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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 08.01.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Zu Wochenbeginn ein Schluck weniger milde Meeresluft mit winterlichem Touch im
höheren Bergland, insbesondere in den Alpen. Zum Mittwoch dann Tief DELF und
damit auch wieder mildere Luft.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … bestimmt eine einzige imposante Erscheinung die Szenerie auf der
europäischen Wetterkarte und das ist kein Geringerer als das Sturmtief
CONSTANTIN. Zwar hat der Meister aller Klassen seinen Karrierehöhepunkt bereits
überschritten, wovon die senkrechte Drehachse zeugt. Mit einem Kerndruck von
etwas unter 965 hPa und einer räumlichen Ausdehnung vom Europäischen Nordmeer
bis hinunter zum westlichen Mittelmeer ist CONSTANTIN aber noch sehr prominent
aufgestellt, auch wenn es mit der Bewegung doch schon ziemlich hapert. So leitet
er als quasistationäres Zentraltief mit Position knapp nördlich von Schottland
die Geschicke in West-, Süd- und Mitteleuropa sowie in Teilen Skandinaviens, was
Žne Menge Holz ist. Ganz ohne Unterstützung geht das natürlich nicht und so
bedient sich der gute CONSTANTIN der Hilfe eines ordentlichen Höhentrogs, der
harmonisch mit dem Bodentief interagiert.

In den kommenden Stunden, also in der Nacht zum Montag, wird durch den weit nach
Süden ausgreifenden Trog zunächst mal eine Zyklogenese über dem Löwengolf
angestoßen, die für uns aber nur von peripherer Bedeutung ist. Relevanter ist
das schon das Übergreifen eines dem Haupttrog vorgeschalteten Randtrogs von
Frankreich her. Der Randtrog ist vergleichsweise scharf geschnitten, verfügt
über eine konfluente Vorderseite mit PVA-Maximum und korreliert zudem mit einem
Bodentrog, der ebenfalls zu uns reinschwenkt. Vor diesem Hintergrunde verwundert
es nicht, dass im Laufe der Nacht ein mesoskaliges, mit schauerartigen
Verstärkungen durchsetztes Regengebiet über den Südwesten und die Mitte hinweg
nordostwärts schwenkt. Dabei können binnen weniger Stunden gebietsweise 5 bis
10, im Stau des Schwarzwalds lokal bis zu 20 l/m² Niederschlag zusammenkommen.
In der einfließenden erwärmten Meereskaltluft geht T850 auf rund -2°C zurück,
was mit einem Absinken der Schneefallgrenze auf 1500 bis 1000 m einhergeht –
wow, hatten wir lange nicht. In den Alpen kommen bis Montagvormittag oberhalb
1000 bis 1200 m 1 bis 5 cm, in höheren Staulagen des Allgäus 10 bis 15 cm
Neuschnee zusammen. Im Hochschwarzwald dürfte es dagegen nur für etwas
Schneematsch reichen. Im Osten und Südosten Bayerns, wo die „Kaltluft“ noch
nicht hinkommt und die Temperatur unter kurzzeitigem Aufklaren stellenweise auf
0°C oder etwas darunter zurückgeht, besteht lokal und auch nur kurzzeitig eine
minimale Wahrscheinlichkeit für gefrierenden Regen mit Glatteis.

Ansonsten gilt nur noch festzuhalten, dass mit Passage des Bodentrogs und der
damit einhergehenden Winddrehung von Süd-Südost auf Südwest der Wind im Süden
und Westen sowie in Teilen der Mitte etwas zulegt, auch wenn der Föhn in den
Alpen zusammenbricht. Insbesondere im höheren Bergland muss mit Böen 8 bis 9
Bft, exponiert bis 10 Bft gerechnet werden. In tieferen Lagen hält sich die
Windauffrischung in Grenzen, was einige Böen 7 Bft aber nicht ausschließt (z.B.
im Westen und im Alpenvorland).

Montag … überquert der Randtrog den Osten und Nordosten zügig nordostwärts, am
Mittag ist er bereits über NW-Polen respektive der Ostsee zu finden. Der
nachfolgende Haupttrog lässt sich aber nicht lange bitten und greift schon früh
von Westen her auf den Vorhersageraum über. Dabei wird ganz Deutschland von
einer ordentlichen Portion labil geschichteter Meereskaltluft polaren Ursprungs
geflutet, in der T850 auf -1 bis -4°C und T500 auf Werte um -30°C absinkt.
Gleichzeitig zieht Altmeister CONSTANTIN unter kontinuierlicher Abschwächung (um
12 UTC „nur noch“ um 975 hPa Kerndruck) langsam nach Norden, was ihn aber nicht
hindert, weiter einige Akzente bei uns zu setzen. Vor allem strömungstechnisch
reicht sein Wirkungsradius noch immer, einen leidlichen Gradienten zu
generieren, der einen mäßigen und mitunter stark böigen Südwest- bis Westwind
zur Folge hat. Dabei wird er unterstützt von einem soliden Höhenwind mit bis zu
rund 30 Kt auf 925 und bis zu 35 Kt auf 850 hPa, der in Schauern angesichts
relativ steiler Lapse Rates (und damit verbundener Labilität) zumindest partiell
nach unten gemischt werden kann. Mit anderen Worten, vornehmlich in der Mitte
und im Süden und dort besonders (aber nicht ausschließlich) in höheren Lagen
sind Böen 7 bis 9 Bft, auf exponierten Kämmen und Kuppen bis 10 Bft zu erwarten.

Apropos Schauer, die entwickeln sich morgen mit Unterstützung des Tagesgangs von
Westen her recht hochfrequent und verbreitet, wobei in Einzelfällen auch Graupel
bzw. ein kurzes Graupelgewitter mit am Start sein kann. Die Schneefallgrenze
liegt je nach Intensität der Schauer zwischen 1000 und 600 m, wobei tagsüber
nicht zuletzt wegen der guten Durchmischung aber keine nennenswerte
Neuschneeakkumulation zu erwarten ist. In höheren Lagen kurzzeitig etwas
Nassschnee oder Schneematsch, teils mit Glätte, zu mehr wird es nicht reichen.
Nördlich von Thüringer Wald und Erzgebirge sowie in Teilen des Alpenvorlands
wird modellübergreifend ein konvektives Minimum bis hin zu „durchweg trocken“
simuliert (weniger Höhenkaltluft => weniger Labilität). Dort scheint mitunter
auch die Sonne, während sonst substanzielle Lücken deutlich in der Hinterhand
sind.

Der Chronistenpflicht halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die
Entwicklung des mediterranen Tiefs weitere Fortschritte macht. Es zieht in der
Mittagszeit über Norditalien hinweg in Richtung Adria, wo es später mit einem
Kerndruck nahe 1000 hPa aufwartet. Ach ja, Temperaturen gibt es zu Beginn der
neuen Woche natürlich auch. Die liegen mit maximal 5 bis 10°C, im höheren
Bergland um 2°C zwar etwas niedriger als an den Vortagen, von „kalt“ kann aber
weiterhin keine Rede sein.

Kommen wir zur Nacht zum Dienstag, wo der Höhentrog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge und Erweiterung seiner Amplitude weiter nach Osten vorankommt. Dabei
bereitet er sich über Süditalien/südlichen Adria auf seine Abtropfung vor, die
am Dienstag tagsüber vollzogen wird. Vor einem weiteren Rücken, der sich über
Westeuropa respektive dem nahen Atlantik aufwölbt, dreht die Höhenströmung bei
uns von Westen her vorübergehend auf Nordwest bis Nord, was an den Alpen eine
kurzzeitige Staulage auslöst. Diese wird gestützt von einem Hochkeil, der sich
quasi zwischen dem Tief im Norden und dem Tief südlich der Alpen von Frankreich
her bis nach Süddeutschland vorschiebt. Über mehrere Stunden hinweg kommt es zu
Niederschlägen, wobei die Schneefallgrenze auf etwa 600 m absinkt. An den Alpen
können 5 bis 10 cm, in höheren Staulagen des Allgäus um oder etwas über 15 cm
Neuschnee zusammenkommen. Ansonsten kommt es vor allem in der Südwesthälfte zu
nächtlichen Schauern, die im Zuge leicht zurückgehender 850-hPa-Temperaturen (um
-4°C) oberhalb 400 bis 600 m als Schnee fallen. In den Hochlagen von
Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Bayerischem Wald, vielleicht auch noch im
Westerzgebirge reicht es für eine dünne Schneedecke und zumindest einen Hauch
von Winter.

Frost beschränkt sich im Wesentlichen auf die höheren Lagen des Berglands, d.h.,
auch dort, wo es nur wenig oder überhaupt nicht schneit, kann es glatt werden
durch gefrierende Nässe. Der Südwest- bis Westwind bleibt in den Hochlagen mäßig
bis frisch unterwegs mit Böen 7 bis 8 Bft, exponiert 9 Bft. Einzelne 7er-Böen
sind auch an und über der Deutschen Bucht möglich.

Dienstag … ziehen die Reste des Höhentrogs nach Osten ab, wodurch der Weg frei
wird für den nachfolgenden Rücken. Er stützt den o.e. Bodenhochkeil, der sich
über den Süden und die Mitte hinweg bis nach Polen und Tschechien ausweitet. Mit
dem Trog ziehen die Regen- und Schneeschauer nach Südosten ab bzw. lassen
genauso nach wie die anfänglich an den Alpen noch auftretenden Stauschneefälle.
Vorübergehend bleibt es landesweit nahezu trocken, im Süden und Osten setzt sich
zeitweise die Sonne durch.

Es dauert aber gar nicht lang und wir müssen unseren Kopf bereits wieder nach
links, also gen Westen richten. Dort nämlich hat ein neues Tief Stellung bezogen
(Gott zum Gruße DELF), das den in Rente gegangenen CONSTANTIN ablöst. Der findet
sich zwar auch am Dienstag noch auf der Wetterkarte knapp östlich von Island,
mit rund 985 hPa Kerndruck hat er aber deutlich an Substanz verloren. DELFi, ein
etwas in die Länge gezogener Nachwuchs-Recke mit mehreren Teilkernen, bringt es
zur gleichen Zeit – die Rede ist von 12 UTC – auf etwas unter 975 hPa, wobei der
Hauptkern knapp 400 km west-nordwestlich der Hebriden positioniert ist. Die
Warmfront des Tiefs marschiert munter vorneweg und lässt sich auch vom
vorgeschalteten Rücken nicht aufhalten, weshalb sie voraussichtlich noch in den
Abendstunden auf die westlichen Landesteile übergreift. Bereits zuvor zieht im
Westen WLA-bedingt mehrschichtige und immer dichtere Bewölkung auf, aus der am
Nachmittag von Frankreich und Benelux her stratiformer Regen einsetzt. Im
höheren Bergland – die Rede ist hier eher vom Schwarzwald als beispielsweise von
Hunsrück und Eifel – fällt anfangs Schnee.

Zwischen dem nach Osten abwandernden Hochkeil und der sich nähernden Warmfront
verschärft sich der Gradient im Westen kontinuierlich, was dort mit einem
auffrischenden südlichen Wind gewürdigt wird. Der erreicht im west- und
nordwestdeutschen Tiefland in Böen Stärke 7 Bft, an und auf der Nordsee sowie im
westlichen und zentralen Bergland (inkl. Leelagen) 7 bis 8 Bft, auf exponierten
Kämmen und Kuppen 9 Bft, auf dem Brocken 10 Bft. Die Temperatur erreicht
landesweit Spitzen zwischen 4 und 9°C, im Bergland um 2°C. Ganz weit oben hält
sich noch leichter Frost.

In der Nacht zum Mittwoch wandert der Höhenrücken ostwärts über den
Vorhersageraum hinweg, was uns unter eine südwestliche Strömung vorderseitig
eines breiten Troges über dem nahen Atlantik bringt. Tief DELF, noch immer
mehrkernig, zieht mit seinem Hauptkern nördlich an Schottland vorbei in Richtung
Südrand Europäisches Nordmeer, wobei es sich auf etwas unter 970 hPa vertieft.
Die zugehörige Warmfront schwenkt mit dem stratiforen Regengebiet einmal
straight ahead ostwärts über Deutschland hinweg. Im Bergland fällt anfangs
Schnee, allerdings sorgen der rasche niedertroposphärische Temperaturanstieg von
leichten Minusgraden auf bis zu rund +5°C auf 850 hPa sowie eine gute
Durchmischung für einen rasanten Anstieg der Schneefallgrenze über die Kammlagen
der Mittelgebirge hinaus. In Richtung der ostbayerischen Mittelgebirge ist
bevorzugt in geschützten, wenig windanfälligen Lagen stellenweise und kurzzeitig
gefrierender Regen mit Glatteis nicht ganz ausgeschlossen.

Darüber hinaus lässt sich konstatieren, dass die nachfolgende, deutlich nach
Südwesten zurückhängende Kaltfront bereits in den frühen Morgenstunden den
Westen und Nordwesten passiert, was T850 dort wieder auf nahe 0°C fallen lässt.
Nach einer kurzen Regenpause nach Abzug des Warmfrontregens setzt neuer Regen
ein, der sich kontinuierlich nach Osten voranarbeitet. Im Warmsektor frischt der
Süd-Südwestwind aufgrund der stabilen Schichtung vor allem in höheren Lagen
sowie auf offener See teils stürmisch auf. Über der Deutschen Bucht sind gar
schwere Sturmböen 10 Bft nicht ausgeschlossen und in einigen exponierten Kamm-,
Kuppen und Gipfellagen sind schwere Sturmböen bis Orkanböen 10-12 Bft drin. Im
Laufe der Nacht, wenn die Schichtung von Westen her labiler wird und der Wind
auf Südwest bis West dreht, nimmt die Wahrscheinlichkeit für Böen 7 bis 8 Bft
auch in den Niederungen deutlich zu.

Mittwoch … rückt der nächste Höhentrog immer dichter an den Vorhersageraum
heran. Bis zum Abend verbleibt seine Achse aber noch westlich von uns. Unter dem
Strich bedeutet das eine indifferente bis leicht zyklonal konturierte
südwestliche Höhenströmung, unter der die o.e. Kaltfront schleppend und
schleifend nach Südosten vorankommt. Dabei kommt es zu frontalen Regenfällen,
die nach ICON und IFS (00 UTC) vor allem im Süden recht üppig ausfallen sollen
mit gebietsweise 5 bis 10 l/m² innert 12 h, in Staulagen (Schwarzwald, Allgäu)
auch mehr. GFS und auch UK10 sind langsamer mit der Frontpassage, so dass es
auch weiter nördlich zeitweise stärker regnet.

Wie auch immer, Fakt ist, dass postfrontal ein Schwall erwärmter Meereskaltluft
aus subpolaren Breiten in den Norden und Westen gelangt, in der T850 auf ca.
-2°C zurückgeht. Etwas verzögert kommt dann auch Höhenkaltluft im Nordwesten an
(T500 bis -30°C), was dort eine Labilisierung und die Bildung einzelner Schauer,
an der Nordsee vereinzelt vielleicht sogar kurzer Gewitter zur Folge hat.
Dazwischen zeigen sich aber auch ein paar Auflockerungen mit etwas Sonnenschein.
Bei Tageshöchstwerten zwischen 7 und 13°C frischt der Südwest- bis Westwind
mäßig auf mit steifen Böen insbesondere im Westen und Nordwesten. Im Bergland
sowie an der Nordsee stehen stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft auf der
Karte.

Modellvergleich und -einschätzung

Die geschilderten Abläufe werden von der prominenten Modellwelt recht ähnlich
gesehen, auch wenn Timing und Phasenunterschiede zum Ende hin zunehmen. Der
fortdauernde Einfluss atlantischer Tiefdruckgebiete nebst derer Ausläufer ist
ebenso unstrittig wie das andauernde Warten auf den Winter – trotz einiger
Akzente im höheren Bergland.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann