SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.01.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
DELF übernehmen Sie – erst die Warm-, dann die Kaltfront, die aber keine kalte
Luft bringt. Insgesamt Fortdauer der atlantikgeprägten, unbeständigen und
zeitweise windigen bis stürmischen Witterung bei alles andere als winterlichen
Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC

Aktuell … dauert es nicht mehr lange, bis uns von Westen her die Warmfront
eines nördlich an Schottland nach Osten vorbeiziehenden Tiefs (DELF) auf die
Pelle rückt. Die weit vorauseilende WLA hat uns bereits tagsüber erreicht,
ebenso wie die von ihr induzierte stratiforme Bewölkung (zumindest in der
Westhälfte). Zwischen Ostfries-/Emsland und dem Saarland hat leichter Regen
eingesetzt, der sich in den nächsten Stunden ostwärts ausbreitet. Dabei lassen
sich Warmfront und Regen nicht vom vorgeschalteten Höhenrücken aufhalten, der
ebenfalls über den Vorhersageraum ostwärts wandert. Während im Osten und
Südosten bis zum Morgen kein oder nur wenig Regen ankommt, kann sich der
Nordwesten auf etwa 5 bis 15 l/m² einstellen. Das liegt nicht nur an der im
Norden aktiveren Warmfront, sondern auch an der Tatsache, dass der
hebungsintensive Okklusionspunkt im Laufe der Nacht immer weiter nach Süden
rückt. Im Umkehrschluss bedeutet das nichts anderes, als dass die nachfolgende
Kaltfront in den frühen Morgenstunden von der Nordsee und den Niederlanden
übergreift und dabei einen zusätzlichen Hebungsinput leistet. Im höheren
Bergland ist nur anfangs die Schnee- oder Mischphase am Start. Bedingt durch den
rasanten niedertroposphärischen Temperaturanstieg (T850 in null Komma nix von
leichten Minusgraden auf 4 bis 5°C plus) bei gleichzeitig solider bis guter
Durchmischung lassen die Schneefallgrenze rasch über Kammniveau hinaus
ansteigen.

Noch immer ist nicht ganz sicher, was genau am Alpenrand sowie im äußersten
Südosten, etwa zwischen Chiemgau und den ostbayerischen Mittelgebirgen sowie
hoch bis zum Westerzgebirge passiert. Dort soll die Bewölkung zumindest
teilweise vorübergehend auflockern, was bei schwachem Wind die Entkopplung der
Grundschicht und die Bildung einer dünnen Kaltluftschicht mit Temperaturen um
bzw. unter dem Gefrierpunkt zur Folge hat. Vor allem an den Alpen und im
südlichen Vorland werden aktuell schon leichte Minusgrade beobachtet. Wenn sich
nun niedertroposphärische Warmluft über die Grundschicht schiebt UND
Niederschlag die genannten Regionen erreicht, dann bestünde zumindest lokal und
für kurze Zeit die Gefahr gefrierenden Regens mit Glatteis (anfangs kann es auch
erst noch etwas schneien). Das Problem: Noch immer ist nicht sicher, wie viel
und ob überhaupt etwas von dem frontalen Regen im äußersten Südosten ankommt.
ICON nimmt diesbezüglich nach wie vor die Pole-Position ein. Allerdings scheint
das Szenario so abwegig nicht zu sein, wenn man sich aktuell anschaut, wie weit
der Warmfrontregen – wenn auch nicht überbordend intensiv – über den Höhenrücken
hinweg nach Süden ausgreift. Kurzum, es kann, muss aber nicht zu gefrierendem
Regen kommen. Etwaige Warnungen können ohnehin nur in situ ausgegeben werden.

Noch ein paar Bemerkungen zum Wind und zur Temperatur. Mit Annäherung der
Warmfront bzw. im Warmsektor verschärft sich der Gradient derart, dass der
südliche Wind insbesondere im Westen und Nordwesten sowie in Teilen der Mitte
merklich auffrischt. Dabei kommt es zu Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft, im Bergland
je nach Höhe und Exposition 8 bis 9 Bft, vereinzelt 10 Bft, auf dem Brocken 11
Bft. Stürmisch wird es auch an der Nordsee sowie an der westlichen Ostsee mit
Spitzen 8 Bft, exponiert 9 Bft. Die Wahrscheinlichkeit für im Vorfeld immer mal
wieder ins Spiel gebrachter schwerer Sturmböen 10 Bft an der Nordsee ist gering.
Wie man überhaupt sagen muss, dass der Wind nach Durchgang der Kaltfront über
und an der Nordsee sowie im nordwestdeutschen Binnenland in den Morgenstunden
deutlich nachlässt.
Temperaturmäßig starten wir meist mit Werten zwischen 7 und 1°C in die Nacht, im
höheren Bergland sowie stellenweise im äußersten Süden und Südosten mit leichtem
Frost. Bis zum Morgen steigt die Temperatur dann aber insbesondere in der
Westhälfte merklich an (fortdauernde WLA mit guter Durchmischung), was in
einigen Regionen zweistellige Werte von 10 oder gar 11°C zur Folge hat. Damit
dürfte übrigens auch eine der wärmsten, wenn nicht sogar die wärmste erste
Januardekade seit Aufzeichnungsbeginn enden (landesweite Mitteltemperatur bei
8,0°C, das entspricht etwa den mittleren Verhältnissen Mitte April!!).

Mittwoch … werden die Reste des o.e. Höhenrückens zügig nach Osten
abgeschoben. Dadurch kann der nachfolgende, vergleichsweise flache Höhentrog
(eine Abtropfung wie beim Vorgängermodell zu Beginn der Woche ist
unwahrscheinlich) auf den Vorhersageraum übergreifen und dabei die inzwischen
teilokkludierte Kaltfront in Richtung Südosten vor sich herschieben. Das
zugehörige Bodentief DELF biegt mit einem Kerndruck um oder sogar etwas unter
965 hPa in Richtung Norwegische See ab, was bei uns eine vorübergehende
Gradientaufweichung respektive Windabnahme zur Folge hat. Anfangs noch etwas
„Restwind“ an der Ostsee, ansonsten vor allem in exponierten Hochlagen und
vielleicht im Alpenvorland einige Böen 7 bis 8 Bft, vereinzelt 9 Bft. Am
Spätnachmittag und Abend frischt mit Annäherung eines Bodentrogs der Südwestwind
über der Nordsee wieder auf mit ersten Böen 7-8 Bft auf den Inseln sowie Teilen
der nordfriesischen Küste.

Zurück noch mal zur Kaltfront, die auf ihren Weg nach Südosten einiges an Regen
ablädt. Dabei wird die recht forsch nach Südosten ausgreifende KLA durch PVA
vorderseitig des übergreifenden Höhentrogs überkompensiert, so dass es
gebietsweise für 5 bis 10, in einigen Staulagen um oder etwas über 15 l/m²
innerhalb weniger Stunden reicht. Auch wenn der Schwarzwald bei zyklonalen
West-Südwestlagen ein „dankbares Opfer“ ist, scheinen die von ICON-D2 und AROME
apostrophierten 30 oder gar 35 l/m² in einigen Staulagen doch etwas oversized.

Postfrontal gelangt ein Schwall erwärmter Meereskaltluft subpolaren Ursprungs
insbesondere in die Nordwesthälfte, in der T850 auf 0 bis -3°C zurückgeht. Da
die Kaltluft in höheren Troposphärenschichten erst mit Verzögerung im Nordwesten
eintrudelt und es entsprechend an Labilität mangelt, bleiben die durch
postfrontale Subsidenz im Nordwesten ausgelösten Auflockerungen und sonnigen
Momente bis zum Abend weitgehend schauerfrei. Erst später, wenn sich von der
Nordsee nicht nur der besagte Bodentrog, sondern zudem ein in die Rückseite des
Haupttrogs hineinlaufender Sekundärtrog in der Höhe mit ausgeprägtem PVA-Maximum
nähert, setzen von der Deutschen Bucht sowie BeNe her schauerartige, vereinzelt
vielleicht sogar gewittrige Regenfälle ein. Bis es soweit ist, steigt die
Temperatur tagsüber auf 7 bis 13°C. Einzig im Südosten, wo die Nacht am
kältesten war, es mit der Tagesdurchmischung nicht so richtig hinhaut und noch
der frontale Regen hinzukommt, bleibt es frischer.

In der Nacht zum Donnerstag breiten sich die o.e., durch üppige Scherung
organisiert auftretenden schauerartigen Regenfälle (ein Funnel oder
Typ-II-Tornado wäre angesichts des deutlich sinkenden HKNs auf unter 1000 m
sowie ausreichend bodennaher Richtungsscherung keine völlige Überraschung,
dürfte aufgrund der Dunkelheit aber schwer zu detektieren sein) über den Norden
und Westen hinweg ostwärts aus. Doch damit nicht genug. In der zweiten
Nachthälfte schließen sich im Westen fast nahtlos neue, skalig motivierte
Regenfälle an. Sie gehen auf weit nach Osten ausgreifende WLA vorderseitig einer
kurzen Welle zurück, die eingebettet in die lebhafte West-Südwestströmung um 00
UTC die Irische See passiert, bevor sie um 06 UTC mit etwas unter 1000 hPa
wahrscheinlich über der südwestlichen Nordsee aufschlägt (ICON von 12 UTC lässt
sie relativ unentwickelt und offen bis zur Deutschen Bucht vorankommen). Ob sie
dann noch den Status einer offenen Welle hat oder bereits über geschlossene
Isobaren eines jungen Wellentiefs verfügt, steht noch nicht endgültig fest. Die
Lage zur Frontalzone ist nicht gerade besonders entwicklungsgünstig und der o.e.
vorweglaufende Sekundärtrog kann auch nicht helfen.

Wie auch immer, das Übergreifen des skaligen Regens (Schnee wenn überhaupt nur
als unergiebige Zugabe bzw. Beimischung zum Regen in den höchsten Lagen einiger
Mittelgebirge) wird modellübergreifend ebenso simuliert wie eine deutliche
Windzunahme. Die splittet sich übrigens in zwei Anteile auf: zuerst das durch
den Bodentrog und die Konvektion motivierte Maximum im Norden und Nordwesten.
Höhenwinde von bis zu 50 Kt auf 925 und bis zu 55 Kt auf 850 hPa sind eine
ordentliche Hausnummer, die neben zahlreichen steifen Böen 7 Bft auch stürmische
Böen 8 Bft und in Einzelfällen vielleicht sogar Sturmböen 9 Bft zulassen. Teil 2
der Windzunahme folgt dann etwas später von Westen nach (7-8 Bft, höheres
Bergland je nach Exposition entsprechend mehr). Sie rekrutiert sich im
Wesentlichen aus der Gradientverschärfung, die durch die sich annähernde Welle
(Wellentief) induziert wird.

Mit Ausnahme einiger Hochlagen (über 1000 m) bleibt die Nacht frostfrei.

Donnerstag … zieht die nach ICON offene Welle noch am Vormittag über die
Kimbrische Halbinsel hinweg zur Ostsee, um am Abend schon vor der baltischen
Küste aufzuschlagen. Die externen Modelle „schießen“ nicht ganz so schnell, weil
sie etwas von der kinetischen Energie, die für die Translation der Welle nötig
ist, in deren Entwicklung zu einem kleinen Wellentief stecken. Hier sind also
noch ein paar Fragen offen. Allerdings – so viel lässt sich heute schon sagen –
scheint es unstrittig, dass das Regengebiet auf der Südflanke der Welle
Norddeutschland und bedingt auch noch Teile der Mitte ostwärts überquert, wobei
durchaus 5 bis 10 l/m², vereinzelt bis 15 l/m² innert weniger Stunden
zusammenkommen können.

Frei nach dem Motto „einmal Regen ist keinmal Regen“ dauert es nicht lange, bis
zunächst im Westen, später dann auch im Süden neue Niederschläge auftauchen.
Absender ist die Warmfront des nächsten atlantischen Tiefs – wir sind
mittlerweile bei „E“ wie EGBERT angekommen -, das auf ähnlicher Zugbahn wie
seine Vorgänger in Richtung Hebriden steuert. Hebungsimpulse sind unter dem
diffluenten Ausgang der inzwischen über dem Ostatlantik gut ausgeprägten
Frontalzone ausreichend vorhanden, wozu auch die quasi-permanente WLA ihren
Beitrag leistet. Unter dem Strich simulieren ICON (12 UTC), IFS (00 UTC) und
UK10 (06 UTC) in den westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen, teils sogar
hinüber bis in den Thüringer Wald etwa 10 bis 20 l/m² Regen (Schnee ist in den
Mittelgebirgen bei eher steigender Schneefallgrenze weiterhin Wunschdenken, in
den Alpen liegt sie bei etwas unter 1500 m), so dass man vor dem Hintergrund
noch folgender Niederschläge weiterhin die mögliche Ausgabe einer über längere
Zeit gültigen Dauerregenwarnung im Hinterkopf behalten sollte.

Wer sich an diesem 12. Januar in Deutschland etwas Sonne abholen möchte, hat
extrem schlechte Karten. Vielleicht ein paar anfängliche Auflockerungen am
östlichen Alpenrand und später an der Nordsee, das warŽs dann aber auch.
Stattdessen bläst einem in weiten Landesteilen ein lebhafter und böiger
„Südwest“ um die Ohren, der in tiefen Lagen inkl. Küste und Inseln Böen 7-8 Bft,
im Bergland je nach Lage 9 bis 12 Bft erreicht. Aufgrund der noch leicht
unterschiedlichen Simulation der Welle hapert es derzeit noch etwas mit den
Details, was aber nichts an der Starkwindlage per se ändert.

In der einfließenden Atlantikluft (T850 steigt im Tagesverlauf auf 0 bis +3°C)
werden Tageshöchstwerte zwischen 6 und 13°C angepeilt.

In der Nacht zum Freitag trogt es über Westeuropa bzw. der Nordsee leicht aus,
während Bodentief EGBERT mit etwas unter 985 hPa im Kern dicht an Schottland
vorbei gen Osten zieht. Die zugehörige Kaltfront überquert Deutschland
südostwärts und harmoniert dabei hübsch mit der Vorderseite des neuen Troges.
Als Ergebnis kommen in der Mitte und im Süden im Allgemeinen und in den
Mittelgebirgen im Besonderen teils erkleckliche Regenmengen bis zu 20 oder gar
25 l/m² zustande. Dazu weht weiterhin ein mäßiger, z.T. frischer und böiger, an
der Nordsee und im höheren Bergland stürmischer Südwestwind. Dass es auch in
dieser bewölkten, regnerischen und windigen Nacht frostfrei bleibt, ist evident.

Freitag … greift der Höhentrog auf Deutschland über, während sich EGBERT über
der nördlichen Nordsee auffüllen und vor dem Oslofjord einen Sekundärkern bilden
soll. So ganz ist die Vita des Kollegen aber noch nicht geklärt. Zumindest gibt
es nicht wenige Simulationen, wonach der Original-EGBERT noch länger am Leben
bleibt wie von ICON vorgesehen. Fakt ist, dass der Vorhersageraum mit einer
frischen Portion maritimer Polarluft überzogen wird, in der T850 auf 0 bis -3°C
und T500 zumindest in der Nordhälfte auf rund -30°C zurückgeht. Unter dem Strich
ergibt sich wechselhaftes und windiges bis stürmisches Schauerwetter (inkl.
Graupel und vereinzelter kurzer Gewitter), bei dem die Schneefallgrenze an den
Alpen auf etwa 1200 bis 1000 m, sonst je nach Intensität der Schauer auf 1000
bis 700 m sinkt. Eine großartige Neuschneeakkumulation wird es aber nicht geben,
weil erstens die Schauer zu unergiebig ausfallen und zudem die gute
Durchmischung der Bildung einer Schneedecke entgegenwirkt. Apropos
Durchmischung, die sorgt auch dafür, dass die Tagestemperatur trotz der KLA mit
7 bis 13°C einmal mehr weit überdurchschnittlich ausfällt.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Unterschiede in Bezug auf die am Donnerstag durchziehende Welle wurden im
Text erläutert. Ansonsten simulieren die Modelle die beschriebene Entwicklung
ähnlich, was bei phasen- und timinglastigen West-Südwestlagen keine
Selbstverständlichkeit ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann