, meist aber
weniger. Stellenweise wird es glatt entweder durch etwas Neuschnee, Schneematsch
oder eben auch „nur“ gefrierender Nässe. Die ist vor allem im Süden ein Thema,
wo der frontale Niederschlag (die Rede ist von der Anakaltfront, die uns
vergangene Nacht und heute überquert hat) rasch abzieht, die Wolkendecke
auflockert und die Temperatur in den leichten Frostbereich zurückgeht. Eine
regionale Aufstockung der Glättewarnung auf „markant“ scheint zumindest im
äußersten Süden und Südosten opportun.
Abschließend noch ein kurzer Exkurs in den Westen Europas, wo gerade die Weichen
für die morgige Entwicklung bei uns gestellt werden. Die Rede ist von der
aktuell gerade noch offenen Welle GERO (int. Gerard), die heute Abend knapp
westlich an Landsend (UK) vorbei in Richtung Ärmelkanal/Normandie zieht, wo sie
am Morgen als kleines Sturmtief mit einem Kerndruck um 980 hPa anlandet.
Montag … kommt GERO dann mit etwa 980 hPa im Kern in den Abendstunden auch zu
uns (Nordwestdeutschland), nachdem er zuvor Benelux passiert hat. Bereits vorher
setzt das Tief ein paar starke Duftmarken, die sich aus einer delikaten Mischung
von Schnee und Wind zusammensetzen. Noch in den Morgenstunden setzen von Westen
her skalige Niederschläge ein, die sich bis zum Abend auf die gesamte Westhälfte
verteilen. Auslöser sind kräftige mitteltroposphärische WLA, die fruchtbar mit
PVA auf der Vorderseite eines nachstoßenden Höhenstrogs zusammenarbeitet und in
der Fläche sehr ordentliche Hebungsvorgänge induziert. Betrachtet man rein die
auf 12 Stunden angesetzten Niederschlagssummen, ergeben sich gebietsweise 5 bis
10, in Staulagen der westlichen Mittelgebirge punktuell 15 bis 20 l/m². Nun
stellt sich die Frage nach der Nullgrad- und der Schneefall- bzw. Schneegrenze
(die Schneegrenze, umgangssprachlich gerne auch mal als Schneeliegenbleibgrenze
tituliert, markiert die Höhenstufe, ab der der Schnee auch tatsächlich
liegenbleibt; sie ist nicht gleichzusetzen mit der Schneefallgrenze, die per
definitionem die Höhe anzeigt, wo zu 50% Regen- und zu 50% Schneeanteil
vorhanden ist). Die Temperatur auf 850 hPa liegt etwa bei -3°C bei gleichzeitig
niedrigem Geopotenzial um 116 gpdm. Daraus lässt sich eine Nullgradgrenze
zwischen 800 und 700 m und eine Schneefallgrenze je nach Intensität des
Niederschlags zwischen 300 und 400 m ableiten. Die Schneegrenze liegt etwas
darüber, wobei der auffrischende Wind (auf den später noch näher eingegangen
wird) und die damit verbundene Durchmischung eher dafür sorgen, dass der Abstand
zwischen SFG und SG etwas größer ausfällt als bei windschwachen Verhältnissen.
Alles konzeptionelle Gedanken theoretischer Natur, die in der Praxis – es wäre
nicht das erste Mal – abweichen können. Manchmal haben Natur und Atmosphäre die
gar nicht mal so schlechte Angewohnheit, uns ach so schlauen Menschen, die wir
glauben, alles zu beherrschen und vorhersagen zu können, mit dem Nasenring durch
die Manege zu ziehen und uns unsere Grenzen aufzuzeigen. Das nur mal kurz
eingeschoben, nun aber zurück zu morgen.
Stand heute Abend ist davon auszugehen, dass am Tage bis in die Nacht zum
Dienstag in den westlichen Mittelgebirgen sowie im Schwarzwald oberhalb 400 bis
600 m 1 bis 8 cm, in Staulagen um oder etwas über 10 cm Neuschnee zusammenkommen
können. Den Vogel soll nach mehreren hochaufgelösten Modellen das hohe Hunsrück
abschießen, wo sogar um 20 cm keine Überraschung wären. Auf alle Fälle zeigt uns
der Winter, dass es ihn noch gibt, wenn auch zunächst nur im Bergland. Und wir
Vorhersagemeteorologen dürfen uns nach Wochen winterlicher Gedankeneinrostung
endlich wieder mal mit „kalten“ Parametern auseinandersetzen.
Kommen wir zu Teil 2 der Duftmarkensetzung, die auf den im Westen und Südwesten
sowie der westlichen Mitte erneut auffrischenden, auf südliche Richtungen
rückdrehenden Wind zurückgeht. Die Windzunahme wird vor allem von der
Gradientverschärfung auf der Süd- und etwas reduziert auch auf der Ostflanke des
Tiefs induziert. Hinzu kommt ein kleines, insbesondere auf 850 hPa erkennbares
Starkwindband, das sich von Südwesten her um den Tiefkern wickelt und bis zu 50
Kt anbietet. Es kommt vermehrt zu Böen 7 Bft, schwerpunktmäßig in freien Lagen
BaWüs sowie in einigen Leelagen auch zu Böen 8 Bft. Im höheren Bergland stehen
je nach Höhe und Exposition Böen 8 bis 10 Bft, im Hochschwarzwald und auf dem
Brocken bis 11 Bft auf der Karte. Zum Abend hin beginnt der südöstliche Wind
auch an der Ostsee wieder anzuziehen mit Böen 7 Bft.
Während der Westen also einen relativ turbulenten und synoptisch interessanten
Montag erwarten darf, startet der Osten eher gediegen und verhalten in die neue
Woche. Nicht nur dass der Wind schwächer ist und kaum oder kein Niederschlag
fällt, nein, zum Teil scheint sogar für längere Zeit die Sonne. Vor allem vom
Erz- und vom Zittauer Gebirge nordwärts sowie in großen Teilen Bayerns dauert
es, bis die Ausläufer von GERO in Form dichterer Bewölkung auflaufen.
In der noch immer auf Umwegen einströmenden und damit leicht modifizierten, weil
erwärmten maritimen Polarluft erreicht die Temperatur Tageshöchstwerte zwischen
2 und 8°C, im höheren Bergland um oder unter 0°C. Beharrlich simuliert MOS-Mix
im südlichen Oberrheingraben milde 10 bis 11°C, so dass man entgegen seiner
persönlichen Ansicht zu der Erkenntnis kommen kann, dass da was dran ist.
Vielleicht sorgen der auffrischende Südwind mit einer vorübergehenden
„Warmluftblase“ auf 850 hPa (um oder gar etwas über 0°C) für einen etwas
unerwarteten Temperaturaufschwung. WeŽll see…
In der Nacht zum Dienstag jedenfalls zieht es GERO nach Jütland. In seinem
Schlepptau greift von Westen her ein neuer Höhentrog auf den Vorhersageraum
über, der bis zum Morgen eine negative Achsstellung einnimmt. T500 sinkt auf
rund -35°C und auch T850 geht zurück auf -4 bis -7°C, weil der Wind
niedertroposphärisch auf Nordwest dreht und somit die Zufuhr der maritimen
Polarluft auf direkterem Wege erfolgt. Die Niederschläge dauern an und weiten
sich Stück für Stück weiter nach Osten aus. Durch den Trog und die damit
einhergehende Labilisierung kommt zunehmend auch eine konvektive Komponente ins
Spiel, sprich, der Niederschlag fällt schauerartig oder zumindest schauerartig
verstärkt.
Von höchstem Interesse ist nach wie vor die Frage nach der Schneefallgrenze, die
je nach Windsituation und Niederschlagsintensität bis ganz runter sinken kann.
Aufgrund der warmen Vorgeschichte (Stichwort warmer Bodenwärmestrom) heißt das
aber nicht, dass der Schnee unten auch gleich überall liegenbleibt. Für etwas
„Matschepampe“ oder etwas Nassschnee da und dort könnte es aber tatsächlich
reichen, insbesondere in den mittleren Landesteilen. In Lagen oberhalb von 200
bis 400 m hingegen sind einige Zentimeter, im zentralen Bereich
(Vogelsberg-Rhön-Thüringer Wald) vielleicht bis 10 cm Neuschnee drin.
Unsicher ist derzeit noch die Bewölkungsentwicklung, die von den Modellen recht
heterogen simuliert wird. Insbesondere IFS ist nach wie vor sehr optimistisch,
was Auflockerungen im Westen und Nordwesten angeht. Auf alle Fälle überträgt
sich die Unsicherheit auch auf die Temperaturprognose. Lockert bzw. klart es für
längere Zeit auf, bist du ganz flott im Minus, tutŽs das nicht, bleibt es leicht
positiv temperiert. Das Thema Glätte rückt nun aber mehr in den Fokus, sei es
durch weiteren Schneefall oder Schneematsch, sei es durch gefrierende Nässe.
Der Wind verlagert sein Maximum unter Abschwächung nach Nordosten, während er
nach Südwesten hin immer schwächer wird. An der Nordsee frischt er aus
Nordwesten kommend merklich auf (7-8 Bft).
Dienstag … verbringen wir unter einem sehr breiten, ausladenden LW-Trog, der
vom nahen Atlantik bis zum nahen Osteuropa reicht und im Süden die
nordwestafrikanische Küste ankratzt. Das Hauptdrehzentrum liegt über dem Südrand
der Norwegischen See, wo im Druckfeld auch noch ein kümmerlicher Rest des
ehemaligen Tiefs DELF zu finden ist. Inspektor GERO wurschtelt derweil etwa
planlos im Bereich Nordjütland/Skagerrak herum, was für uns aber Wurscht ist. In
der hochreichenden Meereskaltluft polaren Ursprungs (im Nordwesten T500 bis zum
-38°C!) stellt sich wechselnde bis starke Bewölkung ein. Vor allem im zentralen
Mittelgebirgsraum sowie in Küstennähe kommt es zu Schnee-, Schneeregen- oder
Graupelschauern, vereinzelt elektrisch. In weiten Landesteilen passiert aber
auch nichts und es bleibt niederschlagsfrei. Noch etwas unsicher ist, ob am
Abend im äußersten Südwesten Schneefall aufkommt, der vom kleinen Tief HARTO
(int. Fien) über Frankreich ausgelöst wird.
Außer an der See sowie in einigen Hochlagen (7-8 Bft) spielt der südwestliche,
im Süden zunehmend auf Ost drehende Wind keine Rolle mehr. Die
Tageshöchsttemperatur liegt zwischen 1 und 6°C, im höheren Bergland herrscht
leichter Dauerfrost.
In der Nacht zum Mittwoch bleibt die Troglage erhalten. Dabei kommt es an der
Küste zu weiteren Regen-, Schnee oder Graupelschauern bei langsam nachlassendem
Wind. Südlich schließt sich ein breiter, bis mindestens in den zentralen
Mittelgebirgsraum reichender Streifen an, in dem es trocken bleibt und die
Wolkendecke vielfach auflockert. Dabei sinkt die Temperatur in den leichten,
lokal sogar mäßigen Frostbereich.
Interessant wird es in Süddeutschland, wo ein Tiefdruckgebiet über den Alpenraum
nach Osten zieht und dabei Schneefälle auslöst. Wo wieviel genau fällt und ob
sich rückseitig des Tiefs an den Alpen etwas Stau einstellt, wird derzeit noch
divergent simuliert. Dass etwas passiert, scheint aber außer Frage. Frost steht
auch im Süden auf der Karte, einzig in einigen Flusstälern bleibt es frostfrei.
Mittwoch … dreht das Tief vorderseitig des LW-Troges nach Nordosten und später
nach Norden Richtung Polen ab. Wenn man so will also eine Vb-artige Zugbahn, aus
der im Süden und Südosten leichte Schneefälle resultieren. Stand heute dürfte
vor allem das Bergland einige Zentimeter Neuschnee abbekommen, während sich im
Tiefland nicht allzu viel tun soll. Nach Nordwesten setzt sich vielfach die
Sonne durch und es kommt nur zu wenigen Schnee- oder Schneeregenschauern. 0 bis
4°C, im Bergland frostig. Mit Annäherung eines Randtiefs an der Nordsee
auffrischender Süd-Südwestwind.
Modellvergleich und -einschätzung
Alles ist gesagt, auch wenn noch nicht alles klar ist.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann