SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 07.11.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Mal Rücken, mal Trog, und am Ende wieder Rücken – leicht wechselhaft, aber nicht
schmerzhaft. Vor allem an der Nordsee immer wieder windig. Mild bis sehr mild.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … findet über dem nahen Atlantik die gefühlt x-te Regeneration des
dort befindlichen Höhentrogs statt. Im Grunde ist der Vorgang weitgehend
abgeschlossen und das Drehzentrum westlich von Irland neu justiert. Gemeint ist
die Ablöse des bisher wetterbestimmenden Tiefs Ex-MARTIN („Ex“ deswegen, weil
das Tief aus dem ehemaligen Hurrikan MARTIN entstanden ist und somit
traditionell keinen neuen Namen von der BWK/FU-Berlin bekommen hat), das nun
durch PHILOMENIA ersetzt wird. Aufgrund ihrer entwicklungsgünstigen Position zum
Höhentrog vertieft sich PHILOMENA in den nächsten Stunden auf etwas unter 970
hPa, wobei sie das Seegebiet knapp westlich der Hebriden ansteuert. Damit sind
Tief und Trog weit genug von uns weg, um unmittelbaren Einfluss auf das
Geschehen vor Ort zu nehmen. Mittelbar hingegen gibt es schon einige Werkzeuge,
um hier mitzumischen und ein paar Impulse zu setzen.

Da wäre zunächst mal die vorderseitige, recht kräftig ausfallende WLA zu nennen.
Sie sorgt für Potenzialgewinn und den Aufbau eines kurzwelligen Rückens, der in
der Nacht den Vorhersageraum erreicht respektive langsam ostwärts passiert.
Überlaufen wird der Rücken von der Warmfront des o.e. Tiefs, die nordostwärts
über Norddeutschland hinwegschwenkt und dabei etwas Regen bringt. Mehr als 5
l/m² dürften in 12 Stunden aber nicht zusammenkommen, z.T. reicht es nicht mal
für einen mickrigen Millimeter. Fast wichtiger ist daher die Aussage, dass
hinter der Front zumindest niedertroposphärisch noch mildere Luft
herangeschaufelt wird als ohnehin schon da ist. So steigt T850 von 3 bis 6°C am
Abend auf 5 bis 10°C am Morgen an. Im 2m-Niveau bildet sich dieser
Erwärmungsprozess zumindest in der Nacht noch nicht ab, dazu ist der Wind zu
schwach. Immerhin, im Norden und Nordwesten kühlt es (natürlich auch wegen der
vielen Wolken) vielfach nicht unter 10°C ab, wohingegen im leicht antizyklonal
beeinflussten Südosten (Hoch BAHRUDIN über den Ostalpen und dem Balkan) bei sich
abkoppelnder Grundschicht Tiefstwerte unter 5°C auf der Rechnung stehen. An den
Alpen ist lokal gar leichter Frost möglich, was für einen 7./8. November aber –
eigentlich – nichts Besonderes ist. Neben den tieferen Temperaturen kommt im
Süden auch noch Nebel dazu, zum Teil mit Sichtweiten unter 150 m.

Kurz noch ein Satz zum Wind, der vorderseitig des großen Tiefs auf südliche
Richtungen rückdreht und dabei zumindest im Binnenland schwächer wird. Lediglich
an und auf der Nordsee sowie in einigen Kamm- und Kuppenlagen der Mittelgebirge
muss weiterhin mit steifen, exponiert auch stürmischen Böen 7-8 Bft gerechnet
werden.

Dienstag … verbleiben wir auf der Vorderseite des umfangreichen Höhentrogs,
der etwas dichter an den europäischen Kontinent heranrückt. Derweil verlagert
sich das Bodentief unter Intensivierung auf unter 965 hPa ins Seegebiet zwischen
Schottland und Island. Die zugehörige Kaltfront hat es aufgrund geringer
Schubkomponenten nicht besonders eilig, nach Osten voranzukommen, was
Deutschland vorübergehend in den indifferenten bis leicht antizyklonal
konturierten Warmsektor bringt (T850 6 bis 11°C). Dabei scheint nach z.T. etwas
schleppender, schlussendlich aber funktionierender Auflösung des Nebels –
mindestens zeitweise, im Osten und Süden teils sogar für längere Zeit die Sonne.
Mit Hilfe des tagsüber wieder auflebenden südlichen Windes wird der
Durchmischungsapparat mehr als solide in Gang gesetzt, was vielerorts noch etwas
höhere Temperaturen als heute zur Folge hat. 13 bis 18°C, im Süden lokal 19°C
sind für einen 8. November eine echte Duftmarke, die sogar für einige
Stationsrekorde reichen könnten.

Mild bis sehr mild verläuft der Dienstag übrigens auch im Westen und Nordwesten,
obwohl sich die Wolken im Vorfeld der sich langsam annähernden Kaltfront mehr
und mehr verdichten und am Nachmittag zwischen Saarland/RP und Nordsee da und
dort ein paar Tropfen Regen fallen können. Wind und WLA sorgen dafür, dass die
Tageshöchstwerte gegenüber den oben genannten in nichts nachstehen. Den meisten
Wind gibtŽs übrigens einmal mehr auf und an der Nordsee sowie im höheren
Bergland. Aus südlichen Richtungen kommend werden Böen 7 Bft, vereinzelt (z.B.
exponierte Kammlagen, Helgoland, Nordfriesische Inseln, Halligen) 8 Bft
erreicht. In seltenen Fällen reicht es auch am Nordrand der westlichen und
zentralen Mittelgebirge mal für eine 7er-Böe, was aber nicht zwingend zu
bewarnen ist.

In der Nacht zum Mittwoch passiert die nach Südwesten zurückhängende und
weiterhin nur mäßig progressive Kaltfront den Westen und Nordwesten. Vor und an
der Front kommt es mit Unterstützung von PVA zu Regenfällen, wobei im Westen und
Südwesten gebietsweise 5 bis 10 l/m² innert 12 h fallen können. Im Norden ist
die Front weniger wirksam, was sich in deutlich schwächeren Niederschlägen
widerspiegelt. Im Südosten bleibt es bis zum Morgen trocken, stellenweise bilden
sich dort zuvor sogar ein paar Nebelfelder. Außerdem sinkt dort die Temperatur
punktuell bis auf Gefrierpunktnähe.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass postfrontal alles andere als kalte Luft
einströmt. Zwar geht T850 in der einfließenden Subpolarluft auf etwas unter 5°C
zurück, bodennah spürt man aber keine Abkühlung. Aufgrund guter Durchmischung
hält sich die Nachttemperatur überwiegend im zweistelligen Bereich, z.T. wird es
nicht frischer als 12 oder 13°C. An und auf der Nordsee sowie in höheren Lagen
bleibt der Süd-Südwestwind am prominentesten unterwegs mit Böen 7-8 Bft, auf dem
Brocken bis 10 Bft.

Mittwoch … greift der Höhentrog unter Amplitudenverlust und Verkürzung seiner
Wellenlänge langsam aber sicher auf den Vorhersageraum über. Dabei drückt er die
Kaltfront des süd-südöstlich Islands verweilenden und nur langsam auffüllenden
Tiefs PHILOMENIA weiter gen Osten. Aufgrund der höhenströmungsparallelen
Exposition ist mit einer abschließenden Frontpassage aber erst in der Nacht zum
Donnerstag zu rechnen. Vor allem in ihrem Südteil tut sich die Front nicht
zuletzt auch wegen einer wahrscheinlichen flachen Wellenbildung sehr schwer,
Boden nach Osten hin gutzumachen.

Wie auch immer, in einem von Südwestdeutschland bis in den Nordosten reichenden
Korridor kommt es mit Unterstützung in der Höhe ablaufender Sekundärtröge zu
zeitweiligen, gebietsweise auch einige Stunden andauernden Regenfällen. In der
Summe können regionsweise 5 bis 10 l/m², insbesondere im Schwarzwald lokal bis
zu 20 l/m² zusammenkommen. Weitgehend trocken bleibt es im präfrontalen und
teils leicht föhnigen Südosten Bayerns. Neben einigen zähen Nebelfeldern und
durchziehenden Wolken steht dort auch noch etwas Sonne auf der Karte.

Die kann es in kleinen Dosen auch postfrontal im Westen und Nordwesten geben, wo
T850 in der frisch einfließenden Subpolarluft auf bitterkalte +3 oder +2°C
sinkt. Mit Annäherung des Troges und damit einhergehender Einsteuerung von
Höhenkaltluft „light version“ (T500 um -25°C) wird die Luftmasse zunehmend
labilisiert, was in Schauer, Richtung Nordsee auch kurze Gewitter (mit Böen 8
Bft) mündet. Der auf Südwest drehende Wind frischt vorübergehend auf, dürfte
aber nur an und auf der Nordsee (täglich grüßt das Murmeltier) und in Hochlagen
von Warnrelevanz sein (7-8 Bft, exponierte Kämme und Kuppen 8-9 Bft, Brocken 10
Bft). Mit geringer Wahrscheinlichkeit treten auch in einigen Leelagen der
Mittelgebirge ein paar steife Böen auf. Am Nachmittag und Abend nimmt der Wind
im Zuge einsetzender Gradientaufweichung allmählich ab.

Mit Temperaturmaxima zwischen 11 und 17°C setzt sich der milde Novembertrend
penetrant fort.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Höhentrog über Deutschland hinweg
ostwärts, wobei er im Süden geringfügig zurückhängt. Das hat zur Konsequenz,
dass dort die vorgeschaltete Kaltfront zuletzt deutsches Territorium verlässt.
Und so verwundert es nicht, dass es im Süden und Osten Bayerns nicht nur am
stärksten (5-15, lokal um 20 l/m²), sondern auch am längsten regnet
(Schneefallgrenze sinkt auf etwa 1700/1600 m). Ansonsten entwickeln sich bei
wechselnden Bewölkungsverhältnissen unter dem Trog noch einzelne Schauer, an der
Küste auch kurze Gewitter. Von Südwesten einsetzender Druckanstieg lässt den
Gradienten weiter aufweichen, so dass der südwestliche Wind außer in wenigen
exponierten Kammlagen aus warntechnischer Perspektive keine Rolle mehr spielt.
Mit 11 bis 5°C bleibt die Nacht frostfrei.

Donnerstag … schickt sich der nächste Höhenrücken an, Mitteleuropa und somit
auch Deutschland von Westen her zu okkupieren. Dabei interagiert er zunehmend
mit einem langgestreckten Hoch, das sich vom Seegebiet west-südwestlich der
Iberischen Halbinsel bis zu uns erstreckt. In der Südhälfte steigt der Luftdruck
auf 1025 bis 1028 hPa an, während Teile Nord- und Nordwestdeutschlands bei etwas
niedrigerem Druckniveau noch den Durchgang einer Warmfront akzeptieren müssen.
Diese bringt neben Wolken auch etwas Regen, wobei derzeit noch offen ist, wie
weit die Front von der Nordsee her tatsächlich nach Süden ausgreift
(Modellunterschiede).

Auch sonst präsentiert sich der Himmel in weiten Teilen des Landes zunächst
wolkig bis stark bewölkt. Im äußersten Südosten Bayerns fällt im Schlepptau der
nun endgültig abziehenden Kaltfront anfangs noch etwas Regen, in höheren Lagen
Schnee. Im Tagesverlauf nehmen dann Auflockerungen von Westen und Südwesten her
zu. Die Temperazur erreicht Höchstwerte zwischen 9 und 15°C. Dazu weht ein
schwacher, im Nordwesten mäßiger, Richtung Nordsee auch frischer und böiger (7,
evtl. 8 Bft) Südwest- bis Westwind.

Modellvergleich und -einschätzung

Die geschilderten Abläufe werden sehr ähnlich simuliert, die Entwicklung der
Großwetterlage in Richtung HM oder BM (Hoch bzw. Brücke Mitteleuropa) ist
unstrittig. Unschärfen respektive kleine Unterschiede im Detail sind in der
Regel nicht warn- und nur bedingt prognoserelevant.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann