#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Montag den 26.12.2022 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.12.2022 um 10.30 UTC
GWL: SWz – Nass, windig und noch milder. Vor allem zum Jahreswechsel erhöhte
Sturmgefahr!
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 02.01.2023
In der Mittelfrist dominiert weiterhin eine zyklonale West- bis Südwestlage.
Dabei zeigt der Temperaturtrend mit einer leichten Aufsteilung der Strömung zum
Jahreswechsel sogar nochmal nach oben. Die Abweichungen in Bezug auf das
Klimamittel 1991-2020 betragen meist 6 bis 8 Grad. Damit wird die zur
Monatsmitte noch deutlich negative Dezember-Temperaturanomalie bis zum
Monatsende fast komplett aufgezehrt. Mit einem markanten Jet-Streak, der zum
Jahreswechsel vom Nordatlantik nach Europa vorstößt, nimmt zudem die Sturmgefahr
zu. Darüber hinaus ist aufgrund des schleifenden Charakters der übergreifenden
atlantischen Frontensystem mit reichlich Regen zu rechnen, der durchaus auch mal
zu warnwürdigem Dauerregen eskalieren kann.
Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag erfolgt die Passage eines
Kurzwellentroges. Das damit in Verbindung stehende Frontensystem eines Tiefs
über dem Nordmeer überquert weite Teile des Landes recht zügig ostwärts. Nur
über dem Süden schleift die Kaltfront etwas, sodass es länger regnen kann.
Dauerregen (>30 mm/24 h) ist aber nur wenig wahrscheinlich. Der Südwestwind
frischt vor allem in der Nordwesthälfte vorübergehend deutlich auf. Sturmböen
8-9 Bft gibt es bevorzugt in mittleren und höheren Lagen sowie an der Nordsee.
Eventuell bildet sich über der Nordsee ein kleines Teiltief, das über
Südskandinavien nach Osten zieht. Die damit einhergehende, weitere
Gradientverschärfung könnte auch bis ins Binnen- und Tiefland des Westens und
Nordwestens stürmische Böen 8 Bft, an der Nordsee schwere Sturmböen 10 Bft
bringen. Die Kaltfront ist wenig baroklin, sodass sich nur ein leichtes Gefälle
der 850-hPa Temperatur zwischen +5 °C im Südosten und -3 °C im Nordwesten
einstellt.
Am Freitag bringt ein in die westliche Höhenströmung eingebetteter, flacher
Rücken eine vorübergehende Wetterberuhigung, bevor am späten Abend und in der
Nacht zum Samstag der nächste kurzwellige Trog zu uns gesteuert wird. Zwischen
dem Kurzwellentrog und einem sich nach Süden ausdehnenden Langwellentrog über
dem Nordatlantik stellt sich nachfolgend eine recht stramme, langsam etwas
aufsteilende Südwestströmung ein (Stichwort Jet-Streak, siehe oben). Das
teil-okkludierte Frontensystem des über Schottland zur Norwegischen See
geführten Randtiefs wird folglich nur über den Norden zügig nach Osten
durchgereicht, ab der Mitte beginnt es rasch zu schleifen. Die länger
anhaltenden Regenfälle überschreiten in den Weststaulagen der Mittelgebirge mit
geringer Wahrscheinlichkeit die unteren Warnschwellen (>30 mm/24 h). Der
Südwestwind frischt erneut stark auf. Bevorzugt im Westen, Nordwesten und Norden
sowie im Mittelgebirgsraum sind stürmische Böen, exponiert Sturmböen 8-9 Bft
wahrscheinlich, an der Nordsee schwere Sturmböen 10 Bft nicht ausgeschlossen.
Vor allem in die Südhälfte wird eine sehr milde Subtropikluft gelenkt (T850 4
bis 8 °C, im Norden 0 bis 4°C).
Am Samstag (Silvester) steilt die Südwestströmung über Deutschland noch etwas
auf, sodass die schleifende Front mit länger anhaltenden Regenfällen tendenziell
wieder nach Norden geführt wird. Strichweise ist wieder mit signifikanten
Regenmengen zu rechnen, die durchaus auch mal die Warnschwelle von 30 mm/24 h
knapp reißen können. Die Südwestströmung ist nach IFS-Lesart zumindest über
Mitteleuropa ziemlich glatt, nach Süden zu sogar leicht antizyklonal konturiert,
sodass dort mit eher ruhigem Wettergeschehen zu rechnen wäre. Über die Nordsee
schwenkt dagegen ein Trog und stützt ein kleines Randtief, dass den Gradienten
über der Nordhälfte des Landes zumindest mal stabil hält. Dementsprechend ist
neben gebietsweisem Regen auch weiterhin mit viel Wind zu rechnen, was die
Silvesternacht eher ungemütlich gestaltet. Sturmböen 8-9 Bft sind in den
Mittelgebirgen und an der See am wahrscheinlichsten. Aus Südwesten wird
ungewöhnlich milde Luft herangeführt, im Süden steigen die 850-hPa-Temperaturen
bis auf gut 10 °C an.
Am Sonntag (Neujahr) ändert sich kaum etwas, die Südwestströmung konturiert sich
vorderseitig des auf Westeuropa übergreifenden Troges noch etwas antizyklonaler,
die Regenfälle im Bereich der nach IFS-Lesart immer noch über dem Norden
schleifende Frontalzone verlieren somit an Intensität, nach Süden zu verstärkt
sich der Hochdruckeinfluss. Es bleibt ungewöhnlich mild.
Ab Montag gelangen wir in den Einfluss des an Wellenlänge einbüßenden Troges und
die Kaltfront des korrespondierenden, über Südskandinavien ostwärts gesteuerten
Tiefs überquert uns mit Regen langsam südostwärts. T850 sinkt damit zwar auf
mitunter leicht negative Werte, ein Temperatursturz steht in der maritimen,
durchmischten Luft aber nicht an.
In der erweiterten Mittelfrist deutet IFS den Aufbau eins Rückens an, womit über
Mitteleuropa mit etwas stabilerem, zumeist milden Hochdruckwetter zu rechnen
wäre.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag/Freitag (29./30.12.) kann die Konsistenz
der IFS-Modellläufe noch als einigermaßen gut bezeichnet werden. Im Zuge der
zyklonalen Westlage wird eine Trogpassage simuliert, die nur bezüglich des
Timings noch leichten Unschärfen unterliegt.
Danach beginnen die Modellläufe auch im Hinblick auf das grundsätzliche Muster
auseinander zu laufen. Der gestrige IFS-00z-Lauf rechnete mit einer weiteren,
etwas markanteren Trogpassage am Samstag (31.12.) und nachfolgend mit dem Aufbau
eines Rückens über Mitteleuropa, gefolgt von dem nächsten Trog zum Montag
(02.01.). Im aktuellen IFS-00Z-Lauf – genauso wie bei seinem Vorgänger von
gestern (12Z) – mäandriert die Strömung deutlich weniger. Beide Läufe zeigen
eine eher glatte Südwestströmung über Mitteleuropa. Dies hat zur Folge, dass die
atlantischen Frontensysteme nicht mehr zügig über Deutschland geführt werden,
sondern zu Schleifen beginnen. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit für Dauerregen
zu. Dafür nimmt die Gefahr starker Zyklogenesen in der Nähe des
Vorhersagegebietes eher etwas ab, was nicht bedeutet, dass die generelle
Sturmgefahr damit gebannt ist.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die zyklonale West- bis Südwestlage haben alle Modelle auf der Agenda. GFS hat
allerdings bereits am Freitag eine von IFS abweichende Entwicklung zu bieten.
Anstatt eines flachen Rückens rechnet das Modell einen weiteren, recht scharfen
Kurzwellentrog nebst markantem Randtief über der Nordsee. Dies brächte dem
Nordwesten eine schwere Sturmlage. Damit ist GFS aber allein auf weiter Flur.
Auch danach zeigt sich bei den Amerikanern das von IFS am stärksten abweichende
Bild. Die Südwestströmung mäandriert deutlich mehr. So führt ein am Samstag
(Silvester) zur Nordsee gesteuerter Trog zu einer Orkantiefentwicklung. Das
Sturmfeld würde auch Deutschland erfassen mit Orkanböen an der See und schweren
Sturmböen im nord- und nordwestdeutschen Binnenland. Auch bei ICON sind die
Tröge mitunter etwas stärker konturiert, hier wäre mit einem Randtief vor allem
in der Silvesternacht in der Nordhälfte etwas verbreiteter mit Sturmböen zu
rechnen. UK10 sieht dem bezüglich Sturms moderateren IFS sehr ähnlich.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
RAUCHFAHNEN:
Im Großen und Ganzen bestätigt das IFS-EPS das Szenario des deterministischen
Laufes. Die Rauchfahnen sind insbesondere zu Beginn der Mittelfrist bis Freitag
sehr eng gebündelt. Ab dem Wochenende nimmt der Spread dann vor allem bei der
Temperatur, mit Abstrichen auch beim Geopotenzial zu. Die große Mehrheit der
Member zeigt aber – genauso, wie der deterministische und der Kontrolllauf – bei
der 850-hPa-Temperatur einen deutlichen Anstieg bis einschließlich Sonntag
(Neujahr). Das trifft besonders auf den Süden und Mitte zu. Der Median steigt im
Süden zwischen Freitag und Sonntag von rund 3 °C auf gut 10 °C an. Im Norden
wird der Anstieg schwächer und diffuser gerechnet, zeichnet sich im Median (-3
°C -> +3 °C) aber auch dort ab. Auch das Geopotenzial gewinnt deutlich, ohne,
dass die Einzelmember nennenswerten Schwankungen unterliegen. Dies unterstreicht
den vom deterministischen Lauf berechnete Übergang von einer von kurzwelligen
Trögen geprägten, zyklonalen Westlage zu einer weniger mäandrierenden
Südwestlage. Bei den Niederschlägen zeigt sich in der Mitte und im Norden ein
Maximum der Ausschläge zum Jahreswechsel (schleifende Frontalzone), während sie
nach Süden zu eher abnehmen (antizyklonaler Einfluss).
Bei den GFS-ENS sieht das etwas anders aus, dort fluktuiert das Geopotenzial und
auch die Temperatur bis zum Jahreswechsel vor allem im Norden um einiges
stärker. Nicht wenige Member simulieren am Freitag (30.12.) und am Samstag
(Silvester) eine signifikante, teils schwere Sturmlage. Damit wird die vom
deterministischen Lauf der Amerikaner bevorzugte dynamischere Westlage zumindest
in Teilen vom Ensemble gestützt. Beim IFS-EPS fällt es schwer, einen Höhepunkt
der Windentwicklung auszumachen, ein paar Einzelmember haben eine nennenswerte
Sturmlage allerdings auch rund um den Jahreswechsel im Programm.
CLUSTER:
Zeitraum +72-96 h: 3 Cluster, alle Regime NAO+.
Zeitraum +120-168 h: 4 Cluster, alle Regime NAO+. Cluster 1-3 (46/51 Member,
inkl. HL und CL) rechnen eine recht glatte, nach Süden zu antizyklonale
Südwestlage. Cluster 4 (5/51) dagegen eine Westlage mit stärkerem zyklonalen
Einfluss im Norden, was wohl eher dem vom GFS favorisierten Szenario entspricht.
Zeitraum 192-240 h: 1 Cluster, Regimewechsel NAO+ -> BLOCKING. Deutschland liegt
am Rande einer umfangreichen, positiven Geopotenzialanomalie, bekommt also
zunehmend antizyklonalen Einfluss zu spüren (Wetterberuhigung).
FAZIT:
In der Mittelfrist vollzieht sich wahrscheinlich der Übergang zu einer
außergewöhnlich milden und windigen Südwestlage. Während nach Süden zu
antizyklonaler Einfluss an Dominanz gewinnt, sorgt die schleifende Frontalzone
ansonsten für nasses Wetter, wenngleich Dauerregen nur wenig wahrscheinlich ist.
Aufgrund der kaum mäandrierenden Höhenströmung bzw. der ungünstigen Interaktion
der Höhentröge mit den niedertroposphärischen Störungen scheint eine schwere
Sturmlage nach aktuellem Stand eher unwahrscheinlich. Da die synoptische
Grundkonstellation (Jet-Streak!) dennoch sturmförderlich ist und gerade GFS das
Potenzial teilweise auszuschöpfen vermag, sollte der Jahreswechsel dahingehend
im Auge behalten werden.
In der erweiterten Mittelfrist geht der Trend derzeit eher in Richtung
Wetterberuhigung.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
STURM:
Am Donnerstag und Freitag mit Ausnahme des Südostens zeitweise stark
auffrischender Südwestwind. Im Bergland und an der See Sturmböen (8-9 Bft)
wahrscheinlich, im west- und nordwestdeutschen Binnen- und Tiefland gering
wahrscheinlich. Auf Berggipfeln schwere Sturmböen (10 Bft), exponiert
orkanartige Böen (11 Bft).
Zum Jahreswechsel (Samstag/Sonntag) weiterhin teils stürmisch. Schwere Sturmlage
- Stand jetzt – aber nur gering wahrscheinlich
DAUERREGEN:
Gebietsweise länger anhaltende Regenfälle, zunächst vor allem im Süden und
Südwesten (Donnerstag/Freitag), später dann auch über der Mitte und im Norden
(Freitag/Samstag). Geringe Wahrscheinlichkeit für Dauerregen (>30 mm/24 h) vor
allem in Staulagen der südwest- und westdeutschen Mittelgebirge.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS; MOS-MIX
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser