#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Donnerstag den 01.12.2022 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.12.2022 um 10.30 UTC
Trüb und nasskalt, ab und an etwas Regen oder Sprühregen. Zur Wochenmitte von
Norden kälter.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 08.12.2022
Eins vorweg: Die Kernaussagen der gestrigen Übersicht lassen sich auch auf die
heutige Übersicht übertragen.
Da wäre:
Die großräumige Zirkulation bleibt nachhaltig gestört und bietet prinzipiell
großes Potential für nachhaltiges Winterwetter bis ins Flachland.
Die weitere Entwicklung ist jedoch mit erheblichen Unsicherheiten versehen.
Bis Mitte nächster Woche bleibt es erstmal nass-kalt mit nur örtlichen leichten
Niederschlägen und meist trüb.
Im Detail haben wir es am kommenden Sonntag mit einer High-over-Low Lage
westlich von uns zu tun, bei der ein stabiles Höhenhoch bei Island an dessen
Südrand von mehreren Höhentiefs über der Nordsee, südwestlich von Irland und
über Südfrankreich flankiert wird. Deren gemeinsame Rotationsachse befindet sich
in etwa ausgangs des englischen Kanals. Des Weiteren befindet sich das uns
bekannte umfangreiche Hoch aus der Kurzfrist mit über 1050 hPa im Bodendruckfeld
über Russland. Die dadurch implizierte Hochdruckbrücke über weiten Teilen
Nordeuropas ist allerdings gestört bzw. unterbrochen durch ein Cut-Off dicht
westlich der Lofoten sowie in der Höhe zusätzlich durch einen Kaltlufttropfen
über Finnland. Wer sich als geneigter Leser nicht spätestens jetzt entsprechende
Karten zum Nachvollziehen bereit hält, ist aufgrund der zu beschreibenden
Komplexität bereits jetzt wahrscheinlich verloren. Daher ist es auch nicht
verwunderlich, dass die Modelle mit der weiteren Entwicklung gerade zum Ende der
Mittelfrist und insbesondere in der erweiterten Mittelfrist ihre liebe Müh‘ und
Not haben. Im Zusammenspiel mit einem weiteren von der Strömung entkoppelten
Tief südlich der Azoren ergibt sich eine ausgewachsene NAO negativ
Konfiguration. Übereinstimmend rauschen die Prognosen des NOAA im Ensemblemittel
für den NAO Index auch ordentlich nach unten, um sich zur Monatsmitte Dezember
zwar etwas zu erholen, aber dennoch im negativen Bereich zu verbleiben.
Der Haken an der ganzen Sache: Die Lage kommt gewissermaßen zu früh. In der
Osthälfte Belarus‘ ist die Schneedecke zwar mit 10 bis 30 cm schon ganz
anständig, in großen Teilen des Baltikums und Polens liegt aber aktuell kaum
oder so gut wie kein Schnee. Entsprechend konnte sich im Randbereich des Hochs
noch kein entsprechendes Kältereservoir aufbauen und mit der östlichen Strömung
haben die Luftmasse Zeit sich etwas zu erwärmen, bevor sie uns erreichen.
Zudem beginnt am Sonntag auf der Vorderseite des Höhentiefs über Südfrankreich
der Druck über den Alpen zu fallen und die Strömung dreht geostrophisch in der
unteren Troposphäre leicht auf Südost. Vom Balkan gelangt somit etwas mildere
Luft zu uns (T850 zwischen +7 Grad südlich der Donau und 0 Grad an der
nördlichen Mittelgebirgsschwelle), in der die stellenweise leichten
Niederschläge meist als Niesel- oder Sprühregen fallen bei +1 bis +6 Grad in 2m
Höhe. Lediglich ganz im Norden hält sich noch die kältere Luftmasse der Vortage
mit T850 um -5 Grad. Dort sorgt allerdings der gradientbedingte frische Wind aus
Nordost bis Ost mit einzelnen steifen Böen auf den Inseln für ausreichend
„Eintrag“ der noch vergleichsweise milden Wassertemperaturen, so dass auch dort
die Niederschlagsphase in lokalen Schauerstraßen meist flüssiger Natur ist.
Auflockerungen wird man vielerorts wieder vergeblich suchen. Die Kollegen
witzeln bereits sarkastisch angehaucht, dass sich derzeit Tag und Nacht nur noch
durch den Wechsel von „dunkel“ zu „weniger dunkel“ unterscheiden. Die Chance auf
Sonnenschein bietet sich am ehesten in höheren Lagen der Süddeutschen
Mittelgebirge sowie an dessen Westrändern.
Am Montag erfolgt ein „arctic outbreak“ über dem Nordmeer, wodurch der Druck
über Skandinavien stark fällt und die Hochdruckbrücke vollends gesprengt wird.
Das Hoch über Osteuropa setzt seine Abschwächungstendenzen fort. Für uns derweil
interessanter ist der östlichste der umeinander rotierenden „Höheneier“, das
allmählich nach Süddeutschland vorankommt. Dadurch formiert sich am Boden über
der Landesmitte eine schmale Tiefdruckrinne. An dessen Nordflanke bleibt der
Ostwind stramm unterwegs mit vereinzelt auch stürmischen Böen auf den Inseln,
wohingegen die Druckverteilung am Südrand komplett mau ist. Die mildere Luft vom
Balkan erreicht nun auch in einem weiten Bogen den Norden Deutschlands. Dadurch
nehmen im Endeffekt nicht nur Verbreitung und Intensität der Niederschläge über
Deutschland zu, auch wird die Schneephase selbst in den Gipfellagen der
Mittelgebirge immer mehr in den Hintergrund gerückt. Die Schneefallgrenze sollte
je nach Tageszeit und Niederschlagsintensität etwa zwischen 600 und 1000 Metern
schwanken. An Temperaturen und Bewölkungsverhältnissen ändert sich sonst kaum
etwas.
Am Dienstag formiert sich ein Höhentief mit unter -40 Grad in 500 hPa am Nordkap
und erfasst zunehmend auch die südlichen Landesteile Skandinaviens. Dessen
vorgelagerte Kaltfront erreicht zur Mittagszeit in etwa auch die Hauptstädte
Helsinki, Stockholm und Oslo. Hierzulande schnürt sich das Höhentief vom
ursprünglichen Komplex (verbleibt schwerpunktmäßig über der Biskaya) ab und
verlässt uns Richtung Polen. Kompensatorisch setzt sich mit einem flachen Rücken
von Südwesten schwaches Absinken durch, was sich durch die nach wie vor
vorhandene feuchte Grundschicht aber letztlich kaum bemerkbar machen dürfte.
Zumal sich schon nach nächtlich Auflockerungen im Süden rasch neuer Nebel und
Hochnebel bilden dürfte. Nichtsdestotrotz sind die Chancen auf Sonne im Süden
und Südwesten gegenüber den Vortagen etwas erhöht. Sonst bleibt es wohl vielfach
grau bei maximal 2 bis 7 Grad. Etwas Regen oder Sprühregen fällt vor allem noch
in der Nordhälfte.
Am Mittwoch und Donnerstag wird die Lage sehr unsicher. Zentrale Fragen: Stärke
und Position des Biskayatiefs? Weitere Entwicklung des Tiefs über Polen. Es
läuft wohl in jedem Falle auf ein frontogenetisches Viererdruckfeld mit sich
verschärfender Luftmassengrenze über Deutschland hinaus. Wie intensiv und wie
weit nordwärts die milde Luft aus Süden gepumpt wird, hängt vom Biskayatief ab.
Wie stark verzögert die Kaltfront aus Skandinavien übergreift vom Tief über
Polen, das im jüngsten Lauf unter Vertiefung zur südöstlichen Ostsee ziehen
soll. In jedem Falle wird wohl mehrschichtige Bewölkung dominant bleiben und die
Niederschlagsprozesse verstärken sich wieder. Ob es dabei an der Nordflanke
schon bis in tiefe Lagen für Schnee mitsamt winterlichen Straßenverhältnissen
reicht, wird man sehen. Wahrscheinlich bleibt es wohl vorerst mal bei der
Variante „nasskalt“.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des IFS kann allenfalls als mäßig eingestuft werden. Kein Wunder,
angesichts einer dermaßen gestörten Zirkulation. Kleinere Abweichungen können da
durchaus große Folgen haben. Beispiel: Abspaltung des Höhentiefs am Dienstag
ostwärts. Im 00z Lauf von gestern sollte es sich noch irgendwo über dem Balkan
verlieren mit der Konsequenz, dass sich über Polen mit 1024 hPa rasch ein neuer
Keil des Russlandhochs etabliert hätte. Im aktuellsten Lauf hingegen leicht
achsenverschoben genau über Polen mit knapp 1010 hPa am Boden. Das lässt schon
Böses für die Ensemble erahnen.
Ähnliches gilt für das Biskayatief, das mal mehr mal weniger intensiv nord- und
südwärts gerechnet wird. Hier sticht der 12z Lauf von gestern heraus, der nur
ein flachen Randtrog über dem Englischen Kanal übrig ließ. Dadurch würde die
Kaltluft mit -10 Grad in 850 hPa aus Norden schneller und fast schon
antizyklonal einfließen. Die 00z Läufe sehen zumindest die Südhälfte
Deutschlands mit zeitweise stürmischen Verhältnissen über der Biskaya lange auf
der milden Seite.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die gleichen Probleme bezüglich der genauen Akzentuierung des Viererdruckfeldes
beschäftigt auch die sonstige Modellwelt. An dieser Stelle die Gemeinsamkeiten
und Unterschiede aufzuführen, würde den Rahmen sprengen und letztlich zu nichts
führen. Im Großen und Ganzen kann am beschriebenen wahrscheinlichsten Szenario
unter Abschnitt 1 sowie unten im Fazit festgehalten werden, für die sich eine
Mehrheit findet.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen der Temperatur sind überraschend gut gebündelt. Auch Haupt- und
Kontrolllauf schwenken im Einklang. Nach kurzer Milderung am Montag und Dienstag
mit T850 um 0 Grad aus Süden geht’s im Norden rasch wieder auf -5 Grad runter.
Auffällig ist allerdings, dass sich kaum Member für die -10 Grad finden
(Polarluft arktischen Ursprungs postfrontal). Das spricht dafür dass deren
Einsickern noch nicht gesichert ist (Stichwort Verzögerung durch Ostseetief)
oder aber der Umweg so groß ist, dass sie uns „nur“ noch umgewandelt erreicht.
Insofern spricht vieles für die Variante nasskalt – zumal auch die Windrosen für
Berlin ab Mittwoch der westlichen Komponente den Vorzug geben.
Je weiter man nach Süden vorstößt, desto größer der Spread. Dies ist der
unsicheren Lage und Ausgestaltung der Luftmassengrenze geschuldet. Die Peaks im
HL am Mittwoch mit über +5 Grad sind am obersten Ende der EPS Schar. Das EPS
Mittel liegt etwa bei 0 Grad. Gleichwohl kann sich die Milderung mit hoher
Wahrscheinlichkeit eh nicht am Boden durchsetzen, von daher sind das wohl
akademische Unterschiede. Ob sich die Kaltluft im weiteren Verlauf bis in den
Süden durchsetzt ist bei einem Spread zwischen +10 und -15 Grad ohne erkennbare
Mehrheiten im EPS komplett offen. Das Geopotential nimmt aber tendenziell ab.
3 gleichstark repräsentierte Cluster, die die komplette Modellbandbreite sowie
auch die Einzellauflösungen von gestern und heute des IFS widerspiegeln, liefern
leider keine gewinnbringenden Erkenntnisse. In der erweiterten Mittelfrist
deutet vieles auf Wetterberuhigung auf einem mäßig kalten Temperaturniveau mit
(zumindest) verbreitet Nachtfrösten hin.
Womit wir auch schon beim Fazit wären, dass es bis dahin vermehrt trüb und grau
mit zeitweiligen, meist leichten Niederschlägen weitergeht. Nach kurzer
Milderung zum Wochenwechsel fallen diese meist als Regen, ab Mitte der Woche von
Norden wieder teilweise als Schnee. Das Temperaturniveau ist dann durchaus der
Jahreszeit entsprechend und damit frühwinterlich. Immerhin – man ist ja genügsam
geworden im Laufe der letzten Jahre. Für eine richtige „Einwinterung“ mit
Schneefällen und Dauerfrost reicht es aber aller Voraussicht in absehbarer Zeit
noch nicht.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Außer geringe Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen am Sonntag und Montag auf
den Inseln von Nord- und Ostsee sowie weiteren exponierten Küstenabschnitten aus
Nordost bis Ost ist erstmal nix rauszuholen.
Ob sich beim Übergang in die erweiterte Mittelfrist zum Ende der nächsten Woche
eine markante Schnee- und/oder Glatteislage einstellt, werden die kommenden Tage
zeigen. Ernstzunehmende Hinweise gibt es darauf aktuell (noch) nicht.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen