#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag, den 09.01.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 091800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.01.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Fortdauer der zyklonalen West-Südwestlage mit nur kurzen Ruhe- respektive
Trockenphasen. Nur vorübergehend im höheren Bergland etwas winterlicher.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland unterhalb eines leicht negativ geneigten
Höhentrogs, der sich ausgehend vom hochreichenden Drehzentrum CONSTANTIN knapp
südöstlich von Island bis zum zentralen Mittelmeer erstreckt. In den nächsten
Stunden wird der Trog nicht nur seine Wellenlänge verkürzen – im Osten blockiert
ein kräftiges Hoch, von Westen rückt ein Rücken mit weit vorauseilender WLA nach
-, sondern zudem seine Amplitude erweitern. Und so kommt es wie es kommen muss,
in den frühen Morgenstunden erfolgt über der Adria ein Cut-Off, dessen
resultierendes Höhentief im Weiteren mit dem inzwischen über dem Balkan
angekommen Mittelmeertief zusammenarbeitet. Derweil gelangt der äußerste Westen
unseres Landes zusehends unter einen veritablen, nord-süd-exponierten Jetstreak
(bis zu 150 Kt auf 300 hPa), der quasi in einer Funktion die Rückseite des
Troges und die Vorderseite des Rückens markiert. Sieht imposant aus, bringt
wettertechnisch aber nichts Exorbitantes zustande.
Im Gegenteil, in bodennahen Gefilden herrscht schon seit geraumer Zeit
Druckanstieg. Zum einen füllt sich der o.e. CONSTANTIN immer mehr auf, zum
anderen entfernt sich das namenlose Tief südlich der Alpen in Richtung Adria
bzw. Balkan. Damit kann sich von Frankreich und der Schweiz her ein schmaler
Keil bis nach Süddeutschland schieben, der aber nur scheinbar für
Zwischenhocheinfluss sorgt. Zwar bekommen die Schauer tagesgangbedingt
Schwierigkeiten, sich weiterhin in Szene zu setzen, ganz einschlafen tut die
Konvektion aber nicht. Bedingt durch kurze, südostwärts ablaufende Wellen
(Sekundärtröge) wird eine gewisse Schaueraktivität aufrechterhalten, auch wenn
sich die Intensität und Niederschlagsmengen in Grenzen halten. Im Süden und dort
insbesondere an den Alpen stellt sich durch die niedertroposphärisch auf
Nordwest drehende Strömung eine leichte Staulage ein, die oberhalb von 600 m
(Rückgang T850 auf bis zu -5°C) bis Dienstagmittag 1 bis 5 cm, in höheren
Staulagen bis 10 cm, im Allgäu punktuell sogar rund 20 cm Neuschnee bringt. Auch
im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb sind oberhalb etwa 800 m einige
Zentimeter Neuschnee bis Dienstagmorgen drin, im Hochschwarzwald vereinzelt bis
zu 10 cm. In den übrigen Mittelgebirgen sind die Niederschlagsraten zu gering,
so dass es höchstens für eine ganz dünne Schneedecke oder etwas Schneematsch
oder eben auch „nur“ für gefrierende Nässe reicht.
Während also in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie Richtung Alpen die
Temperatur in den leichten Frostbereich rutscht, bleibt es sonst mit etwa 7 bis
1°C weitgehend frostfrei. Dazu nimmt der Südwest- bis Westwind sukzessive ab,
lediglich in einigen exponierten Hochlagen bleibt er einigermaßen prominent
unterwegs mit Böen 7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft.
Dienstag … werden der Trog respektive das Trogresiduum durch die von Westen
andauernde markante WLA zusehends zugeschüttet. Entsprechend spannt sich bis zum
Abend immer mehr der nachfolgende Rücken über den Vorhersageraum auf, was eine
zunehmende Stabilisierung zur Folge hat. Die greift im Osten und Süden
zuallerletzt, weshalb es dort (insbesondere im Südosten) noch bis in den
Nachmittag zu einzelnen, wenn auch schwächer werdenden Schauern kommt. Oberhalb
500-600 m fällt Schnee, allerdings bleibt davon nicht allzu viel liegen.
Lediglich an und in den Alpen kommen bis Mittag noch ein paar Zentimeter drauf,
die in die laufenden Schneefallwarnungen aber schon eingepreist sind.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich der Hochkeil noch etwas kräftigt
(im Süden immerhin um 1025 hPa) und nach Nordosten aufwölbt, so dass er in der
Bodenvorhersagekarte einen durchaus imposanten Eindruck hinterlässt. Und
tatsächlich schafft er es, trotz weiterhin vor allem nach Osten hin vorhandener
Grundschichtlabilität und damit verbundener Quellwolkenbildung einige
Auflockerungen oder Sonnenfenster aufs Parkett zu zaubern. Gelingen wird das
insbesondere im Alpenvorland sowie an den Alpen, gebietsweise aber auch im Osten
und im Nordwesten. Allerdings dürfte im Tagesverlauf von Westen her rasch
mehrschichtige Bewölkung vorderseitig einer Warmfront übergreifen, die zunehmend
für Eintrübung und ab dem Spätnachmittag zwischen Saar- und Emsland auch für die
ersten Tropfen sorgt. Die Warmfront ist Bestandteil eines Frontensystems, das
wiederum dem Doppeltief DELF west-nordwestlich der Hebriden angehörig ist. DELF
ist der offizielle Nachfolger des bis dato tonangebenden, nun aber in die Tage
gekommenen CONSTANTINS, der über der Norwegischen See alsbald die Segel
streichen muss.
Kurz noch ein paar Bemerkungen zu Wind und Temperatur. Der Wind legt mit
Ausnahme einiger exponierter Hochlagen eine mehrstündige Kunstpause ein. Erst
zum Abend kommt es im Vorfeld der Warmfront im äußersten Westen und Nordwesten
zu einer allmählichen Gradientverschärfung und somit Windauffrischung, die am
stärksten auf den Nordseeinseln und den westlichen Mittelgebirgen inkl. deren
Nordrändern (Lee) zu spüren ist. Aus Süden kommend erreicht der Wind in Böen
Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft, auf dem Blocksberg 9 Bft. Die
Tageshöchsttemperatur liegt meist zwischen 4 und 9°C, im höheren Bergland um den
Gefrierpunkt.
In der Nacht zum Mittwoch wandert der Höhenrücken ostwärts über den
Vorhersageraum hinweg, was im Norden etwas schneller vonstattengeht als im
Süden. Grund der positiven Achsneigung ist zum einen die Blockade im Süden durch
das Cut-Off-Tief sowie die ebenfalls positive Achsstellung des nachfolgenden
Höhentrogs, Wie auch immer, bis zum Morgen gelangen wir zunehmend unter eine
indifferente bis leicht zyklonale südwestliche Höhenströmung. Tief DELF, noch
immer mehrkernig, zieht mit seinem östlichen Kern nördlich an Schottland vorbei
in Richtung Südrand Europäisches Nordmeer, wobei es sich auf etwas unter 970 hPa
vertieft. Die zugehörige Warmfront schwenkt mit ihrem stratiformen Regengebiet
einmal straight ahead ostwärts über Deutschland hinweg, wobei der Warmsektor im
Norden aufgrund des fortschreitenden Okklusionsprozesses durch die rasch
nachfolgende Kaltfront zügig schmaler wird. Von daher verwundert es nicht, dass
für Nordwestdeutschland die höchsten Regenmengen mit verbreitet 5 bis 10,
Richtung Nordsee sogar 10 bis 15 l/m² innert 12 h simuliert werden. Im Bergland
fällt anfangs Schnee, allerdings sorgen der rasche niedertroposphärische
Temperaturanstieg von leichten Minusgraden auf bis zu +5°C auf 850 hPa sowie
eine gute Durchmischung für einen rasanten Anstieg der Schneefallgrenze über die
Kammlagen der Mittelgebirge hinaus. Unsicher ist derzeit noch, was genau vom
Erzgebirge über den ostbayerischen Mittelgebirgsraum hinweg bis zum östlichen
Alpenrand passiert. Dort ist durch geringe Bewölkung am Abend eine Entkopplung
der Grundschicht und die Bildung einer dünnen Kaltluftschicht wahrscheinlich.
Schiebt sich nun in der Nacht die niedertroposphärische Warmluft darüber und
kommt zudem Niederschlag an (was keinesfalls sicher ist, weil bisher nur von der
deutschen Modellkette gerechnet), bestünde bevorzugt in geschützten, wenig
windanfälligen Lagen stellenweise und kurzzeitig die Gefahr gefrierenden Regens
mit Glatteis.
Darüber hinaus muss noch erwähnt werden, dass die nachfolgende, deutlich nach
Südwesten zurückhängende Kaltfront bereits in den frühen Morgenstunden den
Westen und Nordwesten passiert, was dort T850 wieder auf wenig über 0°C sinken
lässt. Im Warmsektor frischt der Süd-Südwestwind aufgrund der stabilen
Schichtung vor allem in höheren Lagen sowie auf offener See teils stürmisch auf.
Über der Deutschen Bucht sind gar schwere Sturmböen 10 Bft nicht ausgeschlossen
und in einigen exponierten Kamm-, Kuppen und Gipfellagen sind schwere Sturmböen
bis Orkanböen 10-12 Bft drin. Im Laufe der Nacht, wenn die Schichtung von Westen
her labiler wird und der Wind auf Südwest bis West dreht, nimmt die
Wahrscheinlichkeit für Böen 7 bis 8 Bft auch in den Tieflagen Nord- und
Westdeutschlands deutlich zu.
Die Tiefstwerte liegen mit Ausnahme des Südostens und einiger Hochlagen, wo
leichter Frost angesagt ist, eingangs der Nacht zwischen 7 und 1°C. Bis zum
Morgen sorgen die permanente WLA sowie die gute Durchmischung für einen
kontinuierlichen Temperaturanstieg, der im Westen in niedrige zweistellige Werte
mündet.
Mittwoch … werden die Reste des Höhenrückens zügig nach Osten abgeschoben, was
den Weg für den nächsten Trog freimacht. Der ist flacher und auch nicht ganz so
kalt wie sein Vorgänger vom Wochenbeginn, zeigt aber trotzdem Wirkung. Zunächst
mal drückt er die Kaltfront ost-südostwärts über den Vorhersageraum hinweg,
während der Hauptkern von DELF mit einem Druckminimum von nach wie vor rund 970
hPa die Norwegische See ansteuert. Postfrontal gelangt ein Schwall erwärmter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs in die Nordwesthälfte, in der T850 auf 0 bis
-2°C zurückgeht. Das ist alles andere als kalt und so sinkt die Schneefallgrenze
bis zum Abend gerade mal im Nordwesten auf 1000 m oder etwas darunter, was in
dieser Gegend aufgrund der eher gemäßigten Topografie aber nicht viel nutzt.
Auf alle Fälle breiten sich die frontalen Regenfälle im Tagesverlauf langsam
südostwärts aus, wobei die zunehmend forsche KLA durch trogvorderseitige PVA
überkompensiert wird. Das erklärt auch, warum gebietsweise 5 bis 10 l/m² Regen
innert weniger Stunden runterkommen, in einigen Staulagen punktuell sogar noch
etwas mehr. Dass angesichts solcher Bedingungen die Sonne keine großen
Entfaltungsmöglichkeiten bekommt, ist evident. Lediglich im Nordwesten, wo die
klassisch postfrontale Subsidenz greift, sind größere Auflockerungen und einige
Sonnenanteile wahrscheinlich.
Da der Gradient hinter der Kaltfront vorübergehend auffächert, nimmt auch der
anfänglich noch flotte, von südlichen Richtungen auf Südwest bis West drehende
Wind wieder ab. Lediglich in exponierten Hochlagen inkl. dem Alpenvorland bleibt
er frisch und in Böen steif bis stürmisch unterwegs. Erst mit Annäherung eines
Bodentroges nimmt er in den Abendstunden an und auf der Nordsee wieder zu.
In der frischen Luftmasse werden Tageshöchsttemperaturen zwischen 8 und 13°C
erreicht. Einzig im ost-südöstlichen Mittelgebirgsraum bleibt es etwas kälter.
In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Höhentrog rasch ostwärts durch. Von der
Nordsee folgt aber noch ein kurzer, recht scharf geschnittener Sekundärtrog
nach, der auf seiner Vorderseite ein ordentliches PVA-Maximum aufweist. Dieses
induziert ein schauerartiges Regengebiet, das den Norden und Westen sowie Teile
der Mitte ostwärts überquert. Vornehmlich in Nordseenähe ist ein kurzes Gewitter
nicht ausgeschlossen.
Kaum ist der eine Regen durch, setzt von Westen her schon der nächste ein. Grund
ist ein flaches Wellentief, das bis zum Morgen von Irland/UK kommend die
südwestliche Nordsee erreicht und durch weit nach Osten ausgreifende WLA glänzt.
Sprich, der anfänglich schauerartige Regen geht von Westen her nahtlos in
skaligen Regen über, der sich zügig bis in die mittleren Landesteile ausbreitet.
Allerdings sei schon an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass das geschilderte
Szenario exklusiv von ICON gezeichnet wird. Die meisten externen Modelle spielen
das Spielchen so nicht mit, was vor allem damit zusammenhängt, dass der Trog
nicht so schnell nach Osten abzieht. Außerdem wird die flache Welle weniger
progressiv und tendenziell schwächer simuliert, so dass der „neue“ Regen noch
gar nicht bei uns ankommt. Kurzum, die Vorhersage für die Nacht ist mit größeren
Unsicherheiten behaftet, was auch für den Wind zutrifft. Der soll aus Südwesten
kommend vor allem in der Mitte und im Westen, bedingt aber auch im Süden
ordentlich zulegen, was von den Externen ebenfalls defensiver gesehen wird.
Abwarten und Tee trinken heißt hier die Devise.
Donnerstag … zieht das flache Wellentief laut ICON zügig über die Norddeutsche
Tiefebene ostwärts hinweg und erreicht am Nachmittag bereits den Nordwesten
Polens. Auf seiner Südflanke wird in der Mitte und im Süden ordentlich Alarm
gemacht. Neben kräftigen Niederschlägen – Schneefallgrenze an den Alpen auf
etwas unter 1500 m sinkend – frischt auch der Südwestwind stark bis stürmisch
auf. IFS von 00 UTC lässt die Welle später und etwas weiter südlich übergreifen,
GFS und UK10 bevorzugen eine relativ glatte Südwestströmung, in der eine Welle
gar nicht oder nur mit einem Schuss Fantasie erkennbar ist. Nichtsdestotrotz,
windig und regnerisch wird es nach allen Modellen, wenn auch die Schwerpunkte
noch jeweils anders gesetzt werden.
Modellvergleich und -einschätzung
Dass die Modelle nach hinten raus größere Differenzen offenbaren, wurde im Text
ausreichend gewürdigt. Am allgemeinen Witterungscharakter ändert das freilich
nichts, die Zufuhr milder atlantischer Luftmassen auf meist zyklonalem Wege
dauert bis auf Weiteres an. Vor dem Hintergrund bis weit in den
Mittelfristzeitraum anhaltender, teils ergiebiger Regenfälle sollte man sich
spätestens ab Wochenmitte Gedanken über eine mögliche, für mehrere Tage gültige
Dauerregenwarnung machen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann