#SXEU31 #DWAV S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Freitag, den 28.10.2022 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 281800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.10.2022 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Dekadenrekord (sehr wahrscheinlich) geknackt – Müllheim (BW) löst mit
vorläufigen 28,7°C Emmendingen-Mundingen (BW) mit 28,6°C aus dem Jahr 2006 ab.
Milder bis warmer Oktoberausklang – Wochenende und Montag weitgehend
antizyklonal, wenn auch nicht ganz astrein.
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland weiterhin unter einem breiten Höhenrücken,
der von Nordwestafrika über Mitteleuropa bis in den Süden Skandinaviens reicht.
Die Hauptachse des Rückens ist aktuell dabei, langsam nach Osten abzuwandern,
wodurch der gesamte Vorhersageraum vorübergehend unter eine südwestliche
Höhenströmung gelangt. Diese dreht aber bereits im Laufe der Nacht auf westliche
Richtungen, was der Neubildung eines Höhenkeils über Westeuropa geschuldet ist.
Unter dem Strich bleibt das Setup des Geopotenzials stark antizyklonal gefärbt,
was auch für die Verteilung des Bodendrucks gilt. Der ist geprägt von dem
umfangreichen Hoch ZACHARIAS über weiten Teilen Süd- und Südosteuropas, von dem
aus sich ein Keil bis zur Nordsee aufwölbt. Dadurch kann aber nicht verhindert
werden, dass die schwache Kaltfront des mehrkernigen, über dem nahen Atlantik
thronenden Tiefs IRIS ein Stück nach Norddeutschland eindringt, wo sie aber
alsbald ausgebremst wird und nach Westen hin in die Warmfront einer am Westrand
der Biskaya nordostwärts entlangziehenden Frontalwelle übergeht. Mangels
synoptisch-skaliger Unterstützung beschränkt sich die Wetterwirksamkeit der
Front auf mehrschichtige Bewölkung, die sich bis in die mittleren Landesteile,
anfangs gar bis in den Süden ausweitet, aus der aber kaum Regen fällt. Das
Zusammenspiel von Druckanstieg durch Expansion des o.e. Bodenkeils, Annäherung
der Kaltfront und Passage eines flachen Bodentrogs über die Nord- und Ostsee
sorgt im äußersten Norden für eine kurzzeitige Verschärfung des Gradienten. Die
damit einhergehende Auffrischung des westlichen Windes hält sich aber in
Grenzen, Böen der Stärke 7 Bft sind – wenn überhaupt – am ehesten auf Helgoland
sowie zwischen Darß und Nordrügen zu erwarten und das auch nur in einem relativ
kleinen Zeitfenster. Auf dem absteigenden Ast ist der anfangs noch stürmische
Wind auf dem Brocken.
Im Süden ziehen aktuell mal mehr, mal weniger dichte Wolken durch, die im
weiteren Verlauf aber teilweise getilgt wird. Das ruft die Bildung von Nebel und
Hochnebel auf den Plan, allerdings hält sich die Numerik diesbezüglich vornehm
zurück. In einigen Flussniederungen (vor allem Donau, vielleicht auch Main)
sowie am Bodensee dürfte es aber trotzdem klappen, wobei die Sichtweite z.T. auf
unter 150 m zurückgeht. Die Abkühlungsrate ist im Süden am größten, dort sinkt
die Temperatur auf 10 bis 5°C, in einigen Tälern und Senken auch noch etwas
darunter. Dafür bleibt es in mittleren Höhenlagen sehr mild mit teils über 15°C,
weil diese voll in der niedertroposphärischen Warmluft oberhalb der sehr dünnen
Grundschicht liegen. Auf 900 hPa werden morgen früh in der freien Atmosphäre
rund 20°C erwartet! Mild verläuft die Nacht auch im großen Rest des Landes mit
16 bis 9°C, in einigen Nordhanglagen (Lee) sogar noch darüber, ganz im Norden
(postfrontal) lokal etwas darunter.
Samstag … baut der neue Höhenkeil seine Amplitude merklich aus bei
gleichzeitig langsamer Verlagerung nach Osten. Das führt natürlich zu einer
Regeneration des Rückens, dessen Hauptachse am Abend vom westlichen Mittelmeer
über den Westgrenze Deutschlands und die Nordsee hinweg bis hoch nach
Ostgrönland reicht. Er wird flankiert vom Dauerbrenner-LW-Trog über dem nahen
Atlantik und einem über Skandinavien gen Russland schwenkenden Trog. Durch die
starke Neigung des Rückens in nordwestliche Richtung dreht die Höhenströmung bei
uns noch etwas nach rechts auf West-Nordwest, wobei sie nach anfänglicher
Indifferenz zunehmend antizyklonale Konturen annimmt.
Im Bodendruckfeld begrüßen wir ein neues Tief (JENNY) westlich von Irland, in
das auch die o.e. Frontalwelle inkludiert wird. Die gute JENNY unterstützt die
seit Tagen bestimmende, nun aber zunehmend an „Atemnot“ leidende IRIS-Dynastie,
um sie später ganz abzulösen. Die zugehörige Warmfront befindet sich über
Norddeutschland, von wo aus sie nur sehr schleppend (man bedenke die
west-nordwestliche Höhenströmung) nordostwärts vorankommt. Bis zum Abend quält
sie sich etwa bis zu einer Linie Sylt-Oderbruch, schafft es also nicht,
bundesdeutsches Territorium zu verlassen. Sie sorgt in weiten Teilen
Norddeutschlands für reichlich Gewölk, aber nur wenig Regen. Im äußersten Norden
und Nordosten (nördliche SH, Vorpommern) könnte es anfangs noch für etwas
Sonnenschein reichen.
Der große Rest des Landes verbringt den morgigen 12. Spieltag der
Fußballbundesliga (mit dem Schlagerduell der Union-Verfolger Bayern vs. Määnz
05) unter der Ägide des über den Alpen und dem nördlichen Balkan positionierten
Hochs ZACHARIAS. Wenn man so will liegen wir in einem großen, antizyklonal
geprägten Warmsektor, in der die 850-Temperatur im Süden und Südwesten auf für
Ende Oktober rekordverdächtige 18 oder 19°C ansteigt. Das animiert natürlich,
mal einen genaueren Blick in die Prognosesoundings zu werfen, zumal die
Lapse-Rates zwischen 800 und 600 hPa mit sensationellen -0,8 bis -0,82 K/100 m
aufwarten. Und tatsächlich findet man etwa zwischen 900 und 500 hPa eine extrem
labile, nahezu trockenadiabatisch geschichtete EML (Elevated Mixed Layer), wie
man sie eher von Radiosondenaufstiegen aus Casablanca oder Umgebung kennt. Kein
Wunder, dass damit MU-CAPE-Spitzen von 1500 bis 2000 J/kg einhergehen, die
aufgrund des antizyklonalen Setups, des limitierten Wasserdampfgehalts sowie des
starken Deckels mit sehr hohem CIN aber nicht den Hauch einer Chance haben, auch
nur ansatzweise in konvektive Umlagerungen umgewandelt zu werden.
Kurzum, im Süden und nach Abzug der frontalen Bewölkung auch zunehmend in der
Mitte kann sich verstärkt die Sonne in Szene setzen, wobei der Südwesten, die
alpennahen Gebiete und die Nordränder der Mittelgebirge in der Vorhand sind.
Dagegen kann es in den Flussniederungen, wo sich nächtlicher Nebel gebildet hat,
etwas dauern, bis es richtig hell wird. Dort werden dann auch die niedrigsten
Tagestemperaturen erwartet, wobei eine Quantifizierung aufgrund des nur schwer
zu prognostizierenden Zeitpunkts der Nebelauflösung schwierig ist. Im größten
Teil des Landes steht aber wieder ein milder bis sehr milder, regionsweise sogar
warmer Endoktobertag auf der Karte. Und das, obwohl die Durchmischung aufgrund
des etwas schwächeren Windes gegenüber heute schlechter ist und evtl. auch
Saharastaub inkl. hoher Cirrusbewölkung dämpfende Wirkung entfaltet. 15 bis 19°C
sind es unter der frontalen Bewölkung im Norden, sonst 19 bis 25°C (außer bei
zähem Nebel), im Süden teils 26 oder 27°C, lokal wie heute vielleicht sogar um
28°C.
In der Nacht zum Sonntag gilt es erst mal eine Stunde mehr Schlaf zu vermelden –
gut für Früh-, schlecht für Nachtdienste. Die Uhr wird von Sommer- auf
Winterzeit um eine Stunde zurückgestellt, was freilich nichts mit dem Wetter zu
tun hat. Zu diesem gibt es aber auch nicht allzu viel zu erzählen. Der Rücken
legt sich genau über den Vorhersageraum, wobei er beginnt, seine Wellenlänge zu
verkürzen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es als ersten Hinweis auf
eine in naher Zukunft bevorstehende Progression des bis dato so stabilen und
nahezu stationären Potenzialmusters verstanden werden kann. Wie auch immer, die
Warmfront im äußersten Norden und Nordosten kommt weiterhin nur sehr schleppend
voran und bringt dort neben dichten Wolken gebietsweise auch etwas Regen.
Ansonsten präsentiert sich der Himmel gering bewölkt oder klar, wobei sich in
den Flussniederungen wieder Nebel oder Hochnebel bildet. An den
Tiefsttemperaturen ändert sich nur wenig gegenüber der Vornacht.
Sonntag … wandert der Rücken langsam über Deutschland hinweg gen Osten, bleibt
aber wetterbestimmend. Am Ende des Tages erreicht seine Achse die östlichen
Nachbarstaaten. Dahinter dreht die Höhenströmung zurück auf Südwest, wodurch nun
auch endgültig die Warmfront den Vorhersageraum verlassen kann. Und weil die
nachfolgende Kaltfront alles andere als progressiv ist, sondern eher eine
klassisch-gemütlich sonntägliche Kaffeefahrt bevorzugt, verbringen wir auch den
Sonntag in einem antizyklonal geprägten Warmsektor. Mit 14 bis 18°C bleibt T850
extrem hoch, allerdings verschlechtern sich die Durchmischungsbedingungen noch
mehr, weil der Gradient weiter aufweicht und somit der Wind keine oder nur wenig
Fahrt aufnehmen kann. Trotzdem wird auch dieser vorletzte Tag des Oktobers 2022
ein sehr milder bis warmer mit 17 bis 24°C, am Nordrand der Mittelgebirge sowie
im Süden lokal um 25°C. Das liegt nicht zuletzt natürlich auch an der Sonne, die
sich nicht lumpen lässt und aufgrund nachlassender mitteltroposphärischer WLA
wohl auch nicht mehr so sehr durch hohes und mittelhohes „Zeug“ gestört wird.
Allerdings wird auch für Sonntag etwas Saharastaub prognostiziert, dem ja
grundsätzlich ein gewisses Überraschungspotenzial zu eigen ist. Unsicher ist
derzeit auch noch, wie viel Nebel sich in der Vornacht tatsächlich bildet.
Dieser könnte am Sonntag in einigen Flusstälern zäher Natur sein, was
selbstredend natürlich auch Einfluss auf die Temperaturentwicklung hätte.
In der Nacht zum Montag tut sich wenig, was u.a. damit zusammenhängt, dass die
Kaltfront beginnt zu verwellen und somit nur wenig Boden nach Osten hin
gutmacht. Vielleicht reicht es am frühen Morgen im äußersten Westen und
Nordwesten für etwas Regen, sicher ist das aber keinesfalls. Der größte Teil des
Landes verbringt die Nacht im antizyklonalen Warmsektor, in dem sich
gebietsweise Nebel oder Hochnebel bildet.
Montag … verlagert sich der Rücken weiter nach Osten, was uns zunehmend auf
die direkte Vorderseite des LW-Troges über dem nahen Atlantik bzw. Westeuropa
bringt. Damit kann auch die weiterhin zur Wellenbildung neigende Kaltfront etwas
Boden nach Osten gutmachen, wobei sie mit einem aus dem Haupttrog
herauslaufenden Sekundärtrog interagiert. Schlussendlich muss man aber
konstatieren, dass die Umstellung der Großwetterlage hin zu zyklonaleren
Bedingungen auch zu Beginn der Woche noch nicht so richtig in Fahrt kommt. Zwar
werden vor allem der Norden und Nordwesten zeitweilig mit dichteren Wolken
versorgt, aus denen hier und da etwas Regen fällt. Der größte Teil des Landes
bleibt aber unter leichtem Hochdruckeinfluss mit einer Mischung aus Sonne,
hohen, teils mittelhohen Wolken sowie einigen zähen Nebel- oder
Hochnebelfeldern. Mit 16 bis 23°C (bei zähem Nebel darunter) wird es zwar nicht
mehr ganz so warm wie an den Vortagen. Gleichwohl verabschiedet sich der Oktober
mit überdurchschnittlichen Temperaturen und wenn nicht noch irgendetwas ganz
Unvorhergesehenes dazwischenkommt, geht er mit wahrscheinlich rund 12,6°C
Flächenmitteltemperatur bei uns in Deutschland (ebenso wie bei unseren schweizer
und österreichischen Nachbarn) als der wärmste Oktober seit Beginn der
Aufzeichnungen in die Geschichte ein.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Entwicklung kann sowohl aus deterministischer als auch probabilistischer
Perspektive als unstrittig angesehen werden.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann