SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 11.12.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin winterlich, von Westen her aber zunehmend leichter Hochdruckeinfluss.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland nach wie vor unter einem umfangreichen,
mit hochreichender Kaltluft (T850 -7 bis -12°C, T500 mit Ausnahme des Ostens um
-37°C) angefüllten Höhentrog. Gespickt mit mehreren Drehzentren erstreckt er
sich von Nord- bis nach Mitteleuropa, wo er breit auseinanderläuft. Südlich
schließt sich eine Region mit Zonalströmung an, in die auch die mäßig
ausgeprägte Frontalzone eingebettet ist. Bei uns geben im Wesentlichen zwei
kleine Potenzialgebilde den Ton an (500 hPa). Zum einen ein kleines Höhentief,
das im Laufe der Nacht von der östlichen Mitte nach Tschechien zieht. Es sorgt
in den östlichen und südöstlichen Landesteilen gemeinsam mit dem von Belarus zu
den baltischen Staaten ziehenden Vb-Tief BIRGIT für leichte, vornehmlich durch
WLA getriggerte Hebung. Entsprechend schneit von Vorpommern bis hinunter nach
Sachsen, partiell auch noch in Thüringen sowie in Teilen Bayerns (vor allem im
Osten) mit überwiegend geringer Intensität. Die Neuschneeakkumulation hält sich
mit 1 bis 5 cm in Grenzen, allenfalls im Erzgebirge sowie im Zittauer Gebirge
kann es staubedingt lokal etwas mehr sein.

Gebilde #2 ist ein kleines Höhenhoch über der Nordsee, das sich etwas nassforsch
und ohne Rücksicht auf Verluste in den Trogkomplex eingeschlichen hat und nun
gemeinsame Sache mit einem flachen Rücken über Nordfrankreich und Benelux macht.
Unterstützt wird eine meridional über Deutschland verlaufende, relativ schmale
Hochdruckzone (nur wenige Hektopascal über 1010), die quasi den Fortsatz des
über Skandinavien platzierten Hochs JULIAN markiert. Das Hoch dämpft zum einen
das Schneefallgeschehen, auch wenn es aus einer höhenkalten Luftmasse wie dieser
immer mal leicht schneien (teils in Form kleinräumiger Schauerlinien) oder auch
nur etwas krümeln kann. Zum anderen sorgt es für einige, mal mehr, mal weniger
große Wolkenlücken, unter denen sich stellenweise Nebel bildet. Die Temperatur
geht je nach Bewölkung auf -2 bis -7°C, bei Aufklaren und vorhandener
Schneedecke sowie im höheren Bergland teils auf -10°C oder noch darunter zurück.
Direkt an der See liegen die Tiefstwerte z.T. nur bei 0°C.

Montag … verbleibt der schwache Höhenrücken knapp westlich von uns, während
sich das o.e. Höhentief in einen Randtrog umwandelt, der sich dem hochreichenden
Vb-Tief über den baltischen Staaten anschließt. Heraus kommt für uns ein flaue
nördliche Höhenströmung, die keinerlei Esprit versprüht. Stattdessen verstärkt
sich der Hochdruckeinfluss noch etwas, wodurch die Tendenz zur
Wolkenauflockerung respektive -auflösung von Süden und Westen weiter zunimmt.
Klar, überall wirdŽs nicht reichen, die tiefe, teils hochnebelartige Bewölkung
zu knacken. Im Westen (vor allem nördlich der Eifel) und Südwesten sowie
Richtung Alpen nebst Vorland setzt sich aber gebietsweise für längere Zeit die
Sonne in Szene.

Ansonsten wird es der Sonne nicht ganz so leichtgemacht und im Osten ist zu
befürchten, dass es gar nicht klappt. Dort greifen noch immer periphere
Hebungsimpulse auf der West-Südwestflanke des Vb-Tiefs, auch wenn diese immer
schwächer werden. Vor allem nördlich vom Erzgebirge schneit es noch einige Zeit
weiter, bevor der Schneefall am Nachmittag immer mehr nachlässt bzw. ganz
aufhört. Zuvor kommen in einigen Staulagen aber noch mal rund 5 cm Neuschnee
zusammen. Der nordwestliche Wind frischt an der vorpommerschen Ostseeküste (dort
noch einzelne Schneeschauer) sowie im höheren Erzgebirge vorübergehend mal etwas
stärker auf, für eine Warnung wird das sehr wahrscheinlich aber nicht reichen.
Die Temperatur steigt in den Tieflagen im Westen sowie direkt an der See in den
leichten Plusbereich. Ansonsten herrscht weiterhin leichter, im Bergland auch
mäßiger Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag gilt es einen ersten zaghaften Blick in den Südwesten
Europas inkl. der vorgelagerten Meeresgebiete zu riskieren. Weit westlich der
Biskaya hat sich schon jetzt das international benannte Tief „Efrain“
eingefunden, das nur langsam Boden nach Osten gutmacht. Da es aber Fühlung zu
Europa bekommen möchte, greift das Tief zu einem Trick, indem es an seiner
Okklusion ein kleines Teiltief generiert (COLLEEN), das in den frühen
Morgenstunden des Dienstags von der Biskaya her französisches Festland betritt.
Zwar bleiben die zugehörigen Aufgleitprozesse zunächst noch außen vor. Trotzdem
könnten im äußersten Südwesten die ersten hohen Wolken von Frankreich und der
Schweiz her ankommen, was aber nicht mehr als eine Randnotiz ist.

Der überwiegende Teil des Vorhersageraums verbringt die Nacht unter
Hochdruckeinfluss, was teils klare oder nur gering bewölkte (=> Nebelfelder), im
Norden und Osten vielfach aber auch stark bewölkte Verhältnisse zur Folge hat.
Zwischen Erzgebirge und Ostsee krümelt es hier und da noch etwas und auch in SH
könnten von der Nordsee her ein paar Schneeschauer aufschlagen. Die Temperatur
geht verbreitet in den mäßigen, bei klarem Himmel und Schneedecke auch strengen
Frostbereich zurück. Nicht ganz so kalt, aber immer noch frostig wird es unter
den Wolken im Nordosten sowie direkt an der See (0 bis -5°C).

Dienstag … beginnt die Wetterlage sich allmählich in das GWL-Muster Ws
(südliche Westlage) umzuwandeln. Bereits zuvor hat sich die Frontalzone in zwei
Äste gesplittet, von denen der Hauptstreak via Iberische Halbinsel in den
Mittelmeerraum verläuft, während der Sekundärstreak von UK/Irland bis zum Balkan
gerichtet ist und dabei auch Teile des Vorhersageraums überdeckt. Am Boden
beginnt der Luftdruck leicht zu fallen, wodurch die Hochdruckzone in kleinen
Schritten nach Osten abgedrängt wird. Allerdings bleibt sie zunächst noch potent
genug, um weiten Landesteilen einen zwar kalten, unter dem Strich aber nicht
unfreundlichen 13. Dezember zu kredenzen. Insbesondere in einem breiten, von
Westdeutschland über die Mitte bis in den Südosten reichenden Streifen scheint
trotz einiger Hochnebelfelder und von Südwesten aufziehender hoher Bewölkung
häufig die Sonne.

Im Norden und Osten hingegen überwiegt trotz einiger Auflockerungen oder
Aufhellungen starke Bewölkung, aus der hier und da etwas Schnee fällt,
insbesondere in Küstennähe. Der Fokus des Tages richtet sich aber eindeutig auf
die Entwicklung über Frankreich, wo sich zwar das kleine Teiltief COLLEEN nicht
richtig weiterentwickeln kann, dafür aber eine Rinne mit hoher Baroklinität auf
den Plan tritt. Außerdem bringen die zuvor schon in Gang gekommenen
Aufgleitprozesse nunmehr einen höheren Ertrag, in dem zu der mehrschichtigen
Bewölkung jetzt auch Niederschläge dazukommen. Auf deutscher Seite kommen diese
in Form von Schnee – wenn überhaupt – aber erst in den Abendstunden an, wobei
Südbaden, der Hochrhein, die Bodenseeregion und vielleicht noch das Allgäu in
der Favoritenrolle sind. Es sei aber hier schon darauf hingewiesen, dass ab
diesem Zeitpunkt die Modellunterschiede respektive -inkonsistenzen beginnen
zuzunehmen. Ob der im höheren Bergland auffrischende Südostwind ausreicht, den
zuständigen Meteorologen eine Warnung zu entlocken, bleibt abzuwarten. Tatsache
ist, dass sich die 2m-Temperaturen trotz z.T. deutlicher Frostabschwächung auf
850 hPa (im äußersten Südwesten am Abend nur noch um -2°C) gegenüber dem Vortag
kaum ändern.

In der Nacht zum Mittwoch wird es einmal mehr spannend. Wir erinnern uns, in der
Mittelfrist der vergangenen Woche wurde uns für die Wochenmitte mal mehr, mal
weniger eine Grenzwetterlage mit einer relativ scharfen Luftmassengrenze
versprochen. Nun, die erforderliche hohe Baroklinität ist tatsächlich da,
befindet sich aber noch – je nach Modell – über dem Norden oder der Mitte
Frankreichs. Die Kernfrage lautet nun, in welcher Form bekommen auch wir davon
etwas ab und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die
Niederschlagsentwicklung. Konzentrieren wir uns der Übersicht halber auf ICON,
so simuliert der 12-UTC-Lauf ein langsames Übergreifen der o.e. Tiefdruckrinne
auf den äußersten Süden, wo T850 am frühen Morgen in den untersten Plusbereich
rutscht (etwa vom Markgräfler Land bis hinüber ins Werdenfelder Land). Die
Konsequenz: Die in der Nacht von Frankreich und der Schweiz aufkommenden und
sich bis ins Fränkische ausbreitenden Schneefälle gehen im äußersten
Süden/Südwesten in Regen und zwar vielfach in gefrierenden Regen mit Glatteis
über. Angesichts apostrophierter Mengen von 5 bis 15, im Allgäu lokal 20 l/m²
innert 12 h hätte dieses Szenario unweigerlich eine Unwetterlage zur Folge, auch
wenn vorher Schnee fällt und später vielleicht die flüssige Phase überwiegt. IFS
und UK10 (jeweils von 00 UTC) gehen in eine sehr ähnliche Richtung bei
allerdings etwas weiter nach Norden und Nordwesten ausgreifenden Schneefällen.
Am progressivsten gibt sich GFS (06/12 UTC), wo der Schnee bis zum Morgen bis
nach NRW, RP und Hessen und der gefrierende Regen etwa bis zu einer Linie
Saarland-Nordbaden-bayerisch Schwaben vorankommt. Mehr Spannung geht kaum, auch
wenn die für diese Nacht vorgesehenen Nachtdienste das Ganze eher mit gemischten
Gefühlen betrachten dürften.

Für den Rest des Landes gilt: von Süd-Südwest Aufzug hoher, teils mittelhoher
Bewölkung, aber meist niederschlagsfrei. Dazu verbreitet leichter bis mäßiger,
aber nur noch punktuell strenger Frost.

Mittwoch … werden die Modellunterschiede nicht kleiner. Während vor allem GFS,
bedingt auch UK10 die barokline Zone bis in die mittleren Landesteile
vorankommen und damit auch die Niederschläge weit nach Norden ausgreifen lassen,
zeigen ICON und IFS diesbezüglich kein gesteigertes Interesse. Dass sich daraus
Konsequenzen für die Niederschlagsentwicklung ergeben, sowohl in Bezug auf Phase
und räumliche Verteilung, aber auch hinsichtlich der Intensitäten, ist
offensichtlich. Vom klassischen Dreiklang mit Schnee/Glatteis/Regen bis hin zu
einem baldigen Übergang in Schnee (Süden) sind viele Varianten denkbar, die der
Verfasser an dieser Stelle aber noch nicht ausführen möchte. Zu viel
Spökenkiekerei bringtŽs ja nun auch nicht, wenn am Ende sowieso alles anders
kommt. Dass der Mittwoch nicht der langweiligste einer wird, liegt jedenfalls
nicht nur an der für die Vorhersagezentrale geplanten Weihnachtsfeier, die
hoffentlich wetterlagenbedingt nicht aus dem Programm genommen werden muss.

Ansonsten sei nur noch vermerkt, dass sich der Frost im Süden abschwächt, wobei
aber noch offen ist, wie hoch die Temperatur dort tatsächlich geht. Auch die
Aussage, dass weite Teile Norddeutschlands von den Geschehnissen weiter südlich
verschont werden dürften, ist einigermaßen belastbar. Also dann, auf gehtŽs…

Modellvergleich und -einschätzung

Dass die Modelle nach hinten raus, wo es richtig interessant wird,
auseinanderlaufen, wurde bereits erwähnt. Im Grunde machtŽs die ganze
Angelegenheit noch spannender und wir dürfen gespannt sein, ob sich eher die
progressive GFS/UK10-Variannte oder eher die defensiven ICON und IFS
durchsetzen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann